mczappa hat geschrieben:
Aber mal zum Podcast: Jungs, ihr merkt schon, dass ihr euch widersprecht, oder? So übt Jochen zwar Kritik an der unsensiblen Gewaltdarstellung in Videospielen, weil das Medium noch nicht so weit ist, aber dann wird mal wieder das beliebte Totschlagargument "Ist ja nur ein Spiel, das unterhalten soll" in die Diskussion geworfen. Ganz naiv gefragt: Wann sollen sich denn Videospiele weiterentwickeln, wenn sie doch nur zielgruppengerechte Cash-Cow-Unterhaltung sein dürfen? Das müsste ja eigentlich bei den großen Blockbustern anfangen.
Erstmal: Herzlich Willkommen im besten Forum der Welt.
Ich denke, da laufen wie so oft mehrere Diskussionspunkte ineinander und verzerren das Bild. Wenn Jochen sagt, dass man von einer Katze das Bellen erwartet, wenn man fordert, das Battlefield One den 1. WK entweder mit Respekt vor der historischen Katastrophe behandeln soll, oder die Finger weg lassen, dann argumentiert er ja weniger auf einer idealistischen, sondern auf einer realistischen Ebene. Eine Weiterentwicklung, wie sie dir (und teilweise auch uns vorschwebt), kommt nie und nimmer von den Millionenproduktionen, die das "make or break" für das Quartalsergebnis des Herstellers und Hunderte von Arbeitsplätzen bedeuten. Erst wenn sich solche Konzepte bewährt haben und damit das Risiko minimiert wurde, werden sie in diesem Rahmen aufgegriffen. Entsprechend entwickeln sich Videospiele weiter, durch Titel wie Minecraft, die Dutzende von besser finanzierten "Klonen" nach sich ziehen und damit neue Genres begründen. Das gleiche wird passieren, wenn jemand ein Antikriegsspiel fabriziert und für dessen finanzielle Rentabilität eineArt "proof of concept " liefert. So knapp, wie selbst viele der großen Publisher oft mit ihren Investitionen und Ressourcen kalkulieren müssen, leisten die sich anders als das Film-Business auch (noch) nicht irgendwelche Aushängeschilder, die sie wenigstens mit mittelgroßem Aufwand als Oscar-Bait in die Lande stellen (zumal da auch die "Querfinanzierung" durch herausragende Darsteller fehlt - in Spielen gibt es eben noch kein "mit Oscarpreisträger soundso", dass Leute in die Läden zieht).
Auf der idealistischen Ebene ist Jochen ja sogar schon mit seinem "warum nicht mal in einem Spiel den Holocaust thematisieren, dass dir ganz anders wird"-Beispiel sogar erheblich weiter gegangen, als du (daher auch sein Einwand, dass Ent-Tabuisierung ebenfalls eine Rolle spielt. Da ist die Frage, ob das Zutrauen in das, was das Medium schaffen kann schon vorhanden ist, oder nicht. Das sind aber Dinge aus unserem erweiterten Podcast-Kanon und da kann ich natürlich nicht erwarten, dass du jetzt die Folgen zu Moral in Spielen etc alle nachholst oder schon gehört hast. Will sagen: Wenn du unser Gesamtwerk kennen würdest wüsstest du, dass wir in vielen Punkten vielleicht näher beieinander liegen, als es in der Auseinandersetzung mit deiner konkreten Kolumne den Anschein hatte.
Und letztlich gibt es dann noch den Punkt: Dumme Popcornunterhaltung auf Basis eines Weltkriegs - ja, das ist erlaubt, das muss erlaubt sein. Darf man kritisieren. Je nach Umsetzung muss man das vielleicht auch. Hochgezogene Augenbrauen angesichts der euphorischen, dem historischen Ereignis gegenüber blinden Reaktionen der Spieler und der Presse sind ebenfalls nachvollziehbar. Allerdings auch überraschend Mediums-Fremd, denn die gleiche Debatte wurde schon zu Killerspiele-Zeiten über die Gewaltrezeption von Spielern geführt und auch da wurde verkannt, dass die virtuelle Gewalt und die Reaktion darauf keine Rückschlüsse auf das Verhältnis des Spielers zu realer Gewalt zulassen. Genausowenig, wie man ein frigider Asexueller ist, wenn einen Sex-Szenen in Filmen zu Tode langweilen.
Andre
PS: Ich find's sehr cool, dass du hier mitdiskutierst. Als Autor ist man ja gern mal geneigt oder angehalten, die Diskussion auf der "eigenen" Plattform zu halten. Plus: Auch wenn wir dir widersprechen ist eine Kolumne, die eine Diskussion wert ist, ein Verdienst an sich.