Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

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Pan Sartre
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von Pan Sartre »

chrisinger hat geschrieben:Ich denke man kann Authentizität erwarten bei Dokumentationen. [Gibt es sowas wie ein Dokumentations-Spiel? Wäre mal interessant... ] SJR spielt großteils in der Erinnerung eines Soldaten. Die ist nunmal subjektiv, und das ist doch auch völlig okay so. Und auch Zeitzeugen: Sie werden den Film anschauen und auf sich wirken lassen. Wenn dann gefragt wird: "War es denn wirklich so?" und die Antwort ist "Ja", dann ist das ja ein Abgleich mit der Erinnerung. Die Frage ist ja eigentlich extrem komplex, eigentlich müsste sie heißen: "War denn wirklich alles genau so?" Dann müssten alle Zeitzeugen sagen "Ich habe von der Geschichte von James Ryan vorher noch nicht gehört." Die Frage, die von den Zeitzeugen wohl tatsächlich beantwortet wird ist die, ob es sich so angefühlt hat. Und das halte ich auch für glaubwürdig. Man hat Freunde verloren und gegen einen Gegner gekämpft, der einen töten wollte. Man war traurig und wütend und hat versucht so schlau wie möglich den Feind zu überlisten und lieber ihn zu erschiessen als selbst erschossen zu werden.
Allgemein zeigen unsere Medien eben nicht authentisch, was wirklich geschehen ist, sondern so, wie es spannend und mitreißen ist. "300" basiert ja auch auf einer wahren Begebenheit, aber ist er authentisch? Da würde ich einen einen Experten befragen.
An dieser Stelle angemerkt: Es ist aktuell gar nicht so leicht sachliche Informationen zu geschichtlichen Vorkommnissen zu bekommen. z.B. zu Hitler kann ich "Anmerkungen zu Hitler" empfehlen. Zu 9/11 soll dieser Vortrag ganz gut sein https://www.youtube.com/watch?v=cgkQXJ3 ... e=youtu.be" onclick="window.open(this.href);return false;
Ich spekuliere auch mehr und mehr, ob man "Authentiztät" ehr als ein effektives Aufrufen von Sinnes- und Gefühlseindrücken verstehen sollte und nicht als möglichste korrekte und ausgewogene Nachstellung von Geschichte.
Besonders Kriegsspiele nutzen gern Originalaufnahmen oder Dokumente und bauen sie irgendwo ins Spiel ein. Egal ob das nur auf dem Ladebildschirm ist oder diese irgendwo im Spiel herumliegen. In Men of Valor werden vor einigen Mission im dokumentarischen Stil die historischen Hintergründe erläuert, die aber sehr POV. Aber ein Spiel, das versucht eine Dokumentation zu sein, fällt mir gerade nicht ein.
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Terranigma
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von Terranigma »

Pan Sartre hat geschrieben:Ich spekuliere auch mehr und mehr, ob man "Authentiztät" ehr als ein effektives Aufrufen von Sinnes- und Gefühlseindrücken verstehen sollte und nicht als möglichste korrekte und ausgewogene Nachstellung von Geschichte.
Ich würde einfach sagen, dass es um das "Gefühl" von Authentizität geht. Ob eine Darstellung "korrekt" ist wird am Ende ja ohnehin niemand überprüfen; das ist auch kein Maßstab. Ob ein Videospiel, Film, o.Ä. "authentisch" ist überprüft ein Rezipient ja nicht durch eine nachträgliche Recherche, sondern dadurch, ob die Darstellung im Videospiel, Film, o.Ä. der eigenen Vorannahme entspricht. Ob eine Mittelalter-Darstellung "authentisch" ist bemisst sich insofern nicht am aktuellen Stand der Geschichtswissenschaft - damit beschäftigt sich außer der Geschichtswissenschaft eh niemand - sondern daran, ob diese Mittelalter-Darstellung in etwa allen anderen Mittelalter-Darstellungen entspricht, die man kennt und innerhalb des eigenen Erwartungshorizontes liegt.
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Scipio
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von Scipio »

