Die mechanisch tiefgreifenden Unterschiede der Völker, das beste Diplomatiesystem, dass mir bisher auf den Bildschirm kam** und auch die beste Lesbarkeit bei einem 4X Game - das sind die Dinge, die mir im Kopf geblieben sind. Ob die Mechanik noch immer so spannend ist, wenn man sie bis in ihre Kapillare durchdrungen, und allen Völkern gemeistert hat, kann ich nicht sagen. Ich glaube für mich persönlich gehört das sich-Aneignen-der-Mechanik zum Spaß.
Bei irgendeinem Civilisation, welches ich mal eine Weile gespielt hatte, hatte ich das Gefühl, als ob es ziemlich offensichtlich ist, welche Entscheidungen man treffen sollte, wenn man auf eine bestimmte Siegbedingung hin arbeitete. Die Frage ist nur, welchen Zähler möchte ich hoch treiben? Den Geldzähler, den Kulturzähler oder den Militärzähler? Wenn ich auf einer Ebene dominiere, dann kann ich daraus ableitend, auf den anderen Ebenen hinreichend konkurrenzfähig bleiben. Ich nehme an, dieses Problem verschwindet mit zunehmenden Schwierigkeitsgrad. Aber da mangelte es mir an der Motivation, mich so kleinteilig hinein zu arbeiten, um auf auf so schwer zu spielen.
Bei Endless Space 2 hingegen habe ich das Gefühl, dass bereits im mittleren Schwierigkeitsgrad dramatische Unterschiede bestehen. Gerade weil man durch das Diplomatie System tatsächlich militärische Konflikte ausschließen kann. Und Diplomatie ist hier nicht die Friede Freude Eierhaus Variante, sondern im Zweifel ein heftig übergriffiges Mittel, um andere Imperien zu dominieren. Es ist nämlich so, dass diplomatische Entscheidungen, direkt und tief in die Spielmechanik implementiert sind. Wenn die Nachbarin diplomatisch dominiert, dann kann sie verbieten, dass meine Schiffe in ihr Territorium eindringen. Während man in Civilisation einfach trotzdem angreift und halt ein bisschen diplomatisches Chaos auslöst, lässt ES2 das gar nicht zu. Man muss einen Haufen "Diplomatiepunkte" ausgeben, damit man überhaupt in das fremde Territorium eindringen kann. Das heißt wenn man nicht aufpasst, dann hat man eine riesige Armada zuhause stehen, die vollkommend nutzlos ist - und einem die finanziellen Ressourcen wegfrisst. Reverse-Empowerment. Das ist wie Schachspielen, nur ohne der Möglichkeit das Brett aus dem Fenster zu werfen und dem Kontrahenten eine zu langen.
Die narrativen Elemente fand ich auch interessant eingesetzt. Die Story meines Volks*** wird über eine Questreihe erzählt, die in Form von Textfenster erzählt wird. Diese Häppchen provozierten bei mir keinerlei Bedürfnis, dringend wissen zu wollen, wie es weiter geht. Ich möchte auch nicht die Strategie meines Imperiums verwässern, nur um die Questreihe zu beenden. Aber die einzelnen Quests sind so einfach gestaltet, dass sie sich en passant sowieso lösen. Und wenn so ein Textfenster auf geht, dann ist das wie ein Stoßlüften der Redaktionsräume meines Hirns. Wenn das Spiel ein Sachbuch ist, dann sind die Storybrocken kleine Comicstrips zum durchatmen. Plus, sie hauchen dem eigenen Volk ein wenig Charakter ein. In Civilisation gibt es kein Volk über das ich behaupten würde: "Manische kleine Wissenschaftler, welche "Ethik" eher als Versuchsanordnung begreifen, die man auch mal variieren sollte."
Auch gibt es (vermutlich zufällige (?)) Events in solchen Textboxen, welche die Entwicklung des eigenen Volks dann doch wieder interessant beeinflussen. Hier ein Beispiel:
* Einstellungen - Partielänge: 'sehr kurz', Galaxiegröße: 'sehr klein'
** Ich habe allerdings bisher noch keine Paradoxspiele gespielt.
*** Manische kleine Wissenschaftler, welche "Ethik" eher als Versuchsanordnung begreifen, die man auch mal variieren sollte.
**** vgl. Stein von Rosette, siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Stein_von_Rosette" onclick="window.open(this.href);return false;
***** So ein bisschen wie der Film Wonderwoman, der erste Superheldenfilm seit Jahren in den ich gegangen bin. Danach dachte ich mir dann auch "Das meinen Kritiker also, wenn sie einen Superheldenfilm als "gelungen" bezeichnen. Und das wird im Mainstream also als "feministischer" Content verstanden... interessant. Nun kann ich die öffentlichen Diskurse wieder erheblich besser interpretieren."