Cthalin hat geschrieben: ↑6. Jan 2021, 17:26
Ach Feamorn, ich bin da gänzlich bei dir.
Auch wenn wir das Glück haben hier immerhin zu zweit festzustecken. Wir schaffen das schon alle irgendwie. Und wenn's gar nicht mehr geht, haben wir hier ein nettes Forum, ein schönes Hobby zum Ablenken und bestimmt auch auf dem Discord nette Menschen zum Plaudern und Kennenlernen. Sollt ich mir vielleicht selbst mal zu Herzen nehmen.
Maßnahmen-"Tests" gibt es bei uns nicht, weil keine Regierung so gesehen werden will, als wüsste man gar nicht was man tut. Lieber wird jede dumme Idee mit einer Vehemenz vorgetragen, als wäre das der nächste Angriff auf das Virus. Und jedes Ansteigen der Zahlen klingt dann auch gleich wieder danach, als würde das Virus "vollkommen unerwartet zurückschlagen". Dabei ist der komplette Verlauf bisher schon im März letzten Jahres so von einigen Virologen vorhergesagt worden.
Zu einem nachvollziehbaren Politikertreiben würde aber auch gehören Fehler einzugestehen und eben daraus zu lernen und anzupassen. Aber eine Fehlerkultur haben wir irgendwie nicht. Das ist immer schwierig zu begreifen für Menschen wie mich, die eher aus dem naturwissenschaftlichen Bereich kommen. ^^
Ja, klar. Ich bin auch bestimmt niemand, der nach schnellen Öffnungen ruft oder so, im Gegenteil sind mir die Maßnahmen eben oft nicht entschieden genug. Wenn man schon anfängt sich irgendwie im Graubereich zu bewegen, was die Rechtslage angeht, dann nur halt bitte mit einem erkennbaren Plan, der auch irgendwie Erfolg verspricht. Was ich halt nicht verstehe, wie oft man von irgendwelchen Entwicklungen "überrascht" wird. War es wirklich nicht abzusehen, dass sich die Leute alle nach Winterberg begeben werden zwischen den Jahren? Klar war das unvernünftig von den Menschen, aber nachdem man jetzt schon echt lange quasi "nichts mehr" durfte, kann es einen nicht wundern, wenn dann eine bestimmte Masse auf die Idee kommt, dass "Skifahren an der frischen Luft" da wie eine gute Idee aussieht. Da hätte man sich auch was überlegen können, bevor die Gegend überrannt wird. Dass das mit der Eigenverantwortung nicht ausreichen wird, war nach dem letzten Jahr doch irgendwie abzusehen.
Oder so Späße wie, "ja, die Kitas sind offen, aber bitte bringt die Kinder wenn möglich nicht hin", das ist eine Rauchbombe, denn so lange die Kitas offen sind, werden viele Arbeitgeber verlangen, dass die Eltern arbeiten kommen. Es sind so viele Gesellschaftsbereiche, die auf diese Art zur Zeit alleine gelassen werden. Mit das schlimmste Beispiel die tollen Finanzhilfen für die Selbstständigen, wo dann Hilfen nur zur Deckung von Fixkosten verwendet werden dürfen, wo doch gerade die Selbstständigen in der Regel zusehen, dass die Fixkosten möglichst niedrig bleiben. Die Fixkosten sind dort, den Bauch voll zu bekommen und die Wohnung zu zahlen, dafür darf das Geld aber nicht genutzt werden. Stattdessen werden sie gezwungen sich in die Löwenhöhle von ALGII geschickt. Die Betroffenen sind ja aber nicht im klassischen Sinne "Arbeitssuchende" sondern sind teilweise von einem plötzlich quasi staatlichem Berufsverbot betroffen. Die brauchen keinen anderen Job, sondern eine Überbrückung, bis sie wieder arbeiten können, zumal man die ja nicht ernsthaft in andere Jobs drängen wollen wird (wird ja in der Masse auch kaum möglich sein), denn wenn das Ganze durch ist, braucht man die ja auch wieder in ihren ursprünglichen Jobs.
