COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

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lipt00n
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von lipt00n »

Ich war schon im Dezember der Meinung, man hätte strikter und härter reagieren müssen und fühle mich jetzt darin auch bestätigt.

Die Situation in der hessischen Kinderbetreuung ist im Übrigen eine Farce. Während in meiner eigenen Einrichtung eine Quote von rund 50% herrscht (zum Vergleich: Im Frühjahr waren es 5-10% in der "Notebetreuung") berichten mir befreundete Kollegen Auslastungen von 75-95% in ihren jeweiligen Einrichtungen. Laut einem Bericht der hessenschau aus dieser Woche ist das kein vereinzeltes Phänomen.
Eine Bereitstellung von FFP2-Masken im Sinne des Arbeitsschutzes funktioniert nur schleppend bis gar nicht, manche Träger sperren sich sogar komplett gegen solche (notwendigen) Mehrausgaben -alles zu Lasten der Beschäftigten. Von der Trostlosigkeit des Arbeitsalltags noch gar nichts genannt: Kaum Nähe, kein Tanzen, kein Singen, keine Ausflüge (außer draußen auf den Spielplatz gehen), viele Kinder ohne Freunde, keine Bewegungsangebote/Sportspiele im Innenraum, kein Toben und Raufen, ständiges Anhalten zu Abstand und erinnern an die Maskenpflicht (diese übrigens durchgehend und überall mit Ausnahme des Essens, da klassenübergreifende Schulkindbetreuung im Hort).

Es ist jetzt der zehnte Monat und ich bin langsam am Ende mit meinem Verständnis. Dazu kommt, dass man im privaten Bereich alles einschränkt was nur geht (und diese Entscheidungen selbstverständlich mitträgt), alles auf ein Minimum reduziert, dann aber auf der Arbeit dem Kontakt mit 30, 40 Haushalten ausgesetzt wird -mit oben genannten Mängeln.
Ich habe keine Lust mehr.
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biaaas
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von biaaas »

Wenn man mit dem Frühjahr vergleicht, kann man hier in Sachsen gut den Unterschied zwischen einem rechtzeitigen und einem zu späten Lockdown sehen.
ZiggyStardust
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von ZiggyStardust »

bluttrinker13 hat geschrieben: 14. Jan 2021, 18:30
Rince81 hat geschrieben: 14. Jan 2021, 18:21 Anekdotische Erfahrung von mir. Ich bin April einmal unterwegs gewesen auf der Autobahn. Erster Lockdown, Geschäfte und Kultur zu. Die Autobahn (A24) war gespenstisch leer. Und mit leer meine ich richtig leer, The Walking Dead mäßig leer. Ich habe auf 40km kein einziges Auto auf meiner Spur gesehen und auf der Gegenspur vielleicht 10. Jetzt im Dezember und Januar? Völlig normaler Verkehr. Die Leute haben sich im Frühjahr von alleine zurück gehalten. Jetzt nicht mehr...
Ja, stimmt. Hier in B auch. Aber damals waren sie / wir defensiv, da ein großes Ausmaß an (emotionaler) Unsicherheit herrschte. Das führt zu Vermeidungsverhalten. Das ist nun aber weg und kann meines Erachtens auch nicht wieder herbeigeholt werden. Die Lage ist, psychologisch, eine völlig andere.
Da muss ich zustimmen. Die Pandemie geht jetzt schon seit zehn Monaten und ich kenne immer noch niemanden, der nachweislich infiziert war. Was natürlich auch damit zusammenhängen kann, dass die Tests sauteuer sind und man sich daher ohne Symptome wohl nur in Ausnahmefällen testen lässt.

87% der Toten aktuell lebten in Pflege- oder Altenheimen. Diese Menschen stehen eh mit einem Bein in Grab und sind gesundheitlich stark angeschlagen. Da kann auch eine Lungenentzündung schnell tödlich verlaufen, diese führt jedes Jahr zu 30.000 Toten:
https://www.morgenpost.de/ratgeber/arti ... F_OjEbkORI

Für die Pflegekräfte ist die aktuelle Situation natürlich extrem belastend, aber die miserablen Arbeitsbedingungen dieser Berufsgruppen sind Politik und Bevölkerung seit Jahrzehnten bekannt. Trotzdem ändert sich nichts. "Augen auf bei der Berufswahl!" scheint das Motto zu lauten. Solche Aussagen wie von Herrn Söder und Herrn Gabriel sind auch alles andere als hilfreich:
https://twitter.com/sigmargabriel/statu ... 0286455811

Sollte die Dynamik von B117 nicht durch einen Shutdown gebrochen werden, nutzt selbst die beste Impfstrategie nicht, da wir dem Infektionsgeschehen durch Impfungen nicht vorgreifen könnten. Wir wären immer hinter der Welle, nie davor. Die Grenzen sind offen, als gäbe es keine Pandemie. Das ist ein Unding! Wir brauchen wieder Grenzschließungen und -kontrollen wie im Frühjahr, dazu geschlossene Luft- und Wasserwege und Ausnahmen ausschließlich für existenziell notwendigen Güterverkehr. Wir sehen doch ganz deutlich, dass das B117-Virus eingeschleppt wird. Diesem Geschehen wird ungerührt zugeschaut.
Yano
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Yano »

