Tengri Lethos hat geschrieben: ↑25. Aug 2021, 21:22
Ich begreife vor allen Dingen nicht, dass bei der ganzen Diskussion oftmals (ob es hier auch so ist kann und möchte ich damit nicht sagen / unterstellen) der grundsätzliche Gedankengang geleugnet wird. Jemand macht mir ein Angebot (ja, ich weiß, nicht im juristischen Sinne) ich kann es annehmen oder nicht. Wenn wir jetzt von nicht lebensnotwendigen Produkten reden darf jeder, der ein Produkt anbietet auch selber den Preis festlegen. Und wenn mir der nicht gefällt kann ich mir die Ware, Dienstleistung oder whatever auch nicht einfach nehmen. Denn das würde ich selber bei von mir erbrachten Leistungen auch nicht wollen.
Niemand hier hat wohl diesen grundlegenden Gedankengang geleugnet oder kann den nicht nachvollziehen, ich auch nicht. Die Frage war von Anfang an, welcher "Schaden" entsteht, konkret oder auch gerne abstrakt gesprochen. Grundsätzlich ist ja evident unzutreffend, dass "eine Raubkopie = ein verlorener Umsatz" bedeutet, weil ein Gut ggf. sonst nie konsumiert werden würde (u.a. weil tatsächlich finanzielle Mittel fehlen); und es ist keine Wegnahme im engeren Sinne, was ich auch mit der Analogie Schwarzfahren vs. unbezahlt Taxifahren deutlich machen wollte, weil wir hier von immateriellen und fungiblen Gütern sprechen, und es ist nicht zwingend die eigene illegale Weiterverbreitung von Werken wie beim historischen "Raubdruck" (ggf. aber via Torrents, möglicherweise unterstützen Raub
kopien auch mittelbar kriminelle Strukturen, etwa durch Bezahlung von One-Click-Hoster-Anbietern, insbesondere wenn diese Reward-Programme für Uploader anbieten). Davon unbeschadet steht natürlich im Raum, dass die Kreativwirtschaft mit all dem wirtschaftlich Dranhängenden massiv leiden würde, wenn es gar keine Zahlungsmoral gäbe; das habe ich z.B. auch nie geleugnet, sondern auch nur mal in den Raum geworfen, dass insbesondere Superreiche von vielen Kulturgütern
primär profitieren. Es wurde dann auch eingewandt, dass eine Person, die sich illegal Zugang verschafft, in der Zeit womöglich etwas anderes konsumiert hätte, wofür sie bezahlt hätte (Stichwort Opportunitätskosten); das kann schon so sein, aber muss nicht (man könnte in der Zeit auch leicht eine Tätigkeit verfolgen, die die Wirtschaft nicht belebt). Außerdem wurde eingewandt, dass die Entscheidungsfreiheit des Anbietenden ignoriert wird; das ist eher ein moralisches Argument, außer wir sprechen von mentalem Stress für die Anbieter, denen das "Raubkopieren" zu schaffen macht und es wird imho weniger gewichtig bei Kulturgütern, die nicht wirklich persönlich einzelnen Leuten gehören und auch hohe kulturelle Relevanz allgemein aufweisen. Mir ging es dabei immer auch um die Frage, wem was wie viel in welcher Situation nutzt und wie ein Gesamtnutzen maximiert wird, im utilitaristischen Sinne (wo neben kultureller Zugang auch hedonistische Aspekte m.E. durchaus relevant sind). Vielleicht ist diese Betrachtung aber nicht trivial intersubjektivierbar bzw. nachvollziehbar und verletzt zu sehr gewisse intransigent gehaltene Normvorstellungen, scheint für viele nicht im Overton-Window des Denkbar/Sagbaren zu liegen.