COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

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Andre Peschke
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Andre Peschke »

Rince81 hat geschrieben: 23. Nov 2021, 02:00
Peter hat geschrieben: 10. Nov 2021, 09:39 Rechnet er da die vielen Todesfälle, die in GB in den vorherigen Wellen angefallen sind - in denen es noch keinen Impfschutz gegeben hat - auf Deutschland hoch? Das wäre natürlich absoluter Quatsch.
https://www.mdr.de/wissen/covid-vierte- ... e-100.html

Laut der Modellierung hat Drosten möglicherweise sehr konservativ gerechnet....
Drosten hat in seinem Podcast sehr deutlich gesagt, dass er Virologe ist und kein Modellierer und das er an der Stelle jetzt einfach nur mal eine sehr grobe Überschlagsrechnung anhand der Zahlen aus GB anstellt. Es ging ihm vermutlich eher darum, seinen dringlichen Warnungen nochmal irgendeine anschauliche Dimension zu geben. Er war aber deutlich, dass das jetzt echt über den Daumen gepeilt war.

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MrSnibbles
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von MrSnibbles »

Ich bin momentan auch maximal verwirrt, was nun bezüglich Lockdowns im neuen Infektionsschutzgesetz steckt. Ich habe z.B. gelesen, dass die verschärften Maßnahmen in Bayern extra jetzt beschlossen werden und bis Mitte Dezember gelten sollen, weil sie ab dann nicht mehr eingesetzt werden dürfen aufgrund des neuen Gesetzes. Auf der anderen Seite habe ich gelesen, dass die Länder sehr wohl die Gastro etc. schließen dürfen. Lediglich Ausgangssperren und Schulschließungen sind nicht mehr vorgesehen.

Was stimmt denn jetzt? Kann mich jemand erleuchten? Vielleicht habe ich die wichtigen Artikel dazu in der Presse verpasst, aber mein Gesamtbild dazu ist momentan einfach inkonsistent.

Falls wir ab Mitte Dezember tatsächlich keine Handhabe mehr für Lockdowns haben wäre das für mich das Absurdeste was an absurden Regelungen bislang verabschiedet wurde.
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Peter
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Peter »

Ja, flächendeckende Maßnahmen wie ein Lockdown mit Ausgangssperre müssen vor dem 25.11. beschlossen werden und dürfen nur bis zum 15.12. gelten. Aber: "SPD-Kanzleranwärter Olaf Scholz habe bei den Beratungen vorgeschlagen, dass der Instrumentenkasten spätestens am 9. Dezember überprüft und wenn nötig geändert werde."

Wenn sich das Virus also seltsamerweise nicht an das vorgeschlagene Datum hält, wird man das ganze sicher wieder überarbeiten.

Idiotisch ist das ganze so oder so.
Zuletzt geändert von Peter am 23. Nov 2021, 10:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Andre Peschke
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Andre Peschke »

MrSnibbles hat geschrieben: 23. Nov 2021, 09:55 Falls wir ab Mitte Dezember tatsächlich keine Handhabe mehr für Lockdowns haben wäre das für mich das Absurdeste was an absurden Regelungen bislang verabschiedet wurde.
AFAIK können die Länder "nur" bis 2G+ Einschränkungen treffen. Dabei sollen jetzt insbesondere die Hospitalisierungsraten herangezogen werden, wobei das RKI mit entsprechenden Daten unterstützt. Wo die Schwellenwerte liegen, bestimmen die Länder, erhalten aber vom BMG Empfehlungen, die für eine einigermaßen einheitliche Regelung bundesweit sorgen sollen.

Die Ausgangssperren etc sind weiter vorgesehen, aber - wenn ich das richtig verstanden habe - von der Feststellung der epidemische Lage von nationaler Tragweite(TM) durch den Bundestag abhängig (die entsprechenden Paragraphen wurden auch durch das Dritte und Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite hinzugefügt, was diesen Schluss richtig erscheinen lässt?). Die läuft, stand heute, übermorgen aus, falls der Bundestag sich da nicht nochmal anders entscheidet. Solange sie nicht (neu) festgestellt wird, dürften diese Mittel also wirklich nicht mehr angewandt werden. Während die epidemische Lage von nationaler Tragweite bestand, wurde vom Bundestag alle drei Monate geprüft, ob sie weiter besteht. Ich vermute aber, wenn sie erstmal ausgelaufen ist, kann man die auch zwei Tage später wieder feststellen. Sprich, meinem Verständnis nach: Das Mittel haben wir weiterhin, der Bundestag muss quasi nur die Voraussetzungen für seine Anwendung schaffen.

