PSA

Alles, was nicht in ein anderes Forum gehört: Hier rein
Forumsregeln
Datenschutzerklärung: https://www.gamespodcast.de/datenschutzerklaerung/
Impressum: https://www.gamespodcast.de/impressum/

Forenregeln und zukünftige Weltverfassung
ART 1: Behandle andere Nutzer mit Respekt.
ART 2: Do NOT piss off the Podcasters

Lies bitte weitere Hinweise hier: viewtopic.php?f=4&t=2789
Rigolax
Beiträge: 2193
Registriert: 20. Feb 2018, 15:53

Re: PSA

Beitrag von Rigolax »

Master_Studie_Anne hat geschrieben: 8. Feb 2022, 15:10 Ich finde solche Sprachkritik á la Bastian Sick und was nun "Original" ist und was nicht, bei einem derart wandelbaren und durchlässigen Medium wie Sprache immer etwas seltsam.
Nicht nur du. Sick'scher Präskriptivismus ist in seiner reinsten Form Ausdruck linguistisch-konservativer Positionen: Es geht darum, dass das vermeintlich "korrekte", das vermeintlich "beste" Deutsch bewahrt wird; faktisch lediglich das Deutsch, das man kennt und liebt, mit dem man aufgewachsen ist; Protektionismus eines romantisch-idealisierten Abbilds der eigenen Muttersprache. Sprache ist vielmehr eigentlich ephemer, denn niemand spricht mehr wie Goethe und schon gar niemand mehr wie Walther von der Vogelweide oder will das wirklich. Und ist etwa Niederländisch eine minderwertige Sprache, weil deren Grammatik im Vergleich zum Deutschen simpler ist -- nicht eher sogar ein potentieller Vorteil?

Sicherlich darf Kritik angebracht werden, wo es als sinnvoll empfunden wird. Manche Entwicklungen sind grammatikalisch widersprüchlich im Hinblick auf das allgemein intersubjektivierte Regelwerk (des Rats für deutsche Rechtschreibung und ferner des Dudens); ein allgemeiner Konsens, wie im Regelfall zu schreiben ist, ist eine Kulturerrungenschaft und erleichtert oder ermöglicht erst effektive Kommunikation; diese Regeln manchmal (bewusst) zu brechen, hat seinen eigenen Reiz und ist nur möglich, solange es überhaupt Regeln gibt; und vielleicht "macht Sinn" in der gängigen Nutzung weniger Sinn im Deutschen als im Englischen -- das entsprechende Essay von Belles Lettres kann ich nicht falsifizieren, falls diese Frage ohnehin falsifizierbar ist, soweit es überhaupt "richtig" und "falsch" bei linguistischen Fragen geben kann: Ich vertrete eine linguistisch anti-realistische Position. Argumente für die "Korrekte" Sprachverwendung sind niemals "richtig" oder "falsch", sie sind fundamental nicht "truth-apt"; was hier "richtig" oder "falsch" ist, ist fundamental arbiträr, denn a) niemand (auch nicht die Mehrheit) hat eine legitime Hegemonie darüber zu entscheiden, was endgültig sprachlich objektiv richtig oder falsch ist, b) es ist nicht zu verifizieren, dass irgendeine Sprachanwendung wirklich besser ist, und c) Sprache ist ohnehin permanent im Flux, also why stop here? Analog zum metaethischen Konzept des Emotivismus gehe ich davon aus, dass es im Kern bei linguistischen Fragen immer darauf hinausläuft, dass nicht beurteilt wird, was "richtig" oder "falsch" ist, sondern was persönlich gefällt.

