The Wrestler
Darren Aronofsky ist eigentlich für seine handwerklich verspielten und thematisch verkopften Werke wie "Requiem for a Dream", "mother!" oder "Black Swan" bekannt, versuchte sich in "The Wrestler" allerdings an einem ziemlich geradeaus erzählten Drama.
Dabei steht die Performance des abgehalfterten und von (misslungenen) Schönheitsoperationen gezeichneten Mickey Rourke, der seine Rolle als gealterter Wrestler, der trotz seines erbärmlichen Gesundheitszustandes nicht mehr vom Rampenlicht loskommt, nicht unabsichtlich widerspiegelt. Völlig überraschend sprang für den ziemlich abgemeldeten Schauspieler damals eine Oscar-Nominierung heraus und er war bei der Verleihung für manche sogar Favorit, konnte jedoch nicht gewinnen. Neben ihn agiert noch eine fantastische und mutig spielende Marisa Tomei als Stripperin - ebenfalls nominiert für einen Oscar - und eine junge Evan Rachel Wood als Tochter.
Vor allem die Schauspieler_Innen und das zurückhaltende Writing, das auf authentische Dialoge setzt, sorgen dafür, dass sehr ehrliche Gefühle vermittelt werden und einem die Charaktere, besonders natürlich die Hauptfigur, schnell ans Herz wachsen. Man verzeiht wenn sie Dummes tun, denn man versteht, warum es dazu kommt. Die Schicksale gehen einem dann auch sehr nah und wer Aronofsky kennt der weiß, dass das nicht auf einen allzu versöhnlichen Abschluss hinauslaufen kann. Absoluter Gänsehaut-Film, was aufgrund des herben Milieus, das hier abgebildet wird, sehr überraschend kommt.
Einziger Kritikpunkt ist die Beziehung zu seiner Tochter, die mir dann etwas zu sehr nur angedeutet wird, um einige Sprünge in der Beziehung zu ihrem Vater zu akzeptieren.
4 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/the-wrestler/
Trailer:
https://www.youtube.com/watch?v=61-GFxjTyV0
Double Indemnity (Frau ohne Gewissen)
Für viele ist "Double Indemnity" (die doppelte Auszahlung einer bestimmten Police in einer Versicherung) von Regie-Legende Billy Wilder der fundamentale Noir-Film. Er bringt alles auf den Punkt, was dieses Genre ausmacht: Das Schwarz-Weiß, Anzüge, Zigarettenqualm, Mord, schmissige Dialoge, den Off-Erzähler und die verhängnisvolle Femme Fatale. Interessant ist allerdings, dass man hier nicht wie so oft einen Privatdetektiv oder einen Cop verfolgt, sondern einen Versicherungsmakler, was sehr schön das halbseidene dieses Berufsstandes offenlegt. Walter Neff als kernige Hauptfigur und Barbara Stanwyck als bissige Schönheit bieten gute Performances, aber mein Herz gewonnen hat Edward G. Robinson als Sidekick, der Witz und Herz in den Film bringt.
Eine kleine, aber nichtsdestotrotz spannende kleine Geschichte über einen "perfekten Mord" und natürlich die alte Frage um den Konflikt zwischen Versuchung, Gier und Gewissen. Insbesondere ist das aber natürlich aus filmhistorischer Sicht von einigem Wert, weil man hier die Perfektion eines Genres, des Noirs, bewundern kann.
4 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/double-indemnity/
Trailer:
https://www.youtube.com/watch?v=yKrrAa2o9Eg
Herr Lehmann
Das Sittengemälde Westberlins kurz vor der Wende um den Kneipenangestellten Herr Lehmann und seine schräge Clique überzeugt erst einmal durch gute Darsteller. Christian Ulmen in der namensgebenden Hauptrolle ist meiner Meinung nach eigentlich immer sehenswert, Detlef Buck bringt als sein bester Freund Karl einiges an Humor aber auch Melancholie herein und Katja Danowski als Love Interest spielt perfekt eine Mischung aus zuckersüß und ziemlich zickig. Kurios: In einer kleinen Nebenrolle mimt Christoph Waltz vor seinem Hollywood-Ruhm einen Arzt.
Auch bei den Dialogen, die oft in einer sehr hohen Schlagzahl abgefeuert werden, hat man sich Mühe gegeben, denn die sind oft ziemlich witzig und wirken nicht so allerweltsmäßig, wie so häufig im deutschen Film. Für Leute, die wehmütig der Kneipenkultur hinterhertrauern, wird außerdem ein ziemlich akkurates Bild dieser gezeichnet; ganz allgemein gelingt es sehr gut den Zeitkolorit einzufangen.
Dann fangen aber leider auch schon die Probleme an: Das offensichtlichste ist zunächst einmal, dass der Plot und die Subplots ziemlich ins Nichts führen und nicht wirklich nachvollziehbar in die Pointe am Ende laufen. Gerade die psychologisch ziemlich interessante Entwicklung um Karl hört irgendwann einfach auf. Die gewollte Verbindung von geschichtlichen Ereignis und persönlicher Geschichte gelingt deshalb nicht ganz – die Katharsis ist schwer greifbar bzw. wirkt unverdient.
