
In weiten Teilen arbeitet sich die Diskussion einmal mehr am Konflikt zwischen rollenspieltypischer (Power-)Fantasy-Simulation einerseits und abstrakt strategischem Spielen auf der anderen ab. Erstere befeuert die angesprochenen Gefühlen, die dann dazu führen, dass die Spielmechanik schnell als Stress empfunden wird ("Ich möchte mich einfach mal in Ruhe aufbauen!"). Das geht vom unsäglichen Powercreep in der ewig langen Kampagne (der wie richtig angemerkt so weit geht, dass das Spiel am Anfang am schwersten ist und am Ende immer leichter wird), über die Degradierung von "Ironman" zur optionalen Spielregel, bis hin zur Benennung von Soldaten, die einem "ans Herz wachsen". Setig gibt es vor allem eines: Progress, Progress, Progress - wie in Farmville und Konsorten (natürlich mit strategisch tieferem Unterbau, aber dazu später mehr).
Auf der anderen Seite steht dann aber eben der Wille beim Entwickler, ein spannendes und interessantes Strategiespiel zu erschaffen. Und das ist erstmal eine völlig abstrakte und spielmechanische Angelegenheit. Da sind die Soldaten eben einfach "nur" Spielfiguren, also schlicht Ressourcen. Da soll es eine kompetitive Struktur mit kurzen Partien (Missionen) geben, die auch mal verloren werden sollen - und zwar permanent ("Ironman") und nicht optional, um das Gewicht der Entscheidungen des Spielers zu wahren. Die Idee der Rundenlimits ist an dieser Stelle schon richtig, da sie die unendlichen Zyklen aus "1 Schritt vor, Deckung, Overwatch" zu brechen versucht. Auch eine beliebte Taktik im Vorgänger: "Ein mal schießen, dann erstmal alle eine Runde rumsitzen und nachladen!". Mutmaßlich war dieses Vorgehen sogar der Grund dafür, dass die Menschheit im ersten XCOM den Kampf verloren hat, da dutzende ihrer liebgewonnenen Soldaten vor Langeweile gestorben sind.
Das Problem an der Sache: Wie auch im Podcast ganz richtig erwähnt, fehlt es dem Spiel letztlich an der nötigen Tiefe. Natürlich gibt es mehr zu lernen als beim durchschnittlichen F2P-Browsergame. Aber nach ungefähr einer halben Kampagne hat man es dann weitestgehend raus und wiederholt nur noch die bewährten Muster. Deshalb bleibt das Ganze am Ende trotzdem weitgehend uninteressant. Es bräuchte eine spielmechanische Überarbeitung des Fundaments, das einfach nach wie vor zu nah am guten alten Konzept "Wirf HP-Säcke in eine Box und lass sie aufeinander eindreschen bis eine Seite kaputt geht!" dran ist. Eben bloß mit kleinen Gimmicks und Erweiterung hier und dort.
Weitere Auswüchse des Konflikts werden im Podcast schön dargelegt: Im Netz wird hitzig über die Verletzungen im Spiel diskutiert, wobei die einen mit Realismus (Fantasy-Simulation), die anderen mit gutem Gameplay (Spielmechanik) als Argument kommen. Auch die von Jochen immer wieder angeführte Intransparenz wie beispielsweise die weitgehend auf thematischen Storyschnipseln aufgebaute Forschung ist ein schön absurdes Beispiel: Wenn ich in der Realität an Aliens forsche, weiß ich ja auch nicht, wo es hin geht (Fantasy-Simulation). Aus spielerischer Sicht (Gameplay) wäre es aber äußerst sinnvoll und spätestens beim zweiten Durchgang des Spiels (das offensichtlich gerne mehrfach gespielt werden will), könnte ich es ja ohnehin wissen, wenn ich mir denn Notizen gemacht habe oder eben ein Wiki aufschlage.
Insgesamt wird einer der zentralen Konflikte moderner (Strategie-)Videospiele also sehr schön herausgearbeitet und illustriert.
Wer übrigens ein Taktik-Spiel spielen möchte, das sich desselben ein wenig bewusster ist, sollte einen Blick auf Invisible Inc. werfen. Es ist nicht perfekt (was in erster Linie auch an der Kampagnenstruktur samt RPG-Powercreep-Problem liegt), aber tatsächlich spielmechanisch (definitiv nicht in Sachen Fantasy-Simulation!) deutlich stärker als die beiden XCOMs.
Zuletzt möchte ich in diesem ganzen Zusammenhang auch noch einen sehr interessanten Vortrag von Game-Designer Soren Johnson empfehlen: A Study in Transparency.