Bitte aber um Korrektur durch die Juristen im Forum. ^^

Andre
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MrSnibbles
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von MrSnibbles »

Danke euch für die Aufklärung soweit. Das deckt sich alles mit Teilen meines diffusen Bildes bisher ;-)

Nennt mich naiv aber ich kann mittlerweile nichtmal mehr die Motivation der Entscheidungen verstehen, selbst wenn ich rein bösartige oder egoistische Motive unterstelle. Warum schafft man die Notlage ab? Wovor hat man Angst? Warum lieber deutlich zu schwache "rechtssichere" Maßnahmen? War die Notlage illegal? Klingt nicht so. Sie werfen sich momentan gegen den Willen eines großen Teils der Bevölkerung ganze Baumstämme in die Speichen. Wenn sie nicht mit Gewalt bis Ende Januar wieder abgewählt werden wollen, weiß ich wirklich nicht wieso die neue Regierung gerade so handelt wie sie es tut. Vielleicht mangelnde Regierungserfahrung :-D
Nicht, dass ich der größte Fan der alten Regierung war, aber die Shitshow die gerade abläuft hat noch ganz andere Dimensionen.
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Jochen Gebauer
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Jochen Gebauer »

MrSnibbles hat geschrieben: 23. Nov 2021, 10:42Warum schafft man die Notlage ab? Wovor hat man Angst? Warum lieber deutlich zu schwache "rechtssichere" Maßnahmen? War die Notlage illegal? Klingt nicht so
Auch wenn ich mich wiederhole: Gesundheitspolitik ist in Deutschland zunächst Ländersache. Und die Länder waren nicht bereit, dem Bund im Hinblick auf einen Lockdown mehr Spielraum zu geben als die schon im Juni ausgelaufene Notbremse. Seitdem hat der Bund keine verfassungsrechtliche Grundlage für Lockdowns - das können auch mit dem neuen Infektionsschutzgesetz der Ampel nur die Länder. Selbst dieses neue Infektionsschutzgesetz hätten die Länder im Bundesrat blockieren können.

Ich bin immer wieder überrascht, wie kolossal in Deutschland die verfassungsrechtliche Macht des Bundes überschätzt wird. Der ist nicht "Chef". Chef sind qua Verfassung grundsätzlich immer die Länder. Und zwar letztlich in fast allem. Selbst die verfassungsrechtlichen Befugnisse des Bundes unterliegen in der Regel der Zustimmung der Länder via Bundesrat. Ein Bundeskanzler hat de facto vielleicht mehr "Macht" als ein Ministerpräsident, weil es oft zu Effekten kommt wie "Bundeskanzler ist CDU, Länder werden mehrheitlich von der CDU geführt und die fallen ihrem Kanzler nicht in den Rücken", aber in rechtlicher Hinsicht ist die Bundesregierung nicht einmal ansatzweise so mächtig wie viele das glauben und wie sich das im Laufe der Jahre festgesetzt hat im öffentlichen Bewusstsein, weil sich der Bund einfach sehr selten in fundamentale Länderhoheiten einmischte oder einmischen musste.

Jetzt haben wir eine Krise, die grundlegende Länderhoheiten nicht nur tangiert, sondern voll in sie reingrätscht. Gesundheitspolitik. Bildungspolitik via Lockdowns für Schulen. Und da musste Merkel schon mehr als ein Jahr flehen, betteln, drohen, vermitteln, um zumindest ein paar Monate lang die Notbremse zugestanden zu bekommen. Gleiches gilt für die neue Regierung: Ohne Zustimmung der Länder haben die gesundheitspolitisch sehr wenig zu melden. Natürlich könnten die Lockdowns ins Infektionsschutzgesetz schreiben. Dann lehnt's der Bundesrat halt hab. Das ist keine Frage des Wollens, sondern eine Frage fundamentaler rechtlicher Befugnisse. Die Polizei darf auch niemanden verurteilen, auch wenn sie es womöglich des öfteren gern täte. Das darf halt nunmal nur ein Gericht, und wenn das nicht will, kann die Polizei nichts dagegen tun ;)

