Runde #464: Berichte über den Tod der Xbox waren leicht übertrieben

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maverick21
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Re: Runde #464: Berichte über den Tod der Xbox waren leicht übertrieben

Beitrag von maverick21 »

Andre Peschke hat geschrieben: 19. Feb 2024, 09:05
Ohres hat geschrieben: 18. Feb 2024, 17:53 Irgendwann wurde in einem eurer Podcasts erwähnt, dass die Marketingkosten bei Großproduktionen minimum die Hälfte der Kosten betragen.
Wenn sich also Andre wundert, dass Spiderman 2 ca.350 Mio gekostet hat... sind da eventuell die Marketingkosten drin...?
Angeblich eben nicht.

https://www.reddit.com/r/GamingLeaksAnd ... in_detail/

Sind hier aber nur 300, also vllt waren 50 Mio Marketing. Aber das wäre immer noch wahnwitzig viel Geld für SM2 (und anteilig wenig für Marketing, im Vergleich zur Hollywood-Daumenregel).

Andre
Hast du dir die bei Reddit verlinkten Leaks mal genauer angeschaut? Ihr hattet vor kurzem ja einen Podcast zum Thema Leaks und wie man als Presse mit solchen internen Firmendaten umgehen sollte. Vielleicht bist du deshalb etwas vorsichtiger in der Bewertung (?), mich würde aber deine Einschätzung zu den geleakten Infos zu den Spiderman 2 Kosten sehr interessieren. Wir sind ja hier unter uns :shhh:

Ich fand die Daten nämlich unglaublich interessant, weil sie viel über die Entwicklung solcher Großprojekte aussagen, bspw. in welchen Bereichen und zu welchen Zeitpunkten welche Kosten anfallen. Die ca. 300 Mio finde ich für SM2 eigentlich auch unglaublich hoch und lässt sich natürlich nicht 1:1 auf andere Projekte dieser Art übertragen, aber durch die genaue Aufschlüsselung der einzelnen Positionen lässt sich das IMO sehr gut skalieren.

Ein paar Daten aus den Leaks (ich hab sie vorsichtshalber als Spoiler markiert):
SpoilerShow
Kosten nach beteiligten Studios/Abteilungen

Isomniac Games als Hauptstudio mit folgender Aufgliederung
- Direct Headcount: 158 Mio USD
Das sollte das Hauptteam für SM2 innerhalb von Insomniac Games sein, wobei in der Spitze 264 Entwickler gleichzeitig am Spiel gearbeitet haben (Mai 2023).
- Shared Headcount: 65 Mio
Mitarbeiter aus anderen (übergreifenden) Abteilungen bei Insomniac je nach Bedarf, bspw. Tech Art, QA, Admins, Department Heads, IT usw. Peak ebenfalls im Mai 2023 mit 116 Entwicklern (Beta-Phase)
- ODC outsourcing: 22 Mio
Outsourcing an externe Studios bzw. Auftragnehmer, bspw. Art-Design, Voice Over, MoCap, Animationen/Cinematics, Writing (ODC = Outsourced Development Costs ??)
- Gesamt: 245 Mio

PS Studios – Creative Arts Services Group (CASG)
- Sound/ Music: 13 Mio
- Visual Arts/ Cinematics/ MoCap: 13 Mio
- Creative: 1 Mio
- Gesamt: 27 Mio

PS Studios – Support Teams
- Localization: 7 Mio
- QA Support: 7Mio
- Other: 13 Mio
- Gesamt: 27 Mio

Insgesamt: 299 Mio (an einer anderen Stelle wird 308 Mio als finale Kosten genannt, ohne Marketing)


Dazu gibt es Tabellen, in denen detailliert aufgeschlüsselt ist, für welche Aspekte der Entwicklung (Animation, Art-Design, Audio/Sound, Story, Gameplay, QA usw) welche Kosten zu welchen Zeitpunkten der Entwicklung angefallen sind.

