Runde #023: Es gibt kein Bier in Rapture (Le grand Bioshock-Folge)

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Filusi
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Runde #023: Es gibt kein Bier in Rapture (Le grand Bioshock-Folge)

Beitrag von Filusi »

Habe die Folge gerade durch und fand sie sehr gut.
Kleine Anregung an Jochen. Bitte gehe liebend gerne auf Begriffe wie Objektivismus genauer und mit Fallbeispielen bei Bioshock ein! Wozu haben wir hier den einen ehemaligen Philosophiestudenten (oder Absolventen? Ich habe noch nicht alle Podcast durch und bisher dazu nichts gehört).

Hier ist doch eure Lücke diese philosphischen Themen mal etwas genauer als die übrige Spielepresse zu behandeln. Gerne auch mit mehreren Podcast zu spezifischen Bioshock oder anderen Spielethemen, wenn die Zeit in einem nicht reicht. Die groben Dinge, die man auch woanders immer wieder zu hören oder lesen bekommt, wo aber der Hintergrund des ganzen fehlt bzw. warum etwas so ist, hört man ja eh woanders. Geht gerade bei solchen Spielen, die mehr als ihr Medium sind, ein bißchen mehr in die Tiefe.

Danke.

Habe jetzt keine Zeit mehr, aber noch viele spezifische Fragen. Ich komme also später nochmal zurück und dann gehts weiter. :)
Falls es schon einen Thread hierzu gab, Sry. Aber die Suchfunktion bot mir keine Antwort.
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W8JcyyU
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Re: Runde #23: Es gibt kein Bier in Rapture (Le grand Bioshock-Folge)

Beitrag von W8JcyyU »

Filusi hat geschrieben: Kleine Anregung an Jochen. Bitte gehe liebend gerne auf Begriffe wie Objektivismus genauer und mit Fallbeispielen bei Bioshock ein! Wozu haben wir hier den einen ehemaligen Philosophiestudenten (oder Absolventen? Ich habe noch nicht alle Podcast durch und bisher dazu nichts gehört).
Unterschreibe ich im Allgemeinen sofort, in der Bioshock-Folge selbst fande ich es aber gut präsentiert.

Manche Referenzen zur Philosophie, aber auch zu Autoren, arten in schlichtes Namedropping aus. Gerade wenn direkt aufeinander fünf, sechs oder sieben Autoren genannt werden, dabei kein Bezug zum Thema hergestellt wird und somit für Außenstehende nicht klar ist, warum diese relevant sein sollen.
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Dostoyesque
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Re: Runde #23: Es gibt kein Bier in Rapture (Le grand Bioshock-Folge)

Beitrag von Dostoyesque »

Mir gings ähnlich bei der Folge, iirc. Es fiel gefühlt oft ein Satz wie "Es ist so fantastisch, weil [Fremdwort]." War auch in der damaligen Gamestar review von der Petra (iirc) so. Alle tummeln sich um den Symbolismus, aber verlieren den Blick auf das Gesamtwerk, das insgesamt dahingehend nicht besonders gut funktioniert. Bioshock ist kein Silent Hill 2.
Böse Zungen würden ja behaupten, dass das Namedroppen in dem Podcast dadurch bedingt ist, dass Bioshock auch nicht viel mehr tut als simples Namedroppen :D Mit einem objektivistischen Staat hat Bioshock nichts zu tun, es gibt auch keinen echten Objektivisten innerhalb von Rapture. Ken Levine wehrt sich auch kontinuierlich gegen konkrete Interpretationen und verweist in Interviews gerne auf "stuff", "things" und sucht die "whatever you think it means" Ausflucht. Ken "it's about stuff and things" Levine schmeißt einfach einen Haufen Philosophiespaghetti an die Wand und hofft, dass etwas kleben bleibt. Er wird dahingehend stark überschätzt [verlinktes Video dahingehend imo interessant]. Er ist mit Sicherheit der beste character writer im business, auch konzeptionell immer ganz vorne dabei, aber der Rest seines writings ist primär ambitioniert und oft nicht besonders gut geschrieben/durchdacht.
Auch Infinite (das deutlich bessere Spiel, weil da sein character writing besser zum Vorschein kam) wurde ja recht weit in der Entwicklung massiv geändert und zusammengeschnitten [Einstein und Heisenberg namedroppen, how dare you, Levine :D] (siehe auch hier), was man im Endprodukt auch sieht. Dem letzten Spieldrittel muss man viel verzeihen
SpoilerShow
(z.B. die shoehorned storyline mit Elizabeths Mutter und den beschissenen Bosskampf, mit dem der subplot endet).
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Filusi
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Re: Runde #23: Es gibt kein Bier in Rapture (Le grand Bioshock-Folge)