Die heutige Standard-Sprache wird sich noch weiter wandeln, je nach Sichtweise verfallen, und irgendwann werden vielleicht alle Sprachen
zu Gunsten einer einzelnen Zentralsprache des Menschen verschwinden, je nach Sichtweise aussterben. Keine Sprache ist inhärent erhaltenswert, nichts ist inhärent erhaltenswert, allem wird ein arbiträrer sentimentaler Wert zugeteilt, den wir Kultur nennen, und wir lamentieren wenn selten gesprochene Varianten einer Sprache ganz aussterben, keine nativen Sprecher indigener Sprachen mehr existieren und damit Kulturgüter verloren geht und das ist zu einem gewissen Grad lamentierenswert, aber es ist auch normal in seiner allgemeinen Form, solange Homo Sapiens den Niedergang der Sprachvielfalt nicht beschleunigt oder bedingt durch chauvinistisches Verhaltens (Kolonialismus/Imperialismus). Analog wird lamentiert, wenn Tierarten aussterben, aber auch das ist im Kern ein natürlicher Zustand oder trauert jemand, weil es keinen Allosaurus mehr gibt oder kein Mammut? Gäbe es keine wilden Tiger mehr, fänden wir dies schade, weil wir eine emotionale Verbindung zu Tigern haben, aber was würde sich ändern, für das Ökosystem kaum etwas, es gibt ja eh nur noch sehr wenige Tausend in der Natur, die können keinen riesigen Impact haben, also ist es ein sentimentaler Wert. (Die Sapir-Whorf-Hypothese halte ich zumindest in der starken Variante für unzutreffend, also wenn argumentiert werden soll, dass mit dem Verlust ganzer Sprachen singuläre Zugänge zum Denken aussterben: So sind doch vergleichbare Denkleistungen, also kulturelle/technische/wissenschaftliche Errungenschaft, in fundamental verschiedenen Sprachräumen teils von einander unabhängig entstanden und eher würde sich die Sprache akkommodieren. Wäre dann Niederländisch doch eine schlechtere Sprache als die Deutsche?)
Zuletzt geändert von Rigolax am 8. Feb 2022, 16:44, insgesamt 1-mal geändert.
Mastertronic
Beiträge: 375
Registriert: 18. Nov 2019, 16:54

Re: PSA

Beitrag von Mastertronic »

Andre Peschke hat geschrieben: 8. Feb 2022, 09:24

Es ging ja darum, dass Axel eine etwas geläufigere, simplere Wortwahl als ein Mittel zu mehr Zugänglichkeit beschrieben hat. Da hat auch Jochen schon gesagt, er findet den Gedanken interessant und nimmt den mal mit.
Für mich stellt sich aber schon hier die Frage - Zugänglichkeit für wen ? Denke die Analyse von Mockturtle in Bezug auf Axels Beispiele war absolut valide.
mockturtle hat geschrieben: 8. Feb 2022, 00:58
Das wäre aber nur eine ziemliche Bauchnabelliste.von Wörtern, die du meinst, noch nicht lange genug zu kennen, um als deutsch zu gelten.
Warum soll denn emotionale Manipulation okay sein? Abgesehen davon, dass es semantisch extensional zu weit ist, um die Bedeutung von Gaslighting zu treffen sind beides keine ursprüglich deutschen Wörter, warum nicht gefühlsbewegender Handgriff? Ach so, versteht dann auch keiner, weil unkonventionell, aber dafür deutsch ;)
Exorbitant ist auch nicht originär deutsch, übersetzt wäre Crunch eher knirschen, hat also eine metaphorische Dimension, die in deiner Übersetzung gar nicht mehr vorkommt, Gaslighting hat eine metonymische Dimension (nach einem Drama benannt), die in deiner Übersetzung auch wegfallen würde. Alles nicht so einfach mit der Sprache, es gibt viele Semantiker, die der Meinung sind, es gibt keine vollständige Synonymität von Wörtern und Übersetzungen können nie hundertprozentig genau sein, und ich denke, die haben 'nen Punkt.
Denke wir sind da in einer Zielgruppendiskusion - geht es um Zugänglichkeit für Germanisten und Germanistinnen verstehe ich die angeführten Beispiele von Axel - geht es um Gamer/Gamerinnen (an die sich dies Gaming Projekt ja vermutlich vornehmlich richtet) sollte man m.E. weiter die allseits genutzten "Fachausdrücke" wie Crunch, Point&Click etc. verwenden. Alles andere würde zu verqueren Eigenproduktionen führen, die es noch unklarer machen, weil man dann noch nicht mal das Internet bei Begriffsschwierigkeiten zu Rate ziehen kann.

Sehe auch nicht, dass die Nutzung der "Gaming Anglizismen" eine Form von "Bildungsgating" (nächste denglisch Anglizisme..) darstellt.. Denke Shooter, Crunch oder Gamescon versteht jeder/e Gamer/Gamerin egal ob Oberschüler/in oder Gymnasiast/in.
Nichtgamer/innen haben damit vermutlich eher ein Problem, aber dies ist ja genau der Kern von Fachchinesisch. Bestimmte Ausdrücke muss man wohl leider lernen und die sind bei einem so internationalen Hobby wie dem Gaming eben heutzutage fast alle in der "Weltsprache" Englisch.
Benutzeravatar
Andre Peschke
Beiträge: 9859
Registriert: 9. Jan 2016, 16:16
Kontaktdaten:

Re: PSA

Beitrag von Andre Peschke »

Mastertronic hat geschrieben: 8. Feb 2022, 16:44geht es um Gamer/Gamerinnen (an die sich dies Gaming Projekt ja vermutlich vornehmlich richtet) sollte man m.E. weiter die allseits genutzten "Fachausdrücke" wie Crunch, Point&Click etc. verwenden.
Mir ging's um "Vorbehalt" statt "Caveat". Das finde ich nachvollziehbar, dass "Vorbehalt" von deutlich mehr Menschen direkt verstanden wird. Caveat wird sicher nochmal leicht anders aufgenommen - genauso wie "aufgenommen" meinem Text einen anderen Anstrich gibt, als "rezipiert" - aber hier finde ich die Alternativen ausreichend deckungsgleich.