Grafik zur Anzahl der Entwickler über die Zeit und nach Entwicklungsphase:
- 2018-07 bis 2019-12: Pre-Production (ca. 40-50 Entwicklern im Durchschnitt)
- 2020-01 bis 2022-09: Production (ca. 180-200 Entwickler im Durchschnitt)
- 2022-10 bis 2023-05: Alpha und Beta Phasen (ca. 340 Entwickler im Durchschnitt)
- 2023-06 bis 2023-10: Gold-Status bis zum Release (ca. 100 Entwickler im Durchschnitt)


Angaben und Prognosen zu Kosten, Umsatz und Profitabilität:
- Prognose zur Anzahl verkaufter Einheiten
11,6 Mio nach 12 Monaten
16,5 Mio Lifetime
Aktueller Stand: 10 Mio nach ca. 3,5 Monaten (laut letztem Quartalsbericht)
- Prognose Nettoumsatz Lifetime: 782 Mio (bei 16,5 Mio Verkäufen)
- Angabe zu den Kosten
Marketing: 35 Mio
Entwicklungskosten: 308 Mio
- Prognose Profit: 210 Mio (bei 16,5 Mio Verkäufen)
- Break-Even: 7,2 Mio Verkäufe zum Vollpreis


Bewertung:
Die Prognose zur Anzahl verkaufter Einheiten nach 12 Monaten von 11,6 Mio wurde bereits nach 3,5 Monaten fast erreicht (5 Mio Verkäufe davon in den ersten 2 Wochen), womit der Break-Even spätestens nach ca. 2 Monaten überschritten wurde (keine Sales in den ersten Monaten). Ich halte es für realistisch, dass die Lifetime-Prognose von 16,5 Mio Verkäufen (deutlich) überschritten wird (20+ Mio).

Besonders interessant finde ich die Angabe von nur 35 Mio für das Marketing. Sind das wirklich die gesamten Marketing-Kosten oder kommt da an anderer Stelle nochmal was dazu? Ansonsten würde das ja allen Annahmen dazu widersprechen (Verdoppelung der Entwicklungskosten als Daumenregel). Wobei ich vermuten würde, dass die Marketing-Kosten eben nicht im gleichen Maße steigen wie aktuell die Entwicklungskosten, sondern eher konstant auf einem Niveau bleiben. Die 35 Mio kommen mir aber dennoch wenig vor.

Wie die hohen Kosten entstehen:
Die Kosten pro Entwickler sind bei Insomniac offensichtlich sehr hoch. Aus den Daten kann man entnehmen, dass über die gesamte Entwicklung 11.429 Dev Months an Arbeit angefallen sind (Direct + Shared Headcount), welche 222,1 Mio USD Kosten verursacht haben. Dies bedeutet, dass jeder Entwickler pro Monat im Durchschnitt ca. 19.400 USD Kosten verursacht hat (Gehalt, Sozialleistungen, Ausstattung, SW-Lizenzen, anteilige Kosten für Miete der Büroräume, Strom usw.). Das wäre dann fast doppelt so viel wie der allgemeine Richtwert von 10.000 USD, den ich immer gehört habe. Erfahrene Senior-Devs und Manager sowie Bonuszahlungen (41 Mio) ziehen den Durchschnitt sicherlich hoch, aber das ist IMO trotzdem enorm. Da wäre mal ein Vergleich zu anderen Studios interessant, bspw. an anderen Standorten in den USA oder auch weltweit.

Die enormen Produktionskosten von 300 Mio sind natürlich riesig und mit hohem Risiko behaftet, aber in diesem Fall sollte SM2 allein auf der PS5 wirtschaftlich ein (großer) Erfolg werden. In einigen Jahren kommt dann sicherlich auch noch ein PC-Port, den man wieder zum Vollpreis verkaufen kann und für den die zusätzlichen Kosten zur Portierung vergleichsweise gering sein sollten.

Fun Fact zum Abschluss: Die Abschluss-Party (Wrap Party) hat 1 Mio gekostet, aber das sei ihnen gegönnt ^^
maverick21
Beiträge: 62
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Re: Runde #464: Berichte über den Tod der Xbox waren leicht übertrieben

Beitrag von maverick21 »

Noch eine allgemeine Rückmeldung zum Podcast. Ich fand ihn wieder sehr gut und unterhaltsam, vor allem durch die unaufgeregte und sachliche Einordnung, nachdem vorher gefühlt alle durchgedreht sind und die wildesten Untergangsszenarien bzgl. der Xbox an die Wand gemalt haben. Ich kann euren Argumentationen in (nahezu) allen Punkten nur zustimmen.

Noch ein paar Anmerkungen zu einigen konkreten Punkten

Bedeutung der Konsole für MS/Xbox:

Hier stimme ich Sebastian grundsätzlich zu, dass die Konsole für MS nicht mehr der allerwichtigste Faktor ist, sondern es vor allem darum geht, Nutzer in ihr Ökosystem zu holen. Aber der pauschalen Aussage, dass es MS egal wäre, ob sich die Xbox gut verkauft, würde ich widersprechen, zumindest kurz- bis mittelfristig.