ZiggyStardust hat geschrieben: 15. Jan 2021, 10:39Solche Aussagen wie von Herrn Söder und Herrn Gabriel sind auch alles andere als hilfreich:
https://twitter.com/sigmargabriel/statu ... 0286455811
Wenn es eine Impflicht fürs Pflegepersonal gäbe, würden wir auf einen Schlag c.a. ein Drittel des eh kaum vorhandenen Personals verlieren.
Rince81
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Rince81 »

Glaube ich nichts ganz, es gibt offensichtlich keine belastbaren Zahlen darüber wie die Impfbereitschaft . Die Aussage von Gabriel ist einfach nur dumm. Kein Mensch ist bisher in Pflegeheimen gestorben weil Mitarbeiter nicht geimpft waren. Das geht rein faktisch nicht.
Zuletzt geändert von Rince81 am 15. Jan 2021, 13:52, insgesamt 1-mal geändert.
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biaaas
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von biaaas »

ZiggyStardust hat geschrieben: 15. Jan 2021, 10:39
Da muss ich zustimmen. Die Pandemie geht jetzt schon seit zehn Monaten und ich kenne immer noch niemanden, der nachweislich infiziert war. Was natürlich auch damit zusammenhängen kann, dass die Tests sauteuer sind und man sich daher ohne Symptome wohl nur in Ausnahmefällen testen lässt.
Die Tests werden doch von der Krankenkasse bezahlt, oder was meinst Du?
Ein PCR Test kostet ca. 40 €, die Schnelltests sind ähnlich im Preis. Ich habe mir, da ich mit der Familie in Quarantäne war (meine Frau war positiv), einen Antigen Test gegönnt der kostet 20€. Also Sauteuer würde ich das jetzt nicht bezeichnen.
Es gab/gibt ca. 2Mio bestätige Fälle in Deutschland, je nachdem wo Du wohnst und wie dein Freundeskreis so aussieht ist es nicht unwahrscheinlich das es da keinen positiv getesteten gab. Hier bei mir sieht das schon ganz anders aus....
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Cthalin
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Cthalin »

Zahlen in Deutschland sind eh nicht belastbar. Getestet wird nur bei harten Symptomen und selbst dann kommen Ämter und Labore nicht hinterher. Kontaktpersonen 1. Grades teils dennoch nicht getestet - "du hast ja nur 2 Std neben dem gesessen, das ist schon ok". Keine Kontrollgruppentests wie in UK zb (1000 zufällige Personen testen -> belastbare Zahlen zu Altersverteilung, Inzidenz usw). Bei uns wird stattdessen immer mehr Niedrig-Test-Strategie gefahren. Warum auch nicht, wenn sonst klar werden würde, wie sehr wir versagen.

Ich möchte folgenden Kommentar hier auch einfach mal da lassen. Der ist schon sehr direkt und auch links-orientiert, falls das jemandem wichtig ist. Aber er schreibt einmal deutlich nieder, was mir so durch den Kopf geht, wenn wieder drüber debattiert wird, dass die >1000 Toten am Tag doch eigentlich "sowieso bald gestorben wären". >.< https://www.volksverpetzer.de/kommentar/zerocovid/

@biaaas: Wo kostet ein PCR Test 40€? Die liegen normalerweise bei rund 100€. Und werden nur von der Kasse bezahlt, wenn du vom Amt dazu aufgefordert wirst, einen Test machen zu lassen. Wirst du nur kaum noch, siehe erster Absatz. Es gibt private Angebote dafür die aber entsprechend 100€ kosten im Dreh. Ansonsten gibt es die Schnelltests an jeder zweiten Ecke, das stimmt. Preislich zwischen 25-40€. Deren Erkennungsrate ist aber lediglich bei einer akuten Infektion genau. Bist du nur latent infektiös oder schon wieder am Genesen, ist die Aussage des Schnelltests relativ unsicher.
biaaas
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von biaaas »

Ok, der Preis ist falsch hätte nicht nur den ersten Link lesen sollen, das waren nur die Laborkosten.
Aber wir haben hier inzwischen 4 Tests machen lassen, 3 im Frühjahr bei den Kindern und einer vor Weihnachten bei meiner Frau. Die wurden alle ohne eine Aufforderung des Gesundheitsamtes bezahlt. Nur den Antigen Test, den ich nach der Quarantäne wollte, muss ich selber bezahlen.
Yano
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Yano »

Rince81 hat geschrieben: 15. Jan 2021, 13:17 Glaube ich nichts ganz, es gibt offensichtlich keine belastbaren Zahlen darüber wie die Impfbereitschaft .
Das war jetzt eine grobe Einschätzung von dem Haus wo ich arbeite, sowie das umhören bei Kollegen in anderen Häusern.
Interessanterweise ist selbst auf den Quarantäne Stationen wo ich zwischenzeitlich eingesetzt werde die Impfbereitschaft nicht vollumfänglich vorhanden.
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Cthalin
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Cthalin »

Nächstes Treffen vorgezogen, es wird erneut über Verschärfungen beraten: https://www.focus.de/politik/deutschlan ... 72112.html
Die Kanzlerin, ihr Kanzleramtsminister Helge Braun (beide CDU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) haben schon lange die Büros und andere Arbeitsplätze als Virus-Tummelplatz ausgemacht.
:ugly: Weiß ich nicht recht was man dazu sagen soll.

