Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

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Terranigma
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Terranigma »

Voigt hat geschrieben: 22. Feb 2023, 17:05 Wegen Transphob oder nicht Transphob, ist das vielleicht sowas wie Antizionistisch aber nicht Antisemitsch?
Es mag auch nur eine ästhetische Unterscheidung sein, so zumindest mein Eindruck als stiller Mitleser: zu sagen, dass jemand etwas ist mag semantisch gleichbedeutend gemeint sein damit, dass jemand eine bestimmte Haltung hat, aber es wirkt im Urteil doch weitaus härter, weil es die Haltung als immanente Eigenschaft der Person bezeichnet und diese Person damit auch sprachlich - nicht unbedingt gedanklich - erst einmal auf diese Eigenschaft reduziert. Beispiel: In meinem sprachlichen Emfpinden macht es einen Unterschied ob ich sage, er ist "ein Rothaariger" oder "er hat rote Haare." Inhaltlich besteht zwischen beiden Aussagen kein Unterschied, aber die erste Aussage ist nicht nur eine Aussage über einen Menschen, sondern ordnet ihn zugleich auch einer gedachten Kategorie von Menschenarten zu: nämlich jener, "der Rothaarigen." Und damit mag zumindest auch sprachlich der Eindruck entstehen, dass dieser Mensch für denjenigen, der ihn so bezeichnet, zuerst und vor allem eben auch nur das ist.

Ich bin daher kein Freund dieser sprachlichen Ausdrucksweise. Gut, okay. Hitler würde ich als Antisemiten bezeichnen. Aber sofern der Fall auf einer 10er-Skala nicht gerade bei einer 100/10 liegt, finde ich zurückhaltendere Formulierungen zumindest in so'n Diskurs hilfreicher, z.B. eben "Rowling vertritt transphobe Positionen", "Rowling vertritt eine transphobe Haltung", etc. anstatt "Rowling ist transphob." Eben weil ich mir schwer damit tue eine Wesensaussage über einen anderen Menschen zu treffen, weil "transphob" oder "homophob" anders als "freundlich", "hilfsbereit", "egoistisch", etc. keine Charaktereigenschaft, sondern eine Weltsicht ist. Und die hat man, aber die ist man nicht. Umgangssprachlich unterscheide ich das auch nicht, aber bei so'n kontroversen Thema merke ich zumindest, dass es für mich im Empfinden einen Unterschied macht, wie ich's formuliere. Und dass ich mit der Aussage "Rowling ist transphob" so'n instinktiven Reflex dagegen habe, der aber nicht aufgrund eines inhaltlichen Widerspruchs kommt, sondern weil ich die Formulierung so absolut finde. Mit "Rowling vertritt transphobe Positionen" habe ich wiederum keinerlei Problem.


... Aber womöglich denke ich da auch nur wieder zu verkopft und es geht nur mir so. :D
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Rigolax
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren

Beitrag von Rigolax »

ZiggyStardust hat geschrieben: 22. Feb 2023, 17:36 Gibt es eigentlich irgendwelche Fernsehinterviews mit ihr zu dem Thema oder wirklich nur das Essay und die Tweets?
Es gibt ja aktuell den schon öfter erwähnten, offenbar JKR sehr wohlwollenden Podcast "The Witch Trials of J.K. Rowling": https://podcasts.apple.com/us/podcast/t ... 1671691064 Ich habe es noch nicht gehört.

