Nahost-Konflikt

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Voigt
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von Voigt »

Rince81 hat geschrieben: 3. Nov 2023, 10:49
Rince81 hat geschrieben: 2. Nov 2023, 09:39 Ich habe es selbst noch nicht gesehen, Piers Morgan und Bassef Youssef haben sich nochmal getroffen und zwei Stunden gesprochen:
https://www.youtube.com/watch?v=rqjO5Z9Lt_M
Gestern Abend gesehen. Auch wenn ich 1-2 mal doch irritiert bei den Aussagen von Youssef gewesen bin - was er sagt ist hörenswert. Weil er sehr gut erklärt, warum die arabische Welt so reagiert, wie sie reagiert. Weil er gut aufzeichnet, dass wir im Westen und die arabische Welt unterschiedliche Medien konsumieren, einen unterschiedlichen Ansatz und daher auch eine völlig unterschiedliche Wahrnehmung des Konflikts haben. Vieles unter dem Prinzip etwas zu erklären, heißt nicht das zu rechtfertigen. Teils sind es simple Gegenfragen von Youssef, die zeigen, welche Mängel die westliche Sicht auf den Konflikt haben kann.

Mittlerweile auch geschaut. Zum einen geht gefühlt Interview erst ab Minute 25 los. Ich kenne Piers Morgen nicht, fand den Gesprächsfluss nich so optimal und anscheinend hat er sich bei diesem Gast sogar besonders zurückgehalten mit dazwischenreden. Bzw., Bassef hat sich teils einfach nich beirren lassen und weitergeredet. Wurde hinten raus besser dafür aber auch die Argumente und Gegensätze schärfer.

Insgesamt auf jeden Fall nochmal interessante Perspektiven, die ich so ähnlich nachm googln der Geschichte bezüglich des 3 Poster Blog Eintrages auch so teilte.
Auch nochmal, dass sich Araber nicbt als gleichberechtige Partner fühlen, dass zur Not USA/UK bei denen einmarschieren und Israel ein original europäisches "Problem" war, was bloß in den Nahen Osten exportiert wurde.

Anderseits bin ich nich sicher wie ich finde wie er das gesamte Israelregierungskonstrukt, unabhängig von Netanjahu kritisiert, dass dies von Grund auf Apartheid ist. Es ist in vielen Belangen durchzogen ja, und seine Beispiele sind sicher auch so eingetreten, aber es sind immernoch "vergleichsweise" wenige Vorfälle über die Jahre verteilt. Bin daher dher auf Morgans Sitz, dass eine andere Regierung schon was ändern könnte, aber auf jeden Fall halt nich schnell.

Auch leider wurde entweder nich verstanden oder ignoriert eine zentrale Frage am Ende: Wie soll Israel nach dem 7. Oktober reagieren. Da fing er an mit Vergangenheit war halt kacke und da hätte was passieren müssen, dass es nich soweit kommen könnte. Aber er sagte nie so wirlich was ein Staat Israel jetzt machen soll.
Ganz am Ende war bloß Paläestina heilen und denen geben wad die verdienen, was auch eher so mittelfristig ist.

Implizit nehme ich an, er meint "muss Israel halt jetzt kurzfristig aushalten, und mittelfristig an Lösungen arbeiten", aber durchgerungen das so zu sagen hat er nich.

Könnte aber auch ein anderes Mindset sein, "im Westen" sind Strafexpeditionen um Angreifer/Terroristen zu bestrafen und in einen fremden Land "auszulöschen" eventuell verbreiteter. Verteidigung der eigenen Bevölkerung auch über Ländergrenzen hinweg und auch nur für einen möglichen folgenden Angriff, den der aktuelle akute Angriff ist ja vorbei.