Aber die Kurve aus Irland und B117 macht schonmal tolle neue Hoffnungen für die nächste Zeit. Bin ja mal gespannt was für tolle populistische Stimmen wir dann aus welchen Ecken hören werden, wenn wir mit Triagen anfangen müssen.
Imho hilft nur ein richtiger Lockdown für 2-3 Wochen mit dem Ziel "0 Neuinfektionen". Das wird gesellschaftlich aber nicht mehr in Deutschland machbar sein. Nicht einmal wegen der Arbeitgeber o.ä., sondern einfach weil die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht da ist. Wenn da jemand 2 Wochen frei hat und zuhause bleiben soll, gehen doch wieder die ganzen Ausflüge, Reisen und sonstwas los. Solidarität hört halt da auf, wo ich mich selber einschränken müsste. Und "die kleine Ausnahme" die ich selbst mache, ist doch "nicht sooo schlimm", schließlich halten sich auch mehr als die Hälfte aller Deutschen für viel vorsichtiger als der Durchschnitt. :lol: (https://www.youtube.com/watch?v=T6ou9lP5HS8)
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Pinoccio134 »

Yano hat geschrieben: 15. Jan 2021, 14:46 Das war jetzt eine grobe Einschätzung von dem Haus wo ich arbeite, sowie das umhören bei Kollegen in anderen Häusern.
Interessanterweise ist selbst auf den Quarantäne Stationen wo ich zwischenzeitlich eingesetzt werde die Impfbereitschaft nicht vollumfänglich vorhanden.
Meine bessere Hälfte arbeitet auch im Krankenhaus.
Bei ihr im Haus ist die Impfbereitschaft auch sehr durchwachsen, sowohl beim Pflegepersonal als auch bei den Ärzten.

Die meisten bemängeln, dass sie nicht gut genug aufgeklärt werden, bzgl. Wirkweise, Nebenwirkungen usw.
Außerdem vermissen auch viele eine genaue Aufklärung, warum die Entwicklung und im speziellen die Zulassung der Impfstoffe so zügig von statten ging. In der Regel dauert der ganze Prozess wohl deutlich länger und viele fürchten daher wohl bisher unbekannte Langzeitnebenwirkungen oder Ähnliches.

Sind halt auch alles nur Menschen und wollen nicht die ersten sein, die ein Medikament, mit eventuell noch nicht vollständig bekanntem Wirkspektrum, bekommen.
Kann man ja verstehen... Wenn ich das Gefühl hätte, dass ich unfreiwillig zur Langzeitstudie werde, würde ich es mir auch 2 mal überlegen.

Mit besseren Erklärungen und intensiver Aufklärung könnte man diese Hürde sicherlich überwinden.
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Fouriety
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Fouriety »

Pinoccio134 hat geschrieben: 16. Jan 2021, 23:59 Die meisten bemängeln, dass sie nicht gut genug aufgeklärt werden, bzgl. Wirkweise, Nebenwirkungen usw.
Außerdem vermissen auch viele eine genaue Aufklärung, warum die Entwicklung und im speziellen die Zulassung der Impfstoffe so zügig von statten ging. In der Regel dauert der ganze Prozess wohl deutlich länger und viele fürchten daher wohl bisher unbekannte Langzeitnebenwirkungen oder Ähnliches.

Aber alle diese Informationen sind doch öffentlich zugängig? Und auch nicht irgendwo versteckt, sondern sehr schnell zu finden. Also ja, bessere Aufklärung wäre sehr zu begrüßen, gerade für die Allgemeinbevölkerung, aber gerade Ärzte sollten doch recht schnell in der Lage sein, sich selbst über diese Themen zu informieren.