Allgemein auch, ich bin ja nun nicht unbedingt Fan von Disclaimern und auch wenn es ein rechter Kampfbegriff durchaus ist, gibt es m.E. so etwas wie "virtue signalling" im Sinne von "Zurschaustellen von Ansichten, welche die moralische Korrektheit der eigenen Position zu einem bestimmten Thema demonstrieren und gleichzeitig als besonders zustimmungsfähig erachtet werden" (https://de.wiktionary.org/wiki/virtue_signalling), aaaaber ich glaube, Rowling täte ganz gut darin, gelegentlich auch mal (auf Twitter) andere Impulse zu senden. Denn die vermittelnden, gemäßigten Standpunkte, die sich in ihrem Essay äußern, finden sich afaik in ihren Twitter-Aktivitäten kaum bis gar nicht wieder (ggf. bitte meine Wahrnehmung mit Gegenbeispielen strafen). Das ist in gewisser Weise vielleicht aufrichtig, sie bemüht sich gar nicht um solche "PR", aber ist vielleicht nicht sehr "schlau", weil Leute vor allem Twitter doch wahrnehmen und ihre Positionen dann als transfeindlicher wahrnehmen, als sie tatsächlich sind (so gibt es da
ja auch Abstufungen imho).
Terranigma hat geschrieben: 22. Feb 2023, 17:50 ... Aber womöglich denke ich da auch nur wieder zu verkopft und es geht nur mir so. :D
Neee, das habe ich tatsächlich auch schon gepostet so in etwa im Thread und ich stimme dir da zu. Das war auch meine Kritik an so Formulierungen wie "das Spiel ist rassistisch", wenn es maximal eine rassistische Szene hat, die bei der damaligen Medienrealität "normal" war. Etwa: Breakfast at Tiffany's ist m.E. kein rassistischer Film, sondern ein Film mit einer rassistischen Darstellung (der Charakter gespielt von Mickey Rooney); The Birth of a Nation ist dagegen ein rassistischer Film (mit vielen rassistischen Darstellungen). Das kann man imho so auf Personen übertragen, wobei es noch sensibler ist.
Zuletzt geändert von Rigolax am 22. Feb 2023, 18:14, insgesamt 2-mal geändert.
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Flo
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Flo »

Terranigma hat geschrieben: 22. Feb 2023, 17:50 ... Aber womöglich denke ich da auch nur wieder zu verkopft und es geht nur mir so. :D
Ne gar nicht. Ich denke dieser Unterschied ist für sehr viele, oder vielleicht sogar für die meisten Menschen spürbar.

Zu sagen Mickey Mouse ist ein Faschist oder Mickey Mouse hat faschistiert (oder was auch immer das Verb von 'Faschist' ist) fühlt sich unterschiedlich an. Ersteres ist kränkenter.

Interessant finde ich die Frage ob, und an welcher Stelle das in einer Diskussion zum Tragen kommt, an der Mickey Mouse nicht beteiligt ist. ... aber das geht im Moment wohl zu weit vom Thema ab.
Phrasenschwein
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Phrasenschwein »

Nun um mal Teufels Advokaten zu spielen. Ist dieser Unterschied relevant? Peninsula hat schon die Probleme mit ihrer Opposition gegen das Gesetz in Schottland dargelegt. (Link: viewtopic.php?p=244748#p244748) und Andre dazu den problematischen Umgang mit Statistiken von ihr (Link: viewtopic.php?p=244749#p244749). Wer noch mehr Beweise für reale Folgen ihrer Weltsicht braucht: https://www.thepinknews.com/2022/12/12/ ... ans-women/ Auch hier: es wird ein Service für Frauen, die sexuell misshandelt wurden. Und natürlich mit Rowlings Definition von Frauen, also keine Transfrauen.
Ob sie letzten Endes tief in ihrem Herzen nun wirklich transphob ist ist für die Realität egal. Ihre Aktionen und ihr politisches Engagement ist es und damit steht sie Transrechten im Weg. Man sollte sich also überlegen ob es sinnvoll ist J.K. Rowling zu überzeugen oder entsprechend ihren Einfluss zu schmälern, ihr keine Plattform mehr zu geben und sonstiges.
Man muss sich vielleicht eingestehen, dass zum "Fortschritt" auch dazu gehört das gesellschaftliche Klima so zu ändern, dass die Gegner sich nicht mehr trauen was zu sagen. Ein kleiner Fingerzeig findet sich ausgerechnet in Andres alter Reportage zur AAA-Entwicklung in Deutschland. Dort sagt ausgerechnet Dorothee Bär paraphrasiert: Es gibt mittlerweile Gott sei Dank nach einem Terroranschlag keine Forderungen mehr nach dem Verbot der Videospielindustrie und wenn es doch einer fordert, dann wird der entsprechend angegangen.
Reichlich entlarvend, wenn selbst eine CSU-Politikerin durch die Blume eingesteht, dass Fortschritt eben auch heißt, dass das gesellschaftliche Klima sich so geändert hat, dass die Gegner sich einfach nicht mehr trauen ihre Ansichten zu vertreten. Wenn wir nämlich ernsthaft warten wollen bis der Letzte überzeugt ist, dann wären einige Errungenschaften, die wir heute schon haben, nicht möglich gewesen.
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Andre Peschke
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Andre Peschke »

