Der folgende Beitrag darf gerne als Anregung zu einer Diskussion im Podcast verstanden werden. Eventuell mit Leuten aus der Politik oder Branche als Gästen.
Die GEZ, wie die meisten von euch wissen, ist ein Zwangsbeitrag in Höhe von etwas über 8 Milliarden Euro jährlich, der zur Finanzierung der Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten genutzt wird. Aktuell werden pro Haushalt 17,5€ monatlich, bzw. 210€ jährlich erhoben. Pro Person und Jahr sind es etwa 100€.
Dieser Betrag ist einerseits nicht sonderlich hoch, wenn man bedenkt, dass Deutschland ein BIP von über 3300 Milliarden hat. Andererseits ist er im Vergleich zu anderen Beträgen, die für Medien ausgegeben werden, nicht zu unterschätzen.
Im Vergleich:
- Der deutsche Markt für Videospiele lag 2015 bei knapp 2 Milliarden Euro.
(Quelle BIU: https://www.biu-online.de/wp-content/up ... t_2016.pdf" onclick="window.open(this.href);return false; p.7)
Diese Zahl sollte nicht mit dem Umsatz der deutschen Spiele-Branche verwechselt werden.
Auch darf man diese Zahl nicht mit dem Umsatz der gesamten Computerspiele-Branche verwechseln, welcher 2015 bei etwa 2,8 Milliarden lag, aber auch etwa Hardware beinhaltet.
- Der Kinoumsatz lag bei etwas über einer Milliarde.
(Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten ... seit-2002/" onclick="window.open(this.href);return false; )
(Hier auch noch eine interessante Studie zur Kino-Wirtschaft: http://www.agkino.de/wp-content/uploads ... ERSAND.pdf" onclick="window.open(this.href);return false;)
- TV liegt immerhin in der Gegend von 15 Milliarden. Wobei rund 1/3 davon GEZ ist. Das heißt im TV kommen zur GEZ nochmals etwa 10 Milliarden hinzu.
(Quelle: http://www.vprt.de/thema/marktentwicklu ... nsehen?c=2" onclick="window.open(this.href);return false; )
- Videostreaming kratzt an der Milliarde.
(Quelle: https://www.bitkom.org/Presse/Presseinf ... renze.html" onclick="window.open(this.href);return false; )
- Der "Videomarkt" (DVD, Bluray, Online Kauf) liegt bei etwa 1,6 Milliarden.
(Quelle: https://www.boersenblatt.net/artikel-de ... 94963.html" onclick="window.open(this.href);return false; )
(Kann sein, dass sich davon ein kleiner Teil mit dem Streamingmarkt überschneidet.)
- Zeitungen befinden sich über beachtlichen 7 Milliarden Euro Umsatz, werden jedoch nicht von der GEZ finanziert.
(Quelle: https://www.bdzv.de/fileadmin/bdzv_haup ... F_2016.pdf" onclick="window.open(this.href);return false; )
- Musik liegt bei etwa 1,6 Milliarden (dürfte aber auch nichts bzw wenig mit der GEZ zu tun haben, vermute ich):
(Quelle: http://www.musikindustrie.de/umsatz/" onclick="window.open(this.href);return false; )
- Der Buch-/ und Fachzeitschriftenmarkt liegt bei etwa 9 Milliarden Euro.
(Quelle: https://www.boersenverein.de/de/portal/ ... tz/1227806" onclick="window.open(this.href);return false; )
Wie auch 70% der Deutschen, sehe ich die GEZ kritisch.
(Quelle zu den 70%: http://www.focus.de/kultur/medien/umfra ... 00491.html" onclick="window.open(this.href);return false; )
In Anbetracht dessen, dass ich von der GEZ produzierte Inhalte kaum nutze, sind die durch sie verursachten Kosten für mich immens.
In der Vergangenheit gab es unterschiedliche Diskussionen dazu, wie mit der GEZ weiter vorzugehen ist. Zufrieden sind mit ihr bekanntlich die wenigsten. Die Gründe und Ziele ihrer Kritiker unterscheiden sich aber.
So gibt es Forderungen nach einer vollkommenen Abschaffung. Diese entstammen entweder von Parteien des politischen Spektrums, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als entgegen ihren Interessen und Vorstellungen politisch beeinflusst betrachten. Oder Gruppierungen, die aus ökonomischen oder ideologischen Gründen die Rolle des Staates hinterfragen. (Freidenker, free market)
Dem Wunsch nach einer völligen Abschaffung wurde durch die Gerichte in den letzten Jahren ein Riegel vorgeschoben, weshalb diese Debatte fürs erste realistischerweise erledigt sein dürfte.