Über alle diese Fragen hat Sandra Ciesek (Leiterin der Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt) diese Woche auch im Corona Update gesprochen. Hier z.B. zum Thema Zulassung (wegen Länge mal in Spoiler-Tags, tl;dr: Es konnte viel schon vorhandene Forschung wiederverwendet werden, einzelne Phasen der Studien wurden parallel durchgeführt (die auch wirklich parallel durchgeführt werden können, z.B. "Tauchen nach dem Impfen auch brav Antikörper auf?" und "Welche Dosis ist optimal?" - warum man das normalerweise nacheinander macht sollte ebenso klar sein wie warum man es jetzt z.T. parallel gemacht hat), Behörden haben sich intensiver wissenschaftlich beraten lassen und schon während der Studie erste Ergebnisse begutachtet - die Sicherheit sieht Sandra Ciesek dadurch aber nicht beeinträchtigt - gerade wegen der viele Probanden in den Studien).
SpoilerShow
Sandra Ciesek: Diese kurze Entwicklungszeit, die hat verschiedene Gründe. Der erste Grund ist, das Virus SARS-CoV-2 ist zwar neu, aber nicht unbekannt. Es gibt schon SARS-CoV-1, also das SARS-Virus aus 2002/2003, und es gibt MERS. Hier wurden einfach Vorarbeiten genutzt, die damals oder auch im Laufe der Zeit in der Impfstoffentwicklung gesammelt wurden. Also sie wussten, welches Antigen ist das beste, auf das ich meine Impfstoffentwicklung konzentrieren muss. Was muss ich beachten? Da konnte man relativ viel Zeit abkürzen, indem man die Vordaten, die Vorarbeiten nutzen konnte und einfach Kenntnis über das Antigen hatte, was für die Impfstoffentwicklung sinnvoll ist. Das wäre zum Beispiel anders gewesen, wenn es ein Virus gewesen wäre, wo es noch nie ein ähnliches Virus gegeben hätte.

Dann haben wir neue Impfstofftechnologien, die man nennen muss. Also diese mRNA-Impfstoffe sind ja wirklich neu. Und man sieht, dass die auch jetzt die sind, die als Erstes zugelassen wurden. Die klassischen Impfstoffe hinken ein bisschen hinterher beziehungsweise dauern länger.

Ein weiterer Zeitvorteil ist, dass man sowohl die präklinischen Untersuchungen und die klinischen Prüfungen parallel durchführt, aber auch überlappende Phase-I, -II und -III-Prüfung durchführt. Das heißt, ich schaue nach Bildung von Antikörpern nicht nur in Phase I, sondern kombiniere das auch mit Phase II und schaue direkt nach Verträglichkeit und nach verschiedenen Dosen. Das ist hier auch erfolgt, dass man diese Phasen kombinieren konnte.

Dann gibt die Behörde an, dass sie einfach durch diesen Druck der Öffentlichkeit und diese Pandemie intensive wissenschaftliche Beratung eingeholt hat, mehrfach. Das ist anscheinend anders als bei anderen Impfstoffen, dass man einfach sehr eng wissenschaftlich beraten und begleitet wurde.

Was auch sicherlich wichtig ist: die finanzielle Unterstützung durch die EU oder die Bundesregierung. Da ist viel Geld geflossen, damit die Firmen schon den Impfstoff produzieren können, auch wenn die Zulassung noch nicht erfolgt ist. Damit man nicht erst nach der Zulassung anfängt zu produzieren, wie es sonst der Fall ist, um einfach kein Risiko einzugehen. Und natürlich auch, dass weltweit zusammengearbeitet wurde. Wenn man jetzt mal die WHO nennt oder andere Zulassungsbehörden, die arbeiten einfach wirklich eng zusammen.

Eine Besonderheit ist auch dieser Rolling Review, ich weiß nicht, ob Sie das schon mal gehört haben. Normalerweise machen Sie eine Studie, dann stellen Sie die Daten zusammen und dann werden die bei der Behörde eingereicht. Hier ist es so, dass man einen sogenannten Rolling Review gemacht hat. Das heißt, man hat in den Studien Zwischenberichte und immer wieder Zwischenauswertungen gemacht und die schon bewertet. Und nicht erst eine Studie komplett abgeschlossen und dann bewertet. Wenn man aber immer wieder in regelmäßigen Zeitabständen, während die Studie schon läuft, Beurteilungen macht, dann geht diese ganze Bürokratie natürlich viel schneller.

Das sind alles Gründe, warum es so optimal gelaufen ist und da ein Impfstoff so schnell zugelassen werden konnte und das deutlich schneller ging, als das bei anderen Impfstoffen die Regel ist. Trotzdem hat man da bei der Sicherheit oder Verträglichkeit keinen Kompromiss gemacht. Die Studien haben sehr viele Teilnehmer gehabt, wenn man das mit anderen Impfstoffstudien vergleicht, das waren ja 30.000 mindestens. Deshalb muss man sich da jetzt nicht große Sorgen machen, sondern wie gesagt, es sind sehr viele eingeschlossen worden. Das ging auch durch die hohe Anzahl an Erkrankungen in manchen Gebieten auf der Welt sehr schnell. Man muss dann auch noch schauen, wie viele dann erkranken, was wir vorhin erklärt hatten. Wie viele erkranken in der Placebo-Gruppe und in der Gruppe der Geimpften nach der Impfung? Da muss man bestimmte Zahlen erreichen. Wenn die Inzidenz sehr niedrig ist, dann ist das schwer, so eine Studie abzuschließen. Das war durch die Pandemie einfach schneller und auch leichter zu erreichen.