Auf der anderen Seite dann die Arbeitnehmer, in deren Beruf ein arbeiten daheim temporär möglich wäre, die Arbeitnehmer aber trotzdem auf Anwesenheit bestehen (begegnen mir bei Twitter immer wieder, habe natürlich keine Evidenz, wie weit verbreitet das wirklich ist), auch hier hätte man mehr als ein paar "eindringliche Bitten" auf die Beine bringen können.
Ich bin echt heilfroh, dass bei uns in der Firmengruppe (Softwareentwicklung) Homeoffice schon vorher prinzipiell möglich war (gerade in meiner Firma auch üblich, wenn auch in kleinerem Maßstab) und die Skalierung unserer Infrastruktur dafür recht schmerzlos von statten ging. Ich habe das große Glück, dass ich ohne Probleme seit Februar 2020 nicht mehr im Büro war und dennoch weiter normal arbeiten konnte, dazu gab es sogar zwischendurch steuerfreie Extrazahlung die man, sofern nötig, bitte in die Verbesserung des heimischen Arbeitsplatzes investieren sollte. Da bin ich unheimlich privilegiert, frage mich aber auch, warum einige Firmen offenbar nicht einmal bereit sind, hier das Minimum zu bieten.
Im persönlichen Bereich kämpfe ich halt vor allem mit dem Wegfall meiner üblichen Zeitvertreibe, wobei wir tatsächlich einzelne Aktivitäten im Freundeskreis beibehalten haben, auch wenn man z.T. die Vorgaben ignoriert werden, durch unsere jeweiligen Situationen dürften wir aber trotzdem alle deutlich weniger Kontakte haben, als viele die immer noch in den ÖPNV getrieben werden. Das ist auch tatsächlich notwendig, um die mentale Gesundheit wenigstens ein Bisschen beisammen zu halten. Natürlich pausieren wir, wenn jemand krank ist, oder jetzt vor Weihnachten, um Besuche bei den Eltern zu ermöglichen, da haben wir halt jeweils isoliert. Aber einem Freund ist vor einem guten Jahr die Frau gestorben, der hockt mit den Kindern jetzt alleine da, wenn wir uns nicht dann und wann sehen würden, wäre der auch am Ende. Wenn ich die Verkäufer in den Supermärkten hier abziehe, kann ich meine Kontakte in den letzten 11 Monaten dennoch an zwei Händen abzählen, bei meinen Freunden sieht es ähnlich aus (und durch die Überschneidung ist die Gesamtgruppe vermutlich nicht viel größer). Völlige Isolation bzw. Einstellung von Aktivitäten ist für so einen langen Zeitraum halt auch völlig illusorisch, dann hat am Ende wirklich die Gesamte Bevölkerung beim Therapeuten sitzen. Es wäre nur alles sehr viel klarer und einfacher zu organisieren, wenn die Vorgaben entsprechend langfristig geplant würden, und nicht immer wieder mit so kurzem Vorlauf erneuert würden und dadurch am Ende über lange Zeiträume total unrealistische Bedingungen setzen. Das führt am Ende nur dazu, dass die Leute anfangen zu ignorieren oder zu sagen "ach, die eine Ausnahme ist nicht so tragisch", aber eben ohne Plan und damit am Ende (im Kontext der Pandemie) eben doch ggfalls "gefährlich".
Ich denke das wichtige ist wirklich, wieder auf ein Level herunter zu kommen, dass die Gesundheitsämter wieder nachverfolgen können. Dabei hilft eben auch, wenn in der Bevölkerung kommuniziert wird, dass es enorm hilft, wenn man die eigenen Kontakte nachhält, oder sich z.B. immer nur mit den gleichen Leuten trifft, dann bleibt das Infektionsgeschehen nämlich nachverfolgbar und die gefürchteten Superspreaderevents gering, wenn nicht generell aus.
Aber dafür müsste man eben auch klar sagen, wie die Lage ist, dass sie noch bleibt, und dass man da zusammenarbeiten muss, da es sonst eben für jeden schlimm wird.