Pan Sartre hat geschrieben:
Scipio hat geschrieben:Spannendes Beispiel.
Ich weiß nicht, ob das vielleicht etwas zu weit führt. Mir geht es ja im Kern eher darum, warum wir nach "Authentizität" schreien, um sie dann doch nicht zu wollen? Ist es Jochen, der oft fragt, ob ein Spiel unbedingt Spaß machen muss? Warum also kein Spiel, in dem man als Soldat stundenlang am Strand ausharren muss? Wäre das authentisch? Nein, vermutlich nicht, aber zumindest wäre es mal was Anderes im Vergleich zu Spielen mit ähnlichem Kontext.
Stimmt. Was ich eigentlich damit ausdrücken wollte ist, wenn wir bei Spielen und Filmen so sehr auf korrekte Darstellung der Geschichte achten, sollten wir gerade ein Augenmerk auf die sogenannten Qualitätsmedien richten, welche um die bestmögliche Korrekte Darstellung verpflichtet sind und gar einen Bildungsauftrag unterliegen. Dies ist ja bei Unterhaltungsmedien nicht gegeben.
Ich mein wenn bei einem Spiel damit geprallt wird, dass es den 2. WK absolut korrekt darstellen würde, dies aber nur ansatzmäßig umgesetzt wird, ist dies bei weitem noch nicht so Gewichtig als wenn ein Dokumentarfilm aus dem öffentlich Rechtlichen ebenso ein Blödsinn verzapft.

@chrisinger: Du Kennst Dr. Daniele Ganser? Ich schätze ihn sehr. Wird aber leider auch von den etablierten Medien ganz schön schlecht geredet.

@Nochmal Pan Satre:
Dein Beispiel mit dem Tieffliegerangriffen auf Zivilisten war mir gar nicht bewusst, dass dies so oft als Erlebnis geschildert wurde. Ich habe in Seniorenheimen viel Biographiearbeit gemacht und unter den Senioren gab es wirklich eine, die das Erlebnis genau so beschrieb wie du es hier schilderst. Nur hat sie nicht von der Hautfarbe des Piloten gesprochen sondern ist eher auf seine Fliegermütze eingegangen.
Auch habe ich Erlebnisse von den Rheinwiesenlagern gehört, in welchen durch Aussagen zig Tausende Kriegsgefangene ums Leben gekommen sind, da die Genfer Konventionen außer acht gelassen wurden, da die deutschen Kriegsgefangen von den US-Amerikanern als „unarmed enemies“ gesehen wurden.

Wie viel Wahrheitsgehalt jetzt in diesen Aussagen steckt, kann man im Nachhinein schwer sagen.
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Puschkin
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von Puschkin »

Im Themenvorschlagsforum hatte Terranigma das Thema dankenswerterweise schon vor der Ganzen Diskussion um die Authentizität von Kingdom Come:Deliverance angestoßen.
"Nachgeforscht: Geschichtskultur und Videospiele":
viewtopic.php?f=3&t=2822" onclick="window.open(this.href);return false;

Ein anderer Themenvorschlag ist "Wie authentisch ist Assassins Creed Origins wirklich?"
viewtopic.php?f=3&t=2970" onclick="window.open(this.href);return false;

Im Vorschlag "Nachgeforscht: Geschichtskultur und Videospiele" wurde der Blog http://gespielt.hypotheses.org/" onclick="window.open(this.href);return false; schon erwähnt. Ich stelle es aber auch hier nochmal rein, da ich auch gerade den "Pixeldiskurs Podcast" über die (Nicht-)Repärsentation des Holocaust in Spielen gehört habe und ich darüber auch da gelandet war. http://pixeldiskurs.de/2017/05/21/pixel ... n-pfister/" onclick="window.open(this.href);return false;

Ich finde den Punkt den Eugen Pfister im nachfolgenden Blogpost aufmacht eine gute Leitlinie um über die Darstellung von Geschichte zu sprechen und dem wie wir authentizität empfinden.

Leider erscheint mir aber ist die Frage nach der Authentizität in der Gamespresse schlecht aufgehängt. Es wird selten gefragt "was wollt ihr Entwickler damit Aussagen" und es wird nicht berichtet was Authentizität erzeugen soll. Es wird vergleichsweise unreflektiert über authentische Kulissen berichtet und diese gelobt.
Gerade in der Previewberichterstattung, die einfach schon grundlegend im Widerspruch zu kritischem Journalismus steht, nimmt das Authentizitätsgequalle der PR schon viel Raum ein bei Spielen mit historischem Setting. Und dann wird am besten noch nachgeschoben "es ist nur ein Spiel". Es wird wenig auf die Wechselwirkungen zwischen Geschichte-Werke-Entwickler-Konsumierende geschaut.

http://gespielt.hypotheses.org/1334" onclick="window.open(this.href);return false;

"Dabei böte das Thema an sich durchaus spannende Forschungsfragen, immer dann, wenn es um die Frage geht, was gerade als „authentisch“ wahrgenommen wird. Ist die realistische Flugbahn einer von einem Trebuchet geworfenen Steinkugel „authentisch“ oder aber der unbeirrbare Glaube an den „eigenen“ Gott eines Kreuzritters? Wie soll man letzteren zum Beispiel „authentisch“ in einem Spiel inszenieren? Wir dürfen nie vergessen, dass Spiele mit einem historischen Setting nicht Quellen der dargestellten Epoche, sondern Quellen der darstellenden Epoche sind, also der transportierten Geschichtsbilder. Einfacher gesagt: Assassin’s Creed Unity gibt uns keine Auskunft über die französische Revolution, sehr wohl aber über die aktuelle Wahrnehmung der französischen Revolution in unserer zeitgenössischen Gesellschaft."

