Hallo!
Nachdem die letzten beiden Wochen für mich thematisch nicht so spannend waren, trifft die wieder sehr ins schwarze.
Ich bin bei ~40 Minuten, aber schon zig Sachen im Kopf
Das Zitat, das an den Anfang gestellt wird (tl;dr: "Spiele sind zu schwer zu erlernen!"), ist möglicherweise gar nicht so falsch. Auch wenn ich zustimme, dass es im konkreten Fall von EA wohl eher darauf hinaus läuft, dass die Spiele als ganzes generell leichter werden sollen (und das ist natürlich (
) grundfalsch), lässt sich über die eigentliche Aussage sicher reden.
Und dazu muss man sich einfach mal die Evolution der Gamepads ansehen.
In den 80ern hatten wir ein Digipad und 2 Tasten.
In den 90ern hatte sich das auf Digipad, 4 Tasten und 2 Schultertrigger gesteigert.
Mittlerweile haben wir 2 Analogsticks, ein Digipad, 4 Tasten, 2 Schultertrigger, 2 analoge Schultertrigger und 2 Daumentasten.
Allein daran sieht man schon, dass die Spiele mit der Zeit immer schwieriger zu erlernen geworden sind, denn das Spiel nötigt einem immer mehr Aktionen ab. Die Krönung des ganzen sind dann Titel wie Darksiders, die eine Schultertaste nicht mit einer Aktion belegen, sondern sie als Umschalter verwenden, durch den alle anderen Tasten doppelt belegt sind. (X löst etwas anderes aus als LB+X). Da wurde selbst sehr geübten Gamepad-Akrobaten erstmal schwindelig.
Guckt man sich dagegen Super Mario World an, kam man mit 3 Tasten für rennen/schießen, springen und wirbeln aus. Auf dem NES war es sogar noch reduzierter. Ausserdem bewegte man sich durch eine Dimension weniger, was den Anspruch an die Steuerung natürlich weiter verringerte. Nur wenige Titel wie z.B. Zelda - A Link to the Past haben Tasten mehrfach belegt, über ein Item-Auswahl-Menü, daran wurde man aber mit stetig steigender Komplexität im Spielverlauf sehr natürlich herangeführt. An der Stelle ist aber noch überhaupt nichts über Schwierigkeit gesagt. Wir wissen alle, dass ein Super Mario ggf. ganz schön anspruchsvoll werden konnte, auch mir "nur" 3 Tasten.
Und deswegen haben wir auch mittlerweile jedesmal diese elend langen Tutorials, bei denen einem die grundlegensten Dinge beigebracht werden. Bei Super Mario Bros musste man nur mal das Gamepad in die Hand nehmen und nach 30 Sekunden war jedem klar, wie das Spiel abläuft - seine beiden Daumen jedoch unabhängig voneinander (und vorallem nicht schrittweise 1 oder 0) zu bewegen um sich durch eine 3D Umgebung zu bewegen ist da erheblich komplizierter.
Hinzu kommt heutzutage auch noch eine Pseudo-Komplexität, die den Spielen nicht unbedingt gut tut. Beispiel Watch Dogs: Ich kann Ampeln umschalten, Handys hacken, Brücken manipulieren, Stromkästen sprengen, Poller ausfahren.... in der Theorie spannend, in der Praxis ist alles immer der selbe kontextabhängige Tastendruck. Rein mechanisch ist das alles gleich anspruchslos und willkürlich, aber trotzdem versucht das Spiel einem dies alles erst mal beizubringen. Was viele moderne Titel machen fühlt sich aber eher so an, als versuchte man Komplexität zu simulieren. Gerade die typischen Open World Titel hat man mittlerweile als erfahrener Spieler so wahnsinnig schnell durchschaut, dass es natürlich wirkt, als wären sie leicht.
Ein anderes Beispiel: Fallout 4 und das Crafting. Wirkt auf den ersten Blick alles super umfangreich, super kompliziert und extrem kleinteilig. Spielt man aber mal ein paar Stunden stellt man fest, dass es darauf hinausläuft, dass man einen Müllsammel-Simulator spielt und einfach wahllos alles einpackt. Das Gefühl, als Plünderer durchs Ödland zu ziehen, auf der Suche nach Schätzen, stellt sich niemals ein. Auch hier schlägt Pseudo-Komplexität in Langeweile um, weil ich niemals interessante Entscheidungen treffe. Besonders schlimm: Basenbau. Ist im Spiel, wird einem elend lange beigebracht und hat überhaupt keine Auswirkungen. Kann man komplett ignorieren.
