Fährmann hat geschrieben: ↑21. Jan 2021, 22:11
dadadave hat geschrieben: ↑21. Jan 2021, 21:43
Die Vorstellung, dass es in der Schwierigkeitskeitsdiskussion irgendwie ausschliesslich um das Erlebnis anderer geht, um Gatekeeping oder sonst irgendeinen Quatsch, und nicht um das eigene Spielerlebnis, die scheint ja echt nicht totzukriegen sein, da perlt jedes Argument ab, das ist wie Teflon.
Ich hab den Verdacht, dass das was mit dem negativen Image des Hardcore-Gamers zu tun hat. Der darf keine guten Gründe für seine Positionen haben, irgendwo muss in Wahrheit eine niedere Absicht dahinter stecken....
Diese Aussage zu diesem Zeitpunkt irritiert mich, weil ich gerade das Gefühl habe, dass die "es sollte keinen easy mode geben"-Position sehr offen kommuniziert, dass es auch um Gatekeeping geht.
Ich finde außerdem, dass das Argument nicht funktioniert, ein easy mode würde das eigene Spielerlebnis schmälern, weil man ihn dann selbst ausgewählt und die prägende Erfahrung verpasst hätte. Ich sehe zwar ein, dass das in der Praxis passieren kann, aber es gibt einen Unterschied in der Aussagekraft des Arguments:
- Wenn mein Spielerlebnis dadurch geschmälert wird, dass die Entwickler einen Schwierigkeitsgrad bauen, der mich komplett überfordert, sind die Entwickler schuld. Ich selbst kann ja erstmal nichts für meine motorischen Fähigkeiten, meine Reaktionszeiten oder meine Videospiel-Literacy.
- Wenn mein Spielerlebnis dadurch geschmälert wird, dass ich mich für einen Schwierigkeitsgrad entscheide, der nicht zu meinen Fähigkeiten passt, bin ich selbst schuld. Ich bin derjenige, der die schlechte Entscheidung getroffen hat. Das gilt umso mehr, wenn mir das Spiel wie etwa Celeste kommunizieren würde, dass der normale Schwierigkeitsgrad die intendierte Erfahrung ist.
In meinen Augen ist es absolut unverhältnismäßig, einer Gruppe von Spieler*innen unverschuldet den Zugang zu Dark Souls zu verweigern (... das sehr wohl auch wegen seiner Story gespielt werden kann), nur weil eine andere Gruppe selbstverschuldet eine schlechtere Erfahrung haben würde.
Mir scheint, dass hier ein typischer Homogenitätsirrtum dieser Irritation zugrunde liegt: Die "anti-easy-mode"-Fraktion ist nicht einheitlich und die einzelnen Leute können jeweils unterschiedliche Gründe für ihre Position haben, ohne dass das widersprüchlich wäre, weil es eben unterschiedliche Leute sind.
Ja, es gibt Leute, für die ist der Gatekeeping-Aspekt wohl auch wichtig.
Das schliesst aber doch nicht aus, dass es anderen Leuten um etwas anderes geht.
Zum anderen Punkt (dem eigentlichen non-Gatekeeping Anti-Easy Mode Argument):
Erstmal würde ich vorausschicken, dass die Praxis doch sicherlich der relevanteste Kontext ist.
Mit dem Versuch, eine moralische Ebene aufzutun und je nach "Spielerverschulden" für die eine oder andere Handhabung des Schwierigkeitsgrades zu argumentieren, kann ich mich leider nicht anfreunden, aus folgenden Gründen:
Das Verständnis der Rolle des Designers respektive des Spielers, das dem zugrunde liegt, ist sehr problematisch. In Designkreisen ist man sich weitgehend einig, dass (fast) immer erstmal der Designer "Schuld" ist.*
Vor allem aber ist eben nicht nur der Spieler, der sich tatsächlich im Schwierigkeitsgrad irrt davon betroffen, wenn mehrere angeboten werden, sondern das ästhetische Erlebnis ALLER Spieler verändert sich. Vielen Leuten mag das egal sein, aber ich bin überzeugt für viele Fans der Serie ist es ein starker Reiz derselben, dass das Spiel ein kompromissloses, unwandelbares Artefakt ist und kein Wunschkonzert. Das kann mal leichter ausfallen wie Demon's Souls, mal schwieriger wie andere Titel, sie profitieren aber alle von diesem heutzutage relativ seltenen Effekt, den das erzielt.