Weitere Artikel zum Thema Authentizität:
https://spielkult.hypotheses.org/?s=authentizit%C3%A4t" onclick="window.open(this.href);return false;

http://gespielt.hypotheses.org/tag/authentizitaet" onclick="window.open(this.href);return false;
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Santiago Garcia
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von Santiago Garcia »

Scipio hat geschrieben: @chrisinger: Du Kennst Dr. Daniele Ganser? Ich schätze ihn sehr. Wird aber leider auch von den etablierten Medien ganz schön schlecht geredet.
Ja. Im Zusammenhang mit 9/11 Verschwörungstheorien.
Stuttgarter
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von Stuttgarter »

Ganser war wohl bereits Gast bei Russia Today, KenFM und Compact. Damit hat er sich eigentlich schon komplett disqualifiziert.
Stuttgarter
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von Stuttgarter »

Zum eigentlichen Thema - das finde ich hochspannend. Ich geb zu, dass ich als Geschichtsfan, aber nicht -nerd (Geschichts-LK, aber keine sonstigen tiefergehenden "Studien") die Darstellung in SJR tatsächlich für realistisch gehalten habe, was die Rahmenbedingungen angeht. (Dass der Film an und für sich US-Patriotismus pur ist - geschenkt.)

Ich würde an der Stelle aber gern noch ein weiteres, in meinen Augen durchaus problematisches Beispiel in die Diskussion bringen: AC. Der zweite Teil (oder einer seiner Ableger) war es, der mit historischen Personen wie Leonardo da Vinci angefangen hat. Bei dessen Darstellung hat sich das Spiel wohl eine Menge Freiheiten genommen. Das kann man aus künstlerischer Sicht sicher tun - dennoch hab ich ein sehr ungutes Gefühl bei dem Gedanken, dass eine Generation heranwächst, die ihr "Wissen" über historische Persönlichkeiten der AC-Reihe verdankt.

Von Spieleredakteuren liest man ja häufig, "Age of Empires, Civ und co haben mich damals dazu gebracht, in Lexika und Geschichtsbücher zu schauen". Keine Ahnung, ob die damals schon eine Minderheit waren oder die Spiele das tatsächlich bei vielen Spielern bewirkt haben. Aber ich bezweifle ernsthaft, dass heutige Kids wegen einem AC anfangen, sich mit der Renaissance, der französischen Revolution oder der Industrialisierung (und historischen Vertretern der jeweiligen Zeit) näher zu beschäftigen.

Meiner Meinung nach hätten Entwickler durchaus grundsätzlich die Verantwortung, spätestens dann, wenn sie historische Figuren verwenden, diese auch realitätsgetreu darzustellen.

Wie man dieses Problem künstlerisch lösen kann, zeigt übrigens Terry Pratchetts "Scheibenwelt" - auf jener gibt es den genialen Erfinder "Leonardo da Quirm". Es ist völlig offensichtlich, auf wen diese Figur anspielt - aber durch die simple Veränderung des Namens ist absolut eindeutig, dass es sich hierbei um eine fiktive Figur handelt, die zwar von einer realen Person inspiriert wurde, aber sich so verhält, dass es den Romanen dient.
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lolaldanee
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von lolaldanee »

Das mit Da Vinci ist ein sehr guter Punkt... Mir fällt dazu gleich Civ ein, das gilt ja auch als so eine "historische" Serie, wobei es in Wahrheit reines Name-dropping ist. Alles was in den Civ Spielen historisch anmutet ist nichts als Flavor. Im Gegensatz z.B. zu den Total War Teilen, die das langsam besser hinbekommen (so ab Shogun 2 ungefähr). Hier waren aber auch die ersten Teile gnadenlos einfach alles zusammengeworfen ohne Sinn und Verstand. Ein besonders eklatantes Beispiel ist Rome 1 und seine Darstellung Ägyptens. In dem Fall waren so ungefähr 1500 Jahre zwischen dem wie sie im Spiel dargestellt wurden, und wie die tatsächliche Realität war, nänlich das eines hellenistisch regierten Staates, in dem native Ägypter nicht viel zu lachen hatten.
Stuttgarter
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von Stuttgarter »