Beitrag von Filusi »

Eine meiner Fragen:

zu Bioshock 1: Ich weiß jetzt nicht ob ich hier frei spoilern kann (im zugehörigen Podcast gabs dazu ja schon die Warnung), deshalb setze ich lieber mal die Spoiler zur Vorsicht.
SpoilerShow
Der groß Twist erzeugt ja prinzipiell das Bild der vorhergehenden Entscheidungslosigkeit. Nur wie passt es dann ins Konzept, dass der Spieler entscheiden kann, ob er die Little Sisters tötet oder nicht. Ich habs nur einmal gespielt und kann mich nicht mehr erinnern, aber auch damals schon habe ich mir darum Gedanken gemacht und wusste nicht mehr wirklich ob Atlas/Fontane hier auch etwas zu eingeworfen hat.
Prinzipiell kann es ihm im Gesamtkontext ja nicht egal gewesen sein, was ich als Spielfigur als sein Mittel gegen seinen Gegenspieler A. Ryan dann tatsächlich mit den Little Sisters anstellt.
Warum gibt es also genau hier dann doch nicht ein Anweisung oder wenn doch, wieso wirkt sie dann nicht?
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Dostoyesque
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Re: Runde #23: Es gibt kein Bier in Rapture (Le grand Bioshock-Folge)

Beitrag von Dostoyesque »

Gibt vielleicht eine inhärente Antwort darauf, die ich nicht kenne, aber imo ist das eines der vielen Elemente, das nicht gut durchdacht ist. Ich vermute mal,
SpoilerShow
dass das in die Kategorie "ist Fontaine egal" reinfällt. Der Protagonist ist zu einem gewissen Grad selbstständig und manchmal greift Fontaine eben ein.
Bioshock versemmelt imo aber insgesamt das theming in Sachen Entscheidungsfreiheit, Objektivismus and "stuff" gehörig, die Little Sisters sind das plakativste Beispiel dafür. Es gibt was "Entscheidungsfreiheit" des Protagonisten angeht für mich noch einen viel eigenartigeren Story Moment:
SpoilerShow
Als du zu Beginn des Spiels zum ersten Mal eine Spritze mit Plasmiden findest haut sich der Protagonist diese Spritze so selbstverständlich in den Unterarm, als obs so alltäglich wie das Zähneputzen wäre. Ich versteh bis heute nicht, wo das Sinn macht. Es fällt kein "Would you kindly jam the syringe into your forearm" o.ä. Es macht nur unter der Prämisse Sinn, dass es ein Spiel ist und Dinge passieren müssen, imho.

Zum Thema Bioshock droppe ich mal diesen Post von mir aus einem anderen thread, falls jemand Interesse an narrative design in SS2 vs. Bioshock hat:
SpoilerShow
Dostoyesque hat geschrieben:[...]zum Thema Bioshock würd ich folgenden Blogpost hinterlassen, der imo eindrucksvoll darstellt, inwiefern Bioshock dem Ursprungswerk (System Shock 2) in Sachen narrative design nicht das Wasser reichen kann. Kleiner teaser: Es ist z.B. in der Welt von SS2 absolut logisch und naheliegend, dass die audiologs in der Spielwelt verteilt sind, da sich die Personen vor allem bei der Forschung und Arbeit in dem Raumschiff eben aufzeichnen. Es ist auch technologisch deutlich glaubwürdiger, da es in diesem Setting nicht mehr als einen Knopfdruck kosten kann, eine Aufnahme zu starten. In Bioshock hingegen sind die Audiologs weitesgehend hirnrissig verteilt und reißen einen mMn aus der Spielwelt. Es macht keinen Sinn, dass eine Mutter, die vor sich hin monologisiert, ihren Monolog aufzeichnet, das zugehörige, schwere, analoge Tape in einen Kinderwagen legt, das dann dort liegen bleibt, bis man als Protagonist das Tonband findet. Auch die Art und Weise, wie sich die Personen ausdrücken ist angesichts des Inhalts und ihrer emotionalen Verfassung viel zu erhaben und gewählt. Bioshock fühlt sich sehr gesteuert und gekünstelt an, man merkt, dass das Spiel einen emotional manipulieren will, alles ist sehr stylisch und übertrieben inszeniert, das Spiel kennt keine Bescheidenheit und Subtilität. SS2 ist narrativ und in Sachen world building das deutlich subtilere, organischere und letztlich bessere Spiel.
Das Streichen des Inventars war auch eine selten dämliche Entscheidung in Sachen narrative design, da man ohne Inventar sämtliche Nahrungsmittel sofort ohne Kontrolle in sich reinspachtelt, als ob man 20 Tage nichts gegessen hat.