(Findet sich auf Wikipedia beim Unterpunkt "Reaktionen und Kritik": https://de.wikipedia.org/wiki/Rundfunkb ... it_2013.29" onclick="window.open(this.href);return false; )
Eine weitere Perspektive ist die der "minimalen GEZ". Also einer GEZ, die sich ausschließlich auf ihren ursprünglichen, idealistischen Auftrag beschränkt: die demokratische Öffentlichkeit im Sinne der Demokratie sinnvoll zu informieren. Die Argumentation beruft sich darauf, dass ein bedeutender Teil der GEZ Ausgaben nicht in Angebote fließt, die unmittelbar der Information der Öffentlichkeit dienen. Eine Selbst-Regulation durch die Öffentlich-rechtlichen ist in dieser Hinsicht aber kaum zu erwarten, würde sie doch gegen bestehende Eigeninteressen gehen. Daher ist eine straffe Beschränkung des Angebots der Öffentlich-Rechtlichen, ohne politische Veränderungen, nicht zu erwarten. Ich überlasse es euch, bei Interesse weitere Recherche zu den Argumenten dieser Betrachtung zu machen.
Relativ aktuell sind Argumente zur veränderten Mediennutzung. Diese Argumente sind am gewichtigsten, da nur schwer von der Hand zu weisen. Entsprechend bedient sich meine Argumentation auch solcher Argumente.
Bereits in der Vergangenheit wurden die Ö.R. Anstalten dahingehend kritisiert, ihr Angebot nicht an die in den letzten 2 Jahrzehnten stark gestiegene Internetnutzung anzupassen. Diese Kritik hat letztlich die Ö.R. dazu verleitet, Online-Präsenzen aufzubauen, auf denen sie mittlerweile einen Teil ihres Angebots zur Verfügung stellen. Weitere Kritikpunkte zu den aktuellen Mediatheken und sonstigen Online-Angeboten sind:
- die nach wie vor inhaltliche und teilweise auch zeitliche Beschränkung des Angebots.
- der Ausschluß von Nutzergenerierten Inhalten von einer Förderung durch die GEZ. So wurde etwa von Youtubern wie Tilo Jung (Blogger und Journalist) gefordert, einen Teil der GEZ Gebühren für die Förderung von Talenten aus der Bevölkerung bereit zu stellen. Dass sich hierbei bereits mit vergleichsweise geringen Summen viel erreichen ließe, ist schwer von der Hand zu weisen.
- technische und rechtliche Limitierungen der Ö.R. Plattformen.
- oftmals beschränkte Möglichkeit des Meinungsaustausches mit anderen Nutzern auf Ö.R. Plattformen.
- die öffentlich geförderte Konkurrenz zu bereits bestehenden Angeboten.
Auch erwähnt werden sollte, dass es Forderungen zur Förderung von Online-Bildungsangeboten gibt. Hierbei wird oft auch auf den ursprünglichen Grundgedanken der GEZ zurückgegriffen - also der Information der Bevölkerung.
Last but not least hat der Ausbau des Onlinebereichs, so imperfekt er auch sein mag, einem Teil der Kritik den Wind aus den Segeln genommen.
Diverse Studien der letzten 15 Jahre zeigen jedoch, dass neben der Internetnutzung auch die Spielenutzung stark zugenommen hat:
http://www.spiegel.de/panorama/gesellsc ... 77354.html" onclick="window.open(this.href);return false;
https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Stu ... e_2016.pdf" onclick="window.open(this.href);return false;
Diverse interessante Details die ich aus letzterer Studie gelesen habe, findet ihr im Spoiler:
SpoilerShow
so lässt sich darauß lesen, dass...
- nur etwa 4% der Jugendlichen regelmäßig Mediatheken für Nachrichtensendungen nutzen, wohingegen 2/3 täglich/mehrmals pro Woche zocken (page 39/68 und 44/68 des pdfs - entspricht den Seiten 37 und 46 des Texts).
- der Besitz von Computern und Laptops rückläufig ist (3 von 4 Jugendlichen besitzen einen), der von Smartphones konstant hoch (~9.5 von 10) (page 24 und 25 von 68 in der pdf).
- Mädchen weitaus häufiger Smartphone und Tablet als PCs/Laptops zum Zocken nutzen, Jungs eher PCs/Laptops (p. 46/68).
- WhatsApp die mit großem Abstand wichtigste App ist, was daran zu liegen scheint, dass sie am ehesten eine aktive Nutzung fördert. (p. 32 und 35 / 68)
- Jungs deutlich regelmäßiger zocken als Mädchen (p. 44 / 68).
- nur etwa 4% der Jugendlichen regelmäßig Mediatheken für Nachrichtensendungen nutzen, wohingegen 2/3 täglich/mehrmals pro Woche zocken (page 39/68 und 44/68 des pdfs - entspricht den Seiten 37 und 46 des Texts).
- der Besitz von Computern und Laptops rückläufig ist (3 von 4 Jugendlichen besitzen einen), der von Smartphones konstant hoch (~9.5 von 10) (page 24 und 25 von 68 in der pdf).
- Mädchen weitaus häufiger Smartphone und Tablet als PCs/Laptops zum Zocken nutzen, Jungs eher PCs/Laptops (p. 46/68).
- WhatsApp die mit großem Abstand wichtigste App ist, was daran zu liegen scheint, dass sie am ehesten eine aktive Nutzung fördert. (p. 32 und 35 / 68)
- Jungs deutlich regelmäßiger zocken als Mädchen (p. 44 / 68).