Wird das politische System der BRD eigentlich nicht (mehr?) in Schulen gelehrt? Ich bin spätestens seit der Pandemie echt baff, wie viele Menschen nicht wirklich wissen, wie unsere politischen Organe funktionieren. Ohne dieses Wissen kann man die meisten politischen Sachverhalte doch gar nicht vernünftig beurteilen? Wieso steht sowas nicht ganz oben auf der Bildungsagenda?
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MrSnibbles
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von MrSnibbles »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 23. Nov 2021, 11:36 Wird das politische System der BRD eigentlich nicht (mehr?) in Schulen gelehrt? Ich bin spätestens seit der Pandemie echt baff, wie viele Menschen nicht wirklich wissen, wie unsere politischen Organe funktionieren. Ohne dieses Wissen kann man die meisten politischen Sachverhalte doch gar nicht vernünftig beurteilen? Wieso steht sowas nicht ganz oben auf der Bildungsagenda?
Danke für deine Antwort Jochen. Mir wurde das politische System schon beigebracht. Mir ist durchaus bewusst, dass bestimmte Bereiche wie Bildung etc. in der Hand der Länder liegen. Inwiefern das in jedem Teilbereich geregelt ist und inwiefern das z.B. durch eine nationale Krise/Notlage außer Kraft gesetzt werden kann habe ich aber nicht auf dem Schirm. Zumindest nicht im Detail. Ich setze mich auch im Alltag nicht häufig mit der Thematik auseinander, zumindest in normalen Zeiten.

Dafür bin ich besser aufgestellt, wenn es um Exponentialfunktionen oder Prozentrechnung geht. Beide sollten auch den meisten mal begegnet sein, die Abitur haben und beide sind wichtig, um tägliche Nachrichten einordnen zu können. Aber auch dort machen in letzter Menschen mit weniger Training ein eher fatales Bild was den Kenntnisstand angeht ;-)
Zoiglbier
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Zoiglbier »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 23. Nov 2021, 11:36 Ich bin immer wieder überrascht, wie kolossal in Deutschland die verfassungsrechtliche Macht des Bundes überschätzt wird.
Können denn die Länder eine allgemeine Impfpflicht einführen? Oder steuerrechtliche Fragen wie die Mehrwertsteuer ändern? Selbst die 10H-Regel in Bayern ist auch nur möglich, weil ein Bundesgesetz für Länder Ausnahmen ermöglicht. Natürlich kann der Bundesrat das ganze beeinflussen. Ich versteh auch was du meinst. Aber grundsätzlich liegt doch in solchen Fragen die Macht bzw. die Initiative erstmal beim Bund. Was dann im Bundesrat passiert ist natürlich nochmal ne andere Frage, aber solche grundlegenden Gesetze gehen ja erstmal vom Bund aus. Insofern würde ich nicht von einer Überschätzung der Macht des Bundes ausgehen.
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Guthwulf
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Guthwulf »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 23. Nov 2021, 11:36Seitdem hat der Bund keine verfassungsrechtliche Grundlage für Lockdowns
Die Verfassung kann man auch ändern. Als jemand, der für die Bundesregierung arbeitet, war ich auch schon an einer solchen Änderung beteiligt. Mit der haben wir dem Bund in einem (für meinen Arbeitsbereich kritischen) Themenfeld mehr Befugnisse gegeben, die vorher Ländersache waren. Sowas ist natürlich nicht einfach und erzeugt großen Widerstand. Aber vielleicht wäre es an der Zeit, dass man angesichts der Erfahrungen aus der Pandemie, die derzeitige verfassungsrechtliche Verteilung von Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern in der Gesundheitspolitik hinterfragt? Die Länder werden das von sich aus nicht machen (sie haben ja im Moment die alleinige Zuständigkeit). Die Initiative und vor allem Willen für so eine Änderung müsste von der Bundesregierung kommen.
Zuletzt geändert von Guthwulf am 23. Nov 2021, 12:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Felidae
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Felidae »