Terranigma hat geschrieben: 22. Feb 2023, 17:50 , finde ich zurückhaltendere Formulierungen zumindest in so'n Diskurs hilfreicher, z.B. eben "Rowling vertritt transphobe Positionen", "Rowling vertritt eine transphobe Haltung", etc. anstatt "Rowling ist transphob."
Ne, null verkopft und goldrichtig. Bin ich eigentlich voll an Bord. Bei Rowling ist es so andauernd und so wider besseren Wissen müssens, dass es mir schwer fällt. Ich bin voll dafür jemandem mehr als auch nur eine zweite Chance zu geben sich zu erklären, zu korrigieren und zu verorten.

Aber nach drei Jahren hat Rowling das Loch imo immer nur tiefer gegraben. :/

Kann aber dennoch sehr verstehen, wenn man das Etikett aus Prinzip nicht auspacken will. Ist garantiert das puristische Ideal. :)

Andre
Rince81
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren

Beitrag von Rince81 »

Rigolax hat geschrieben: 22. Feb 2023, 18:10 Neee, das habe ich tatsächlich auch schon gepostet so in etwa im Thread und ich stimme dir da zu. Das war auch meine Kritik an so Formulierungen wie "das Spiel ist rassistisch", wenn es maximal eine rassistische Szene hat, die bei der damaligen Medienrealität "normal" war. Etwa: Breakfast at Tiffany's ist m.E. kein rassistischer Film, sondern ein Film mit einer rassistischen Darstellung (der Charakter gespielt von Mickey Rooney); The Birth of a Nation ist dagegen ein rassistischer Film (mit vielen rassistischen Darstellungen). Das kann man imho so auf Personen übertragen, wobei es noch sensibler ist.
Ja und nein. Ich bin bei Breakfast at Tiffany's und Birth of a Nation mit Dir einer Meinung, der ganz entscheidende Punkt hierfür ist aber das fett markierte. Da sind was die Trans-Thematik angeht die späten 90er, frühen 2000er das Negativbeispiel. Angefangen bei der Darstellung in Friends, über Ally McBeal, bei Comedians wie Jon Stewart oder auch Colbert. Alles was ich auch heute sehr schätze und einen Freifahrtschein gebe, weil es damals "normale" Medienrealität war.

Würde aber heute jemand ein 1:1 Remake von Breakfast at Tiffany's machen würde ich dem keinen Freifahrtschein geben - im Gegenteil, das wäre für mich ein rassistischer Film. Weil die Macher es besser hätten wissen können und sich trotzdem bewusst dafür entschieden haben.
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von RudiRentier »

Phrasenschwein hat geschrieben: 22. Feb 2023, 18:45 Man muss sich vielleicht eingestehen, dass zum "Fortschritt" auch dazu gehört das gesellschaftliche Klima so zu ändern, dass die Gegner sich nicht mehr trauen was zu sagen.
Ich hoffe, du formulierst hier weiterhin in der Rolle des Advocatus Diaboli. Sollte dem nicht so sein: stell dir einfach mal vor, ein AfD-Politiker hätte diesen Satz geäußert. Anderes Verständnis von "Fortschritt", aber der gleiche demokratiefeindliche Ansatz.
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Rince81 »

