Outing - Ja oder Nein?

[Blendwerk]

Hallo liebe Foristen

Mich umtreibt eine Frage, die ich in unserer Lehrlings Bubble aufgeschnappt habe.
Hierzu kurz die Erklärung, dass ich in unserer Firma Betriebsrat bin und aufgrund dessen mit der Jugendvertretung im WhatsApp verknüpft.

Jüngst stellte sich dort diese Situation: Einer der Jugendvertreter (24) hatte eine Liason mit einer attraktiven jungen Dame. Beide waren etwa drei Monate zusammen. In dem Alter heutzutage eine Ewigkeit, jedoch tut das nichts zur Sache.

Nach der (für ihn) schmerzhaften Trennung (sie verließ ihn für einen Anderen), hörte er das Gerücht, dass seine Ex-Freundin vor nicht allzu geraumer Zeit ein Junge war. Seine erste Reaktion darauf war, dass es da wohl tatsächlich einige merkwürdige Begebenheiten gab, die ihn skeptisch machten.
(Es scheint sich um sexuellen Kram zu handeln, ich habe da nicht reingefragt.)

Nun denn - nach etwas Recherche seinerseits bestätigte sich das Gerücht.

Als dieses Thema in einer Diskussion hochkochte, begann in etwa mein Kenntnisstand. Und auch mich fragte man, ob man "DAS" nicht vor einer Beziehung sagen sollte. Also ob er/sie nicht sagen müsste, dass sie vorher ein Junge war.

Es war eine erstaunlich aufgeräumte Diskussion, wo sich am Ende eine ca. 3/4 Mehrheit dafür aussprach, das man SOWAS sagen müsste.

Muss man das?

[Rince81]

Ich denke auf jeden Fall ja.

Ich weiß es nicht, ich denke aber dass ich in der Situation Vorbehalte hätte, wenn ich jemanden Daten würde der trans ist. Keine Ahnung wie ich das beschreiben soll, mein Bauchgefühl sagt, dass ich damit auf der Ebene ein Problem hätte.

Dazu kommt, dass ist natürlich grundlegende Auswirkungen auf etwaige Kinderwunsch und Zukunftspläne hat und daher auf den Tisch sollte.

[Blendwerk]

Meine Antwort steht noch aus. Ganz vergessen.

Ich sehe die Differenzierung in den Absichten. Wenn die Trans Dame nur auf ein reines oberflächliches Abenteuer aus ist, muss sie das nicht sagen.
Wenn es ernst wird, mit Gefühlen und Zukunftsplanung, sollte allerdings meines Erachtens schon reiner Wein eingeschenkt werden.

Salopp gesagt würde ich der Sache eine Karenz geben von ein paar Wochen/Monaten.

[XfrogX]

Warum sollte man es sagen müssen? Ich denke nicht. Aber wenn es dann doch raus kommt muss man damit genauso leben.
Aber das kann man ja nur selber einschätzen. Die wenigsten Leute legen dich gleich ihre ganze Geschichte offen wenn die jemanden kennen lernen. Meistens kommt das doch eher mit der Zeit, wenn man die Eltern vorstellt erzählt man vorher wie die sind, bei den Jugend Freunden packt man die Geschichten aus die diese sonst erzählen könnten.

Hatte noch nie gleich die große Beichte zu Beginn.

[Otis]

Kann nur von mir ausgehen, aber ich würde mir von einer Beziehung mehr Offenheit und Vertrauen wünschen, als dass die Frage, ob man es sagen muss, überhaupt aufkommt. Bei der Familienplanung o.ä. gehört es schon erwähnt, wobei es vielleicht auch ausreicht anzumerken, dass man fortpflanzungsunfähig ist, wenn das der Fall ist.

Wobei's mich etwas wundert, dass man's nicht spätestens beim Sex merkt ... fehlen mir wohl die entsprechende Erfahrung und Kenntnisse über den aktuellen Stand der Medizin auf diesem Gebiet. (Oder was das in betrieblichen Unterhaltungen/WhatsApp-Gruppen zu suchen hat, mal nebenbei ...^^) Von daher weiß ich auch nicht, warum man es unbedingt würde wissen wollen, wenn man von sich aus keinen Unterschied merkt. Bei einer längeren, ernsthaften Beziehung halte ich es auch für einigermaßen unwahrscheinlich, dass man es nie erfahren wird.

Tendenziell finde ich, ja, sollte man sagen, eher früher als später, kann aber auch verstehen, dass manche es nicht sagen wollen aus diversen Gründen. Gibt wohl nicht die eine richtige Antwort, mit der alle glücklich sind.