Wäre sehr interessant gewesen, wäre das noch diskutiert worden.
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von flix »

In Essen gab es gestern eine Demo mit Jihad-Fahnen und der Forderung nach einem Kalifat, die nicht aufgelöst wurde.

https://www.sueddeutsche.de/politik/dem ... -99-816281

Unerträglich.
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kami
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von kami »

Der moderne Antikolonialismus scheint mehr und mehr zu einer Ablehnung der Werte von Demokratie und Aufklärung zu werden und eine offene Tür gegenüber jeder reaktionären Ideologie, solange die sich nur als antikolonial = antiwestlich verkauft. Wenn Judith Butler, die in den letzten Jahren offensichtlich völlig auf den Hund gekommen ist, nun schon die klerikalfaschistische Hamas und Hisbollah als Teil der globalen Linken bezeichnet, wird es doch Zeit, deutlich sichtbar Grenzen zu ziehen.
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Rince81
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von Rince81 »

Persönliche Meinung: Leute, die hier mit ISIS oder Taliban Fahnen marschieren sollten, sofern irgend möglich abgeschoben werden. Offensichtlich sind sie nicht schutzbedürftig oder verfolgt.
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Rince81
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von Rince81 »

kami hat geschrieben: 4. Nov 2023, 10:59 Wenn Judith Butler, die in den letzten Jahren offensichtlich völlig auf den Hund gekommen ist, nun schon die klerikalfaschistische Hamas und Hisbollah als Teil der globalen Linken bezeichnet, wird es doch Zeit, deutlich sichtbar Grenzen zu ziehen.
"Nun" war 2006. Das Statement ist sogar älter als die Machtergreifung von Hamas in Gaza.
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kami
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von kami »

Rince81 hat geschrieben: 4. Nov 2023, 11:11
kami hat geschrieben: 4. Nov 2023, 10:59 Wenn Judith Butler, die in den letzten Jahren offensichtlich völlig auf den Hund gekommen ist, nun schon die klerikalfaschistische Hamas und Hisbollah als Teil der globalen Linken bezeichnet, wird es doch Zeit, deutlich sichtbar Grenzen zu ziehen.
"Nun" war 2006. Das Statement ist sogar älter als die Machtergreifung von Hamas in Gaza.
Gut, linker war die Hamas damals aber auch nicht. Aber offensichtlich war Butler schon damals bei diesem Thema nicht ganz zurechnungsfähig.
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Peninsula
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von Peninsula »

Rince81 hat geschrieben: 4. Nov 2023, 11:02 Persönliche Meinung: Leute, die hier mit ISIS oder Taliban Fahnen marschieren sollten, sofern irgend möglich abgeschoben werden.
Diese Meinung hört und liest man ja häufiger. Was ich daran nicht verstehe: Vermeintlich extremistische, potenziell gewalttätige Menschen am besten noch in Krisengebiete, in denen diese Ideologien noch viel mehr Schaden anrichten, abschieben. Was soll das bringen? Nur damit "wir" unsere Ruhe haben, egal ob damit dann anderswo der Terror sogar womöglich unterstützt wird? Liest sich für mich nach Sankt-Florian-Prinzip und nicht nach einer Lösung. Ein Rechtsstaat sollte bessere Instrumente nutzen.
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von Mauswanderer »

Abschiebungen sind grundsätzlich erstmal ein völlig legitimes Instrument eines Rechtsstaats. Darüber hinaus würde ich sogar sagen: Ein notwendiges, weil die Balance der Instrumente insgesamt auch darauf vertraut, dass sie möglich sind. Wenn ein gewaltbereiter Extremist nach Deutschland einreist und ich ihn nicht abschieben kann, habe ich ja nur noch drei Möglichkeiten, um darauf konkret zu reagieren: Engmaschige Überwachung (mit den ihr eigenen ethischen und juristischen Problemen und nicht durchhaltefähigem Ressourcenverbrauch), dauerhaftes Wegsperren (ebenfalls ethisch und juristisch sehr bedenklich und nicht in großem Maße durchhaltefähig) oder eben Duldung seines potentiell gefährlichen Verhaltens (und Vertrauen darauf, dass schlimmere Taten durch andere Mechanismen der vorbeugenden Gefahrenabwehr verhindert werden). Da erscheint mir Abschiebung ein absolut verhältnismäßiges Mittel zu sein. Denn (auch zu deinem Sankt-Florian-Argument): Es geht ja nicht darum, irgendwen irgendwo anders hinzuverschiffen, sondern darum, Bürger anderer Staaten in ihr Heimatland abzuschieben. Dass man dort Islamisten, die einen dschihadistischen Kalifatsstaat fordern, auch nicht unbedingt haben möchte, ist eine andere Sache, die Zuständigkeit ist dort aber deutlich klarer verortet.
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von Rigolax »

