MaxDetroit hat geschrieben: ↑25. Apr 2022, 18:54
Sanity Assassin hat geschrieben: ↑25. Apr 2022, 16:31
Dicker hat geschrieben: ↑10. Apr 2022, 15:32
The Green Knight
Ich wusste von diesem Film nur, dass er auf der Arthur Saga basiert, eher langsam erzählt ist und von diversen Leute in höchsten Tönen gelobt wurde. Jetzt gibt es ihn auf Amazon Prime, und ich konnte mir selbst ein Bild machen.
Zuerst das positive, dieser Film hat einige wirklich sehr schön gestaltete atmosphärische Szenen, der Soundtrack ist stimmungsvoll und insgesamt ist alles recht stylisch. Die langsame Erzählweise hat mich auch gar nicht so sehr gestört, wie erwartet, wird aber einige Zuschauer sicher auf eine Geduldsprobe stelle. Was mich viel mehr gestört hat, war die Geschichte. Deren Zweck, Moral, was auch immer, hat sich mir erst nach Videos der Sorte "The Green Knight explained" erschlossen. Ohne das war sie für mich nur eine Ansammlung netter Szenen, die nicht in einen größeren Zusammenhang gebracht werden , für sich alleine aber mal besser und mal schlechter funktionieren. Und selbst mit der Erklärung findet man dort keine zweite Metaebene, sondern nur eine Parabel auf die Tugend.
Man könnte es kurz machen, Style over Substance und die Substance, die da war, hat mich nicht abgeholt. Da der Film aber trotzdem einen gut Flow hat, gibt es noch
6/10.
Halte ich immer noch für den besten Film der letzten paar Jahre, hab den 3x im Kino gesehen und fand ihn jedes Mal fast noch besser als davor. Ich habe jetzt keine Erklärvideos geschaut, fand aber, dass auch so über Plot und Symbolik genug drin steckte, um einige spannende Interpretationen zuzulassen.
Am Ende des Tages ist es eine moderne Verfilmung einer klassischen englischen Sage:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sir_Gawai ... een_Knight
Also mit Kenntnis der Sage für mich damit durchaus auch ohne Erklärvideos halbwegs verständlich.
Der Film hat mir auf der audiovisuellen und handwerklichen Ebene echt gut gefallen. Der ruhige Erzählstil, die Bildsprache, wie Sound und Musik ineinander bluten und mit der Bildern verwoben sind, die Schauspieler. Fand ich alles ganz klasse.
Ich kenne das Ausgangsmaterial "Sir Gawain and the Green Knight" in der Übersetzung von Tolkien und auch dort hat die Sage schon einen aus heutiger Sicht ungewöhnlichen Stil mit den alliterativen Versen. Insofern hat der Film mit seinen Mitteln etwas von der Eigentümlichkeit des Ausgangsmaterials umgesetzt.
Was ich von den inhaltlichen Änderungen im Gegensatz zum Ausgangsmaterial halten soll, weiß ich noch nicht so ganz. Ich finde den Film inhaltlich nicht wirklich schlecht, er erzählt im Kern aber letztendlich eine durchschnittliche Coming of Age Geschichte, vom jugendlichen Hallodri zum "Mann", der sich seinem Schicksal stellt. Was, konsequent zu Ende gedacht, zu recht schrägen und und aus meiner Sicht ziemlich fragwürdigen impliziten Aussagen des Films führt. Man kann dahinter sogar ohne allzu viele Verrenkungen eine eher konservative und recht biedere Bildungs-/Entwicklungsgeschichte sehen. Zu mal der Kniff, einen eigentlich strahlenden Helden zu nehmen und ihn in einer Neuinterpretation mit allerlei vermeintlichen Abgründen und Schwächen zu versehen, inzwischen weder neu noch besonders innovativ ist, sondern so ziemlich das, was man von einer zeitgenössischen Bearbeitung erwartet.
Mich würde interessieren, wie der Film wirken würde, wenn Gawain, wie in der ursprünglichen Sage, als der tugendhafteste von allen Rittern der Tafelrunde gezeichnet wäre. Wie eine so überhöhte Figur auf heutige Sehgewohnheiten wirken würde. An und für sich kann man die originale Geschichte ja auch als Entwicklungsgeschichte betrachten. Und zwar eine, in der Gawain lernt mit seinen vermeintlichen Fehlern und seiner eingebildeten Schwäche zu leben, sie zu akzeptieren. Ansonsten nach alten Vorstellungen völlig richterlich und tugendhaft, verschweigt Gawain da den grünen Gürtel (seinem Gastgeber, der auch der grüne Ritter ist) bis zuletzt, was vom grünen Ritter aber gebilligt und von den anderen Rittern der Tafelrunde anerkennend aufgegriffen wird. Der Einsatz ist schließlich sein Leben und im Angesicht dessen ist der Geschichte zufolge das Verschweigen des Gürtels kein, bzw. nur ein kleines Vergehen.
Im Grunde wirkt die ursprüngliche Geschichte also wesentlich moderner und menschlicher als der Film. Man kann sie heutzutage als Gegenbild zur übertriebenen Selbstoptimierung und der völligen, das Menschsein vergessenden Hingabe an abstrakte Ideale und Ziele lesen.