Hinzu kommt, dass man auch formal keine Stringenz hinbekommt. Gibt es zu Anfang sehr viele popkulturelle Referenzen, die ziemlich geschickt auch visuell verarbeitet werden, ist damit irgendwann im Film einfach Schluss.
Sicherlich trotzdem einer der besseren Vertreter aus Deutschland im Angesicht des ganzen Einheitsbreis, der bei uns so produziert wird.
3 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/berlin-blues-2003/
Trailer:
https://www.youtube.com/watch?v=BZIWrmC4cfc
Antiporno
Zunächst: Eine absolute Warnung an all diejenigen, die "Artsy Fartsy" negativ konnotiert benutzen. Ich habe in letzter Zeit wirklich wenig Filme gesehen, auf die der zumindest in meiner Bubble für Außenstehende ziemlich überraschend positiv gemeinte Ausspruch "verkopfte Kunstscheiße" so gut gepasst hat. Der legendäre japanische Regisseur Sion Sono sprengt hier alle Wirklichkeitsebenen und erzählt für einen so kurzen Film bemerkenswert verschachtelt eine Geschichte über Machtkonstellationen, Missbrauch, Verdrängung, Schuld und Trauma, die im höchsten Maße feministisch ist. Immer dann, wenn man gerade meint verstanden zu haben, wie der Hase läuft, öffnet sich ein Tor noch weiter in eine bis dahin ungeahnte Bewusstseinstiefe, wird die Erzählebene noch einmal durchbrochen. Der Streifen schält sich wie eine psychosexuelle Zwiebel immer weiter ab.
Die expliziten Sexszenen, die es natürlich gibt und die sehr umstritten aufgenommen wurden, sind so steril und werden in einem so zweifelhaften Umfeld gezeigt, dass das Werk seinem Namen absolut die Ehre macht und ein wirklicher "Antiporno" ist. Wer es schafft sich daran aufzugeilen, sollte psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Somit gehen auch alle Anklagen, dass das hier eine Altherren-Fantasie ist und Frauen objektifiziert werden, ins absolute Nichts.
Ganz spitze Zielgruppe, meilenweit am Mainstream vorbei und sehr viele Menschen werden das für absoluten Mist halten (41% 1-Sterne-Bewertungen auf Amazon Prime
), aber ich liebe solche Filme.
4 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/antiporno/
Trailer:
https://www.youtube.com/watch?v=IWmWl-I0cHU
Soldier Blue (Das Wiegenlied vom Totschlag)
"Soldier Blue" gilt als einer der subversivsten Western, die je gedreht wurden. Endlich konnte ich jetzt mal erforschen, warum das so gesehen wurde – und wurde noch mehr überrascht, als ich es für möglich gehalten habe. Ich habe nämlich selten einen Film gesehen, der tonal so sehr schwankt wie dieser: Es beginnt mit einem für Genre und Zeit relativ blutigen Überfall von Natives auf die berühmte US-Kavallerie. Danach entspinnt sich ein ziemlich witziges kleines Zwei-Personen-Roadmovie mit einer kitschigen Romanze, die aus jedem x-beliebigen Groschenroman stammen könnte. In den letzten 20 Minuten wird dann urplötzlich und in einer ungewohnten Härte das 1864 wirklich passierte Sand-Creek-Massaker an den Cheyenne und Arapaho nachgestellt - und mit "Härte" meine ich hier wirklich Splatter und explizit dargestellte Vergewaltigungen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das damalige Publikum darauf reagiert haben muss. Es ist nur soviel überliefert, dass der Film als großer Skandal galt.
Jetzt war für mich die große Frage: Ist die Wirkung der Metzelei mit geschändeten Frauen und toten Kindern durch den so harmlosen und klischeebeladenen Mittelteil viel größer oder ist dieses triviale Geplänkel im Angesicht des eigentlichen Themas vollkommen geschmacklos und deplatziert? Gerade die Sexualisierung von Candice Bergen, der man nicht nur einmal unter das Kleid schauen darf, wirkt wirklich Fehl am Platz, wo man doch am Ende ziemlich progressiv wirkt, indem man auf die Verbrechen der USA hinweist. Ich bin der festen Überzeugung, dass Ersteres intendiert, aber Letzteres eben nicht von der Hand zu weisen ist. Ganz besonders in der Hinsicht, dass manche von dem nichtssagenden Mittelteil so abgeschreckt sein werden, dass sie den Film ausmachen und die eigentliche Botschaft am Ende gar nicht mitbekommen.
Dennoch möchte ich "Soldier Blue" einfach loben so hart und schonungslos den Gründungsmythos der USA die Toilette herunterzuspülen und klar zu machen, dass das "Home of the Brave" auch auf Blut aufgebaut wurde.
3,5 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/soldier-blue/
Trailer:
https://www.youtube.com/watch?v=gTnqAGh-iXE