Runde #282: Fallstricke des Spielejournalismus

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Stefan H.
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Re: Runde #282: Fallstricke des Spielejournalismus

Beitrag von Stefan H. »

Andre Peschke hat geschrieben: 4. Sep 2020, 18:14
Stefan H. hat geschrieben: 4. Sep 2020, 16:05 Wenn ich mich richtig entsinne hat Dom sinngemäß gesagt: Mal richtig abwerten und dann schauen wie Ubisoft reagiert.
Hmmmm...das hab ich null in Erinnerung. Gut, es war spät... ist schon eine Weile her für mich... aber... sicher?

Andre
Selbst unsicher geworden: 1h19 ff. Knallhart 10 Punkte abwerten. Den Teil mit Ubisofts Reaktion hat sich mein Gedächtnis ausgedacht.
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Andre Peschke
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Re: Runde #282: Fallstricke des Spielejournalismus

Beitrag von Andre Peschke »

Stefan H. hat geschrieben: 4. Sep 2020, 18:51 Den Teil mit Ubisofts Reaktion hat sich mein Gedächtnis ausgedacht.
Ja, das meinte ich. Dachte gerade so: "Huh... da hätte ich normal ja schon nachgefragt, sowas..." :D

Andre
Rigolax
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Re: Runde #282: Fallstricke des Spielejournalismus

Beitrag von Rigolax »

Stefan H. hat geschrieben: 4. Sep 2020, 16:05Wenn ich mich richtig entsinne hat Dom sinngemäß gesagt: Mal richtig abwerten und dann schauen wie Ubisoft reagiert.
Andre Peschke hat geschrieben: 4. Sep 2020, 18:54
Stefan H. hat geschrieben: 4. Sep 2020, 18:51 Den Teil mit Ubisofts Reaktion hat sich mein Gedächtnis ausgedacht.
Ja, das meinte ich. Dachte gerade so: "Huh... da hätte ich normal ja schon nachgefragt, sowas..." :D

Andre
Aber das obige sagt Dom doch so ziemlich genau, ab 1:20:22:

„Das hat ja alles eine Daseinsberechtigung, es ist ja in Ordnung, dass sich die Skala da irgendwie eingependelt hat, und dass es dafür dann keine Abwertung gibt, aber das ist einfach nicht meine Vorstellung davon, wie man so eine Wertungsskala einsetzen könnte. Stellt euch mal vor, Ubisoft bringt so‘n Spiel raus, Anno 1800, und bekommt meinetwegen jetzt von GameStar, das ist ein gutes Beispiel, weil die eben so vielleicht das größte und einflussreichste Magazin in der Hinsicht sind, und GameStar sagt knallhart: Nö, guckt mal hier, ihr hättet von uns eine 85 bekommen, was weiß ich, aber ihr habt euch da so frech um dieses Thema gedrückt und ihr habt uns da mehrfach angelogen in Interviews und deswegen kriegt ihr von uns 15 Punkte Abzug. Da könnt ihr euch mal vorstellen, was dann da für Gespräche bei Ubisoft losgehen würden, dass sie überlegen würden, okay, entweder wir setzen die unter Druck oder wir überlegen uns, wie wir das in Zukunft anderes lösen können, und das hat so eine Macht und das wird leider nicht genutzt, und das finde ich schade.“

(Leichte Ungenauigkeiten vorbehalten, da Audio-Transkription von Hand nicht unbedingt einfach ist, ich gab mir aber wirklich Mühe. Ist auch leider ein Problem mit Podcasts, das es schwierig ist, Aussagen im Detail nachzuvollziehen).
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Andre Peschke
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Re: Runde #282: Fallstricke des Spielejournalismus

Beitrag von Andre Peschke »

Rigolax hat geschrieben: 4. Sep 2020, 19:44 Aber das obige sagt Dom doch so ziemlich genau, ab 1:20:22:
Ich verstehe ihn nicht im Sinne von "ich wähle diese Wertung nur um zu sehen wie / zu erreichen das Ubisoft reagiert", sondern "ich würde so werten wollen (unabhängig von allem) und stell dir mal vor, welchen positiven Effekt das hätte, wenn das möglich wäre".