Das Problem ist imho auch, dass in DE bestimmte Positionen stärker aus dem Wertekonsens herausfallen als anderswo und damit für den öffentlichen Frieden abträglicher sind als anderswo. Also plakativ gesagt: Islamisten sind bei uns tatsächlich eher ein Problem als in anderen Staaten. Sie "stören" im mehrfachen Sinne eher.
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von Mauswanderer »

Nochmal zur Demo in Essen:
Die Polizei sprach von einem offenbar vorgeschobenen Versammlungsgrund der Demonstration als "propalästinensisch". Demnach habe es sich tatsächlich um eine "islamreligiöse Versammlung" gehandelt, was unter anderem dadurch deutlich geworden sei, "dass Ordner eine strikte Geschlechtertrennung vornahmen und Frauen sowie Kinder am Ende des Aufzuges laufen mussten".
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitge ... ina-israel

Einfach nur übel. Vielleicht sollte mal ein kompletter Sorgerechtsentzug der Teilnehmer geprüft werden.
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von Rince81 »

https://www.spiegel.de/ausland/israel-g ... 858b17766d
Netanyahu distanziert sich von Aussagen eines rechten Kabinettsmitglieds
Benjamin Netanyahu hat sich von den Äußerungen eines Ministers seiner Regierung distanziert, wonach der Abwurf einer Atombombe auf den Gazastreifen eine Option sei. Der Minister für Kulturerbe, Amichai Eliyahu von der Partei Otzma Yehudit, hatte diese Äußerung laut der »Times of Israel« in einem Interview mit einem Radiosender getätigt. Eliyahu sagte weiter, die palästinensische Bevölkerung könne auch »nach Irland oder in die Wüste« gehen. Und weiter: »Die Monster in Gaza sollten selbst eine Lösung finden.«

Netanyahu schrieb dazu folgendes Statement in den sozialen Medien: »Die Aussagen von Minister Amihai Eliyahu entsprechen nicht der Realität. Israel und die IDF (die israelische Armee) handeln in Übereinstimmung mit den höchsten Standards des internationalen Rechts, um zu vermeiden, dass Unschuldige zu Schaden kommen. Wir werden dies auch weiterhin tun, bis wir siegen.«
Sagt eigentlich alles über die aktuelle Regierung in Israel, dass der Premierminister selbst sich gezwungen sieht, sich davon zu distanzieren, dass einer seiner Minister denkt, dass ne Atombombe auf Gaza eine Option sei. :shock:
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Voigt
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von Voigt »

Das passt aber auch echt gur zu deinem verlinkten Interview.
Zum einen dass Netanyahu anscheinend sein Kabinett mit rechten Idioten befüllt hat um an der Macht zu bleiben, er durch das Kabinett aber nochnal zusätzlich noch weiter rechts getrieben wird um die zufrieden zu halten.

Gleichzeitig aber auch die Aussage von dem Kabinett dass die 2 Millionen Einwohner doch gerne nach Irland oder Sinai abhauen sollen und dort gut leben können, aber das Israelis zurückkehren ist im Gegensatz natürlich keine Option.

Zur Klarstellung, ich denke nich das Israelis wieder verschwinden sollen, dafür existieren die Menschen da mittlerweile zu lange, haben Wurzel geschlagen und Familien die in Israel aufgewachsen sind. Ich zeige nur auf, dass dies aber trotzdem von Gazaeinwohnern verlangt wird, den es genauso geht.
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von Peninsula »

