Voigt hat geschrieben: ↑25. Mai 2025, 12:19Ansonsten wegen Japansich. Ist es nicht so, dass man relativ schnell Konversationsfähig ist, man bloß gegen Kanji stößt, sowie gegen Höflichkeitssprache, man das beides als Ausländer aber theoretisch auch weglassen kann? Kanji schreiben ja eh, und lesen zur Not dann digital mit Wörterbuch. Höflichkeitssprache wird eh kaum von einem Ausländer erwartet, neben dem ganz typischen Phrasen wie Onegaishimasu oder arigato gozaimasu, dass man da die -masu verwendet?
Jain. Die Höflichkeitssprache kann man in der Tat weglassen bei eigenständiger Konversation bzgl. immer auf die masu-Ebene gehen. Allerdings muss man sie dennoch verstehen, weil z.B. die Bedienung im Hotel, usw. sie benutzen wird und man damit umgehen muss. Eine Hürde, die man - heißt: auch ich im Studium - anfangs völlig unterschätzt habe ist der Wortschatz. Die japanische Basisgrammatik ist enorm einfach, sodass man anfangs sehr schnell Fortschritte innerhalb der Lehrwerke und Lehrgänge erzielt, was auch ein sehr angenehmes Gefühl. Auch weil Japanisch in allerlei Hinsicht - grammatikalisch gesehen - eine enorm leichte Sprache ist: kein Genus, kein Kasus, keine klare Singular-/Pluralunterscheid, absolut regelmäßig Formbildung bei Adjektiven und Verben. Eine der größten Herausforderungen im Japanischen ist der Wortschatz.
Es gibt allerlei Rechnungen und Statistiken da draußen, wie viele hochfrequente - also häufig auftretende - Worte man in einer jeweiligen Sprache kennen muss, um z.B. 60% oder 80% von alltäglicher Konversation, also z.B. alltägliche Gespräche ohne einen bestimmten thematischen Fokus oder etwa auf Zeitungsartikel verstehen zu können. Die 1.000 häufigsten Worte im Englischen machen dabei bereits ca. 80% des Textkorpus aus, d.h. Worte wie
come,
hand,
about,
man,
water,
will, ... Im Deutschen machen die häufigsten 1.000 Wörter aber nur ca. 70% des Textkorpus aus, d.h. anders gesagt, haben wir im Deutschen einen größeren Grundwortschatz. Und im Japanischen machen die häufigsten 1.000 Worte gerade mal 60% aus. Das ist enorm. Man realisiert dies erst, sobald man den Schritt weg von Lehrwerken zu authentischen Materialien macht, wie viel Wortschatz man sich Japanisch draufschaffen muss, um aktiv und rezeptiv kommunikationsfähig zu sein. Noch deutlicher: Für eine solide Sprachfähigkeit im Englischen ist man bereits mit 5.000 Wortern sehr (!) gut bedient. Im Japanischen liegt der Wert für ein vergleichbares Niveau eher bei 10.000 Worten.
Der Grund im Japanischen ist, dass recht viele Wortdopplungen oder zumindest Bedeutungsüberscheidungen gibt, die kontextabhängig jeweils genutzt werden. Es gibt einmal den originär japanischen Wortschatz und dann den aus China entlehnten sino-japanischen Wortschatz. So gibt es z.B. das originär japanische Verb 泳ぐ (oyogu), was 'schwimmen' bedeutet. Es gibt aber auch das sino-japanische Nomen 水泳 (suei), was 'Schwimmen' bedeutet, aber ebenfalls als Verb 'schwimmen' benutzt werden kann. 泳ぐ wird eher in gesprochener Sprache genutzt, 水泳 ist wiederum das, was man auf Schildern, usw. liest oder was Angestellte - da es formeller klingt - benutzen würden, wenn sie einem z.B. erklären wollen, wo man schwimmen darf bzw. nicht. Man muss also beide (redundanten) Worte beherrschen. Und von diesen Beispielen gibt es zig-viele.
Wir kennen das durchaus auch, z.B. haben wir im Deutschen drei Worte für 'Wasser', eben Wasser, Aqua (Latein) und Hydro (Griechisch). Für fast alle Worte, die mit Wasser zu tun haben, nutzen wir 'Wasser'; für wenige Dinge wiederum Aqua, zumindest Auquarium, Aquarell oder Aquakultur. Das sind eben Lehnworte. Selbiges mit Hydro, zumindest Hydraulik. Aber das ist fast nichts. Im Japanischen ist das allgemeine Worte für Wasser 水 (mizu), aber fast alle Kompostia - also Worte, die aus anderen Worten gebildet werden - nutzen das sino-japanische Wort 水 (sui), z.B. eben 水泳 (suiei, Schwimmen), 水蒸気 (suijouki, Wasserdampf), 水準 (suijun, Wasserpegel), usw. Im Deutschen oder Englischen würden einige dieser Komposita mit dem jeweiligen 'nativen' Wort gebildet werden, z.B. "Wasser-Dampf" (eng. vapour) oder "Wasserpegel" (water level).
Der Wortschatz ist quasi wie so'n Hordemodus. Es kommt immer mehr, und mehr, und mehr ...