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Re: Runde #282: Fallstricke des Spielejournalismus

Beitrag von Rigolax »

Andre Peschke hat geschrieben: 4. Sep 2020, 20:03
Rigolax hat geschrieben: 4. Sep 2020, 19:44 Aber das obige sagt Dom doch so ziemlich genau, ab 1:20:22:
Ich verstehe ihn nicht im Sinne von "ich wähle diese Wertung nur um zu sehen wie / zu erreichen das Ubisoft reagiert", sondern "ich würde so werten wollen (unabhängig von allem) und stell dir mal vor, welchen positiven Effekt das hätte, wenn das möglich wäre".

Andre
Okay, als quasi "Schuss ins Blaue" habe ich den Satz von Stefan H. dahingehend aber nicht verstanden: "Mal richtig abwerten und dann schauen wie Ubisoft reagiert". Ubisoft kann ja reagieren, indem sie dann künftig solche Inhalte anders (nicht-)thematisieren, sei es in Interviews oder im Spiel selbst, oder reagieren indem sie sagen: ist uns doch egal, ob ihr (GameStar) deswegen abwertet, etc.

Das solche Abwertungen planmäßig eingesetzt werden würden, scheint mir auch allgemein klar, sonst wäre es ja auch recht destruktiv. Oder ich versteh die Diskussion hier nicht mehr. ;)
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Andre Peschke
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Re: Runde #282: Fallstricke des Spielejournalismus

Beitrag von Andre Peschke »

Rigolax hat geschrieben: 4. Sep 2020, 20:17 Das solche Abwertungen planmäßig eingesetzt werden würden, scheint mir auch allgemein klar, sonst wäre es ja auch recht destruktiv. Oder ich versteh die Diskussion hier nicht mehr. ;)
Ich hatte die Kritik so verstanden, dass er Dom so verstanden hat, als würde er die Wertung instrumentalisieren, um Ubisoft zum Umdenken zu zwingen. Ich verstehe es nur so, dass Dom quasi positive Nebeneffekte erwähnt.

Aber mei. Wir hatten die ganze Anno 1800 Diskussion eh schonmal. Ich seh Doms grundsätzlichen Punkt mit der Spannweite von Kritik, aber Anno 1800 und seine Sklaven erscheint mir weiter als ein schlechtes Beispiel. Vielleicht müssen wir doch irgendwann mal ne Folge machen, wo wir das ausdiskutieren. :D

Andre
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Terranigma
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Re: Runde #282: Fallstricke des Spielejournalismus

Beitrag von Terranigma »

Stefan H. hat geschrieben: 4. Sep 2020, 16:05Wenn ich mich richtig entsinne hat Dom sinngemäß gesagt: Mal richtig abwerten und dann schauen wie Ubisoft reagiert. Das hat meines Erachtens mit Journalismus einfach gar nichts mehr zu tun. Egal wie edel die Motive sein mögen, das ist kaum besser als die reaktionären Spieler die ein Battlefield abwerten weil es weibliche Soldaten zeigt.
Die Spielspaßwertung soll ja den Spaß als Zahl zum Ausdruck bringen, den man hatte. Und wenn dieser aufgrund entsprechender Aspekte niedriger ausfällt, so ist's konsequent, dass auch die Wertung dies zum Ausdruck bringt. Eben weil die Wertung in diesem Fall ja genau das beziffert, was vorlag: der empfundene Spielspaß. Die Abwertung ist daher kein Nachgedanke, um dem Spiel nachträglich eins reinzuwürgen, sondern ergibt sich daraus, dass man beim Spielen eben weniger Spaß hatte aufgrund dieses Aspekts.