Mauswanderer hat geschrieben: 4. Nov 2023, 12:03 Abschiebungen sind grundsätzlich erstmal ein völlig legitimes Instrument eines Rechtsstaats. Darüber hinaus würde ich sogar sagen: Ein notwendiges, weil die Balance der Instrumente insgesamt auch darauf vertraut, dass sie möglich sind. Wenn ein gewaltbereiter Extremist nach Deutschland einreist und ich ihn nicht abschieben kann, habe ich ja nur noch drei Möglichkeiten, um darauf konkret zu reagieren: Engmaschige Überwachung (mit den ihr eigenen ethischen und juristischen Problemen und nicht durchhaltefähigem Ressourcenverbrauch), dauerhaftes Wegsperren (ebenfalls ethisch und juristisch sehr bedenklich und nicht in großem Maße durchhaltefähig) oder eben Duldung seines potentiell gefährlichen Verhaltens (und Vertrauen darauf, dass schlimmere Taten durch andere Mechanismen der vorbeugenden Gefahrenabwehr verhindert werden). Da erscheint mir Abschiebung ein absolut verhältnismäßiges Mittel zu sein. Denn (auch zu deinem Sankt-Florian-Argument): Es geht ja nicht darum, irgendwen irgendwo anders hinzuverschiffen, sondern darum, Bürger anderer Staaten in ihr Heimatland abzuschieben. Dass man dort Islamisten, die einen dschihadistischen Kalifatsstaat fordern, auch nicht unbedingt haben möchte, ist eine andere Sache, die Zuständigkeit ist dort aber deutlich klarer verortet.
Finde ich nicht überzeugend. Formaljuristische "Zuständigkeit" bedeutet ja nicht, dass eine Maßnahme auch sinnvoll ist. Wenn du von Leuten schreibst, die "einreisen", liest sich das so, als ginge es um Kurzzeitbesucher - das entspricht aber meines Wissens in keiner Weise der Realität. Es geht um Leute, die seit Jahren, oft sogar seit Jahrzehnten hier leben, vielleicht sogar hier geboren und aufgewachsen sind und ihre "Heimatländer", wenn überhaupt, nur als Besucher kennen. Und natürlich verfährt man nach dem Sankt-Florian-Prinzip, wenn man Gefährder abschiebt. Man kann doch schwerlich behaupten, ernsthaft gegen Antisemitismus zu kämpfen, wenn man antisemitische Gefährder mit Verweis auf Zuständigkeiten bspw. in den Libanon, also ein direktes Nachbarland Israels(!), abschiebt, damit "wir hier" unsere Ruhe haben.

Generell finde ich es komplett daneben, wenn bei Bildern von Demos mit nicht "biodeutsch" aussehenden Menschen sofort die Zugehörigkeit zu Deutschland in Frage gestellt wird. Rassismus ist auch dann Scheiße, wenn er Arschlöcher trifft. Zumal diese Ausgrenzung Extremisten in die Hände spielt und ihre radikalen "Wir gegen die!"-Narrative für Anhänger noch überzeugender erscheinen lässt.

Und leider ist islamistischer Extremismus hierzulande nicht mehr neu, gehört also sehr wohl hierher. Meiner Meinung nach sollten daher extremistische Demonstrationen aus dem islamistischen Spektrum so kritisiert werden, wie etwa rechtsextreme Demos. Dazu gehört auch, nicht alles in einen Topf zu werfen. Bei den Flaggen in Essen handelte es sich wohl nicht um IS- oder Taliban-Flaggen, sondern um Symbole der (ebenfalls verbotenen) Organisation Hizb ut-Tahrir.

Ich lasse mal einen kürzlich erschienenen Artikel über die Debatte um die Berliner Sonnenallee hier, der in eine ähnliche Richtung argumentiert. https://taz.de/Debatte-um-Berliner-Sonn ... /!5965454/
Diese Zusammenhänge zu benennen, ist keine Entschuldigung der Sympathiebekundungen für das Morden der Hamas in Neukölln und auch nicht für den grassierenden Antisemitismus. Aber sie sind ein Hinweis, dass die Berliner Palästinenser seit bald 50 Jahren hier leben, inzwischen mehrheitlich Deutsche sind, es sich um keine importierten Probleme handelt, sondern um hausgemachte.
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von Rigolax »

Peninsula hat geschrieben: 5. Nov 2023, 12:49Man kann doch schwerlich behaupten, ernsthaft gegen Antisemitismus zu kämpfen, wenn man antisemitische Gefährder mit Verweis auf Zuständigkeiten bspw. in den Libanon, also ein direktes Nachbarland Israels(!), abschiebt, damit "wir hier" unsere Ruhe haben.
Man kann doch argumentieren, dass eine Ausprägung der historischen Verantwortung Deutschlands ist, der Sicherheit jüdischer Mitbürger hierzulande eine hohe Priorität einzuräumen, indem eben rigoros gegen antisemitische Gefährder vorgegangen wird. Wie ich meinte: Die ecken hierzulande besonders an.