Über Civ hab ich in dem Kontext auch nachgedacht - und bin (für mich) zu dem Schluss gekommen, dass dieses Spiel in der Hinsicht recht unproblematisch ist. Zum einen, weil es so abstrakt in seiner Darstellung ist, zum anderen, weil von der ersten Runde an ich entscheide, wie sich letztlich die komplette Welt entwickeln wird. Meine Mitspieler reagieren auf das, was ich mache - dadurch sollte von vornherein klar sein, dass das nicht "historisch" sein kann. Auch dadurch, dass ich beispielsweise einen winzigen Stamm amerikanischer Ureinwohner zur Weltmacht führen kann - sobald ein Spiel derart offensichtlich von der Weltgeschichte abweicht, sollte klar sein, dass es letztlich ein Fantasieprodukt ist.

Je mehr ein Spiel nicht auf Dich reagiert, sondern Du auf das Spiel und je linearer es abläuft - um so mehr entsteht (in meinen Augen) die Gefahr, dass gezeigte Dinge als "wahr" angesehen werden.

Total War hab ich nie gespielt - aber das, was Du schreibst, klingt schon nach einem sehr eklatanten Zurechtbiegen, ja.
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Terranigma
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von Terranigma »

Stuttgarter hat geschrieben:Meiner Meinung nach hätten Entwickler durchaus grundsätzlich die Verantwortung, spätestens dann, wenn sie historische Figuren verwenden, diese auch realitätsgetreu darzustellen.
Meine Meinung dazu ist, dass ich es schön fände, würde ein Videospiel mal das Wesen der Geschichtsschreibung besser abbilden - und das liegt nicht im Realitätsgrad, sondern der Hermeneutik, d.h. man kann z.B. Leonardo Da Vinci auf allerlei Arten darstellen, und es gibt allerlei Interpretationen davon, wer und wie er wohl war. Wissen tut's keiner, weil niemand von uns ihn je trafen. Ausgehend von den historischen Quellen, bilden wir jeweils unsere eigene Vorstellung, und man kann auch verschiedene Vorstellungen durchaus legitim vertreten. Ebenso wie man ja auch einen Roman oder ein Gedicht auf allerlei Arten lesen kann, und einem niemand sagen würde, "Es gibt genau eine richtige und realitätsgetreue Interpretation dieses Gedichtes!"

Assassin's Creed besäße dafür eigentlich die ideale Grundlage, nutzt sie aber nicht. Was ich meine ist: Ich fände es schön, würde ein Spiel offen damit arbeiten, dass seine Geschichte eine Rekonstruktion ist, d.h. dass der Erzähler nicht zuverlässig ist oder es mehre gibt. Assassin's Creed hat ja von der Idee her eine sehr geniale und clevere Rahmenhandlung. Aber anstatt die persönlichen Erinnerungen einer (!) Person nachzuspielen, hätte man doch - wie es in der Geschichtswissenschaft üblich ist - mehrere Perspektive von mehreren Personen hernehmen können. Wenn man also z.B. die Erinnerung von Charakter A spielt, erlebt man eine Situation oder einen Ort aus dessen Perspektive. Später würde einen die Erinnerung von Charakter B womöglich in dieselbe Situation bringen, aber aus der Perskektive einer anderen Person - und auf einmal stellt sich die ganze Situation anders dar.

Aus diesem Grund ist Multiperspektivität das zentrale Schlagwort in der Geschichtswissenschaft, und (hoffentlich) auch im Geschichtsunterricht an der Schule, eben weil jede Quelle perspektivgebunden ist und nie zeigt, "wie es wirklich war." Sie zeigt nur, wie jemand es von seiner Perspektive aus sah. Und da wünsche ich mir bis heute, dass z.B. die Assassin's Creed-Reihe mal das Potential ihrer Rahmenhandlung ausschöpfen würde, und seine Geschichte multiperspektivisch erzählen würde. Interessanterweise hat glaube ich das ein Teil der Call of Juarez-Reihe - wo man es eigentlich nicht erwarten würde - im Ansatz getan; zumindest hat der Teil mit einem unzuverlässigen Erzähler gearbeitet, der mal Dinge erfindet, übertreibt, usw. Wo also jederzeit ganz klar ist, dass man hier die Nacherzählung von jemanden spielt, und dass dessen Erinnerung lückenhaft ist, er manches verschweigt und anderes wieder beschönigt.