Bei dem von dir genannten Fall bzgl. weiblichen Soldaten in Battlefield, wäre für mich eine Wertung nicht aussagekräftig, würde dies als Negativpunkt mit Verweis auf das hist. Szenario im Zweiten Weltkrieg angeführt und zur geringeren Wertung führen. Eben weil dieser Punkt für mich keine Relevanz hat. Allerdings kann ich zur Kenntnis nehmen, dass es abseits jeglicher Misogynie einige Spieler gibt, für die dies ein handfester Negativpunkt ist, weil es ihre erwünschte Zweite Weltkrieg-Phantasie bricht, die sie von einem Battlefield erwarten. Für diese Spieler wäre wiederum ein Test relevant, der diesen Aspekt berücksichtigt. Im Internet gibt's ja so viele Tests, sodass es ja geradezu redundant wäre, würden alle Tester nach denselben Maßstaben gemäß Minimalkonsens urteilen. Wofür braucht man dann überhaupt all die Videospiel-Journalisten, wenn ihre Tests derart ähnlich sind?

Insofern würde ich auch hier sagen: Ja, man kann selbstverständlich weibliche Soldaten in Battlefield mit hist. Szenario abwerten, wenn man als Tester aufgrund dessen tatsächlich weniger Spaß am Spiel empfindet und dies im Test entsprechend darlegt und verargumentiert. Andere Tester, die's nicht so sehen, werden entsprechend auch anders urteilen. Damit hätte man eine Bandbreite an Perspektiven und Werturteilen, was ja im Sinne des Meinungspluralismus nur zu begrüßen ist. Grundlegend neu ist dieser Ansatz ja nicht: Auch Dimy sprach ja darüber, das man es nicht allen Recht machen kann und gar nicht erst versuchen sollte.

Und dann kann man dies auch als Kritikpunkt bei Anno 1800 anführen, wenn's einen gestört hat. Mich persönlich kotzt etwa Nebenquest-Füllmaterial mit dem lieben Hinweis ab: "Hier hast du minderwertigen Content, aber hey, du kannst ihn auch ignorieren. Aber ich hau dir jetzt trotzdem mal die Map mit Icons voll." Eben weil ich unfähig bin sowas zu ignorieren und mich das total wurmt. Andere Spieler können das, und für die ist's dann eben kein Kritikpunkt.
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Re: Runde #282: Fallstricke des Spielejournalismus

Beitrag von Rigolax »

Andre Peschke hat geschrieben: 4. Sep 2020, 20:21
Rigolax hat geschrieben: 4. Sep 2020, 20:17 Das solche Abwertungen planmäßig eingesetzt werden würden, scheint mir auch allgemein klar, sonst wäre es ja auch recht destruktiv. Oder ich versteh die Diskussion hier nicht mehr. ;)
Ich hatte die Kritik so verstanden, dass er Dom so verstanden hat, als würde er die Wertung instrumentalisieren, um Ubisoft zum Umdenken zu zwingen. Ich verstehe es nur so, dass Dom quasi positive Nebeneffekte erwähnt.
Okay danke, ich versteh's nun wohl. Dazu kurz: instrumentalisieren würde ich als Wort dafür nicht benutzen, weil es imho die Wertung legitim nutzen würde. Ich finde es ja allgemein nicht (journalistisch) verwerflich, bewusst abzuwerten, um Entwickler/Publisher zum Umdenken zu bewegen ("zwingen" wäre das hier imho nicht). Darum geht's doch ehrlicher Weise oft bei Tests/Reviews/Kritiken oder allgemein im (kritischen) Journalismus? Man macht das ja nicht aus niederen Gründen (persönliche Vendetta etc), sondern aus Sachgründen, die ja hier durchaus vorliegen können; man kann sich aber streiten imho, ob's halt wirklich sinnvoll ist bzw. was die Folgen von solchen Abwertungen sein könnten.

Das Problem wäre aber wohl, dass die GameStar-Wertungen dann doch offenbar auf den Spielspaß abzielen (vgl. https://www.gamestar.de/artikel/das-neu ... denn-genau), also müsste man eine Abwertung dahingehend begründen können (mit Spielspaßverlust), oder halt nur hypothetisch sich überlegen, wie GameStar sonst werten könnte, was ja offenbar auch gemeint war.
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Jon Zen
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Re: Runde #282: Fallstricke des Spielejournalismus

Beitrag von Jon Zen »

Nachdem ich den Podcast nun auch hörte, muss ich ein Lob für die Folge aussprechen. Zuerst dachte ich: "Diese Sau wurde doch schon unzählige Male durch's Dorf getrieben!" - Aber nein, es wurde viele neue und auch zum Nachdenken anregende Argumente diskutiert, auch aus verschiedenen Perspektiven. Dass Dimitry dabei war, machte die Folge ebenso facettenreicher.
Das hat mir sehr gefallen!