Ähnliches gilt für das Charaktersystem bei Fallout 4, bei dem ich nicht das Gefühl habe, es gäbe spürbare Auswirkungen. Klar, es gibt so Dinge wie "Höherstufe Terminals hacken". Aber das fühlt sich eher an wie das aus dem Weg räumen einer künslichen Hürde und nicht wie ein Fortschritt - zukünftig kann ich einfach alles hacken, aber auch an dem Minispiel ändert sich nichts. Hier wird es durch das Skillsystem also ebenfalls lediglich beliebiger, weil ich zukünftig nicht mehr darauf achten muss, ob das Terminal geeignet ist zum hacken. Von diesen +20% Schaden Skills mal ganz zu schweigen. Ist das eine Frage, ob ich 20% mehr Schaden will? Wie soll ich mich dagegen entscheiden?
Und bei all diesen Systemen, die moderne Spiele mittlerweile vereinen, ist es ja völlig klar, dass man dem (unerfahrenen) Spieler erstmal zeigen muss, was alles geht. Und hier wieder das Gegenbeispiel Super Mario World: Einlegen, anschalten, losrennen und nach ein paar Minuten hat man es verstanden. Mittlerweile bin ich echt froh, dass es (wieder) solche Spiele gibt. Ich bin teilweise regelrecht abgeschreckt von den Tutorials, so dass ich Spiele gar nicht (wieder) spielen möchte bei dem Gedanken, durch Intro und Tutorial zu spielen. Auch hier wieder: Fallout 4. Bis man mal mit der Erforschung des Ödlands loslegen kann vergeht eine lockere Stunde Langeweile und selbst dann, mit nur einer Quest im Logbuch, verhält sich das Spiel noch äußerst linear. Teilweise gehe ich dazu über, wenn ich mit dem Gedanken spiele ein Spiel erneut zu spielen, dass ich solche Spielanfänge gezielt durchbeisse, mich dabei füchterlich langweile, damit ich dann irgendwann in ein paar Tagen "tatsächlich" spielen kann. Das ist wie Arbeit, die erledigt werden muss.
Das heißt nicht, dass ich mir nicht Komplexität wünschen würde. Aber damit meine ich echte Komplexität, wohldurchdachte, ineinandergreifende Spielsysteme, bei denen ich interessante Entscheidungen fällen kann, die sich spürbar auswirken. Bei Fallout 4 kann ich an jeder Waffe rumbasteln und ein Duzend verschiedener Mods an jeder Waffe anbringen, aber ich hab nie das Gefühl, dass ich damit wirklich spürbaren Einfluss auf den Spielablauf habe. Wäre Fallout 4 ohne Waffenmods ein schlechteres Spiel? Zweifelhaft.
Und auch hier wieder die Frage: Ist Fallout 4 schwerer als Super Mario, nur weil es komplexer ist? Ebenfalls zweifelhaft. Zumal man in Fallout 4 als Spieler sehr wenig Einfluss hat auf den Spielablauf, aber darauf komme ich später noch.
Wenn man heutzutage über Schwierigkeit redet, dann fällt der Name Dark Souls natürlich unweigerlich. Und hier stelle ich zwei Dinge fest: Zum einen ist das Spiel im Vergleich zu anderen 3D-Action-Titeln gar nicht so wahnsinnig komplex. Es gibt keine Combos, keine Skillbäume, keine Klassen, keine kontextabhängigen Aktionen, keine überkomplizierten Bewegungsmanöver. Was man tut ist im wesentlichen angreifen, blocken, ausweichen. Man führt auch (kaum) Gespräche, trifft keine (Pseudo-)Entscheidungen, löst keine Rätsel, muss keine Geschicklichkeits- oder Sprungpassagen meistern, hat keine Fahrzeuge oder vieles mehr, was heutzutage Usus ist. Im Herzen ist Dark Souls einem Super Mario erheblich näher als einem Watch Dogs oder Fallout 4, in dem es seine Spielmechanik auf den absoluten Kern reduziert. Trotzdem gilt Dark Souls als schwer und komplex, Watch Dogs aber als Casualspiel. Also auch hier ein Beispiel dafür, das Schwierigkeit und (Pseudo-)Komplexität nicht das selbe sind.