Sowas fände ich für ein Spiel mit Historiensetting cool, weil sich da auch die "Zeigen, wie es eigentlich war"-Diskussion entschärfen, und gut sichtbar werden würde, dass Geschichte eher so ein wibbly wobbly, timey wimey thingy ist.
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Feamorn
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von Feamorn »

Stuttgarter hat geschrieben: Meiner Meinung nach hätten Entwickler durchaus grundsätzlich die Verantwortung, spätestens dann, wenn sie historische Figuren verwenden, diese auch realitätsgetreu darzustellen.
Das finde ich so als Forderung aber tatsächlich schwierig. Wo will man hier die Grenze ziehen, wann eine "freie" Verwendung von historischen Figuren und Gegebenheiten okay ist und wann nicht?

Ich bin ein großer Freund "alternativer" Zeitlinien, egal in welchem Medium. Mit einer solchen Forderung wären doch Sachen wie ein zeitreisender Albert Einstein in C&C Red Alert, oder auch ein Wolfenstein in dem reale Personen der Zeitgeschichte auftauchen (wie etwa Hitler), nicht mehr vereinbar. (Die Verfremdung von Namen finde ich auch nur bedingt hilfreich, bei Pratchett ist das kein Ding, aber eine Geschichte, die mir eigentlich eine wirkliche "alternative Realität" verkaufen möchte, bekommt da gleich Probleme. (Als jüngstes Beispiel die letzten Wolfenstein-Teile, die deutschen Fassungen wurden ja nicht (nur) wegen der Symbolik abgelehnt, sondern auch wegen komischen Umbenennungen etc. und ja, auch wegen fehlender Authentizität in Sachen Juden und Holocaust.). Ein Civ VI bezieht einen gewissen Reiz daraus, dass die Völker "reale" Anführer verwenden, auch das wird der realen Person nicht gerecht (Stichwort: Gandhis atomarer Erstschlag).)
Man kann da zwar sagen "das ist ja offensichtlich keine 'authentische' Darstellung", aber wo zieht man dann die Grenze? Sollten sich nicht nur solche Spiele (und Medien) an der Realität messen lassen müssen, die sich Authentizität auch tatsächlich auf die Fahnen geschrieben haben?
(Unterschreiben würde ich, dass ungeachtet der Absicht der Macher in Besprechungen durchaus gesagt werden sollte, wenn die historische Darstellung im Spiel nicht korrekt ist.)
Ich habe das Gefühl, man gerät hier irgendwie recht schnell in eine Bahn, wo man von (Unterhaltungs-)Medien oder gar Kunst plötzlich fordert, Probleme des Erziehungs- und Bildungssystems zu beheben.
IceGrin

Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von IceGrin »

Geschichte wird in großen teilen mittels kunst überliefert. Und die beansprucht nicht von sich akkurat zu sein. Also demnach ist unser Verständnis von geschichte sowieso ziemlich verklärt. Unsere quellen sind im besten fall, meiner meinung nach, fragwürdig.

Anderes beispiel. Ich hab irgendwo vor jahrzehnten ein interview mit nem szenenbildner von csi oder so gesehen. Dabei ging es um das aussehen von alten leichen. Er meinte, ja, er wisse dass die leichen nicht realistisch aussehen, sondern so, wie die zuschauer sie such alte leichen vorstellen. Von dem her...
Don Mchawi
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von Don Mchawi »

Terranigma hat geschrieben: Interessanterweise hat glaube ich das ein Teil der Call of Juarez-Reihe - wo man es eigentlich nicht erwarten würde - im Ansatz getan; zumindest hat der Teil mit einem unzuverlässigen Erzähler gearbeitet, der mal Dinge erfindet, übertreibt, usw. Wo also jederzeit ganz klar ist, dass man hier die Nacherzählung von jemanden spielt, und dass dessen Erinnerung lückenhaft ist, er manches verschweigt und anderes wieder beschönigt.

Sowas fände ich für ein Spiel mit Historiensetting cool, weil sich da auch die "Zeigen, wie es eigentlich war"-Diskussion entschärfen, und gut sichtbar werden würde, dass Geschichte eher so ein wibbly wobbly, timey wimey thingy ist.
Gunslinger war der Call of Juarez-Teil, den du meintest. Musste ich beim Lesen deines Posts auch direkt dran denken.
Ist ja sogar ein Spiel im Historiensetting (Wilder Westen), der sehr gelungene Kniff mit der Erzählung wird aber nicht auf die generelle Darstellung des Setting angewandt.
Finde ich auch eine interessante Idee, habe den Eindruck, dass das Thema Erzählperspektive langsam aufkommt, auch Gunslinger ist ja kein wirklich altes Spiel (2013). Bei Filmen und Büchern gibt es ja reichlich Beispiele, die die eigene Erzählperspektive kritisch beleuchten ohne sie dabei nur für einen billigen Twist zu verwenden.