RudiRentier hat geschrieben: 22. Feb 2023, 19:26
Phrasenschwein hat geschrieben: 22. Feb 2023, 18:45 Man muss sich vielleicht eingestehen, dass zum "Fortschritt" auch dazu gehört das gesellschaftliche Klima so zu ändern, dass die Gegner sich nicht mehr trauen was zu sagen.
Ich hoffe, du formulierst hier weiterhin in der Rolle des Advocatus Diaboli. Sollte dem nicht so sein: stell dir einfach mal vor, ein AfD-Politiker hätte diesen Satz geäußert. Anderes Verständnis von "Fortschritt", aber der gleiche demokratiefeindliche Ansatz.
Im Gegenteil - das ist der dünne Mantel der Zivilisation, dass ein paar Dinge einfach mal tabu und unsagbar sind.
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren

Beitrag von Leonard Zelig »

Rince81 hat geschrieben: 22. Feb 2023, 19:19 Ja und nein. Ich bin bei Breakfast at Tiffany's und Birth of a Nation mit Dir einer Meinung, der ganz entscheidende Punkt hierfür ist aber das fett markierte. Da sind was die Trans-Thematik angeht die späten 90er, frühen 2000er das Negativbeispiel. Angefangen bei der Darstellung in Friends, über Ally McBeal, bei Comedians wie Jon Stewart oder auch Colbert. Alles was ich auch heute sehr schätze und einen Freifahrtschein gebe, weil es damals "normale" Medienrealität war.
Ich habe Jon Stewart und Colbert erst ab 2008 verfolgt, da ging es meiner Erinnerung nach nie um die Trans-Thematik. Ging der Humor so in Richtung Mrs. Doubtfire?

Allerdings erinner ich mich daran, dass in "Agnes und seine Brüder" (2004) eine Transfrau eine der Hauptfigurinnen ist. In gewisser Hinsicht waren manche deutsche Komödien Anfang der 2000er sogar progressiver und gesellschaftskritischer als das was heutzutage so im Kino läuft an deutschen Produktionen.
"The whole problem with the world is that fools and fanatics are always so certain of themselves, but wiser people so full of doubts."

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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von RudiRentier »

Rince81 hat geschrieben: 22. Feb 2023, 19:30
RudiRentier hat geschrieben: 22. Feb 2023, 19:26
Phrasenschwein hat geschrieben: 22. Feb 2023, 18:45 Man muss sich vielleicht eingestehen, dass zum "Fortschritt" auch dazu gehört das gesellschaftliche Klima so zu ändern, dass die Gegner sich nicht mehr trauen was zu sagen.
Ich hoffe, du formulierst hier weiterhin in der Rolle des Advocatus Diaboli. Sollte dem nicht so sein: stell dir einfach mal vor, ein AfD-Politiker hätte diesen Satz geäußert. Anderes Verständnis von "Fortschritt", aber der gleiche demokratiefeindliche Ansatz.
Im Gegenteil - das ist der dünne Mantel der Zivilisation, dass ein paar Dinge einfach mal tabu und unsagbar sind.
Diesen Deckmantel würde ich zwar persönlich eher in Errungenschaften wie der freiheitlich demokratischen Grundordnung als in undefinierten "unsagbaren Dingen" verorten, aber gut. Da hier - meines Wissens - niemand den Holocaust geleugnet hat, würde mich z.B. interessieren, mit welchen Mitteln die "Gegner" dazu gebracht werden sollen, "sich nicht mehr zu trauen was zu sagen".

Edit: Frage nach den unsagbaren Dingen entfernt. Ich hatte übersehen, dass die Gegner sich ja einfach gar nicht mehr trauen sollen, etwas zu sagen.
Zuletzt geändert von RudiRentier am 22. Feb 2023, 20:12, insgesamt 1-mal geändert.
Rince81
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren

Beitrag von Rince81 »

Leonard Zelig hat geschrieben: 22. Feb 2023, 19:39 Ich habe Jon Stewart und Colbert erst ab 2008 verfolgt, da ging es meiner Erinnerung nach nie um die Trans-Thematik. Ging der Humor so in Richtung Mrs. Doubtfire?
Auf Lasten und Kosten von trans Menschen. Nicht regelmäßig oder systematisch aber vorhanden, Stewart hat das auch in der entsprechenden Folge seiner neuen Show kurz thematisiert.
https://cdn.jwplayer.com/previews/OtAItFVv