[MikeMike]

Ich, äh, also, puh, das sind Probleme die ich früher noch nicht hatte

Letztlich läuft es doch, völlig unabhängig von was genau jetzt, darauf hinaus, ob ich meinem Gegenüber etwas vormache oder nicht und ob das eine gesunde Basis für eine Beziehung ist. Da sind die Toleranzen und Grenzen sicher von Person zu Person völlig individuell und es lässt sich so nicht pauschal sagen was akzeptable bzw. Inakzeptabel ist denke ich (abgesehen von strafrechtlich relevanten Eigenschaften).

Ist aus meiner Sicht ähnlich, wie wenn ich meinem veganen Partner vormachen ebenfalls vegan zu sein, dass dann aber später nicht durchhalte oder ich sage ich gehe liebend gerne jeden Samstag in die Oper und ins Kunstmuseum und langweile mich zu Tode dabei.

[Desotho]

Gibt wohl nicht die eine richtige Antwort, mit der alle glücklich sind.

Jop. Man kann ja auch nicht verlangen, dass die Person ein T-Shirt "Ich war mal ein Kerl" trägt.
Und wann sagt man es? Was ist überhaupt in der Zeit gelaufen (klar 3 Monate sind ne Weile)? Und ich stelle mir das auch schwer vor, dann sowas auf den Tisch zu bringen, auch wenn man selbst der Meinung ist es wäre Zeit das mal anzubringen.

[LegendaryAndre]

Optimal wäre es natürlich, wenn man im Vorfeld von der Person darüber informiert wird. Ab dem Zeitpunkt wo es ernster wird, würde ich es definitiv wissen wollen, nicht nur wegen dem Thema Kinder, sondern auch weil ich finde dass es in einer guten Beziehung dazu gehört dass man sich einander öffnet. Auf der anderen Seite sehe ich aber keinen Grund dass eine Trans-Person es jemandem mitteilen muss, wenn es nur um Sex geht. Die Frage stellt sich natürlich nicht bei Menschen die die Geschlechtsumwandlung nicht vollzogen haben, aber um eine solche Person geht es hier ja nicht so wie ich es verstanden habe. Das wäre auch wiederum ein anderes Thema, das eine ganz anderes Maß an Toleranz und Offenheit erfordern würde (und natürlich die entsprechende Neigung).

Unabhängig davon habe ich bei einem guten Freund (Frau zu Mann) miterlebt wie schwierig der Transformationsprozess selbst ist, da im Umfeld nicht alle verständnislos und nett reagiert haben. Und während der Phase der Veränderung wo das Aussehen dann etwas androgyn geworden ist, kamen teilweise richtig verletzende Bemerkungen von anderen, verständnislosen Menschen. Deshalb spielt es sicherlich auch eine Rolle dass einige Transgender-Personen sich schwer damit tun Vertrauen anderen gegenüber zu zeigen, insbesondere in einer Beziehung wo man in intimen Fragen besonders verletzlich ist. Ich habe das intensiv miterlebt, deshalb kann ich das recht gut verstehen.

[Rince81]

Auf der anderen Seite sehe ich aber keinen Grund dass eine Trans-Person es jemandem mitteilen muss, wenn es nur um Sex geht.

Mal ganz doof und naiv gefragt. Geht das "normale Programm" sprich "Beischlaf" ohne? Kann sein, dass ich völlig falsche Vorstellungen über die modernen medizinischen Möglichkeiten habe, aber bei einem Transmann stelle ich mir eine natürliche Erektion ohne Pumpe unmöglich vor. ich denke jeder Partner oder Partnerin beim Sex merkt das sofort.
Einen Brustaufbau bei einer Frau stelle ich mir relativ "einfach" vor und vor allem auch so machbar, dass es nicht direkt "auffällt" bzw. nicht mehr als bei anderem "nachhelfen". Wie es beim Aufbau einer Vagina und Organen wie der Klitoris aussieht? Auch keine Ahnung. Vielleicht fällt es im normalen schnellen Verkehr nicht einmal auf, bei spätestens bei oral aber doch ganz sicher?

[LegendaryAndre]

Auf der anderen Seite sehe ich aber keinen Grund dass eine Trans-Person es jemandem mitteilen muss, wenn es nur um Sex geht.

Mal ganz doof und naiv gefragt. Geht das "normale Programm" sprich "Beischlaf" ohne? Kann sein, dass ich völlig falsche Vorstellungen über die modernen medizinischen Möglichkeiten habe, aber bei einem Transmann stelle ich mir eine natürliche Erektion ohne Pumpe unmöglich vor. ich denke jeder Partner oder Partnerin beim Sex merkt das sofort.
Einen Brustaufbau bei einer Frau stelle ich mir relativ "einfach" vor und vor allem auch so machbar, dass es nicht direkt "auffällt" bzw. nicht mehr als bei anderem "nachhelfen". Wie es beim Aufbau einer Vagina und Organen wie der Klitoris aussieht? Auch keine Ahnung. Vielleicht fällt es im normalen schnellen Verkehr nicht einmal auf, bei spätestens bei oral aber doch ganz sicher?