Im Grunde ist es ohnehin absurd, dass von allen Staaten gerade Deutschland Massenmigration/-Flüchtlingsaufnahme aus dem arabischen Raum betrieben hat, oftmals vermutlich noch mehr oder weniger neoliberal motiviert mit dem Ziel billige Arbeitskräfte zu gewinnen, wenn eben damit signifikant jüdisches Leben in Deutschland erschwert wird. Ich will damit nicht sagen, dass alle Syrer, Afghanen, Nordafrikaner und so weiter Antisemiten sind (es ist in manchen Kulturkreisen aber gehäufter) oder dass man gar keine Leute aufnehmen sollte aus diesen Regionen, ich sehe nur ein gewisses Spannungsverhältnis. In einer redlichen gesamtgesellschaftlichen Debatte wäre das auch von Anfang an klar gewesen.

(edit: Afghanistan ist nicht Teil der arabischen Welt, liest sich in meinem Posting so, merke ich gerade).
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von Mauswanderer »

Peninsula hat geschrieben: 5. Nov 2023, 12:49 Finde ich nicht überzeugend. Formaljuristische "Zuständigkeit" bedeutet ja nicht, dass eine Maßnahme auch sinnvoll ist.
Habe ich nicht behauptet. Die Sinnhaftigkeit der Maßnahme habe ich anders begründet.
Wenn du von Leuten schreibst, die "einreisen", liest sich das so, als ginge es um Kurzzeitbesucher - das entspricht aber meines Wissens in keiner Weise der Realität. Es geht um Leute, die seit Jahren, oft sogar seit Jahrzehnten hier leben, vielleicht sogar hier geboren und aufgewachsen sind und ihre "Heimatländer", wenn überhaupt, nur als Besucher kennen. Und natürlich verfährt man nach dem Sankt-Florian-Prinzip, wenn man Gefährder abschiebt. Man kann doch schwerlich behaupten, ernsthaft gegen Antisemitismus zu kämpfen, wenn man antisemitische Gefährder mit Verweis auf Zuständigkeiten bspw. in den Libanon, also ein direktes Nachbarland Israels(!), abschiebt, damit "wir hier" unsere Ruhe haben.
Das ist doch ein völlig abwegiger Vergleich. Die Anwesenheit dieser Personen in Deutschland, die hier rein rechtlich tatsächlich nur "Besucher" sind (bei allen anderen ist die Diskussion doch eh müßig, Deutschland kann keine Deutschen abschieben), gefährdet konkret die Sicherheit der jüdischen Bevölkerung und (bei gewaltbereiten Islamisten, die dem IS nacheifern) weitergehend auch aller anderen. In ihren Heimatländern stellen sie als Rekrutierungspotential mittelbar eine Gefahr für den Staat Israel dar, aber die Art der Bedrohung, die möglichen Maßnahmen und die denkbaren Resultate sind auf keiner Ebene vergleichbar.
Im übrigen hast du meinen zentralen Punkt gar nicht aufgegriffen: Wie sollte man denn sonst mit diesen Leuten umgehen? Bisher läuft deine Argumentation, treibt man sie konsequent weiter, darauf hinaus, dass wir - im Namen des Kampfes gegen den Antisemitismus - weltweit möglichst viele Antisemiten einsammeln sollten, um dann hierzulande mit ihnen X zu tun. Das X ist mir dabei aber völlig schleierhaft.
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von Rigolax »

Ich nehme an, dem liegt ein Bildungsoptimismus zu Grunde, wonach sich nur genug angestrengt werden müsste, damit Antisemitismus, allgemein und konkret, schon ausgetrieben werden könnte. Eine solche Annahme scheint mir vor allem im kulturellen Sektor weit verbreitet, wohl ein Einfluss der Philosophie Adornos ("Erziehung nach Auschwitz"). Ich halte es schlicht gängig für naiv.
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von Peninsula »

Mauswanderer hat geschrieben: 5. Nov 2023, 13:49 ...
Du behauptest, ich wäre auf deine zentralen Punkte gar nicht eingegangen und stellst gleichzeitig meine Argumentation aus meiner Sicht völlig verzerrt dar.