Zoiglbier hat geschrieben: 23. Nov 2021, 12:01
Jochen Gebauer hat geschrieben: 23. Nov 2021, 11:36 Ich bin immer wieder überrascht, wie kolossal in Deutschland die verfassungsrechtliche Macht des Bundes überschätzt wird.
Können denn die Länder eine allgemeine Impfpflicht einführen? Oder steuerrechtliche Fragen wie die Mehrwertsteuer ändern? Selbst die 10H-Regel in Bayern ist auch nur möglich, weil ein Bundesgesetz für Länder Ausnahmen ermöglicht. Natürlich kann der Bundesrat das ganze beeinflussen. Ich versteh auch was du meinst. Aber grundsätzlich liegt doch in solchen Fragen die Macht bzw. die Initiative erstmal beim Bund. Was dann im Bundesrat passiert ist natürlich nochmal ne andere Frage, aber solche grundlegenden Gesetze gehen ja erstmal vom Bund aus. Insofern würde ich nicht von einer Überschätzung der Macht des Bundes ausgehen.
Es dürfte aber in der derzeitigen Situation niemandem geholfen sein, wenn der Bund mit Gesetzen auch noch regelmäßig krachend im Bundesrat scheitern würde. Insofern dürfte es taktisch schon klug sein, im Vorfeld abzustimmen, was die Länder mitzutragen bereit sind. Es gibt so ja schon genügend Landesfürst:innen, die aus der Situation (vermeintlich) politisches Kapital schlagen.
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Guthwulf
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Guthwulf »

Felidae hat geschrieben: 23. Nov 2021, 12:05 Es dürfte aber in der derzeitigen Situation niemandem geholfen sein, wenn der Bund mit Gesetzen auch noch regelmäßig krachend im Bundesrat scheitern würde. Insofern dürfte es taktisch schon klug sein, im Vorfeld abzustimmen, was die Länder mitzutragen bereit sind. Es gibt so ja schon genügend Landesfürst:innen, die aus der Situation (vermeintlich) politisches Kapital schlagen.
Warum ist damit niemandem geholfen? Das wäre zumindest mal ein klares Signal seitens Bundes. In der Politik geht es leider oft um die Frage "wer ist der Sündenbock" und niemand will der Sündenbock sein. Wenn der Bund sagt: Wir brauchen xyz, um diese Krise zu lösen, damit dann aber am Widerstand der Länder im Bundesrat scheitert und die Situation erwartbar schlecht bleibt, kommen die Länder zumindest unter Druck, zukünftigen Vorstößen des Bundes "offener" gegenüber zu stehen. Die Idee, sich vorab mit den Landesfürst:innen unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf eine "kleinster gemeinsamer Nenner" Lösung zu einigen, führt selten zu wirklichen Änderungen.
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Peter
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Peter »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 23. Nov 2021, 00:47 Dass es in nahezu allen europäischen Demokratien einen Anteil von ca. 15-20% gibt, der entweder offen faschistisch ist oder zumindest mit diesen Ideen sympathisiert, sollte spätestens seit der Flüchtlingskrise niemanden mehr überraschen. Die kann man schon deshalb nicht davon überzeugen, sich eventuell doch impfen zu lassen, weil es gar nicht um eine Impfung geht, sondern darum, dass diese Menschen den Wertekanon unserer Gesellschaft kategorisch ablehnen.
Wenn es doch nur um solche Leute gehen würde. Gerade ist eine Studie über die Querdenker in BW erschienen. Im Prinzip hat sie das Erwartbare gezeigt: Eine heterogene Gruppe, allerdings mit ganz anderer Gewichtung als in Ostdeutschland. Über 30% waren vor Corona Grünen-Anhänger. Sie sind überdurchschnittlich gebildet und wohlhabend. Links-Alternative, Anthroposophie, Waldorf etc. Gut situierte Menschen, die den Staat bisher nur als Ermöglicher wahrgenommen haben und nun durchdrehen, weil er plötzlich als Beschränker auftritt. Im Prinzip genau die Spinner, für die man sich als Grünen-Anhänger schon immer geschämt hat. Idioten, die bei einer Lungenentzündung lieber sterben, als sich schulmedizinisch behandeln zu lassen. Auch bei denen ist Hopfen und Malz verloren, die werden sich durch nichts und niemanden von einer Impfung überzeugen lassen.
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Jochen Gebauer
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Jochen Gebauer »