Den Anno-Sklaverei Punkt von Dom konnte ich jedoch nicht ganz nachvollziehen, weil das Spiel nicht im Jahre 1800 spielt, sonderm im British Empire des ausgehendem 19. Jahrhundert (1870er bis ca. 1900er --> man mag mich gerne korrigieren), also nachdem die Sklaverei dort bereits verboten wurde (Slavery Abolition Act vom Jahr 1833) und alle Sklaven 1834 ihre "Freiheit" erlangten.
Der Fehler hierzu ist vielmehr die Namensnennung "1800" im Titel.
Deswegen wären kämen mir die Worte "Kolonialismus", "Klassengesellschaft", "soziale Ungleichheit", "Unterdrückung der Frau" in den Sinn bei Anno 1800.
Bei Ubisoft und Blue Byte dachte man sich vermutlich, dass dies ein "Feelgood" Spiel werden soll und hat entsprechend alles Leid, jede Unterdrückung und jegliche Ungerechtigkeit in Anno 1800 verbannt.
Das kann man notwendig finden, z.B. weil ansonsten die meisten Szenarien für Feelgood Aufbauspiele wegfallen. Man darf aber genauso gut diesen Geschichtsrevisionismus kritisieren (wie Dom es tat), was ich für sehr wichtig erachte, gerade in Zeiten, wo Nachkommen von Gangster ihre Schlösser wieder wollen (die sie nicht selten durch Sklavenarbeit aka. Frondienste errichten ließen) und andere den Nationalismus hochhalten.
Wenn man den Geschichtsrevisionismus eines Spiels kritisiert, ist es nur konsequent, dass dies Auswirkungen auf eine Wertung hat.
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VikingBK1981
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Re: Runde #282: Fallstricke des Spielejournalismus

Beitrag von VikingBK1981 »

Also ich muss sagen, mich persönlich interessieren klassische Tests fast gar nicht mehr. Ich spiele nun fast 34 Jahre und muss sagen, es gibt kaum noch Spiele die gar nicht mehr zu gebrauchen sind. Ein klassische Produkttest, wie noch in den 80ern und 90ern brauche ich nicht mehr. Zumal das Medium mir schwer das heutige Spielgefühl vermitteln kann. Mich interessieren eher die Themen rund um Spiele, Reportagen, Kolumnen, Berichte sind das was ich gerne konsumiere. Denke hier haben die meisten Erzeugnisse den Wechsel verpennt. Klar wird es immer eine Laute Gruppe geben, die den klassischen Test und die Wertung behalten will, Aber sie ist denke ich nicht die überwiegende Mehrheit.
Stefan H.
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Re: Runde #282: Fallstricke des Spielejournalismus

Beitrag von Stefan H. »

Rigolax hat geschrieben: 4. Sep 2020, 20:51
Andre Peschke hat geschrieben: 4. Sep 2020, 20:21
Rigolax hat geschrieben: 4. Sep 2020, 20:17 Das solche Abwertungen planmäßig eingesetzt werden würden, scheint mir auch allgemein klar, sonst wäre es ja auch recht destruktiv. Oder ich versteh die Diskussion hier nicht mehr. ;)
Ich hatte die Kritik so verstanden, dass er Dom so verstanden hat, als würde er die Wertung instrumentalisieren, um Ubisoft zum Umdenken zu zwingen. Ich verstehe es nur so, dass Dom quasi positive Nebeneffekte erwähnt.
Okay danke, ich versteh's nun wohl. Dazu kurz: instrumentalisieren würde ich als Wort dafür nicht benutzen, weil es imho die Wertung legitim nutzen würde. Ich finde es ja allgemein nicht (journalistisch) verwerflich, bewusst abzuwerten, um Entwickler/Publisher zum Umdenken zu bewegen ("zwingen" wäre das hier imho nicht). Darum geht's doch ehrlicher Weise oft bei Tests/Reviews/Kritiken oder allgemein im (kritischen) Journalismus? Man macht das ja nicht aus niederen Gründen (persönliche Vendetta etc), sondern aus Sachgründen, die ja hier durchaus vorliegen können; man kann sich aber streiten imho, ob's halt wirklich sinnvoll ist bzw. was die Folgen von solchen Abwertungen sein könnten.