Hier wäre ein Text dazu.
https://www.change.org/p/jon-stewart-an ... r-identity
Zuletzt geändert von Rince81 am 22. Feb 2023, 20:04, insgesamt 1-mal geändert.
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Dennis Diel
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Dennis Diel »

Ihr Lieben,
kurz OT.
Ich hab eben erst Feierabend und hier wartet eine nagelneue PSVR2 darauf, getestet und vollgeschwitzt zu werden, sodass ich den Faden bislang nur überflogen habe. Ich danke euch auf jeden Fall schon mal für das konstruktive Feedback. Vielleicht hattet ihr ja Vergnügen und euch hat die nachdenkliche Haltung Wolfgangs angeregt (oder aufgeregt, auch gut 😀)

Wir haben jedenfalls wieder richtig Bock.
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Flo
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Flo »

Rince81 hat geschrieben: 22. Feb 2023, 19:30 Im Gegenteil - das ist der dünne Mantel der Zivilisation, dass ein paar Dinge einfach mal tabu und unsagbar sind.
Geht ein bisschen vom Thema ab, aber weil ich gerade ein Audiobuch zu dem Thema höre möchte ich einwerfen, dass die Wendung "der dünne Mantel der Zivilisation" quasi als das Fundament der Law and Order Rhetorik betrachtet werden kann. Es impliziert, dass der Mensch ansich "böse" sei und er mittels hierarchisch organisierten Gewalt dazu gezwungen werden muss, wenigstens eine Fassade der Moral aufrecht zu erhalten.*

Und da Law and Order Freunde generell am Ende den Erhalt des Status Quo, den Schutz vulnerabler Gruppen vorziehen, läufst du Gefahr, dich in Widersprüche zu verlaufen.

Soll nur eine Anmerkung sein, möchte überhaupt nix unterstellen, oder gar eine Diskussion lostreten.


*Nennt sich Fassadentheorie.
siehe:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Fassadentheorie

[Edit:] Das heißt nicht, dass man Trasphobie und Faschismus und andere Scheißigkeiten nicht stets klar beim Namen nennen soll.
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Rince81 »

Flo hat geschrieben: 22. Feb 2023, 20:11 Geht ein bisschen vom Thema ab, aber weil ich gerade ein Audiobuch zu dem Thema höre möchte ich einwerfen, dass die Wendung "der dünne Mantel der Zivilisation" quasi als das Fundament der Law and Order Rhetorik betrachtet werden kann. Es impliziert, dass der Mensch ansich "böse" sei und er mittels hierarchisch organisierten Gewalt dazu gezwungen werden muss, wenigstens eine Fassade der Moral aufrecht zu erhalten.*

Und da Law and Order Freunde generell am Ende den Erhalt des Status Quo, den Schutz vulnerabler Gruppen vorziehen, läufst du Gefahr, dich in Widersprüche zu verlaufen.
Welches Hörbuch denn?

Wäre ich vorsichtig anderer Meinung, im Grunde führt das ganze ja zu Hobbes und seinen Leviathan. Meine Rechtsphilosophievorlesungen sind lange her, das war aber nicht das, was ich mitgenommen habe. Am Ende sehe ich nicht irgendwelche Law and Order Gruppen also Beispiel, sondern Institutionen wie die Vereinten Nationen, so fehlerhaft sie auch sein mögen.
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GoodLord
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von GoodLord »

Terranigma hat geschrieben: 22. Feb 2023, 17:50 Es mag auch nur eine ästhetische Unterscheidung sein, so zumindest mein Eindruck als stiller Mitleser: zu sagen, dass jemand etwas ist mag semantisch gleichbedeutend gemeint sein damit, dass jemand eine bestimmte Haltung hat, aber es wirkt im Urteil doch weitaus härter, weil es die Haltung als immanente Eigenschaft der Person bezeichnet und diese Person damit auch sprachlich - nicht unbedingt gedanklich - erst einmal auf diese [...]
Eben weil ich mir schwer damit tue eine Wesensaussage über einen anderen Menschen zu treffen, weil "transphob" oder "homophob" anders als "freundlich", "hilfsbereit", "egoistisch", etc. keine Charaktereigenschaft, sondern eine Weltsicht ist. Und die hat man, aber die ist man nicht. Umgangssprachlich unterscheide ich das auch nicht, aber bei so'n kontroversen Thema merke ich zumindest, dass es für mich im Empfinden einen Unterschied macht, wie ich's formuliere. Und dass ich mit der Aussage "Rowling ist transphob" so'n instinktiven Reflex dagegen habe, der aber nicht aufgrund eines inhaltlichen Widerspruchs kommt, sondern weil ich die Formulierung so absolut finde. Mit "Rowling vertritt transphobe Positionen" habe ich wiederum keinerlei Problem.