Und was langfristige Nebenwirkungen angeht: Ich hab das letztens schon mal gelesen und Sandra Ciesek sagt es auch nochmal deutlich: Es gibt bei Impfungen keine Nebenwirkungen, die erst Jahre später auftreten. Die kommen nach mehreren Stunden/Tagen, ganz vereinzelt auch Wochen. Wenn dann nichts kommt (und die Studien sind mehr als ein paar Wochen alt), kommt nichts mehr. Der einzige Grund, aus dem Langzeitstudien wichtig sind, ist: Ganz seltene Nebenwirkungen, die nur in der Größenordnung 1/100.000 o.ä. auftreten, bemerkt man eben erst, wenn man ein paar Hunderttausend bis Millionen Leute geimpft hat - und damit immer (!) erst, wenn der Impfstoff zugelassen ist, egal wie lange die Zulassung dauert. So viele Leute bekommt man nun mal in keine Studie. Dann reden wir aber schon von Risiken, die deutlich (!) geringer sind als bei einer COVID-Erkrankung.
SpoilerShow
Sandra Ciesek: Wenn man sich mal die Nebenwirkungen anschaut. Wie gesagt, wir haben bei BioNTech etwa 44.000 und bei Moderna immerhin 30.000 Teilnehmer, die an der Phase III teilnahmen. Hier traten die Nebenwirkungen in der Regel innerhalb von zwei Tagen nach der Impfung auf. Das waren meistens Lokalreaktionen, das heißt eine Rötung, Schwellung, Schmerzen im Arm. Und die hielten selten länger als ein bis zwei Tage an, sodass das innerhalb von einer Woche stattfindet. Wie man das auch von anderen Impfungen kennt, die man macht.
[...]
Späte Nebenwirkungen – zum Beispiel, wenn man sagt, eine Nebenwirkung tritt drei Jahre nach der Impfung auf. Nimmt man das mal als Beispiel. Das macht eigentlich keinen Sinn, weil man das anders sehen muss, als wenn man regelmäßig ein Medikament einnimmt, was sich zum Beispiel anreichern kann oder wo sich Metabolite im Körper anreichern können. Das haben wir bei der Impfung in dem Sinne nicht. Also die Nebenwirkungen bei einer Impfung treten in der Regel Stunden bis ein paar Tage nach der Impfung auf. Und verschwinden dann auch wieder, weil man nur zweimal geimpft wird und diese Impfung nicht dauerhaft erfolgt.

Bei Lebendimpfungen ist es ein bisschen anders. Da hat man eher später eine Reaktion. Die korreliert mit der Inkubationszeit des jeweiligen Erregers. Wenn man sich Masern – der klassische Lebendimpfstoff – anschaut, da hat man Nebenwirkungen oft erst nach einer Woche oder zehn Tagen. Und diese allergischen Reaktionen, das ist das, wovon manchmal nach Impfungen berichtet wurde.
[...]
Die können bei jeder Impfung auftreten. Das muss man auch wissen. Die treten meistens sehr schnell danach auf. Es wird immer wieder bei Impfungen über unterschiedliche Autoimmunreaktionen berichtet, die möglicherweise auftreten können. Aber das ist eher nach Wochen und sicherlich nicht nach Monaten oder Jahren der Fall, also damit rechnet man eher nach wenigen Wochen. Deshalb bezieht sich das Wort Langzeitschäden bei Impfstoffen gar nicht so auf die Zeit, wann eine Nebenwirkung auftritt, sondern eher auf die Zeit, wann das auffällt. Es ist so, dass es ganz seltene Nebenwirkungen geben kann, auch bei Medikamenten oder bei Impfstoffen, die man erst diesem Impfstoff oder dem Medikament zuordnen kann, wenn genug Leute damit behandelt wurden oder geimpft worden sind. Die sind so selten, dass die bei einem von 100.000 auftreten. Das fällt erst dann auf, wenn Sie einen Zusammenhang erkennen. Nicht beim ersten, sondern vielleicht erst beim zehnten oder beim hundertsten. Da braucht man eine wahnsinnig hohe Anzahl von Impfungen, damit die auffallen.
Quelle (hier als Audio)
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Guthwulf
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Guthwulf »

Fouriety hat geschrieben: 17. Jan 2021, 01:48
Pinoccio134 hat geschrieben: 16. Jan 2021, 23:59 Die meisten bemängeln, dass sie nicht gut genug aufgeklärt werden, bzgl. Wirkweise, Nebenwirkungen usw.
Außerdem vermissen auch viele eine genaue Aufklärung, warum die Entwicklung und im speziellen die Zulassung der Impfstoffe so zügig von statten ging. In der Regel dauert der ganze Prozess wohl deutlich länger und viele fürchten daher wohl bisher unbekannte Langzeitnebenwirkungen oder Ähnliches.
Dann reden wir aber schon von Risiken, die deutlich (!) geringer sind als bei einer COVID-Erkrankung.
Und genau das is der Punkt. Keine Impfung ist perfekt. Es gibt immer Risiken und Nebenwirkungen. Den 1 in 1.000.000 Fall mit lebensbedrohlichen Nebenwirkungen wird man leider im Zweifelsfall nicht finden (egal wie lange und gründlich man das vorher testet) und wenn ich "Glück" habe, bin ich dann genau dieser Fall. Aber das sollte doch klar sein? Frage ist halt: Ist dir das Risiko lieber, an Covid zu erkranken und bei Covid einen lebensbedrohlichen Krankheitsverlauf oder schwere langfristige Schäden (auf die es immer mehr Hinweise gibt) zu bekommen? Oder nimmst du das sehr viel kleinere Risiko von Nebenwirkungen bei der Impfung in Kauf? Ich bin ja auch bereit, meine Wohnung zu verlassen, obwohl das Risiko besteht, im Straßenverkehr von nem Auto überfahren oder auf dem Bürgersteig von nem herunterfallenden lockeren Dachziegel erschlagen zu werden. Das Leben besteht aus lauter Risikoabwägungen.
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Alienloeffel »