Das Problem wäre aber wohl, dass die GameStar-Wertungen dann doch offenbar auf den Spielspaß abzielen (vgl. https://www.gamestar.de/artikel/das-neu ... denn-genau), also müsste man eine Abwertung dahingehend begründen können (mit Spielspaßverlust), oder halt nur hypothetisch sich überlegen, wie GameStar sonst werten könnte, was ja offenbar auch gemeint war.
Ich mag ein konservatives Bild von Journalismus haben, aber für mich ist ein Journalist, in der ersten Linie jemand der Informationen zusammenträgt,validiert, gewichtet und letztendlich zusammenfasst und für einen Rezipienten aufbereitet. Das hat für mich sehr viel von einem Naturwissenschaftler.
Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört
Hanns Joachim „Hajo“ Friedrichs

Entsprechend ist as zum "Umdenken bewegen" eines Publishers schon sehr grenzwertig. Meines Erachtens ist der gravierende Vertrauensverlust den der Journalismus im Allgemeinen zu verkraften hat, eben darauf zurückzuführen, dass viele Journalisten ihre Kunden zum Umdenken bewegen wollen. Und dieses Ziel allzu häufig über die journalistischen Prinzipien stellen.

Dabei darf der Journalist auch seine persöhnliche Meinung - deutlich getrennt von den Fakten - darlegen. In einer Spielebewertung wird das heutzutage sowieso eher der überwiegende Teil sein. Aber das Ziel sollte nie eine bewusste Manipulation sein - weder des Rezipienten noch des Gegenstands seines Berichts, sondern die Möglichst umfassende Information des Rezipienten damit dieser sich eigenständig eine Meinung bilden kann.
Rigolax
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Re: Runde #282: Fallstricke des Spielejournalismus

Beitrag von Rigolax »

Stefan H. hat geschrieben: 10. Sep 2020, 19:55 Ich mag ein konservatives Bild von Journalismus haben, aber für mich ist ein Journalist, in der ersten Linie jemand der Informationen zusammenträgt,validiert, gewichtet und letztendlich zusammenfasst und für einen Rezipienten aufbereitet. Das hat für mich sehr viel von einem Naturwissenschaftler.
Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört
Hanns Joachim „Hajo“ Friedrichs

Entsprechend ist as zum "Umdenken bewegen" eines Publishers schon sehr grenzwertig. Meines Erachtens ist der gravierende Vertrauensverlust den der Journalismus im Allgemeinen zu verkraften hat, eben darauf zurückzuführen, dass viele Journalisten ihre Kunden zum Umdenken bewegen wollen. Und dieses Ziel allzu häufig über die journalistischen Prinzipien stellen.

Dabei darf der Journalist auch seine persöhnliche Meinung - deutlich getrennt von den Fakten - darlegen. In einer Spielebewertung wird das heutzutage sowieso eher der überwiegende Teil sein. Aber das Ziel sollte nie eine bewusste Manipulation sein - weder des Rezipienten noch des Gegenstands seines Berichts, sondern die Möglichst umfassende Information des Rezipienten damit dieser sich eigenständig eine Meinung bilden kann.
Das Zitat von Friedrichs hatte ich lustiger Weise hier auch schon paraphrasiert zuvor (viewtopic.php?p=147113#p147113). Im Grunde ist das imho ja ein Streit um die Rolle und Funktion von Journalismus und auch in gewisser Weise Generationenkonflikt.

