bluttrinker13 hat geschrieben: ↑7. Okt 2024, 20:42
Nur als Ergänzung, damit das nicht so wirkt als wäre der Islam grundsätzlich wissenschaftsavers oder gar -feindlich, hier noch die breitere historische Perspektive auf die Blütezeit von Wissenschaft im arabischen Raum im Mittelalter, die durchaus auch zur Bewahrung ganz zentralen Wissens aus der Antike während der "dunklen" Zeit in Europa führte.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/mu ... r-100.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Mathemati ... achwirkung
Ist wirklich interessant, vor allem der tragische Niedergang zum heute dann doch sehr einseitig und ambiguitätsintolerant scheinenden, vorherrschenden Weltbild im Islam. Ich habe, ebenfalls in DLF, auch mal einen Podcast mit einem Islamwissenschaftler gehört, der dafür argumentierte dass der Islam früher eine Kultur der Ambiguitätstoleranz und damit auch großer Offenheit war. Auf die Frage wohin das nun verschwunden zu sein scheint, wusste er mEn keine klare Antwort. Kriege und dann auch westliche Kolonialherrschaft haben aber bestimmt nicht geholfen.
Schwierig die beiden Themen (Blütezeit der islamischen Wissenschaft im 8. & 9. Jhd.) mit dem heutigen - über 1.100 Jahre später- Weltbild der Muslime zu verknüpfen. Aber ja, um zu zeigen, dass der Islam nicht per sé antiwissenschaftlich und intollerant ist, guter Einwand.
Es sollte (hoffentlich) klar sein, dass man jede Religion für gute und schlechte Zwecke verwenden kann, dass es an den Menschen liegt, wie sie für die Gesellschaft genutzt wird.
Der Niedergang des Strebens nach Gelehrsamkeit im 9. Jhd. kam ziemlich plötzlich durch religiöse Parteien, die an politische Macht kamen. Am ehesten kann man das mit dem Erstarken der Wahabiten im 19. Jhd. vergleichen, dem sich das osmanische Reich entgegenstellte, aber die mit Saudi-Arabien 1932 ihren eigenen Staat gründen konnten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Saudi-Ara ... des_Landes
"Große Offenheit" muss dazu noch in Relation zu Zeit und Ort gesetzt werden. Was im Jahr 1.000 im Kalifat Cordoba als offen galt, würde das vielleicht aus heutiger Sicht nicht mehr sein. In anderen Regionen des Abbasiden-Kalifats herrschten
auch andere Zustände.
"Kriege" als Grund müsste man genau betrachten, aber das würde tendenziell die meisten Regionen der Erde betreffen, ebenfalls Kolonialismus.
Eine wichtige Rolle wird die Verbandelung zwischen religiösen Hardlinern und den Herrschern gewesen sein, die gab es in Europa auch, aber sie konnte gelöst werden (das passierte im 20. Jhd. dort dann ebenfalls, siehe Türkei oder Ägypten).
Realistischer sehe ich den Grund, dass Bildung den Eliten und (meist) Männern vorbehalten worden ist. Am Beispiel Iran und Saudi-Arabien hätte man zwei Länder, die auf Überwachung und krasse Strafen gegen Andersdenkende setzen. Hier wird von oben diktiert, was das Volk zu denken hat.
In anderen Ländern finden extreme religiöse Werte bei den eher Armen fruchtbaren Boden, weil es ein Gegensatz zu den korrupten, militaristischen Dikatoren ist (Nordafrika, Syrien, Irak).