Wem der Appetizer gefallen hat:
http://thenocturnalrambler.blogspot.co. ... Shock.html" onclick="window.open(this.href);return false;

Bin zwar kein großer Fan von Yahtzee als Kritiker (wenn auch als Unterhalter), aber seine Bioshock "review" ist auch sehr gelungen: https://www.youtube.com/watch?v=vGxo2X4B_LE" onclick="window.open(this.href);return false;
[...]
"It isn't bad, just shallower than it was advertised. I suppose if you got the console version and are used to insipid corridor shooters, then BioShock will seem like the shit. But if you're a PC gamer with more complex games on offer, then you're in for a kick in the balls. Maybe a gentler kick in the balls than most. An extremely pretty, well executed kick in the balls, with the best of intentions, but at the end of the day you're still walking funny."
- mein Lieblingsabsatz von Yahtzee
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Filusi
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Re: Runde #23: Es gibt kein Bier in Rapture (Le grand Bioshock-Folge)

Beitrag von Filusi »

Thx. @ Dostoyesque für die vielen Erläuterungen, werde mich da mal, wenn ich mehr Zeit habe genauer auseinander setzten. Schade nur, dass vieles hinter der englischen Sprachbarriere verborgen liegt, der ich gerade bei so komplexeren Sachverhalten erlegen bin.


Ok, dann die nächste Frage.

Speziel sogar an ...

@ Jochen

... gerichtet.

Nachdem ich Bioshock Infinite durchgespielt hatte, habe ich auch wie so viele im Inet nach weiterer Aufklärung gesucht und ebenfalls jene von Jochen proklamierte häufigste Aussage des Inets gefunden. Aber auch mir fiel es damals schon auf, dass das nicht 100%ig stimmen kann, da auch ich im Museum mit den zu erlesenden Daten durcheinander kam und es nicht sonderlich viel Sinn in der Storyline ergab.

Aufgrund dessen finde ich jetzt insbesondere deine Theorie @ Jochen sehr, sehr spannend, vor allem da mir die Dinge bezüglich des Namens Booker de Witt und dem Eingangstext des Spiel (so alla man solle nicht alles für bare Münze nehmen, was in Erinnerungen dargestellt wird), die du gut erläutert hast, gar nicht bekannt waren.

Hierzu sagtest du @ Jochen ja, dass es nach der Sache mit dem Museum noch weitere Dinge gäbe, welche mit den dargestellten Erinnerungen im Widerspruch stehen, welche wären das genau?

Wenn ich nun diese Theorie priorisiere, was mir derzeit genehmer erscheint, passen aber auch viele andere Dinge nicht mehr ins Licht.
Man nehme also an:
SpoilerShow
Booker ist nicht gleich Booker, sondern irgendwer, somit der Spieler selbst und die Erinnerungen stimmen nicht mehr.
Wer ist dann aber Elizabeth?
Wessen Tochter?
Wenn die Erinnerung nicht stimmt, wie verliert sie dann ihre Fingerkuppe?
Hat sie ihre Fingerkuppe überhaupt verloren?
Wenn ja, wie kam sie zu ihren Fähigkeiten etc.?
Und das kann man endlos fortführen.
Gäbe es deshalb nochmal die Möglichkeit eines Podcast zu dem Thema, wo du deine Theorie genauer und von vorne bis hinten erläuterst?
Das wäre für mich und hoffentlich auch andere äusserst spannend.
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Heretic
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Re: Runde #23: Es gibt kein Bier in Rapture (Le grand Bioshock-Folge)

Beitrag von Heretic »

Wurde im Podcast eigentlich auf die beiden "Seebestattung"-DlCs eingegangen (Kann mich nicht mehr erinnern)? Die bringen ja ein wenig Licht ins Dunkel. Obwohl... wenn ich mich recht erinnere, war ich nach dem Durchspielen noch verwirrter als vorher. :D
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Sebastian Solidwork
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Re: Runde #23: Es gibt kein Bier in Rapture (Le grand Bioshock-Folge)