Wie gesagt ist es MS zwar vor allem wichtig (neue) Nutzer in ihr gesamtes Ökosystem zu bekommen, aber solange Streaming noch nicht massenmarkttauglich ist, was IMO noch einige Zeit dauern wird (10+ Jahre), wird die Konsole als Verkaufsplattform immer noch sehr wichtig sein. Auf der Konsole ist es MS deutlich einfacher bzw. wahrscheinlicher die Nutzer zu monetarisieren, sobald sie sich erstmal eine Xbox gekauft haben, da sie dann dort auch weiteres Geld für andere (Third-Party-) Produkte sowie Services ausgeben, neben dem „normalen“ Gamepass ist hierbei auch der GP Core (ehemals Gold) von Bedeutung, der vorrangig für die Nutzer gedacht ist, die ausschließlich Interesse an den Online-Features haben, die im Gegensatz zum PC auf der Konsole ja kostenpflichtig sind (ähnlich wie PS+ Essential auf der PS).

Auf dem PC als offene Plattform ist es für MS aufgrund der Dominanz von Steam deutlich schwieriger, Nutzer dazu zu bewegen, sich (Third-Party-) Spiele im MS-Store zu kaufen. Und selbst bei den First-Party-Titeln kommt MS nicht darum herum, diese auch auf Steam anzubieten (abzgl. 30% Shop-Gebühren für Steam), da Steam auf PC so dominant ist. Spieler nutzen dann womöglich vermehrt den GP auch auf PC, beim Kauf werden die meisten aber eher Steam anstatt des MS-Stores nutzen.

Insofern wird die Konsole IMO mindestens noch die nächste Generation eine sehr wichtige Basis für MS bleiben, sowohl als Verkaufsplattform für Third-Party-Content als auch zur Bindung an den Gamepass, weshalb sie mit Sicherheit bestrebt sind ihre Hardware-Verkäufe wieder zu erhöhen, um u.a. auch eine größere Basis für potentielle GP-Kunden zu haben. Insgesamt ist die Konsole für MS sicherlich nicht ganz so wichtig wie für Sony, für die das PSN als (einzige) eigene Verkaufsplattform trotz der Öffnung zum PC weiterhin der wichtigste Umsatzfaktor ist, aber bis wie gesagt Streaming ausgereift ist und hohe Nutzerzahlen erreicht, wird IMO auch für MS die Konsole ein wichtiger Faktor für ihr Ökosystem sein.


Nintendo: Bedeutung von Third-Party

Hierbei ist Nintendo, wie Andre auch sagte, eine absolute Ausnahme im Vergleich zu Sony und MS. Nintendo hat im FY23 (bis März 2023) 6,2 Mrd USD Umsatz mit Software-Verkäufen gemacht, wovon 79% (!!) durch First-Party-Software erreicht wurden. Dies entspricht 4,9 Mrd USD, womit 1,3 Mrd auf Third-Party-Content entfällt. Somit ist die Switch für die klassischen (großen) Third-Party-Spiele im Vergleich zu den anderen Konsolen sicherlich weniger interessant, aber für Indies hat sie vermutlich eine höhere Bedeutung aufgrund des Mobil-Faktors.

Bei den 6,2 Mrd Umsatz mit Software muss man aber beachten, dass hierbei auch die Umsätze mit dem Online-Abo inbegriffen sind. Würde man dies rausrechen, wäre der Anteil von First-Party vermutlich (etwas) niedriger, sollte aber immer noch sehr deutlich über dem der PS bei Sony liegen, welcher zwischen 15-20% betragen sollte. Für die Umsätze von Nintendo Online gibt es meines Wissens keine offiziellen Zahlen, ich hatte für 2021 aber mal was von knapp 1 Mrd USD gelesen.


Nintendo: Profit Margin

Auch hierbei nimmt Nintendo eine besondere Stellung ein, u.a. natürlich durch den hohen First-Party-Anteil. Die Umsatzrendite (EBIT margin) lag im FY23 bei satten 31,5% (3,7 Mrd USD operativer Gewinn bei 11,8 Mrd Umsatz). Davon können Sony und sehr wahrscheinlich auch MS (hier sind keine genauen Daten bekannt) nur träumen. Sony hatte im FY22 (aber gleicher Zeitraum wie bei Nintendo bis März 23) zwar einen deutlich höheren Umsatz in der Gaming-Sparte von 27 Mrd USD, kam dabei aber nur auf einen operativen Gewinn von 1,9 Mrd, was einer Umsatzrendite von 6,9% entspricht.
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