"Meine" Punkte:
1. Abschiebung löst nichts. Wenn es um Leute geht, die gefährlich sind und Straftaten begehen, ist es nicht besser, wenn sie diese anderswo begehen. Im Gegenteil werden die Zielländer möglicher Abschiebungen in vielen Fällen unserer Vorstellung eines Rechtstaates in keiner Weise gerecht und die antisemitisch-extremistischen Ansichten können dort ggf. noch viel militanter ausgelebt werden.

2. Antisemitismus in Deutschland - egal von wem er ausgeht - sollte als Problem unserer Gesellschaft wahrgenommen werden. Dass Menschen auch nach Jahren und Jahrzehnten in Deutschland seitens der Mehrheitsgesellschaft als "Besucher" wahrgenommen werden, trägt maßgeblich zum Problem bei (vgl. verlinkter taz-Artikel). Dass diese Wahrnehmung in manchen Fällen auch dem Aufenthaltstatus entspricht, ist ein politisches Problem und kein Argument für diese Ausgrenzung.

3. Straftaten sind Straftaten. Dazu gehören meines Wissens beispielsweise auch das Zeigen von Symbolen verbotener Organisationen, zu denen der IS und neuerdings auch die HAMAS zählt. Gerade aus der in 2. geforderten Wahrnehmung als "unser" Problem erfolgt natürlich, dass die Behörden hier genau hinschauen und strafrechtlich relevante Aktivitäten ahnden, wie sie das bei allen anderen Leuten in Deutschland auch tun sollten. ("Wehrhafte Demokratie" und so)

4. Auf der Ebene des öffentlichen Diskurses braucht es meines Erachtens viel intensivere Auseinandersetzung. Das heißt NICHT, dass man den islamistischen Extremismus verharmlost, im Gegenteil. Aber indem man ihn viel zu lange als "irgendwie kulturelles" Problem auch intellektuell ausgelagert hat, war er eben nicht in der Weise Gegenstand öffentlicher Debatten wie etwa Rechtsextremismus und wird entsprechend undifferenziert diskutiert.
GoodLord
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von GoodLord »