Ich würde aber auch sagen, dass zumindest deutlich werden sollte, wenn man bewusst eine Meinung vertritt, natürlich vor allem wenn es um die Darstellungsform der Nachricht geht. Im Endeffekt halte ich die Rezipienten als Ganzes auch für eh zu intelligent, auf Dauer und bei einer gewissen Deutlichkeit fällt schon auf, wenn man etwas unterjubeln will, gerade wenn man dazu noch einen Neutralitätsanspruch behauptet. Dahingehend gibt's ja nun aber auch diese ganze Framingdebatte, wobei das teils auch imho vielleicht etwas überzogen ist in Bezug auf die tatsächliche Mächtigkeit von Frames.

Jedenfalls frag ich mich aber, wenn man sich die Mühe macht, Medien zu rezensieren, ob man nicht auch die Industrie dahinter beeinflussen will, zumindest ein bisschen. Wenn man ein Spiel für schlecht erachtet und das so artikuliert, schwingt doch immer mit, dass davon dann künftig weniger entwickelt wird. Dessen sollte man sich zumindest bewusst sein als Rezensent imho, und wenn man sich dessen bewusst ist, kann man ja auch so ehrlich sein und zugeben, dass man diese "Macht" quasi "einsetzen" könne. Nichts anderes passiert ja ohnehin schon imho.

Wenn man jetzt also Quick-Time-Events für ganz schlimm hält (gab ja mal eine Phase früher, als die vielleicht inflationär vorkamen) und das dann so artikuliert, dann will man doch auch, dass sie nicht mehr in der Form reproduziert wird, zum Beispiel. Oder noch'n Beispiel, politischer: Wenn Journalisten Steuer-, Umwelt-, Justizskandale etc. aufdecken, also dann geschieht das doch auch oft mit der Absicht, dass die Gesellschaft darauf reagiert und es von solchen Dingen weniger gibt. Das war meines Erachtens auch schon immer so, auch als beim Spiegel zum Beispiel noch kein Kommentar denkbar wäre, der dafür argumentiert, dass die "Zeit der Neutralität" vorbei sei https://www.spiegel.de/kultur/new-york- ... e6a484f8ce (leider paywalled)
Stefan H.
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Re: Runde #282: Fallstricke des Spielejournalismus

Beitrag von Stefan H. »

Rigolax hat geschrieben: 10. Sep 2020, 21:28
Stefan H. hat geschrieben: 10. Sep 2020, 19:55 Ich mag ein konservatives Bild von Journalismus haben, aber für mich ist ein Journalist, in der ersten Linie jemand der Informationen zusammenträgt,validiert, gewichtet und letztendlich zusammenfasst und für einen Rezipienten aufbereitet. Das hat für mich sehr viel von einem Naturwissenschaftler.
Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört
Hanns Joachim „Hajo“ Friedrichs

Entsprechend ist as zum "Umdenken bewegen" eines Publishers schon sehr grenzwertig. Meines Erachtens ist der gravierende Vertrauensverlust den der Journalismus im Allgemeinen zu verkraften hat, eben darauf zurückzuführen, dass viele Journalisten ihre Kunden zum Umdenken bewegen wollen. Und dieses Ziel allzu häufig über die journalistischen Prinzipien stellen.

Dabei darf der Journalist auch seine persöhnliche Meinung - deutlich getrennt von den Fakten - darlegen. In einer Spielebewertung wird das heutzutage sowieso eher der überwiegende Teil sein. Aber das Ziel sollte nie eine bewusste Manipulation sein - weder des Rezipienten noch des Gegenstands seines Berichts, sondern die Möglichst umfassende Information des Rezipienten damit dieser sich eigenständig eine Meinung bilden kann.
Das Zitat von Friedrich hatte ich lustiger Weise hier auch schon paraphrasiert zuvor (viewtopic.php?p=147113#p147113). Im Grunde ist das imho ja ein Streit um die Rolle und Funktion von Journalismus und auch in gewisser Weise Generationenkonflikt.