Wenn es gut eingebaut ist (mehr aha-Effekt und gerne auch etwas Humor, weniger belehrend), würde ich soetwas wie du beschreibst gerne spielen.
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Terranigma
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von Terranigma »

Don Mchawi hat geschrieben:Gunslinger war der Call of Juarez-Teil, den du meintest. Musste ich beim Lesen deines Posts auch direkt dran denken.
Danke, genau das! Glaube, man könnte viel mehr aus historischen Szenarien rausholen - das gilt für Filme ebenso! - würde man aufhören zu versuchen, den Stoff "korrekt" abzubilden, sondern vielmehr mit der Narration arbeiten. Auch wenn ich sonst nichts Gutes über die Call of Juarez-Serie sagen kann, aber dieser Erzählkniff bei Gunslinger war schon sehr cool. :D
IceGrin hat geschrieben:Geschichte wird in großen teilen mittels kunst überliefert.
Inwiefern das? Und der Anspruch einer Quelle an sich selbst, ist ja kein Garant für deren Güte. Ob eine Quelle taugt, hängt maßgeblich von der Frage ab, die man an sie stellt.
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von IceGrin »

Terranigma hat geschrieben:
IceGrin hat geschrieben:Geschichte wird in großen teilen mittels kunst überliefert.
Inwiefern das? Und der Anspruch einer Quelle an sich selbst, ist ja kein Garant für deren Güte. Ob eine Quelle taugt, hängt maßgeblich von der Frage ab, die man an sie stellt.
Hast du bitte ein Beispiel.
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Terranigma
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von Terranigma »

IceGrin hat geschrieben:Hast du bitte ein Beispiel.
Nimm einen x-beliebigen Reisebericht oder private Briefkorrespondenz, die nicht für eine Öffentlichkeit verfasst wurden. Sponantes Beispiel, z.B. die Briefe von Williams Adams u.a. an seine Frau. William Adams war Navigator auf einer Unternehmung der Ostindischen Handelskompanie, strandete um 1600 mit ein paar Überlebenden an den Küsten Japans und wurde dort als "Gast" behalten. Hier z.B. ein Brief an seine Frau.

Mögliche Fragen, die man an den Brief stellen kann - das ist jetzt nur schnell ausgedacht - wären z.B.:

(1) Wie stellt William Adams den Verlauf seiner Reise dar?
(2) Wie wird die hygienische Situation an Bord des Schiffes dargestellt?
(3) Welcher medizinische Kenntnisstand kommt zum Ausdruck?
(4) Welcher nautische Fähigkeitsstand kommt in dem Brief zum Ausdruck?
(5) Welcher geografische Kenntnisstand kommt in dem Brief zum Ausdruck?
(6) Welche Wertehaltung im Umgang mit Fremden kommt zum Ausdruck?
(7) Welche politischen Akteure nennt er? Welche Akteure sind sonst noch in dieser Region unterwegs?
(8) Wie wird der Erstkontakt mit den Japanern beschrieben?
(9) Welche Eigenheiten der Japaner fallen ihm auf - was beurteilt er negativ, was positiv?
(10) Wie ist das Verhältnis zwischen Adams (Protestant) und den Portugiesen und Spaniern (Katholiken?)
(11) Wie weit reichte der Einflussbereich der Ostindischen Handelskompanie?
(12) Wie stellt sich die politische Situation in Japan aus Sicht von William Adams dar?
(13) Wie wird mit den Gestrandeten in Japan umgegangen? Was sagt das über den Umgang mit Fremden aus?
(14) ...

Du könntest den Inhalt ebenso ganz ignorieren, und den Brief ausschließlich aus sprachhistorischer Perspektive analysieren, d.h. z.B. die Orthographie, das Vokabular, die Morphologie, Syntax, usw. der Sprache. Es fällt z.B. auf, dass er oftmals 'u' schreibt, wo man heutzutage ein 'v' erwarten würde, z.B: "Nouember" anstatt "November". Das mag sein persönlicher Stil sein; das mag für die Zeit gängig gewesen sein. Ebenso könnte man fragen, ob er tatsächlich "Nou-ember" anstatt "No-vember" sagte. Dann wiederum schreibt er 'vs' anstatt 'us'. Linguisten würden den Brief daher ganz anders lesen, als z.B. Historiker. Und ein Historiker, der sich für Seefahrtsgeschichte interessiert, ganz anders als ein Historiker, der sich für Medizingeschichte interessiert, oder einer der über Fremd- und Selbstwahrnehmung bei Kulturkontakten forscht. Oder was man sonst noch alles damit anstellen kann - die Möglichkeiten sind endlos! ;)