... Aber womöglich denke ich da auch nur wieder zu verkopft und es geht nur mir so. :D
Über diesen sprachlichen Aspekt hab ich bewusst nie nachgedacht, aber diesen Reflex beobachte ich bei mir auch regelmäßig - da mag was drann sein.
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Mauswanderer »

Flo hat geschrieben: 22. Feb 2023, 20:11
Rince81 hat geschrieben: 22. Feb 2023, 19:30 Im Gegenteil - das ist der dünne Mantel der Zivilisation, dass ein paar Dinge einfach mal tabu und unsagbar sind.
Geht ein bisschen vom Thema ab, aber weil ich gerade ein Audiobuch zu dem Thema höre möchte ich einwerfen, dass die Wendung "der dünne Mantel der Zivilisation" quasi als das Fundament der Law and Order Rhetorik betrachtet werden kann. Es impliziert, dass der Mensch ansich "böse" sei und er mittels hierarchisch organisierten Gewalt dazu gezwungen werden muss, wenigstens eine Fassade der Moral aufrecht zu erhalten.*

Und da Law and Order Freunde generell am Ende den Erhalt des Status Quo, den Schutz vulnerabler Gruppen vorziehen, läufst du Gefahr, dich in Widersprüche zu verlaufen.

Soll nur eine Anmerkung sein, möchte überhaupt nix unterstellen, oder gar eine Diskussion lostreten.


*Nennt sich Fassadentheorie.
siehe:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Fassadentheorie

[Edit:] Das heißt nicht, dass man Trasphobie und Faschismus und andere Scheißigkeiten nicht stets klar beim Namen nennen soll.
Der Schluss über die Fassadentheorie zu "Law and Order Rhetorik", zumal mit der genannten weitergehenden Folgerung gepaart, erscheint mir hier schon vom Ansatz her nicht passend. Die Fragestellung, wie der Mensch sich aus seinem tiefsten Innern heraus verhält, erscheint mir in dem Zusammenhang irrelevant. Es ist ja so, dass trans Menschen immer noch sehr viel Spott und schlimmerer Diskriminierung ausgesetzt sind. Es geht also darum, ein tatsächlich vorhandenes Verhalten zu sanktionieren, nicht um fundamentale, sehr abstrakte Gut-Böse-Einordnungen (die man an sich schon anzweifeln kann).

Anders gesagt: Es würde trans Menschen (und vielen anderen aktuell oder früher marginalisierten und/oder diskriminierten Gruppen) kaum besser gehen, wenn sich niemand mehr für diskriminierendes Verhalten schämen bräuchte. Sonst würden sie ja heute schon nicht mehr diskriminiert. Insofern kann die soziale (nicht zwingend juristische) Ächtung von bestimmten Verhaltensweisen durchaus als - nicht selten einziges - Mittel zum Minderheitenschutz angesehen werden.
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Flo »

Rince81 hat geschrieben: 22. Feb 2023, 20:38 Welches Hörbuch denn?

Wäre ich vorsichtig anderer Meinung, im Grunde führt das ganze ja zu Hobbes und seinen Leviathan. Meine Rechtsphilosophievorlesungen sind lange her, das war aber nicht das, was ich mitgenommen habe. Am Ende sehe ich nicht irgendwelche Law and Order Gruppen also Beispiel, sondern Institutionen wie die Vereinten Nationen, so fehlerhaft sie auch sein mögen.
Ich möchte voran stellen, dass ich noch nicht weit bin, und der Autor im Buch offen kommuniziert, dass er damit ein Gegennarrativ zur Vorstellung, dass der Mensch im Grunde schlecht sei pushen möchte. Obgleich der Author Historiker ist, ist es der Text Gefühl dafür geschrieben um Menschen zu inspirieren.