Aber grundsätzlich liegt doch in solchen Fragen die Macht bzw. die Initiative erstmal beim Bund
Macht und Initiative sind sehr unterschiedliche Dinge. Die Gesetzgebungsinitiative liegt in solchen Fällen beim Bund, das stimmt. Aber die Länder können nahezu jedes dieser Gesetze blockieren. Der Bund wiederum kann kein Ländergesetz blockieren*. Wenn den Ländern die Mehrwertsteueränderung des Bundes nicht gefällt, gibt's keine Mehrwertsteueränderung. Wenn dem Bund das hessische Carsharing-Gesetz nicht gefällt, fällt in Wiesbaden ein Sack Reis um. Der Bund hat eben nicht die Macht, eine Mehrwertsteueränderung einzuführen. Er hat verfassungsrechtlich lediglich die Macht, ein Gesetz in den Bundesrat einzubringen und zu hoffen, dass der das abnickt. Und das sind zwei völlig unterschiedliche Schuhe.

*es sei denn natürlich, das Ländergesetz verstößt explizit gegen ein Bundesgesetz

Es wird gemeinhin so getan, als sei der Bund eine Art CEO, der Aufgaben nach unten delegiert. "Ach, das ist nicht so wichtig, darum können sich die Länder kümmern". In Wirklichkeit ist es genau umgekehrt. Die Länder sind der CEO, der Dinge ans mittlere Management des Bundes delegiert, weil gewisse Dinge zentral besser aufgehoben sind, aber am Ende fast alle Entscheidungen seines Managements nochmal abnickt (oder einkassiert), damit das keine Scheiße baut.
Guthwulf hat geschrieben: 23. Nov 2021, 12:05Aber vielleicht wäre es an der Zeit, dass man angesichts der Erfahrungen aus der Pandemie, die derzeitige verfassungsrechtliche Verteilung von Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern in der Gesundheitspolitik hinterfragt?
Das musst du mir nicht sagen, das hab ich vor ein paar Seiten exakt so schon selbst gesagt :mrgreen:
Peter hat geschrieben: 23. Nov 2021, 12:21Wenn es doch nur um solche Leute gehen würde. Gerade ist eine Studie über die Querdenker in BW erschienen. Im Prinzip hat sie das Erwartbare gezeigt
Wenn du dich auf eine konkrete Studie beziehst, dann verlinke sie doch bitte auch. Danke.
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Zoiglbier »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 23. Nov 2021, 12:22 Macht und Initiative sind sehr unterschiedliche Dinge.
Dem würde ich nur so halb zustimmen. Wenn jetzt die Länder mehrheitlich eine Änderung der Mehrwertsteuer wollen würden, dann können sie das doch auch nicht beschließen ohne die Zustimmung des Bundes. Oder irre ich mich da? Letztendlich können die Länder Vorhaben natürlich jederzeit blockieren. Aber wenn der Bund bei solchen übergreifenden Gesetzesinitiativen der Länder dann auch nicht zustimmt, können doch die Länder auch nichts machen. Insofern würde ich die Machtaufteilung nicht so stark in die Richtung der Länder gewichten wie du es tust. Beide können nicht ohne einander.
Zuletzt geändert von Zoiglbier am 23. Nov 2021, 12:38, insgesamt 1-mal geändert.
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Jochen Gebauer
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Jochen Gebauer »

Zoiglbier hat geschrieben: 23. Nov 2021, 12:35Insofern würde ich die Machtaufteilung nicht so stark in die Richtung der Länder gewichten wie du es tust
Die Länder können alles, was in ihre Zuständigkeit fällt (Bildung, Polizei, Gesundheit, Kultur usw) eigenständig und ohne Rücksprache mit dem Bund oder anderen Ländern beschließen und umsetzen.

Der Bund kann das meiste von dem, was innenpolitisch in seine Zuständigkeit fällt, nicht ohne ausdrückliche Zustimmung der Länder beschließen und umsetzen.

Wie man da nicht von einem starken Machtgefälle zwischen Bund und Ländern sprechen kann, ist mir aufrichtig ein Rätsel. Natürlich gibt's Wechselwirkungen. Und Dinge, die die Länder nicht machen können/dürfen. Aber unterm Strich bleibt immer ein eklatantes (und von der Verfassung auch exakt so vorgesehenes und formuliertes) Machtgefälle zugunsten der Länder. Das ist schließlich auch der Sinn eines förderalistischen Bundesstaates.

