Das ist's auch weiterhin. Das Problem ist leider einfach das: du hast in einer Woche i.d.R. 2x45 Minuten. Davon kannst du - je nach Klassenstufe - jeweils 5 Minuten abziehen, bis alle auf den Stühlen sitzen und das Organisatorische abgehandelt ist. Effektiv bleiben wir pro Woche ggf. 80 Minuten - optimistische Schätzung! - in der man sich mit historischen Sachverhalten auseinandersetzen soll. Beim Blick in die Lehrpläne sieht man: in 80 Minuten pro Woche soll innerhalb kürzester Zeit erlernt werden, was Geschichte in Abgrenzung zu Vergangenheit ist, man soll sich mit Prähistorie und dem Altertum, Kulturkanten im Altertum und idealterweise auch schon im Ansatz mit dem europäischen Mittelalter beschäftigt haben. Für das alles stehen dir in NRW theoretisch 40 Wochenstunden, d.h. 40 mal 2x45 Minuten zur Verfügung - von denen du nur einen Bruchteil hast, weil allerlei Wochen durch Exkursionen, Feiertage, Projektwochen, o.Ä. wegfallen. Rechnen wir also eher mit 35 mal 2x45 Minuten in einem Schuljahr. Da auch die Tagesform der Klasse variiert, kommst du in einem kompletten Jahr auf ggf. 50 Stunden an Lernzeit für Geschichte. That's it.Lurtz hat geschrieben: ↑12. Apr 2018, 12:38Geschichte war bei den allermeisten Lehrern leider ein Auswendiglernen von Ist-Zuständen. Das ändert sich meist erst im Leistungskurs, aber den belegen nur wenige Schüler.
Durch all die Zeit haben Unterhaltungsmedien mein Interesse an Geschichte hochgehalten, zum einen historische Romane und Sachbücher, zum anderen aber eben auch Spiele.
So viel Zeit verbringt ein Jugendlicher problemlos in den Sommerferien am PC, d.h. wenn du dort Age of Empires, Assassin's Creed, o.Ä. spielst, kannst du die Auseinandersetzung mit Geschichte - mal ganz allgemein gesprochen - durch den Spielekonsum quasi verdoppeln. Der Grund, warum Geschichte tatsächlich häufig auf ein Auswendiglernen von abrufbaren Wissen - Reproduktion - hinausläuft ist auch der, dass eine Diskussion - sachlich und wertend - eine gewisse Sachgrundlage benötigt. Wenn du aber für ein Thema nur ein paar Stunden zur Verfügung hast, dann fehlt einem teilweise schlicht die Zeit, in irgendein Thema je tief einzusteigen, um eine richtige Diskussion führen zu können. Ich habe Lehrer begleitet, welche genau 45 Minuten (!) hatten, um das komplette Thema "Industrielle Revolution" zu behandeln. Das bleibt notwendigerweise absolut oberflächlich. Ist auch ein Grund, warum man mal einen Film - oder Ausschnitte - im Unterricht anschauen kann, aber sich ein Videospiel nur schwer thematisieren lässt: einen 90-minütigen Film kann man in 2x45 Minuten anschauen, ein Kingdom Come mit 50+ Stunden ist nicht machbar.
Und unter dieser Oberflächlichkeit leidet der Geschichtsunterricht leider erheblich, weil eine sachliche Diskussion eine sachliche Grundlage voraussetzt, aber sobald man die im Ansatz hergestellt hat, muss man auch schon wieder los und zum nächsten Thema rennen. Das ist für alle Beteiligten absolut unbefriedigend, aber du hast kaum ernsthafte Alternativen. Auch die Vorbereitung von solchen Stunden, wo man nicht einfach mit de Lehrbuch arbeitet - die ihrerseits wiederum meistens auf die Reproduktion von Wissen abzielen - frisst Unmengen an Zeit. Ich habe problemlos 20+ Stunden mit der Vorbereitung von 45 Minuten verbracht. Gerade bei Geschichte musst du die Quellen ja erst einmal sichten, organisieren, auswerten und so aufbereiten, dass auch 12-Jährige damit klarkommen. Ächz.
Ich bin da über jeden froh, der sich qua Videospiele - oder sonstwas - noch die Faszination am Thema aufrecht erhält. Freue mich insofern auch über dieses neue Format. Hat mir gut gefallen.