Es trägt den Titel "Im Grunde Gut"

Darin wird am Anfang ein Konflikt zwischen den Schriften von Hobbs und denen von Rousseau aufgemacht, wobei Hobbs die Zivilisation (und den Staat) als Gerüst betrachte, der die Menschen davor bewahrt sich gegenseitig den Kopf zu zerformen, und Rousseau die Zivilisation als Nährboden für alles Schlimme, das die Menschen sich gegenseitig antun.

Und mit diesen Gegenpositionen als Orientierungshorizont wird darüber verhandelt ob der Mensch denn im Grunde Sozial oder im Grunde Egoistisch sei.

Bisher finde ich es sehr launig geschrieben und ich nahm schon einige Ideen mit, die auch in meinem Alltag noch ihre Runden durch meinen Kopf drehen.

Da der Typ Historiker ist, gehe ich, ungeachtet der Intention seines Buches eigentlich davon aus, dass er Hobbs im groben richtig charakterisiert. Weil sonst hätte er sich ja auch an einem anderen Philosophen orientieren können.
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Sanity Assassin »

Flo hat geschrieben: 22. Feb 2023, 21:31
Rince81 hat geschrieben: 22. Feb 2023, 20:38 Welches Hörbuch denn?

Wäre ich vorsichtig anderer Meinung, im Grunde führt das ganze ja zu Hobbes und seinen Leviathan. Meine Rechtsphilosophievorlesungen sind lange her, das war aber nicht das, was ich mitgenommen habe. Am Ende sehe ich nicht irgendwelche Law and Order Gruppen also Beispiel, sondern Institutionen wie die Vereinten Nationen, so fehlerhaft sie auch sein mögen.
Ich möchte voran stellen, dass ich noch nicht weit bin, und der Autor im Buch offen kommuniziert, dass er damit ein Gegennarrativ zur Vorstellung, dass der Mensch im Grunde schlecht sei pushen möchte. Obgleich der Author Historiker ist, ist es der Text Gefühl dafür geschrieben um Menschen zu inspirieren.

Es trägt den Titel "Im Grunde Gut"

Darin wird am Anfang ein Konflikt zwischen den Schriften von Hobbs und denen von Rousseau aufgemacht, wobei Hobbs die Zivilisation (und den Staat) als Gerüst betrachte, der die Menschen davor bewahrt sich gegenseitig den Kopf zu zerformen, und Rousseau die Zivilisation als Nährboden für alles Schlimme, das die Menschen sich gegenseitig antun.

Und mit diesen Gegenpositionen als Orientierungshorizont wird darüber verhandelt ob der Mensch denn im Grunde Sozial oder im Grunde Egoistisch sei.

Bisher finde ich es sehr launig geschrieben und ich nahm schon einige Ideen mit, die auch in meinem Alltag noch ihre Runden durch meinen Kopf drehen.

Da der Typ Historiker ist, gehe ich, ungeachtet der Intention seines Buches eigentlich davon aus, dass er Hobbs im groben richtig charakterisiert. Weil sonst hätte er sich ja auch an einem anderen Philosophen orientieren können.
Noch ergänzend dazu: es gab vor kurzem eine Folge vom PR-Podcast "Throughline", die sich ebenfalls mit der Frage befasst, ob diese These vom dünnen Mantel der Zivilisation so stimmt. Die Folge heißt "When Things Fall Apart", ich hab sie selbst noch nicht gehört, aber irgendwo kam das Thema vor einer Weile schon mal auf, deshalb hab ich's mir gemerkt.
Phrasenschwein
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Phrasenschwein »

RudiRentier hat geschrieben: 22. Feb 2023, 19:26 Ich hoffe, du formulierst hier weiterhin in der Rolle des Advocatus Diaboli. Sollte dem nicht so sein: stell dir einfach mal vor, ein AfD-Politiker hätte diesen Satz geäußert. Anderes Verständnis von "Fortschritt", aber der gleiche demokratiefeindliche Ansatz.
Muss ich mir das wirklich vorstellen? So arbeitet die AfD doch. Wenn man mal hinhört was die AfD als Erfolge verbucht, dann feiert sie es doch wann immer sie zumindest glaubt die Grenze des Sagbaren wieder verschoben zu haben. Wenn Merz sich Aussagen wie Pascha hinreißt feiert die AfD. Auch hier sie spricht es so nie aus, vielleicht ist sich nich nicht mal jeder dessen gewahr, aber ihre Taten setzen genau dort an.