Peninsula hat geschrieben: 5. Nov 2023, 12:49
Mauswanderer hat geschrieben: 4. Nov 2023, 12:03 Abschiebungen sind grundsätzlich erstmal ein völlig legitimes Instrument eines Rechtsstaats. Darüber hinaus würde ich sogar sagen: Ein notwendiges, weil die Balance der Instrumente insgesamt auch darauf vertraut, dass sie möglich sind. Wenn ein gewaltbereiter Extremist nach Deutschland einreist und ich ihn nicht abschieben kann, habe ich ja nur noch drei Möglichkeiten, um darauf konkret zu reagieren: Engmaschige Überwachung (mit den ihr eigenen ethischen und juristischen Problemen und nicht durchhaltefähigem Ressourcenverbrauch), dauerhaftes Wegsperren (ebenfalls ethisch und juristisch sehr bedenklich und nicht in großem Maße durchhaltefähig) oder eben Duldung seines potentiell gefährlichen Verhaltens (und Vertrauen darauf, dass schlimmere Taten durch andere Mechanismen der vorbeugenden Gefahrenabwehr verhindert werden). Da erscheint mir Abschiebung ein absolut verhältnismäßiges Mittel zu sein. Denn (auch zu deinem Sankt-Florian-Argument): Es geht ja nicht darum, irgendwen irgendwo anders hinzuverschiffen, sondern darum, Bürger anderer Staaten in ihr Heimatland abzuschieben. Dass man dort Islamisten, die einen dschihadistischen Kalifatsstaat fordern, auch nicht unbedingt haben möchte, ist eine andere Sache, die Zuständigkeit ist dort aber deutlich klarer verortet.
Finde ich nicht überzeugend. Formaljuristische "Zuständigkeit" bedeutet ja nicht, dass eine Maßnahme auch sinnvoll ist. Wenn du von Leuten schreibst, die "einreisen", liest sich das so, als ginge es um Kurzzeitbesucher - das entspricht aber meines Wissens in keiner Weise der Realität. Es geht um Leute, die seit Jahren, oft sogar seit Jahrzehnten hier leben, vielleicht sogar hier geboren und aufgewachsen sind und ihre "Heimatländer", wenn überhaupt, nur als Besucher kennen. Und natürlich verfährt man nach dem Sankt-Florian-Prinzip, wenn man Gefährder abschiebt. Man kann doch schwerlich behaupten, ernsthaft gegen Antisemitismus zu kämpfen, wenn man antisemitische Gefährder mit Verweis auf Zuständigkeiten bspw. in den Libanon, also ein direktes Nachbarland Israels(!), abschiebt, damit "wir hier" unsere Ruhe haben.
Also wenn ich Antisemiten mit entsprechendem Aufenthaltsstatus ausweisen würde, dann nicht, damit ich meine Ruhe habe, sondern a) damit mein jüdischer Nachbar keine Angst mehr vor diesem Idioten haben muss und b) damit es sich andere von seinem Kaliber vielleicht zweimal überlegen, bevor sie ihren Hass auf die Straße tragen.
Mauswanderer
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von Mauswanderer »

https://www.zeit.de/politik/ausland/202 ... en-bedroht
Das ARD-Team war einem Tagesschau-Bericht zufolge unterwegs, um über Gewalt radikaler jüdischer Siedlerinnen gegen Palästinenser im von Israel besetzten Westjordanland zu berichten. "Die Soldaten haben uns mit ihren Waffen bedroht und uns gefragt, ob wir Juden seien. Unsere Kollegin wurde als Verräterin beschimpft", wird Korrespondent Kitzler zitiert. Erst nach mehr als einer Stunde habe sich die Situation entspannt, nachdem weitere Soldaten und auch Polizeikräfte hinzugezogen worden seien.
Leider nicht überraschend. Das derzeitige (von der Regierung gewünschte und geförderte) Verhalten der IDF im Zusammenhang mit illegalen Siedlungen ist indiskutabel. Da kann man nur von einem klaren Rückschritt sprechen.

Vielleicht kommt ja durch den IStGH etwas Bewegung in die Sache. Karim Khans aktuelles Vorgehen hat zwar einen heftigen antisemitischen Beigeschmack (die Taten der Hamas wurden mehr oder weniger ignoriert, trotz dem Selbstverständnis nach klarer Jurisdiktion), aber grundsätzlich ist es ja angemessen, dass in der Region jetzt intensiver ermittelt wird und die illegalen Siedlungen werden sicher ein Teil davon sein (weil eben ein jüdischer Verstoß). Es bleibt zu hoffen, dass wenigstens jetzt auch die palästinensischen Verbrechen zur Anklage gebracht werden, sonst wäre das für den IStGH ein verherrendes Signal.
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tanair
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Re: Nahost-Konflikt

Beitrag von tanair »

Rince81 hat geschrieben: 4. Nov 2023, 11:02 Persönliche Meinung: Leute, die hier mit ISIS oder Taliban Fahnen marschieren sollten, sofern irgend möglich abgeschoben werden. Offensichtlich sind sie nicht schutzbedürftig oder verfolgt.
Sehe ich genauso. Leute die in einem islamischen Kalifat leben wollen können gerne in eines reisen. Man sollte die Türe nicht für jeden Offen halten.

Edit: ehrlich gesagt machen wir solche Bilder schon große Angst. Allerdings muss man vielleicht auch erwähnen, dass es sich hier nur um eine sehr kleine Gruppe von sehr radikalen Islamisten handelt.
Die meisten sind sehr gemäßigt.
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