Möglich sollte es sein, aber du hast vollkommen recht, die Medizin ist noch nicht so weit wie man es sich wünschen würde. Die Pumpe ist für eine Erektion tatsächlich erforderlich. Wie es sich dann anfühlt, darüber lässt sich nur spekulieren. Laut Ärzte soll man im Idealfall eine recht hohe Empfindsamkeit erreichen, aber nicht 100 %. Ein ejakulierender Orgasmus ist unmöglich.

https://www.transx.at/Pub/OP_Genital_FM.php

Umgekehrt, also von Mann zu Frau soll die Umwandlung wesentlich einfacher und unkomplizierter sein was die OP anbelangt. Bei meinem Freund wurde alles angeglichen (Entfernung der Eierstöcke, Gebärmutter, Brüste) mit Ausnahme der Vagina. Er hat gute Ärzte herausgesucht, wartet aber mit der OP noch bewusst, denn nach der OP besteht das Risiko der Inkontinenz. Da er in keiner Partnerschaft mehr lebt, ist das derzeit auch kein Thema. Sex mit einer Frau ohne Umwandlung ist aber nicht (mehr) möglich, weil sich das für ihn falsch anfühlt, also nicht zu seiner Identität passend. In allererster Linie war es wichtig, die männliche Identität frei leben zu können ohne dass das hinterfragt wird. Ich denke damit ist er vorerst glücklich. Ich hoffe sehr dass man auf dem Gebiet in den nächsten Jahren medizinische Fortschritte macht.

[GoodLord]

Prinzipiell gibt es ja tausend verschiedene Dinge, die man im Laufe der Beziehung erst so nach und nach erfährt und das gehört ja auch dazu nach und nach genug Vertrauen aufzubauen, dass man auch unangenehme Dinge von sich Preis gibt.
Ich denke, da ist jede Beziehung zu einzigartig um Pauschalaussagen treffen zu können,
aber imho gehört dass schon zu den großeren Dingen, die ich lieber früher von meinem Partner direkt, als später durch Zufall herausfinde. So ähnlich wie: Hast du Kinder (auch wenn sie nicht bei einem Wohnen)?, Bist du vorbestraft?, Hoch verschuldet? Schon mal verheiratet? Chronische Krankheiten? Berühmt? Reich? sonstiger Baggage etc.

Ob das jetzt schon in den ersten paar Wochen raus muss, wenn's einem unangenehm ist darüber zu reden sei Mal dahin gestellt. Umgekehrt kann man ja auch nachfragen, wenn einem sowas wirklich wichtig ist.

Jetzt mal alles unter der Annahme, dass die Geschlechtsangleichung soweit durchgeführt würde, dass mans im Beziehungsalltag nicht merkt (scheint ja hier der Fall gewesen zu sein). Ansonsten würde ich das definitiv vor dem ersten Sex erfahren wollen und nicht währenddessen.

[Blendwerk]

Ich habe nochmal reingefragt. Anatomisch war es wohl eine Frau. Und der Sex war "Komisch".

Ins Detail wollte ich jetzt nicht fragen.

Habe die Jugend dann auch gebeten untereinander zu kommunizieren und nicht inmitten einer JAV WhatsApp Gruppe.

[Insanity]

Ich, äh, also, puh, das sind Probleme die ich früher noch nicht hatte

Passend dazu:
https://youtu.be/btsh1qNOIEA
Bodo Wartke ist ein Genie, Punktum.

[GoodLord]

Habe die Jugend dann auch gebeten untereinander zu kommunizieren und nicht inmitten einer JAV WhatsApp Gruppe.

Klingt vielleicht komisch, aber das war der Teil der mich dabei ohnehin am meisten gewundert hat.

[MikeMike]

Ich, äh, also, puh, das sind Probleme die ich früher noch nicht hatte

Passend dazu:
https://youtu.be/btsh1qNOIEA
Bodo Wartke ist ein Genie, Punktum.

Ja, genau das hatte ich auch im Kopf

[PhelanKell]

Mojen,

also meiner Meinung nach ist es der Person komplett überlassen, ob sie das erzählen möchte.
Ganz ehrlich, bei 3 Monate Beziehung ist in der Regel Kinder etc. noch kein Thema.
Und wenn man sich liebt, liebt man ja die Person an sich. Da ist das (vorherige) Geschlecht doch vollkommen egal.