Ich glaube, solange sich das Verständnis nicht durchsetzt, dass das eben eine ganz eigene Erfahrung ist, die dadurch angeboten wird (egal nun, ob man die mag oder mühsam findet), werden alle Diskussionen um den Schwierigkeitsgrad dieser Spiele sich in einem oberflächlichen Kreis drehen.
Ausserdem geh ich mal davon aus, dass die Spiele einigermassen der Vision des Entwicklers entsprechen, wir haben keine Hinweise, dass Zeitdruck oder ähnliches dazu geführt hätten, dass es genau einen Schwierigkeitsgrad gibt, dass die Souls-Spiele jeweils ein unerbittlicher, unabänderlicher Monolith sind, an dem man sich die Zähne ausbeissen soll oder halt auch nicht. Da gibt es schlicht keinen Raum für Verhältnismässigkeitsdiskussionen. Wir beurteilen hier nicht eine staatliche Zwangsmassnahme, sondern ein Kulturprodukt zu Unterhaltungszwecken. Man kann höchstens spekulieren, was kommerziell einträglicher wäre. Es gibt aber keine moralische Ebene hier, die man diskutieren könnte.
Mir fällt doch auch nicht als rot-grün-Farbenblinder ein, einem Maler vorzuwerfen, es sei unverhältnismässig, dass er diese Farben in seinem Bild verwendet und mich dadurch vom vollen Genuss auschliesst, nur um jenen Leuten eine Freude zu machen, die diese Farben toll finden. Er möge doch bitte ein zweites Bild malen, aber diesmal mit mir genehmen Farben (der Vergleich hinkt sogar in der Hinsicht, als dass beim Maler das ästhetische Erlebnis der Betrachter des einen Bildes nicht davon tangiert würde, dass es eine zweite Variante gibt, aber selbst unter diesen mildernden Umständen würde sich niemad so erdreisten)...Die vielbeschworene "entitled gamer" Mentalität wird ja oft in einem anderen Kontext erwähnt, aber für mich sind diese Schwierigkeitsgradsdiskussionen ein Paradebeispiel davon, angesichts der Fülle an verfügbaren Alternativen und der Funktion von Spielen.
Wer sich für die (sehr stimmungsvolle) Projektionsfläche, die bei den Soulsbourne Spielen als "Story" durchgeht, interessiert, der ist bei Vaativydia und Co. wunderbar aufgehoben, dort kriegt man die Story minus das kontroverse Gameplay, das nunmal für andere Menschen den Kern des Spiels ausmacht.
* (Selbst wenn man Spielern "Schuld" zurechnen könnte: Wieso ist der eine für seine Entscheidung zum Schwierigkeitsgrad Schuld, aber der andere nicht, wenn er zum x-ten Mal an einem Gegner scheitert und darauf beharrt, keine Lösungshilfen, Co-op Helfer etc. zu Hilfe zu nehmen, zu cheesen, wie das diese Games hergeben oder einfach die Zeit zu investieren, um das Spiel, das Grinding zulässt, doch noch durchzuspielen? Leute spielen Dark Souls mit dem Kinn durch, auf Bongos und auf Tanzmatten. Das "Exkludierende" beschränkt sich in den allermeisten Fällen also auf die Zeit, die jemand bereit ist, ins Spiel zu investieren. Wer noch nie einen Controller in der Hand hatte, wird auch bei Spielen mit Easy Modus scheitern. Ich hab meiner Mutter neulich bei Astro's Playroom den Controller in die Hand gedrückt, immer wieder ein eindrückliches Erlebnis zu sehen, was man als Gamer alles als gegeben erachtet, was in Wahrheit extrem viel Feinmotorik erfordert, ganz zu schweigen von der Kenntnis unzähliger Konventionen)