Ich glaube, du hast meinen Beitrag missverstanden, weil wir prinzipiell die gleiche Meinung haben. "Völlig verstrahlt" finde ich die Behauptung, Israel wäre der "letzte verbliebene Kolonialstaat der europäischen Weißen" - eine Behauptung, die auch aufgrund der Diskurse in Amerika absurd ist, weil es selbst der weltfremdeste Anti-Zionist hätte mitbekommen sollen. Das zu ignorieren lässt für mich nur den Schluss von Antisemitismus zu.Rince81 hat geschrieben: ↑19. Mär 2024, 12:27Ich dachte es war eigentlich unmöglich, diesen Diskurs nicht mitzubekommen. In den USA tobt seit Jahren eine intensive Debatte um die koloniale Vergangenheit. Nur als Beispiel die Debatten um Feierlichkeiten wie den "Kolumbustag" in den USA genannt.Jon Zen hat geschrieben: ↑18. Mär 2024, 23:52 Gemeinsam mit den USA, Kanada, Mexiko und den ganzen Rest von Amerika + noch viele weitere Länder.
Ich würde jetzt vorsichtshalber vermuten, dass die Kolonialschiene nur ein kleiner Teil der amerikanischen Linken fahren. Dafür muss man ja völlig verstrahlt sein, um nicht schon bei der Behauptung laut loszulachen.
Aber man hört leider immer nur die Lautesten.
https://www.youtube.com/watch?v=eKEwL-10s7E (hier bei Last Week Tonight von vor 9 Jahren)
https://www.youtube.com/watch?v=0LyJrwHzx70 (Trevor Noah vor 3 Jahren)
Die BLM Proteste in England richteten sich gegen koloniale Symbole und das koloniale Erbe des Landes. In Kanada gab und gibt es Debatten und eine Aufarbeitung des Boarding School Systems und man redet heute von den First Nations, wenn die eigene indigene Bevölkerung gemeint ist.
Nun ist die Gründung Israels ein Ergebnis der zionistischen Bewegung - primär angetrieben von europäischen Auswanderern/Geflüchteten und Holocaust Überlebenden. Ob man da "Kolonialisierung" reinlesen kann - keine Ahnung, das halte ich persönlich für Quatsch - und selbst wenn, dann ist es "nur" Geschichte.
Nur drängt sich heute der Vergleich bei der Situation im Westjordanland oder der Negev aber geradezu auf. Radikale Siedler, die teils mit Waffengewalt "Outposts" auf palästinischem Gebiet errichten und dort dann Palästinenser vertreiben oder ihre Lebensgrundlage zerstören. Oder Beduinen, die in der Negev Opfer von Vertreibungen und Zwangsumsiedlungen wurden und werden. In dem Fall ist das aber nicht irgendwann Achtzehnhundertirgendwas geschehen, sondern passiert seit den 50er Jahren bis heute.
[...]
Darüber kann man diskutieren, "völlig verstrahlt" ist die Diskussion aber ganz sicher nicht.
Inwiefern Israel koloniale Elemente hat, darüber lässt sich natürlich diskutieren.
Persönlich missfällt mir der Hype Probleme von Ländern und Menschengruppen dem "Kolonialismus" zuzuschreiben, als wäre es eine Mülltonne für alles Schlechte, zur Lasten der Differenzierung. Diese Verallgemeinerung vereinfacht Pauschalisierungen in "Gut" und "Böse" - und lenkt von den speziellen Problemen und möglichen Lösungen Vorort ab.
Gerade das Beispiel des Boarding School Systems hatten wir - in Deutschland - im Schulunterricht der Oberstufe behandelt, meiner Meinung nach gut differenziert auf Kanada bezogen. Das Hauptproblem der Kolonialisierung Amerikas ist natürlich, dass man den Großteil der Bevölkerung direkt oder indirekt (Krankheiten, Hunger) umgebracht hat. So spart man sich die Unterdrückung.
Der Mantel der Kolonialismusmusdebatte legt eine weitere Schicht auf den Nahostkonflikt, was den Grundkonflikt (Nachbarn können nicht friedlich nebeneinander wohnen) noch komplizierter zu lösen macht und hier im Falle Solidaritätsbekundungen erzeugen kann, aufgrund des "kolonialen Erbes" - nicht weil man sich mit den Werten und Handlungen der Menschen verbunden fühlt.