Guthwulf hat geschrieben: 17. Jan 2021, 06:49
Fouriety hat geschrieben: 17. Jan 2021, 01:48
Pinoccio134 hat geschrieben: 16. Jan 2021, 23:59 Die meisten bemängeln, dass sie nicht gut genug aufgeklärt werden, bzgl. Wirkweise, Nebenwirkungen usw.
Außerdem vermissen auch viele eine genaue Aufklärung, warum die Entwicklung und im speziellen die Zulassung der Impfstoffe so zügig von statten ging. In der Regel dauert der ganze Prozess wohl deutlich länger und viele fürchten daher wohl bisher unbekannte Langzeitnebenwirkungen oder Ähnliches.
Dann reden wir aber schon von Risiken, die deutlich (!) geringer sind als bei einer COVID-Erkrankung.
Und genau das is der Punkt. Keine Impfung ist perfekt. Es gibt immer Risiken und Nebenwirkungen. Den 1 in 1.000.000 Fall mit lebensbedrohlichen Nebenwirkungen wird man leider im Zweifelsfall nicht finden (egal wie lange und gründlich man das vorher testet) und wenn ich "Glück" habe, bin ich dann genau dieser Fall. Aber das sollte doch klar sein? Frage ist halt: Ist dir das Risiko lieber, an Covid zu erkranken und bei Covid einen lebensbedrohlichen Krankheitsverlauf oder schwere langfristige Schäden (auf die es immer mehr Hinweise gibt) zu bekommen? Oder nimmst du das sehr viel kleinere Risiko von Nebenwirkungen bei der Impfung in Kauf? Ich bin ja auch bereit, meine Wohnung zu verlassen, obwohl das Risiko besteht, im Straßenverkehr von nem Auto überfahren oder auf dem Bürgersteig von nem herunterfallenden lockeren Dachziegel erschlagen zu werden. Das Leben besteht aus lauter Risikoabwägungen.
Ich glaube vielen Menschen ist nicht klar, wie gering das Risiko von impfschäden ist. Gerade bei den jetzigen corona Impfstoffen gab es im UK und Alaska 3 Komplikationen vonaallen verabreichten impfdosen (https://www.deutschlandfunk.de/covid-19 ... id=1215491) .
Und da reden wir von einer allergischen Reaktion, die innerhalb von Minuten auftrat und ambulant behandelt wurde. Und bei zweien war schon bekannt das sie da allergische Reaktionen zeigen könnten.
die Abwägung ist da einfach ein no brainer. Wie bei eigentlich allen Impfungen. Das Risiko der schweren, mitunter tödlichen, Erkrankungen ist so viel höher als der sehr seltene chronische impfschaden.
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Pinoccio134 »

Fouriety hat geschrieben: 17. Jan 2021, 01:48 ...
Das ist alles richtig und auch gut so, dass man sich informieren kann und diese Infos auch findet wenn man sie sucht.
Aber das Problem ist halt, dass man sie suchen muss. Wenn es breitgefächerte Kampagnen zur Aufklärung geben würde, könnte man viel mehr Leute für die Impfungen gewinnen und gleichzeitig den Querköpfen sehr viel Wind aus den Segeln nehmen.

Was das Pflegepersonal und Ärzte angeht, da kann ich nur beschreiben wie es meiner Freundin geht, aber ich denke sie ist damit nicht allein:

Jede Schicht, 8 Stunden oder mehr, sich um die Patienten kümmern, ob nun mit Covid oder ohne, unter stark erschwerten Bedingungen. Personaluntergrenzen sind generell ausgesetzt, sprich eine Pflegekraft betreut bis zu doppelt so viele Patienten wie es eigentlich zugelassen ist. Die komplette Schicht mit FFP2-Maske auf der Nase. Eigentlich sollte nach 3-4 Stunden die Maske mal abgesetzt werden um frei zu atmen und die Maske zu tauschen. Beides kaum möglich, da die Masken selbst im Krankenhaus nicht in ausreichender Stückzahl vorhanden sind und es das Arbeitspensum nicht zulässt die Maske zu tauschen, geschweige denn eine Atempause zu machen.
Patienten alleine rum wuchten, die teilweise doppelt und dreifach so schwer sind wie sie.
Usw. usw...
Nach der Schicht kommt sie total kaputt und/oder weinend nach Hause, ist mit sich und der Welt komplett fertig, ihr tut alles weh und sie will sich nur noch ausruhen, erholen und möglichst nichts mehr von Krankenhaus oder Corona hören, damit sie auch den nächsten Tag wieder übersteht.
Dann soll das Pflegepersonal und die Ärzte, denen es auch nicht so viel besser geht, noch den Elan finden zu recherchieren und sich über die Impfung zu informieren? Kann ihnen nicht mal das abgenommen werden?