Wenn die Beziehung wirklich länger dauert und andere Zukunftsthemen aufkommen, dann fängt die Person sowieso von sich aus an, darüber zu reden.
Und wenn man bis dahin noch nichts gemerkt hat, dann sollte man den Ärzten einen ausgeben für die grandiose Arbeit.

Für mich persönlich (als Mann): Es sieht aus wie eine Frau, verhält sich wie eine Frau, definiert sich selbst als Frau, somit ist es eine Frau.

Achja, für die Neugierigen:
Von Mann zu Frau ist das heutzutage echt Wahnsinn. Sofern man im Gesicht nichts männliches mehr erkennt und einem Silikonbrüste (wenn Hormonbehandlung nicht bereits seit Jugendalter vorgenommen wurde) ok sind, dann sieht man kaum Unterschiede. Selbst Drüsen für die Gleitfähigkeit gibt es mittlerweile. Sieht aus wie das primäre weibliches Geschlechtsorgan, fühlt sich für beide Seiten so an, verhält sich (fast) wie eines. Nur die Periode gibt´s halt nicht.

Von Frau zum Mann ist es fast das Gleiche. Hier bin ich aber weniger versiert. Bis vor ein paar Jahren gab es noch manuell aktivierbare Pumpen für den Stand. Wie weit die heute sind mit der "Technik" .. keine Ahnung.

[Flo]

Also ehrlich gesagt eine Regel aufzustellen, dass man so ein Baggade gleich zu Beginn an auf den Tisch legen soll, halte ich für schrecklich.

Wir wurden in einer Gesellschaft geprägt, die ein Haufen irrationaler schädlicher Vorstellungen über Gender praktiziert. Das betrifft und belastet alle Menschen. Darunter "leiden" auch cis Menschen. Künstlich eine Kultur zu etablieren, in der dieses "Leid" einfach vollständig auf trans Personen externalisiert wird, ist doch ein enormer Haufen Kackscheiße.

Wenn ein cis Mensch sich auf emotionaler, körperlicher, und/oder sonstiger Ebene von einer trans Person angezogen fühlt, aber dann ein Problem mit dem dem Transaspekt hat, dann liegt sozusagen die Schuld dafür bei der Gesellschaft und möglicherweise auch bei der cis Person.

Jetzt von der trans Person, die als einziges absolut nicht involviert ist in dem Problemkonstrukt, zu fordern, dass sie sich so verhält (und damit auch so fühlt), als habe sie Schuld auf sich geladen, nur damit ein transphobes Hegemonial aufrecht erhaltet werden kann, halte ich für absurd.

Das ist als ob man eine Regel aufstellt, dass nicht-Deutschen, denen von Deutschen die Nase gebrochen wird, die Verantwortung dafür tragen, dass kein Blut auf die Kleidung des Deutschen kommt. Das ist Opfer-Täter Umkehr, und so etwas möchte ich nicht in vollem Bewusstsein aktiv kulturell etablieren.

[Desotho]

Und wenn man sich liebt, liebt man ja die Person an sich. Da ist das (vorherige) Geschlecht doch vollkommen egal.

Sollte, aber das werden viele Leute nicht so sehen. Oder sie wissen, dass man es so sehen sollte, können aber nicht aus ihrer Haut.
Ich finde das Gedankenspiel schon interessant. Was würde man selbst machen? Wäre btw. auch ein netter Twist für ein Computerspiel mit Romance Optionen. Shitstorm incoming

Am Ende bin ich auch der Überzeugung, dass es keine feste Regel geben sollte. Aber früher oder später sollte man aus Fairness wohl schon damit rausrücken, denn das sowas für viele Leute ein Problem darstellt kann man sich ja nun eben auch denken.

[Voigt]

Erstmal *muss* ist eh nix.
Ich finde aber es sollte schon irgendwann gesagt werden, so zwischen 1-3 Monate fänd ich angebracht.

[Flo]

Dazu kommt, dass ist natürlich grundlegende Auswirkungen auf etwaige Kinderwunsch und Zukunftspläne hat und daher auf den Tisch sollte.

Man muss schon von der Prämisse ausgehen, dass alle cis Personen grundsätzlich Kinder haben wollen und können, um das als Argument ins Feld zu führen.* Und selbst wenn dem so wäre, ist das spezifische Thema Transidentität von keiner Bedeutung. Denn ob nun ein Verschluss des Ductus ejaculatorius, eine Folikelreifungsstörung, oder ein genereller Gebärmuttermangel der Grund für die Unfruchtbarkeit wäre, ist im Gespräch ja völlig irrelevant.


*Ganz zu schweigen von einer breiten Spektrum an Annahmen bezüglich Beziehungsmodelle und Sexualität.