Ich würde aber auch sagen, dass zumindest deutlich werden sollte, wenn man bewusst eine Meinung vertritt, natürlich vor allem wenn es um die Darstellungsform der Nachricht geht. Im Endeffekt halte ich die Rezipienten als Ganzes auch für eh zu intelligent, auf Dauer und bei einer gewissen Deutlichkeit fällt schon auf, wenn man etwas unterjubeln will, gerade wenn man dazu noch einen Neutralitätsanspruch behauptet. Dahingehend gibt's ja nun aber auch diese ganze Framingdebatte, wobei das teils auch imho vielleicht etwas überzogen ist in Bezug auf die tatsächliche Mächtigkeit von Frames.

Jedenfalls frag ich mich aber, wenn man sich die Mühe macht, Medien zu rezensieren, ob man nicht auch die Industrie dahinter beeinflussen will, zumindest ein bisschen. Wenn man ein Spiel für schlecht erachtet und das so artikuliert, schwingt doch immer mit, dass davon dann künftig weniger entwickelt wird. Dessen sollte man sich zumindest bewusst sein als Rezensent imho, und wenn man sich dessen bewusst ist, kann man ja auch so ehrlich sein und zugeben, dass man diese "Macht" quasi "einsetzen" könne. Nichts anderes passiert ja ohnehin schon imho.

Wenn man jetzt also Quick-Time-Events für ganz schlimm hält (gab ja mal eine Phase früher, als die vielleicht inflationär vorkamen) und das dann so artikuliert, dann will man doch auch, dass sie nicht mehr in der Form reproduziert wird, zum Beispiel. Oder noch'n Beispiel, politischer: Wenn Journalisten Steuer-, Umwelt-, Justizskandale etc. aufdecken, also dann geschieht das doch auch oft mit der Absicht, dass die Gesellschaft darauf reagiert und es von solchen Dingen weniger gibt. Das war meines Erachtens auch schon immer so, auch als beim Spiegel zum Beispiel noch kein Kommentar denkbar wäre, der dafür argumentiert, dass die "Zeit der Neutralität" vorbei sei https://www.spiegel.de/kultur/new-york- ... e6a484f8ce (leider paywalled)
Ich bin ja vollständig bei dir wenn du sagst das es dem Rezipienten auffällt wenn im etwas untergejubelt werden soll - deswegen ja auch der massive Vertrauensverlust in die Medien. Und das viele Medien noch nicht einmal verstehen wo das Problem in der Framing-Debatte ist.

Wenn sich jemand Journalist nennt und sich die Mühe macht Medien zu rezensieren, dann sollte er meines Erachtens ausschließlich- ich wiederhole mich - das Ziel haben den Rezipienten zu informieren. Den wenn mehr als ein Ziel, also neben Information auch Manipulation, verfolgt, kommt es zwangsläufig irgendwann zu Konflikten zwischen beiden Zielen und es wird zu verlockend das erstere im Zweifel zu vernachlässigen um das zweitere zu erreichen. Es ergibt sich zwangsläufig aus der Menschlichkeit selbst, den üblichen Mechanismen zur Auflösung kognitiver Dissonanz.
Um bei den Quicktime Events zu bleiben: Ja die waren häufig nicht so schön. Wenn aber ein Spiel gekommen wäre, das die eigentlich ordentlich umgesetzt hätte, dann wäre ein "Journalist" der zum Ziel hat die Quicktime-Events aus der Industrie zu vertreiben in einer Zwickmühle.
Genauso, wenn wir wieder politisch werden, bei Steuer-, Umwelt-, Justizskandalen. Was jetzt wenn ein umweltpolitisch engagierter "Journalist" erkennen würde, dass ein großer Spendengeld-Skandal bei Greenpeace lauert? Gerade weil er durch seine Arbeit viele Kontakte und Insiderwissen über diese Organisation hat. Kann er denn wirklich mit dem gleichen Enthusiasmus aufklären, wie eine Müllverklappung in der Ostsee?
Ich glaube nur die wenigsten Journalisten könnten das. Und damit wieder bei Hanns Joachim „Hajo“ Friedrichs.
Rigolax
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Re: Runde #282: Fallstricke des Spielejournalismus

Beitrag von Rigolax »

Stefan H. hat geschrieben: 10. Sep 2020, 21:54 Ich bin ja vollständig bei dir wenn du sagst das es dem Rezipienten auffällt wenn im etwas untergejubelt werden soll - deswegen ja auch der massive Vertrauensverlust in die Medien. Und das viele Medien noch nicht einmal verstehen wo das Problem in der Framing-Debatte ist.

