Heretic hat geschrieben: ↑20. Jun 2023, 13:43
Kam bei mir auch so an. Die Ansichten der Autorin bezüglich Rockmusik kommen doch sehr einseitig rüber. Ich lausche jedenfalls nicht gerne den harten Klängen, um mich wie ein notgeiler Teenager zu fühlen oder den rebellischen Außenseiter zu geben. Zudem scheint sie auch von den Texten im Rock und Metal wenig Ahnung zu haben, denn die haben weitaus mehr zu bieten als nur klischeehafte Sauf- und Sexplattitüden. Die es natürlich auch zur Genüge gibt, keine Frage. Der Text scheint sich gefühlt an der Rockwelt der Sechziger, Siebziger und Achtziger zu orientieren, heute sind wir da doch schon ein paar Schritte weiter.
Anlass für den Text sind die Anschuldigungen gegen Lindemann und Rammstein und in diesem Zusammenhang insbesondere das online und im Umfeld von Konzerten zu beobachtende Phänomen, dass Fans die Band in Schutz nehmen. Die Autorin stellt Bezüge zu in der Rockkultur sehr präsenten Narrativen und Strukturen her. Dass man dabei auf die Sechziger, Siebziger und Achtziger schaut, liegt nahe - in dieser Zeit hat sich Rock nun mal als Mainstreamkultur etabliert und das "Rockstar-Image" wirkt in weiten Teilen bis heute nach. Kann man ja alleine schon daran erkennen, wie viele Rammstein-Verteidiger meinen, dass doch klar wäre, "was da Backstage läuft". Dass bei so einem Thema ein "einseitiger" (im Sinne von kritischer) Blick auf problematische Aspekte eingenommen wird, ist doch eigentlich selbstverständlich? Es geht ja nicht darum, Rock als Phänomen komplett zu abzuhandeln, sondern um die aktuelle, konkrete Situation, in der Fans Rammstein in Schutz nehmen.
Außerdem stört mich ziemlich, wenn in solchen Diskussionen gleich an der Ahnung der Autorin gezweifelt wird. Wie kommst du darauf? Wo liegt sie denn konkret falsch? Kann man nicht auch Ahnung von Rock haben und einfach unterschiedlicher Meinung sein? Davon, dass es in den Texten nur klischeehafte Sauf- und Sexplattitüden gäbe, schreibt sie jedenfalls nichts. Und es mag sein, dass du dir selbst nicht wie ein Rebell vorkommst, wenn du diese Musik hörst. Als jemand, der selbst viel Rock hört, kann ich mir aber nicht vorstellen, dass du gar nicht nachvollziehen kannst, was damit gemeint sein soll, dass da seitens Musikern und Fans oft ein rebellisches Außenseiter-Image vor sich hergetragen wird, obwohl Rock eben längst im Mainstream angekommen ist und per se keine Rebellion (mehr?) darstellt.
Musikerinnen in Rock und Metal sind keine Seltenheit mehr. Es gibt trans Frauen (Dool, Life of Agony) und homosexuelle Black Metaller (Gaahl). Die Zeiten, als ein Rob Halford seine Homosexualität noch verbergen musste, sind vorbei.
Keine Seltenheit ist weit weg von Parität. Im Text wird ja sogar auf "zahlreiche bewundernswerte weibliche und queere Künstler*innen" verwiesen, aber Thema im Text ist nun mal männlich dominierter Mainstream-Rock. Zumal Gaahl vermutlich seine Gründe dafür hatte, dass er sich erst in den späten Nuller Jahren zu seiner Homosexualität bekannt hat. Ob ausgerechnet er angesichts seiner hart rassistischen und allgemein menschenfeindlichen Äußerungen unbedingt als Beispiel für Fortschritt in diesen Subkulturen taugt, wage ich im Übrigen zu bezweifeln.
motohalo hat geschrieben: ↑20. Jun 2023, 13:46
Ja aber warum beschreibt die Autorin nicht konkret in zwei, drei Absätzen die problematischen Strukturen, statt ziemlich allgemein von Mysogynie, Chauvinismus und Patriarchat zu reden. Um sich dann auf den unmöglichsten Teil der Rammstein-Fans zu beziehen.
Weil aus ihrer Sicht Misogynie, Chauvinismus und Patriarchat eben essenziell für diese problematischen Strukturen sind? Und der "unmöglichste" Teil der Rammstein-Fans ist nun auch keine völlig willkürlich ausgewählte, klitzekleine Nische, sondern aktuell sehr laut - wurde ja auch hier im Thread schon vieles zu geschrieben. Wenn du einen anderen Text zu ganz anderen Themen haben möchtest, bist du natürlich an der falschen Adresse. Aber wenn wir schon "Wünsch dir was!" spielen, würde ich es spannender finden, in einer Kritik am Text etwas stärker inhaltlich auf ebendiesen zu reagieren.