Das Gesundheitssystem fußt, nicht erst seit Corona, aber jetzt um so mehr, auf der Ausnutzung des Personals. Ohne die Leute mit Helfersyndrom, die die Berufe gerne machen, würde unser Gesundheitssystem schon lange brach liegen. Denn für das Geld, weit unter 2k nach Steuer, das teilweise in der Branche gezahlt wird, würde keiner sich so mental und physisch kaputt spielen lassen. Doch Politik und Gesellschaft schauen weg bzw. interessiert es sie nicht.
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Yano »

Pinoccio134 hat geschrieben: 17. Jan 2021, 08:42
Fouriety hat geschrieben: 17. Jan 2021, 01:48 ...
....



Nach der Schicht kommt sie total kaputt und/oder weinend nach Hause, ist mit sich und der Welt komplett fertig, ihr tut alles weh und sie will sich nur noch ausruhen, erholen und möglichst nichts mehr von Krankenhaus oder Corona hören, damit sie auch den nächsten Tag wieder übersteht...

Das Gesundheitssystem fußt, nicht erst seit Corona, aber jetzt um so mehr, auf der Ausnutzung des Personals. ...
......

Doch Politik und Gesellschaft schauen weg bzw. interessiert es sie nicht.
Das kann ich nach über 10 Jahren in der Pflege bestätigen.
Ehrlich gesagt ist es sogar noch weit krasser, und ich wäge inzwischen sehr genau ab was ich im Freundes/Familien Kreis von der Arbeit erzähle da es selbst bei Außenstehenden schwere Schäden verursachen kann.

Sämtliche Gesetzesverstöße die in dieser Branche passieren (was täglich geschieht) und aufgedeckt werden bleiben konsequenzlos.
Das ist nicht pessimistisch gemeint, sondern nüchterne Realität.
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bluttrinker13
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von bluttrinker13 »

Ich find's auch krass, wie viel Vorwurf sich von Seiten der Medien jetzt wieder in die in der Frequenz zunehmenden Artikel über Impfwiderwillen bei Ärzten und Pflegepersonal einschleicht. Anstatt einfach mal nachzufragen, vielleicht sogar mal (!) ne Umfrage zu starten, etwas repräsentatives, mit Daten, und dann mal nüchtern Gründe analysieren. Das hätte doch was. Aber stattdessen lese ich Dinge sensu "Warum gerade die, die es besser wissen müssten?" Einfach pfui. Ich muss langsam echt mal meinen Online Medienkonsum einschränken, ich bin da auch nicht mehr ganz nüchtern.
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Braincrack
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Braincrack »

Pinoccio134 hat geschrieben: 17. Jan 2021, 08:42
Fouriety hat geschrieben: 17. Jan 2021, 01:48 ...
Das ist alles richtig und auch gut so, dass man sich informieren kann und diese Infos auch findet wenn man sie sucht.
Aber das Problem ist halt, dass man sie suchen muss. Wenn es breitgefächerte Kampagnen zur Aufklärung geben würde, könnte man viel mehr Leute für die Impfungen gewinnen und gleichzeitig den Querköpfen sehr viel Wind aus den Segeln nehmen.

Was das Pflegepersonal und Ärzte angeht, da kann ich nur beschreiben wie es meiner Freundin geht, aber ich denke sie ist damit nicht allein:

Jede Schicht, 8 Stunden oder mehr, sich um die Patienten kümmern, ob nun mit Covid oder ohne, unter stark erschwerten Bedingungen. Personaluntergrenzen sind generell ausgesetzt, sprich eine Pflegekraft betreut bis zu doppelt so viele Patienten wie es eigentlich zugelassen ist. Die komplette Schicht mit FFP2-Maske auf der Nase. Eigentlich sollte nach 3-4 Stunden die Maske mal abgesetzt werden um frei zu atmen und die Maske zu tauschen. Beides kaum möglich, da die Masken selbst im Krankenhaus nicht in ausreichender Stückzahl vorhanden sind und es das Arbeitspensum nicht zulässt die Maske zu tauschen, geschweige denn eine Atempause zu machen.
Patienten alleine rum wuchten, die teilweise doppelt und dreifach so schwer sind wie sie.
Usw. usw...
Nach der Schicht kommt sie total kaputt und/oder weinend nach Hause, ist mit sich und der Welt komplett fertig, ihr tut alles weh und sie will sich nur noch ausruhen, erholen und möglichst nichts mehr von Krankenhaus oder Corona hören, damit sie auch den nächsten Tag wieder übersteht.
Dann soll das Pflegepersonal und die Ärzte, denen es auch nicht so viel besser geht, noch den Elan finden zu recherchieren und sich über die Impfung zu informieren? Kann ihnen nicht mal das abgenommen werden?