Und ja ich bin mir meines Zynismuses hier bewusst, aber die Killerspieldebatte hat dort einfach ganz klar für Desillusionierung gesorgt. Hier mal zwei sehr kürzliche Beispiele, wo sie leicht aufflackert:
Beispiel 1
Beispiel 2
Das Narrativ ist ja immer: Wir haben überzeugt und man hat den Unsinn erkannt. Nein, hat man eben zumindest nicht flächendeckend. Damit muss man sich eben eingestehen, dass der Unterschied von jetzt zu früher ist, dass es einfach "nicht verfängt". Es wird also nicht mehr Ernst genommen und im wahrsten Sinne so stark kritisiert, dass diese "Argumente" schnellstens aus der Öffentlichkeit verschwinden.

Um aber auch mal zum Thema zurück zu kommen: Weiß nicht ob das schon mal Thema war, aber ich habe mir auch mal den angesprochenen Tweet mitsamt Artikel durchgelesen, bei dem Rowling ja so konsterniert war, dass dort Menstruierende verwendet wurde. (Tweet; Artikel)
Leider, wie sehr häufig, je mehr man recherchiert desto klarer wird das Bild. Hier muss sich Rowling mal mindestens vorwerfen lassen alle angeblichen feministischen Ziele, die sie ja nach Eigenangabe hat, über Board geschmissen zu haben und ihr es wichtiger war Sprachpolizei zu spielen.
Rigolax
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Re: Feierabendbier: Muss man Hogwart’s Legacy boykottieren?

Beitrag von Rigolax »

Phrasenschwein hat geschrieben: 23. Feb 2023, 09:17 Um aber auch mal zum Thema zurück zu kommen: Weiß nicht ob das schon mal Thema war, aber ich habe mir auch mal den angesprochenen Tweet mitsamt Artikel durchgelesen, bei dem Rowling ja so konsterniert war, dass dort Menstruierende verwendet wurde. (Tweet; Artikel)
Leider, wie sehr häufig, je mehr man recherchiert desto klarer wird das Bild. Hier muss sich Rowling mal mindestens vorwerfen lassen alle angeblichen feministischen Ziele, die sie ja nach Eigenangabe hat, über Board geschmissen zu haben und ihr es wichtiger war Sprachpolizei zu spielen.
Ja, das war Thema im Thread. Dass gerade dieser Tweet immer wieder rausgeholt wurde als "Beleg", ist imho emblematisch für eine gewisse Flachheit im Diskurs; die Diskussion ist in dem Streitpunkt schlicht imho viel zu sehr verbalistisch, es wird also zu sehr um den Ausdruck gestritten und auf Basis dessen werden Absichten/Motive/Geisteshaltungen (falsch) extrapoliert. Rowlings Einwand ist, wenn man ihn wortwörtlich nimmt, auch schlicht absurd, weil es ignoriert, dass es auch nicht-menstruierende cis Frauen gibt (etwa nach der Menopause, ganz "natürlich") und das würde Rowling wohl auch anerkennen, weil sie keine ganz schlechte, wohl grundsätzlich reflexionsfähige Literatin ist, und als solche ist ihr wohl bewusst, dass natürliche Sprache bzw. vor allem Umgangssprache mit Verkürzungen, Pauschalisierungen, Generalisierungen arbeitet und das notwendigerweise. Und der verlinkte Artikel ist ebenso wortwörtlich recht dämlich, weil er menstruierende trans Männer vergessen hat: "An estimated 1.8 billion girls, women, and gender non-binary persons menstruate, [...]".
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