Wenn sich jemand Journalist nennt und sich die Mühe macht Medien zu rezensieren, dann sollte er meines Erachtens ausschließlich- ich wiederhole mich - das Ziel haben den Rezipienten zu informieren. Den wenn mehr als ein Ziel, also neben Information auch Manipulation, verfolgt, kommt es zwangsläufig irgendwann zu Konflikten zwischen beiden Zielen und es wird zu verlockend das erstere im Zweifel zu vernachlässigen um das zweitere zu erreichen. Es ergibt sich zwangsläufig aus der Menschlichkeit selbst, den üblichen Mechanismen zur Auflösung kognitiver Dissonanz.
Um bei den Quicktime Events zu bleiben: Ja die waren häufig nicht so schön. Wenn aber ein Spiel gekommen wäre, das die eigentlich ordentlich umgesetzt hätte, dann wäre ein "Journalist" der zum Ziel hat die Quicktime-Events aus der Industrie zu vertreiben in einer Zwickmühle.
Genauso, wenn wir wieder politisch werden, bei Steuer-, Umwelt-, Justizskandalen. Was jetzt wenn ein umweltpolitisch engagierter "Journalist" erkennen würde, dass ein großer Spendengeld-Skandal bei Greenpeace lauert? Gerade weil er durch seine Arbeit viele Kontakte und Insiderwissen über diese Organisation hat. Kann er denn wirklich mit dem gleichen Enthusiasmus aufklären, wie eine Müllverklappung in der Ostsee?
Ich glaube nur die wenigsten Journalisten könnten das. Und damit wieder bei Hanns Joachim „Hajo“ Friedrichs.
Die Grenze zwischen Aktivismus und Journalismus verschwimmt dahingehend auch schon in solchen Fällen. Siehe auch Preise für "Haltung", "Haltungsjournalismus" etc. Ich find's ja zum Beispiel nicht besonders gut für das Image eines Journalismus, wenn ein Rezo den Henri-Nannen-Preis gewinnt für seine dann doch recht tendenziöse Medienkritik, die bei jemanden auf dem anderen Ende des politischen Spektrums mit gleicher Art und (potentieller) Reichweite artikuliert wohl kaum preiswürdig gewesen wäre, aber okay.

Man kann allerdings entgegenhalten, dass es ja einen Pluralismus im Journalismus und den Medien gibt. Also in dem Sinne könnte man hoffen, dass sich etwaige Biases, auch im Agenda-Setting, ausgleichen. Ob das so 100% funktionieren würde, bezweifel ich aber (auch). In dem Sinne stimme ich auch zu, dass Journalisten von Berufs wegen definitiv bereit sein sollten, über Dinge zu berichten, die ihren eigenen Interessen schaden könnten (und dann mit gebotener Neutralität/Sachlichkeit/Gewissenhaftigkeit vorgehen), oder derartiges zumindest an Kollegen weiterreichen, wenn man es gar nicht über sich bringen kann, was ich mir bei manchen Themen vielleicht vorstellen kann.
Stefan H.
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Re: Runde #282: Fallstricke des Spielejournalismus

Beitrag von Stefan H. »

Rigolax hat geschrieben: 10. Sep 2020, 22:13
Man kann allerdings entgegenhalten, dass es ja einen Pluralismus im Journalismus und den Medien gibt. Also in dem Sinne könnte man hoffen, dass sich etwaige Biases, auch im Agenda-Setting, ausgleichen.
Unglücklicherweise informieren sich viele Menschen (jeder politischen Richtung!) eben nicht in vielen Medien um eben die verschiedenen Biases herauszusubtrahieren sondern suchen sich, wieder sehr Menschlich, Medien die ihre Ansicht bestärken. Die berühmte Filterblase eben. Ein Zustand den eigentlich niemand für gut hält und für die der "moderne" Journalismus, meines bescheidenes Erachtens, hauptverantwortlich ist.
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