Als Historiker fängt man zumeist nicht mit der Quelle an, und nutzt die Quelle nicht um eine Nacherzählung dessen zu schreiben, "was wirklich war." Sondern umgekehrt fängt man mit einer Fragestellung an, und sucht sich dann anschließend geeignete Quellen aus, um diese Frage zu beantworten. Ob eine Quelle insofern einen Anspruch auf "Wahrhaftigkeit" erhebt oder nicht, ist unerheblich. Je nach Frage, kann so eine Quelle besser oder schlechter geeignet sein. Und die Fragen, die man stellt, ändern sich mit der Zeit. Seit der Flüchtlingskrise ist so z.B: das Interesse an der Geschichte rundum Migration und Flucht stark gestiegen.
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von IceGrin »

Ja, stimmt. So hab ich das nie betrachtet. Mir haben nur immer, blöd ausgedrückt, zu viele leute die gleiche geschichte erzählt. Und am schluss war doch alles anders.
Als beispiel das aussehen von leuten. Wenn man die büsten und Porträts von zb. Julius Cesar anschaut, sehen alle verschieden aus.
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Terranigma
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von Terranigma »

IceGrin hat geschrieben:Als beispiel das aussehen von leuten. Wenn man die büsten und Porträts von zb. Julius Cesar anschaut, sehen alle verschieden aus.
Da könnte man z.B. wunderbar fragen, ob eine Plastik überhaupt abbilden soll, wie eine Person "tatsächlich" aussah, oder ob gerade bei Herrschaftspersonen nicht der Sinn darin besteht, sie auch herrschaftlich zu inszenieren. Ebenso kann man gucken, inwiefenr zeitgenössische Konventionen und der Zeitgeist die Abbildung beeinflusst. Selbst an eine schnöde Plastik kann man als Quelle insofern wieder 923.280 verschiedene Fragen stellen. Ich finde das faszinierend! :D
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von Stuttgarter »

Feamorn hat geschrieben:
Das finde ich so als Forderung aber tatsächlich schwierig. Wo will man hier die Grenze ziehen, wann eine "freie" Verwendung von historischen Figuren und Gegebenheiten okay ist und wann nicht?

Ich bin ein großer Freund "alternativer" Zeitlinien, egal in welchem Medium. Mit einer solchen Forderung wären doch Sachen wie ein zeitreisender Albert Einstein in C&C Red Alert, oder auch ein Wolfenstein in dem reale Personen der Zeitgeschichte auftauchen (wie etwa Hitler), nicht mehr vereinbar. (Die Verfremdung von Namen finde ich auch nur bedingt hilfreich, bei Pratchett ist das kein Ding, aber eine Geschichte, die mir eigentlich eine wirkliche "alternative Realität" verkaufen möchte, bekommt da gleich Probleme. (Als jüngstes Beispiel die letzten Wolfenstein-Teile, die deutschen Fassungen wurden ja nicht (nur) wegen der Symbolik abgelehnt, sondern auch wegen komischen Umbenennungen etc. und ja, auch wegen fehlender Authentizität in Sachen Juden und Holocaust.). Ein Civ VI bezieht einen gewissen Reiz daraus, dass die Völker "reale" Anführer verwenden, auch das wird der realen Person nicht gerecht (Stichwort: Gandhis atomarer Erstschlag).)
Man kann da zwar sagen "das ist ja offensichtlich keine 'authentische' Darstellung", aber wo zieht man dann die Grenze? Sollten sich nicht nur solche Spiele (und Medien) an der Realität messen lassen müssen, die sich Authentizität auch tatsächlich auf die Fahnen geschrieben haben?
(Unterschreiben würde ich, dass ungeachtet der Absicht der Macher in Besprechungen durchaus gesagt werden sollte, wenn die historische Darstellung im Spiel nicht korrekt ist.)
Ich habe das Gefühl, man gerät hier irgendwie recht schnell in eine Bahn, wo man von (Unterhaltungs-)Medien oder gar Kunst plötzlich fordert, Probleme des Erziehungs- und Bildungssystems zu beheben.
Vorweg - ich bezog mich (natürlich) auf Filme/Spiele, die den Anschein erwecken, eine historische reale Epoche abzubilden. Ich liebe alternative Geschichte(n) - seien es die Romane "Vaterland" und "Orakel vom Berg", Filme wie "Inglorious Basterds" oder auch Spiele wie "Red alert". Deshalb nehm ich aus meiner Kritik ja tatsächlich auch schon die Civ-Reihe aus - jene vielleicht aber auch deshalb, weil ich annehme, dass die Civ-begeisterten Kids doch eine große Ausnahme darstellen dürften. :)

Dass die Grenzen da letztlich irgendwo verschwimmen, ist auch klar - und meine oben formulierte "Maximalforderung" wird sich eh nie durchsetzen. Aber wenn es allein schon etwas mehr Verantwortungsgefühl gäbe, wärs ja auch schon was - momentan scheren sich viele Spiele da gar nicht drum. Vermutlich unter dem Gesichtspunkt, "Reinkommt was Spaß macht, sch... auf die historischen Quellen". Das oben erwähnte Beispiel aus Total War finde ich durchaus diskutierenswert - denn hätte ich das Ding gespielt, wär mir sicher auch diese - verfälschte - Darstellung im Gedächtnis geblieben.