Nun stellt sich die fundamentale Frage, ob Spiele überhaupt als Medium die Voraussetzungen erfüllen, in die GEZ einbezogen zu werden.
Nach welcher Grundlage ließe sich das entscheiden?
- Die Relevanz des Mediums im Leben der Bürger steigt mit jedem Jahr.
- Die Ausdrucksfähigkeit und Möglichkeit der Nutzung des Mediums scheint ebenfalls nur zu steigen, wie die immer größere Vielfalt an Spielen zeigt.
- Selbst die Möglichkeit des Mediums, es für bildende und informative Zwecke einzusetzen ist nicht von der Hand zu weisen.
Zusammengefasst lässt sich fragen: Was unterscheidet das Medium Videospiel/Software vom Medium Fernsehen (Hauptempfänger der GEZ Gebühren) so sehr, dass es keine gleichberechtigte Behandlung verdient hätte?
Vielleicht wird sich herausstellen, dass die Unterschiede nicht so groß sind und sich diese arbiträre Unterscheidung - zumindest auf Dauer - nicht rechtfertigen und aufrechterhalten lässt.
Wir können dazu Gaming* auch mit Branchen vergleichen, in denen entschieden wurde, dass diese nicht von der GEZ berührt werden sollten:
- Die Musikbranche erfüllt nicht den Anspruch, bildend oder sonderlich informativ sein zu können und entspricht daher nicht dem idealistischen (theoretischen) Grundgedanken der GEZ.
- Die Zeitungsbranche hat man nach meinem Verständnis von der GEZ mit dem Argument ausgeschlossen, dass sie als Markt für sich schon ganz gut funktioniere, und daher keiner öffentlichen Förderung bedarf. Dieses Argument kann man auch für den Unterhaltungssektor der Spielebranche aufführen. (aber ebenso für den Unterhaltungsteil der TV Branche, wo es gegenwärtig aber nicht zu zählen scheint) Nicht (oder schwerer) aber für den informierenden und bildenden Teil der Branche.
*wobei ich Gaming hier stets als den weitergefassten Begriff auffasse, der also generell "virtuelle Welten" umfasst, nicht nur Spiele zur Unterhaltung (und vielleicht braucht man überhaupt einen neuen, weniger "belasteten" Begriff - daher an manchen Stellung die Verwendungen des Begriffs "Software-GEZ")
Auch spannend zu hören wären die Argumente, die gegen eine Einbeziehung des Mediums in die GEZ angeführt werden. Allein dafür schon wäre eine vehemente Vertretung einer Gaming-GEZ interessant.
Ich würde an dieser Stelle behaupten, dass sich die meisten Argumente gegen eine Videospiele-GEZ entweder (mit der Zeit) entkräften lassen werden, oder ebenso auf das Medium TV selbst zutreffen und damit entweder eine Förderung der heutigen Ö.R. aus einer neuen Perspektive in Frage stellen würden, oder aber eine mit zweierlei Maß geführte Debatte offenlegen würden.
Und nun kommen die Fragen an euch:
Nehmen wir mal als Gedankenspiel an, eine GEZ für Videospiele könne mehr als nur ein Gedankenspiel sein.
Wie würde eine solche aussehen?
Würde/sollte sie den bestehenden Strukturen unterstehen, oder unabhängig sein?
Gar eine erste Allgemeine Gaminganstalt Deutschland (AGD)?
Allgemeine Softwareanstalt Deutschland? (ASD)
Welche Mission hätte sie?
Wie könnten die von ihr produzierten Inhalte aussehen?
Wer würde für sie produzieren?
Welche Einfluß hätte sie auf die Deutsche Spieleentwickler-Szene? Würden Entwickler von anderen Unternehmen abgezogen werden?
Würden bzw. könnten deutsche Spieleentwickler durch Fördergelder dazu getrieben werden, Produkte zu produzieren, die sie andernfalls nicht machen würden, und wie würde sich das auf deren Stand auf dem Weltmarkt auswirken?
Würden die produzierten Inhalte in anderen Ländern auch gratis angeboten werden?
Wie groß sollte der Anteil des Videospiele bzw. Software Sektors an der GEZ überhaupt sein? 5%, 10%, 20%? (10% = ~830 Millionen Euro)
Sprache ist wichtig. Sollte man sich vielleicht eher (fürs erste wenigstens) auf einen Begriff wie "Bildungssoftware-GEZ" fokussieren? Und sollte das nicht auch inhaltlich dem bildenden Auftrag der GEZ weitaus näher kommen?
Wären die Youtuber und Blogger, die ebenso nach einer Reform schreien, womöglich gute Verbündete?
Würde eine solche Software-GEZ die GEZ legitimieren, und damit unter Umständen länger am Leben halten, als dies andernfalls der Fall wäre? Und ist das überhaupt ein Argument für oder gegen eine solche?
Wäre eine Software-GEZ wünschenswert?
Wenn ja, wie ließen sich die Gedanken in diesem Beitrag sinnvoll komprimieren?
Welche sonstigen Fragen fallen euch ein?
Ist das ein "Generationen-Konflikt" Thema?