Das Gesundheitssystem fußt, nicht erst seit Corona, aber jetzt um so mehr, auf der Ausnutzung des Personals. Ohne die Leute mit Helfersyndrom, die die Berufe gerne machen, würde unser Gesundheitssystem schon lange brach liegen. Denn für das Geld, weit unter 2k nach Steuer, das teilweise in der Branche gezahlt wird, würde keiner sich so mental und physisch kaputt spielen lassen. Doch Politik und Gesellschaft schauen weg bzw. interessiert es sie nicht.
Versteh immernoch nicht warum diesen Job nicht jeder machen will, klingt nach einem Traumjob :ugly:

Wir sollten uns mal wieder in ganz Deutschland auf den Balkon stellen und klatschen. Ist schon lange her.

Die Pandemie zeigt sehr deutlich viele (selbstgemachte) Probleme auf in Bildung, Gesundheitswesen, Verkehr. Ich mein, ist ja nicht so das es diese nicht schon vorher gab, aber jetzt merkt man "oh scheisse jetzt sind wir darauf angewiesen und nun fliegt uns alles um die Ohren". Traurig wird: sobald die Pandemie vorbei ist, interessiert es wieder keinen.
Pinoccio134
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Pinoccio134 »

Yano hat geschrieben: 17. Jan 2021, 11:31 Das kann ich nach über 10 Jahren in der Pflege bestätigen.
Ehrlich gesagt ist es sogar noch weit krasser, und ich wäge inzwischen sehr genau ab was ich im Freundes/Familien Kreis von der Arbeit erzähle da es selbst bei Außenstehenden schwere Schäden verursachen kann.

Sämtliche Gesetzesverstöße die in dieser Branche passieren (was täglich geschieht) und aufgedeckt werden bleiben konsequenzlos.
Das ist nicht pessimistisch gemeint, sondern nüchterne Realität.
Da kann ich dir leider nur beipflichten...

Meine Mutter arbeitet ebenfalls als Krankenpflegerin im Klinikum. Inzwischen hat sie über 35 Jahre Berufserfahrung. Sie war immer im gleichen Fachgebiet, Orthopädie/Unfallchirurgie.
Seit klein auf erzählt sie mir immer wieder Geschichten von der Station, so habe auch ich den Wandel der Pflege teilweise mitbekommen und wie sehr sich der Arbeitsprozess verändert hat, von der herzlichen Betreuung kranker Personen, hin zum unpersönlichen Abfertigen von Behandlungen.

Vieles was sie früher erzählt hat, könnte man nicht wahllos jedem anvertrauen. Aber das was sie in den letzten Jahren so beschäftigt, und das sie mir anvertraut hat... Viele wären schockiert was so alles im Gesundheitswesen vor sich geht.

Bei jemandem der den Beruf erst ein paar Jahre macht, kann man es ja durchaus verstehen, dass die Person in der aktuellen Situation an die Grenze des Verkraftbaren kommt. Aber selbst Pflegekräfte, wie meine Mutter, mit mehreren Jahrzehnten an Berufserfahrung, können manchmal nicht glauben was da passiert und gelangen an ihre Grenzen des Zumutbaren. Das sollte einem zu Denken geben...
ZiggyStardust
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von ZiggyStardust »

Bin froh, dass meine Mutter vor Corona in Frührente gegangen ist. Sie ist auf dem Nachhauseweg nach der Arbeit gestürzt und wurde dann in der Klinik operiert, wo sie arbeitet. Leider hatten die Ärzte überhaupt keine Erfahrung mit gebrochenen Armen, weil sie halt seit Jahren hauptsächlich Schilddrüsen operiert haben, da dies besonders profitabel ist. Und das ist ein katholisches Krankenhaus, kein privatwirtschaftliches. Weil sie die OP verpfuscht haben und auch das zweite Krankenhaus den recht offensichtlichen Fehler nicht bemerkt hat, hat sich das ganze so lange hingezogen, dass sie in Frührente gegangen ist. Immerhin konnte der Fehler behoben werden, nachdem der Arm mal richtig untersucht und nicht nur geröntgt wurde. Sie hatte nur eine 25%-Stelle, da fällt die Rente entsprechend mickrig aus. Von daher hat die Frührente den Braten auch nicht mehr fett gemacht. Auch sie empfand die Arbeit ganz anders als in den 70er-Jahren, als sie den Beruf erlernt hatte. In vielen Nächten war sie alleine verantwortlich für zwei Stationen und die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen konnte man so gar nicht machen. Viele der Patienten kamen aus Pflegeheimen, die ihre Bewohner immer wieder mal für ein paar Wochen ins Krankenhaus schicken. Sie meinte, dass man diese Patienten früher nicht mehr intensivmedizinisch behandelt hätte. Das sind oft stark demente und bettlägerige Personen, die gar nicht mehr wissen was mit ihnen geschieht. Gesund werden die nicht mehr. Ein weiteres Problem sind Menschen, die eigentlich in ein Pflege- oder Altenheim gehören, aber das nicht wollen und stattdessen ins Krankenhaus gehen. Oft auch in viele verschiedene, damit es nicht so auffällt.
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