Beitrag von Sebastian Solidwork »

Ich habe bei so was mittlerer Weile die Vermutung, dass die Produzenten absichtlich nur Andeutungen machen. Sowohl bei Spielen als auch Filmen.
Zum einen können dann die Konsumenten wild spekulieren (vereinfacht gesagt: Marketing, das Produkt bleibt im Gespräch).
Zum anderen man spart man sich den Aufwand eine konkrete Auflösung zu überlegen die möglicher Weise enttäuscht.
Würde man sofort eine konkrete Auflösung liefern, gäbe es die ganzen Diskussionen nicht. Und die Kunden würden sich weniger an die Marke gebunden fühlen.
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Leonard Zelig
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Re: Runde #23: Es gibt kein Bier in Rapture (Le grand Bioshock-Folge)

Beitrag von Leonard Zelig »

Sebastian S. hat geschrieben:Ich habe bei so was mittlerer Weile die Vermutung, dass die Produzenten absichtlich nur Andeutungen machen. Sowohl bei Spielen als auch Filmen.
Zum einen können dann die Konsumenten wild spekulieren (vereinfacht gesagt: Marketing, das Produkt bleibt im Gespräch).
Zum anderen man spart man sich den Aufwand eine konkrete Auflösung zu überlegen die möglicher Weise enttäuscht.
Würde man sofort eine konkrete Auflösung liefern, gäbe es die ganzen Diskussionen nicht. Und die Kunden würden sich weniger an die Marke gebunden fühlen.
Marketing-Absichten würde ich da nicht unbedingt reindeuten. AAA-Spiele, die ähnliche Themen wie Bioshock behandeln, sind die Ausnahme. Popcorn-Kino dürfte bei den meisten Spielern deutlich besser ankommen.

Ich hab letztens mal in zehn Jahre alten Maniac-Ausgaben geblättert (solche Zeitreisen sind oft ganz witzig, vor allem wenn über die Zukunft spekuliert wird ;) ). Da sagt Ken Levine, dass die meisten Spieleentwickler scheinbar nur einen Film gesehen haben (Aliens) und ein Buch gelesen haben (Herr der Ringe). So eine Aussage kommt natürlich leicht arrogant rüber, aber ich glaube es ging ihm ähnlich wie Hideo Kojima, dass er sein ganzes Film- und Bücherwissen in einem Spiel verewigen wollte, um Gleichgesinnte anzusprechen. Erinnert mich an ein Zitat von Woody Allen, das in einem aktuellen Buch über ihn steht:

"I have to assume there are many millions of people in the world who are educated and literate and want sophisticated entertainment that does not cater to the lowest common denominator and is not all about car crashes and bathroom jokes.”

Seine Inspirationsquellen (naja, eigentlich hat er ziemlich dreist geklaut :mrgreen: ) sind unter Anderem Fellini und Bergman. Auch nicht gerade das, was damals in Hollywood produziert wurde, als er seine Karriere begann.
"The whole problem with the world is that fools and fanatics are always so certain of themselves, but wiser people so full of doubts."

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Dostoyesque
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Re: Runde #23: Es gibt kein Bier in Rapture (Le grand Bioshock-Folge)

Beitrag von Dostoyesque »

Stimmt bei Serien mit Sicherheit, vor allem, weil man da mit der wöchentlichen Twitterexplosion quasi die beste und billigste PR für sein Produkt hat (s. Game of Thrones oder Westworld), bei Spielen ist dieser Trend imo nicht unbedingt erkannbar, vor allem, weil auch die Qualität beim writing zu wünschen übrig lässt. Desweiteren gibts keine Limitation was den Konsum angeht (im Gegensatz zu wöchentlichen Folgen von HBO Serien), d.h. das Ende wird von allen Spielern relativ schnell erlebt, es ist damit schwieriger, diese Twitterexplosionen präzise zu timen.
Imo steckt in Bioshock da relativ wenig Marketingtaktik o.ä. drin (die steckt eher in der simplifizierten Spielmechanik), imo ist da durchaus künstlerische Integrität von Ken Levine erkennbar, ich würde nur seine Fähigkeit in Frage stellen, wirklich etwas mit seinen zahlreichen Anspielungen und Themen zu erzählen bzw. zu sagen. Was Themen und Motive angeht übernimmt er sich seit SS2 maßlos.

