Karsten hat geschrieben: ↑27. Mai 2023, 21:22
Ich hab zwar keinen Einblick in die Interna bei Webedia, kann aber aus der Computec-Perspektive berichten: Hier gibt's von den Redaktionen losgelöste Teams, die Deals mit Werbekunden abschließen und die Werbemaßnahmen (wie Bannerwerbung auf der Webseite, Advertorials, Werbe-Videos) umsetzen. Die Sprecher in den Videos und die Cutter, die das Video schneiden, kommen auch nicht aus der internen Video-Unit, sondern sind externe Profis, die extra gebucht werden.
Die Trennung zwischen diesen Teams und den Redaktionen ist so strikt, dass wir bei buffed zum Beispiel nie wissen, wann welche Werbe-Banner unsere Webseite flankieren, bis sie dann live gehen. Bei der Veröffentlichung von Werbe-Artikeln und Videos auf der Webseite gibt's im Normalfall höchstens eine Ankündigung für die Redaktionsleitung. Sprich: Ob es ein Advertorial-Text zu einem Spiel wie Gollum gibt, erfährt der Redakteur, der das Spiel testet, im Normalfall ebenfalls erst, wenn das Ding live geht. Einfluss auf die Arbeit des Redakteurs hat so ein Deal null (gab in dem konkreten Fall ja auch einen lustigen Tweet, mit dem Advertorial auf PC Games, und direkt daneben: die Kaufwarnung für Gollum).
Mir persönlich ist auch erst einmal ein Fall von externer Einflussnahme begegnet, da ging es 2014 um einen freiberuflichen Auftrag für eine Webseite rund um Spieletricks. Als mir klar wurde, dass man meine vergleichsweise kritische Wertung auf Befehl von oben über einen zweiten, nachträglich berufenen internen Tester nach oben mauscheln wollte, hab ich keine Aufträge mehr für diese Seite angenommen.
Normalerweise ist - meiner Erfahrung nach - aber das genaue Gegenteil der Fall: Die Chef-Redakteure werfen sich bei Bedarf ins Flakfeuer der Publisher, damit der für den Test verantwortliche Redakteur in Ruhe seinen Job machen kann.
Ich glaube absolut, dass die Verläge ihr möglichstes dazutun, um eine Trennung so gut wie möglich zu erreichen. Und trotzdem ist es einfach ein Problem der Branche, dass man öfter mal die Hand beißen muss, die einen füttert. Und natürlich ist das nicht direkt durch "gekaufte" oder "beeinflusste" Wertungen sichtbar, aber durch die Abhängigkeit entstehen dann eben unglückliche Situationen, wie eben bei Gollum, dass die Gamestar sagt "Ja testen können wir Gollum erstmal nicht" und gleichzeitig ein Beitrag erscheint "hey, schaut mal wir spielen heute Abend Gollum mit euch im Stream". Gerade durch die Unabhängigkeit, die du beschreibst, bekommt die Anzeigenabteilung vermutlich nicht mal mit, was es für Probleme mit dem Spiel gibt und beide Artikel erscheinen komplett unabhängig. Und natürlich ist eine Werbeanzeige für gewöhnlich länger sichtbar (da bezahlt ja jemand für) als ein einfacher Artikel. Aber für mich als Leser wirkt es eben erstmal komisch.
Und weil du Computec erwähntest, habe ich mich an einen Artikel der PC-Games erinnert (ich lese da nur sporadisch und vermeide in der Regel Werbeartikel, daher kann ich nicht beurteilen, ob das häufiger vorkommt), den ich auch sehr unglücklich fand. Zum Zelda: Skyward Sword-Remake hat offenbar Nintendo eine Werbeanzeige in Artikelform gebucht und die Füchse der Nintendo-PR haben sich gedacht: "Lass uns das mal im Stil einer Review schreiben":
https://www.pcgames.de/The-Legend-of-Ze ... e-1376796/
https://www.youtube.com/watch?v=JkSvdtZ ... ckR4AaABAg
Auch hier alles sauber getrennt und markiert. Quelle ist Nintendo, es steht Anzeige dabei. Also rein formal keine Vorwürfe - erst recht natürlich nicht an die Redakteure. Aber trotzdem sollte für mich ein Instanz existieren, die das abweist, weil diese Werbung offensichtlich von Nintendo so geschrieben wurde, um Leser zu täuschen.