Romane behelfen sich gern einfach mit einem Vorspruch - sinngemäß "Auch, wenn in diesem Roman historische Personen auftauchen, entspringt alles, was sie sagen und tun der Fantasie des Autors". Auch das wär ja schonmal ein Anfang. AC hat ja eh schon seinen netten Text am Anfang zur Herkunft des Teams - da könnte man sowas ja problemlos dranhängen.

Zu "Wolfenstein" speziell - ich finde den Ansatz von Petra Schmitz, dass sie gern die internationale Fassung so gehabt hätte wie die deusche (statt umgekehrt) durchaus überdenkenswert. Nicht weil "Das darf man nicht!!!" (hab ja oben selbst geschrieben, dass ich alternative history durchaus schätze, auch im Nazizusammenhang) - aber im Sinne der Überlegung, "Würde Wolfenstein eigentlich soviel verlieren, wäre die Handlung konsequent eine Parabel?". Ich glaube eigentlich nicht - da die Parallelen es immer noch eindrücklich genug machen würde. Ganz plattes Beispiel: Wird "Animal Farm" irgendwie in der Aussage dadurch verwässert, dass die Unterdrücker Schweine und die Unterdrückten die restlichen Farmtiere sind? Nicht wirklich, oder?
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Puschkin
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Re: Authentizität? Wie Spiele verzerrte, historische Darstellungen reproduzieren

Beitrag von Puschkin »

Stuttgarter hat geschrieben:
[...]Zu "Wolfenstein" speziell - ich finde den Ansatz von Petra Schmitz, dass sie gern die internationale Fassung so gehabt hätte wie die deusche (statt umgekehrt) durchaus überdenkenswert. Nicht weil "Das darf man nicht!!!" (hab ja oben selbst geschrieben, dass ich alternative history durchaus schätze, auch im Nazizusammenhang) - aber im Sinne der Überlegung, "Würde Wolfenstein eigentlich soviel verlieren, wäre die Handlung konsequent eine Parabel?". Ich glaube eigentlich nicht - da die Parallelen es immer noch eindrücklich genug machen würde. [...]

Der Antisemitismus ist schon etwas spezielles. Das rausnehmen zu wollen macht es vielen zu einfach.
Polen ist gerade dabei ein Gesetz zu erlassen das es schwer machen wird über die Beteiligung von polnischen Kollaborateuren am Holocaust zu sprechen.

http://www.tagesschau.de/ausland/polen- ... t-101.html" onclick="window.open(this.href);return false;
[Zitat] Ein führender Historiker der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem kritisierte das neue polnische Gesetz als Versuch der Geschichtsklitterung. "Das ist ein antidemokratisches Gesetz, dessen Ziel es ist, die Geschichte umzuschreiben", sagte David Silberklang der Nachrichtenagentur dpa: "Es wird die Polen "nur beflecken, nicht weißwaschen."

Außerdem werde das Gesetz "eine offene Diskussion über das Verhalten des polnischen Volkes während der Nazibesatzung verhindern und sollte daher nicht abschließend gebilligt werden", sagte Silberklang. Es habe zwar keine polnischen Wächter in den Vernichtungslagern gegeben, "es gab aber viele Übergriffe von Polen auf Juden - teilweise in Zusammenarbeit mit den Deutschen und teilweise auf eigene Faust".
Es habe schon vor dem Krieg einen virulenten Antisemitismus in Polen gegeben, betonte Silberklang. Die systematische Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten während der Besatzung sei daher auf fruchtbaren Boden gefallen. "Es gab sehr wenig Licht und viel Finsternis", so Silberstein.[Zitat Ende]

Natürlich haben zuerst die Deutschen den Nationalsozialistischen Verbrechen getragen und die richteten sich natürlich auch gegen die Bevölkerung all der besetzen Länder. Aber es ist eben noch komplexer das eben Polen Franzosen etc. etc. leider auch beteiligt waren.

Greift Wolfenstein diese Ambivalenz der Kollaboration in der internationalen Fassung dahingehend nicht besser auf?
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