Meine persönliche Vermutung wäre, dass er bei SS2 einfach weniger Freiheiten hatte, weil SS2 eine Kollaboration von Looking Glass Studios (Thief, Ultima Underworld, System Shock) und Irrational Games (von Ken Levine gegründet, SS2 ist dabei iirc das Erstlingswerk) war. Die Qualität von SS2 hat er imo als alleiniger creative director nie erreicht. Interessanterweise erzählt SS2 sogar exakt dieselbe Geschichte wie Bioshock, nur ohne den ganzen Philosophiefluff aus Bioshock, der so ungreifbar ist. Ich hab keine Ahnung, warum er den ganzen Mist in Sachen Objektivismus reinstopfen musste, als ob eine Geschichte ohne Anspielungen dieser Art nicht fantastisch sein kann. SS2 ist um Längen präziser und fokussierter geschrieben als Bioshock und bleibt sein Meisterwerk. Auch das gamedesign ist deutlich kongruenter und organischer (s. Blogpost oben), Gameplay und Story schneiden sich in SS2 nur in sehr, sehr seltenen Fällen. Das buchstäblich einzige, das Bioshock besser macht als SS2, ist das gunplay.
Ken Levine scheint wie Peter Jackson jemand zu sein, der dringend jemanden braucht, der sein Material/sein Drehbuch zusammenschneidet. Bei Bioshock war Levine nach allem was man so hört ein sehr schwieriger, obsessiver creative director, der sich nicht gern reinreden ließ. Kann mir sehr gut vorstellen, dass sein writing deswegen manchmal so in Richtung clusterfuck geht, wenn es niemanden gibt, der ihn im Zaum hält (ausser 2k games, die ihn wohl zum generischen Shooterdesign gedrängt haben).

Ich geh übrigens deswegen so hart mit ihm ins Gericht, weil ich wirklich großer Fan seines writings bin. Sogar in Freedom Force ist sein Talent erkennbar. Er ist der mit Abstand talentierteste Autor, der sich dazu erbarmt, AAA Spiele zu designen. Ansonsten würde ich wahrscheinlich auch nur einen Chris Avellone über ihn einordnen. Für mich war Bioshock aber insgesamt eine sehr, sehr schmerzhafte Erfahrung, weil er mir dieselbe Geschichte in einer schlechteren Version (sowohl was writing als auch gamedesign angeht) serviert hat. Infinite war hier deutlich genießbarer, hab ich echt gemocht, aber hier ist vor allem im letzten Spieldrittel klar erkennbar, dass Abkürzungen genommen werden mussten, weil das, was im Script stand, nicht im Spiel umzusetzen war (s. die Unmengen an geschnittenem content, die man bereits Jahre zuvor auf diversen Messen zu sehen bekommen hat). Es war das Spiel, bei dem ich gelernt habe, dass bei Levine zuerst das Script geschrieben wird, bevor ein Spiel designed wird, auch wenn er sich dann beim gamedesign durchaus erkennbar Mühe gibt, die Sache noch zu retten.
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Re: Runde #23: Es gibt kein Bier in Rapture (Le grand Bioshock-Folge)

Beitrag von Dostoyesque »

lol Bergman und Fellini? gtfoutta here :lol: Fehlt nur noch, dass er Einstein und Heisenberg sagt :lol:
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Re: Runde #23: Es gibt kein Bier in Rapture (Le grand Bioshock-Folge)

Beitrag von Sebastian Solidwork »

Dostoyesque hat geschrieben:Imo steckt in Bioshock da relativ wenig Marketingtaktik o.ä. drin (die steckt eher in der simplifizierten Spielmechanik), imo ist da durchaus künstlerische Integrität von Ken Levine erkennbar, ich würde nur seine Fähigkeit in Frage stellen, wirklich etwas mit seinen zahlreichen Anspielungen und Themen zu erzählen bzw. zu sagen. Was Themen und Motive angeht übernimmt er sich seit SS2 maßlos.
So detailliert wie du es ausgeführt hast, würde ich es dann Ken Levine weniger unterstellen. Der scheint ja wohl echt eine Aussage machen zu wollen, kommt aber nicht ganz auf den Punkt.

"Marketing" mag jetzt vielleicht auch zu flach sein für das was ich meinte. Ich denke auch das die wenigsten "Entwickler" (Produzent, Designer, Programmierer) das tatsächlich im Kopf haben.
Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, dass es mehr ein allgemeines "das Spiel im Gespräch halten und für Bekanntheit sorgen" sein könnte.
So wie hier die Spekulationen über die Katze im Sack. Einfach Spannung erzeugen.