Edit: Im Übrigen hat der Bundesrat das selbe Initiativrecht bei der Gesetzgebung wie der Bundestag.
Zuletzt geändert von Jochen Gebauer am 23. Nov 2021, 12:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Felidae »

Guthwulf hat geschrieben: 23. Nov 2021, 12:14 Warum ist damit niemandem geholfen?
Weil bestimmte Kreise so schon hämisch tiumphieren, wenn Uneinigkeit besteht. "Die wissen ja selbst nicht, was sie wollen", "Die haben ja auch keine Ahnung" etc. Rückblickend gesehen hat der Laden am besten funktioniert, als im März 2020 Merkel auf ihre unnachahmlich uneitle Art im Fernsehen gesagt hat, "Ist jetzt scheiße - können wir auch nicht ändern, ist halt so" - und zu dem Zeitpunkt noch niemand dazwischengefunkt hat. Als dann Söder und Laschet ihren Privatkrieg "Wenn Du was öffnest, mach ich dafür was andres zu" angefangen haben, hats angefangen, auseinanderzubrechen - auch in der Bevölkerung. Wenn jetzt auch noch der Bund (also "der Tierarzt, der Bankkaufmann" und so weiter) von den Ländern regelmäßig im Bundesrat zurückgepfiffen worden wäre - ich fürchte, das wäre fatal gewesen.
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Mastertronic »

Kann Deiner These, Jochen, da leider auch nicht in Gänze zustimmen - denke Artikel 31 GG ist da eindeutig.
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Rince81 »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 23. Nov 2021, 12:22Aber die Länder können nahezu jedes dieser Gesetze blockieren.[...]
Wenn den Ländern die Mehrwertsteueränderung des Bundes nicht gefällt, gibt's keine Mehrwertsteueränderung. Wenn dem Bund das hessische Carsharing-Gesetz nicht gefällt, fällt in Wiesbaden ein Sack Reis um. Der Bund hat eben nicht die Macht, eine Mehrwertsteueränderung einzuführen. Er hat verfassungsrechtlich lediglich die Macht, ein Gesetz in den Bundesrat einzubringen und zu hoffen, dass der das abnickt. Und das sind zwei völlig unterschiedliche Schuhe.
Das stimmt so allgemein aber nicht. Die Mehrwertsteuer ist eine Gemeinschaftssteuer. Du hast daher völlig recht bei einer Mehrwertsteueränderung, weil die Mehrwertsteuer in den sprechenden Anteilen den Ländern zugute kommt, greift der Bund bei einer Änderung der Mehrwertsteuersätze in die Finanzen der Länder ein, dadurch wird das ganze ein zustimmungsbedürftiges Gesetz.
Sobald du aber die Steuer austauscht, sieht es völlig anders aus. Nehmen wir beispielsweise die Tabaksteuer oder die Kraftfahrzeugsteuer, das sind Bundessteuern, das heißt diese Einnahmen kommen ausschließlich dem Bund zugute und schon muss der Bundesrat das nicht mehr abknicken. Es handelt sich dann nämlich nur noch um ein einfaches Einspruchsgesetz.
https://www.bundesrat.de/DE/aufgaben/ge ... -node.html
Zuletzt geändert von Rince81 am 23. Nov 2021, 13:35, insgesamt 1-mal geändert.
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Guthwulf
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Re: COVID-19 - Anatomie einer Pandemie

Beitrag von Guthwulf »

Mastertronic hat geschrieben: 23. Nov 2021, 13:02 Kann Deiner These, Jochen, da leider auch nicht in Gänze zustimmen - denke Artikel 31 GG ist da eindeutig.
Öhm... das heißt nicht das, was du denkst. Bundesrecht steht über Landesrecht, ja (so wie EU-Recht z.B. auch über Bundesrecht geht). Sobald ein Bundesgesetz aber z.B. in Länderzuständigkeiten (wie Gesundheitspolitik) eingreift, muss der Bundesrat (und damit die Länder) dem Gesetz zustimmen, sonst kann es erst gar nicht verabschiedet werden und damit zu Bundesrecht werden.
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