Bei "Gaslighting" wäre ich schon raus, weil das - wie schon im Thread ausgeführt - mehr Bedeutungsebenen in sich vereint, die verloren gingen.

Und am Ende ist die Diskussion eh eher akademisch, weil sich bei uns nicht viel ändern wird. :D

Andre
Benutzeravatar
DieTomate
Beiträge: 643
Registriert: 14. Apr 2017, 11:39

Re: PSA

Beitrag von DieTomate »

Bei caveat muss ich immer an Kaviar denken.
Benutzeravatar
Heretic
Beiträge: 4999
Registriert: 20. Mai 2016, 13:30

Re: PSA

Beitrag von Heretic »

Andre Peschke hat geschrieben: 8. Feb 2022, 17:46 Bei "Gaslighting" wäre ich schon raus, weil das - wie schon im Thread ausgeführt - mehr Bedeutungsebenen in sich vereint, die verloren gingen.
Google Translate ist da eindeutig: Gasbeleuchtung. :D
Rince81
Beiträge: 8764
Registriert: 21. Dez 2015, 04:30

Re: PSA

Beitrag von Rince81 »

Heretic hat geschrieben: 8. Feb 2022, 18:43 Google Translate ist da eindeutig: Gasbeleuchtung. :D
https://de.wikipedia.org/wiki/Gaslicht_(Schauspiel) :ugly:
Die "Gesendet von meinem HTC11 Life mit Tapatalk"-Signatur
Mutantenjupp
Beiträge: 129
Registriert: 3. Dez 2017, 08:16

Re: PSA

Beitrag von Mutantenjupp »

Jörg Langer verwendet ebenfalls den "caveat" Begriff (ich meine unter anderem im letzten Spieleveteranen Podcast). Irgendwie kam mir das Wort bekannt vor, wusste aber auch nicht, was es bedeutet.
Benutzeravatar
Axel
Beiträge: 4170
Registriert: 1. Jul 2018, 20:43
Wohnort: Chemnitz & Erzgebirge

Re: PSA

Beitrag von Axel »

Um das Thema von meiner Seite abzuschließen: Es ging mir echt nicht darum Sprachpolizei oder ähnliches zu betreiben. Sondern tatsächlich in erster Linie um die Zugänglichkeit. Anglizismen waren da jetzt auch nur ein Beispiel in der Argumentation. Man kann genauso lateinische Begriffe aus dem Bildungsbürgertum als ebensolche Fallbeispiele nehmen.

Am Ende reden wir ja über ein Podcast-Angebot. Also ein journalistisch-unterhaltenes Informationsangebot, was eher selten singulär wahrgenommen wird. Sondern Podcasts werden in der Regel bei der Hausarbeit, während der Arbeit oder auch beim Autofahren gehört. Das heißt in der Konsequenz: Die Hörer werden häufig vielleicht bestenfalls 60-70% ihrer Aufmerksamkeit dem Podcast widmen. Auch vor diesem Hintergrund halte ich eine gängigere, etwas simplere Sprache für erfolgsversprechend.
Heretic hat geschrieben: 8. Feb 2022, 18:43 Google Translate ist da eindeutig: Gasbeleuchtung. :D
Das ist sooo 2020! :mrgreen: Heute nutzt doch jeder deepl.com! :mrgreen:
Mastertronic
Beiträge: 375
Registriert: 18. Nov 2019, 16:54

Re: PSA

Beitrag von Mastertronic »

Andre Peschke hat geschrieben: 8. Feb 2022, 17:46
Und am Ende ist die Diskussion eh eher akademisch, weil sich bei uns nicht viel ändern wird. :D
Das wollte ich doch nur hören.. :D
Benutzeravatar
Heliantha
Beiträge: 309
Registriert: 9. Apr 2021, 11:04

Re: PSA

Beitrag von Heliantha »

Im WDR Zeitzeichen Podcast (immer ne Viertelstunde lang) von gestern bgeht es um den Anglizismus des Jahres 2012 "Shitstorm" und auch etwas um Anglizismen/ Wörter, die neu in eine Sprache kommen (und unter Umständen auch wieder gehen) allgemein. Interessiert vielleicht unter den Diskutierenden hier jemanden :).
Not my circus, not my monkeys.
Antworten