Und im Zweifel ist es wahrscheinlich einfacher ein Mysterium aufzubauen als eine konkrete gute Auflösung zu geben.
Dafür benötigt es gute Leute und Aufwand/Geld.
Wenn man überhaupt eine (frühe) Auflösung möchte. Ein Mysterium ist auch eine gute Karotte vor der Nase.

Ich sehe das auch eher bei Filmen als bei Computerspielen. Da ist Bioshock eher die Ausnahme. Aber es fällt mir einfach bei beiden auf.
Es muss ja auch nicht der Bedeutungstiefe von Bioshock sein. Das geht auch einfacher alla "Wer ist den jetzt der Puppenspieler hinter all den Marionetten?".
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Re: Runde #23: Es gibt kein Bier in Rapture (Le grand Bioshock-Folge)

Beitrag von dr.denton »

Wie schön. Ich bin also doch nicht der einzige Mensch auf der Welt (und Yahtzee), für den Bioshock nicht die Wiedergeburt unseres Erlösers ist.

Aber in einer Sache will ich widersprechen: ich fand das Gunplay in Bioshock extrem langweilig und unbefriedigend. Wie Unreal Tournament, nur mit furchtbar generischen Waffen ohne Wumms.

Wohingegen SS2 sich traut, kurze und gefährliche Kämpfe einzubauen, in denen jeder Schuss zählt (wow, das klingt pathetisch). Und sich auch anfühlt als würde man eine Feuerwaffe betätigen. Während die Tommy Gun in Bioshock genau so gut auch ein Gartenschlauch hätte sein können ...
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W8JcyyU
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Re: Runde #23: Es gibt kein Bier in Rapture (Le grand Bioshock-Folge)

Beitrag von W8JcyyU »

Die Waffenmechanik ist in System Shock 2 genauso beschissen wie in Bioshock. Der Schraubenschlüssel ist das einzig probate Kampfmittel. Bei SS2 könnte man diskutieren in wie weit die Engine daran Schuld trägt, siehe auch Deus Ex. Alle genannten Titel besitzen nicht mal ansatzweise eine gelungene Schusswaffenimplementation.
dr.denton
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Re: Runde #23: Es gibt kein Bier in Rapture (Le grand Bioshock-Folge)

Beitrag von dr.denton »

Bei Deus Ex ist das sicherlich dem Progressionssystem geschuldet, denn wenn die Unreal-Engine etwas können sollte, dann Schusswaffen ^^

Haben wir SS2 vielleicht auf sehr unterschiedliche Art gespielt? Meiner Erfahrung nach ist das Sturmgewehr die optimale Waffe für praktisch jede Charakterklasse. Klar, die Ballerei ist nicht so schön flüssig wie ein UT oder Quake, aber das ist ja auch gar nicht die Absicht. Ich finde trotzdem, dass die Schusswaffen sich für ein Survival/Horror/RPG wie SS2 genau richtig anfühlen.
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W8JcyyU
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Re: Runde #23: Es gibt kein Bier in Rapture (Le grand Bioshock-Folge)

Beitrag von W8JcyyU »

dr.denton hat geschrieben:Bei Deus Ex ist das sicherlich dem Progressionssystem geschuldet, denn wenn die Unreal-Engine etwas können sollte, dann Schusswaffen ^^

Haben wir SS2 vielleicht auf sehr unterschiedliche Art gespielt? Meiner Erfahrung nach ist das Sturmgewehr die optimale Waffe für praktisch jede Charakterklasse. Klar, die Ballerei ist nicht so schön flüssig wie ein UT oder Quake, aber das ist ja auch gar nicht die Absicht. Ich finde trotzdem, dass die Schusswaffen sich für ein Survival/Horror/RPG wie SS2 genau richtig anfühlen.
Huh, war der Meinung, dass Deus Ex wie SS2 die Dark Engine nutzt; habe ich mich geirrt.

Stalker macht Waffen und Bewegung besser als SS2. Dabei ist die Bewegungsmechanik in Stalker immer noch alles andere als berauschend. Die Steuerung wirkt insgesamt wesentlich direkter: das Umschalten zwischen den einzelnen Waffenslots, Auswahl der Munitionstypen und des Schussmodus; das geht in Stalker ziemlich zügig. Fairerweise muss man erwähnen, dass man einen passenden Waffenmod installieren muss.

Die Metro-Reihe setzt Waffen in "Horror"-Spielen wohl am besten um.
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