Und zum anderen ist das Schöne an Dark Souls, auf welche Art der Schwierigkeitsgrad implementiert ist. Was man nämlich bei Dark Souls (und bei Super Mario) macht ist, dass man dem Spieler die Kontrolle gibt. Du kannst, wenn du gut bist, bei Dark Souls gegen jeden Gegner beliebig lange spielen, ohne, dass du Schaden erhälst. Bei Fallout geht das nicht. Bei Fallout wirst du zwangsläufig getroffen. Vergleicht man mal den anderen großen TItel aus dem Hause Bethesda, dann merkt man es noch mehr: Du kannst es bei Skyrim nicht verhindern, Schaden zu erhalten. Egal wie gut du bist. Obwohl sowohl Skyrim und Dark Souls ein Blocksystem besitzen, kannst du bei Skyrim nicht dauerhaft Schaden verhindern. Wenn du also nicht gerade gegen einen Gegner spielst, der dir erheblich unterlegen ist (so, dass du ihn aus dem Stealth oder aus der Distanz töten kannst), wirst du Schaden bekommen.
Und jetzt kommt der entscheidende Teil: Der hohe Schwierigkeitsgrad aus Dark Souls (und Mario) ergibt sich daraus, dass du konzentriert sein musst. Dass du scheiterst, weil du Fehler machst. Gleichzeitig kannst du aber jeden Gegner besiegen bzw. jede Hürde meistern, ohne getroffen zu werden. Das meistern dieser Hürden dauert auch nicht lange, so dass der Spielfluss zerstört würde. Jeder gewöhnliche Gegner in Dark Souls ist in 2 - 3 Hieben zu besiegen. Wenn du jedoch in Skyrim den Schwierigkeitsgrad hochstellst, dann erhöhst du lediglich den (unkontrollierbaren) Schaden und die HP der Gegner. Jetzt dauert jeder Kampf länger. Die Schwierigkeit ergibt sich an dieser Stelle also nicht direkt aus dem Spielsystemen, sondern daraus, dass lediglich die Balance verändert wird. Während du bei Dark Souls scheiterst, weil du nicht gut genug bist, scheiterst du bei Skyrim, weil du nicht genügend Heiltränke dabei hast. Um in Dark Souls zu bestehen musst du besser werden, um in Skyrim zu bestehen musst du fleißiger Heiltränke sammeln.
Gleichzeitig, so empfinde ich das, ist Dark Souls in erheblichem Maße befriedigender als Skyrim. Weil ich in Dark Souls das Gefühl habe, tatsächlich etwas geleitet zu haben. Skyrim auf hohen Schwierigkeitsgraden jedoch frustriert mich höchstens damit, dass ein Draugr Deathguard mich aus 20m Entfernung mit einem Blitz oneshottet, während ich im Stealth bin. Oder dass ich mich an diesen Gegner heranschleiche und aus dem Stealth zuschlage und er lediglich 5% seiner Lebensenergie verliert - und dann kommt der Oneshot mit dem Blitz. Skyrims hoher Schwierigkeitsgrad ist frustrierend, weil ich das Gefühl habe, nicht die Kontrolle zu haben. Weil ich nicht an mir, sondern am Spiel scheitere. Dark Souls hoher Schwierigkeitsgrad ist motivierend, weil ich lernen und besser werden kann. Weil es an mir liegt, wenn ich sterbe.
Als besonders negativ habe ich hier den Albtraummodus von Dying Light im Kopf: Wenn man auf diesem Schwierigkeitsgrad beginnt, dann steckt jeder Zombie 15 - 20 Treffer ein, nach jedem Zombie ist meine Waffe kaputt, gleichzeitig vertrage ich kaum Schaden, kann mich so gut wie nicht heilen. Gleichzeitig ist Schaden in "fairen" Auseinandersetzungen quasi nicht zu vermeiden. Es zerstört den kompletten Spielfluss. Will man kämpfen, dann tut man das am besten, indem man die KI der Gegner ausnutzt und im Kreis rückwärts läuft. Dying Light ist in meinen Augen das Paradebeispiel, noch vor Skyrim, wie man man einen hohen Schwierigkeitsgrad nicht umsetzen sollte. Und wie schmal der Pfad zwischen "Schwer" und "Frustrierend" ist. Und wie schwer es auch ist, ein tatsächlich herausforderndes Spiel zu schaffen und nicht nur eines, was mit seiner Unfairness den Spielfluss zerstört.
Und noch eine Erkenntnis: Als Gegenprogramm zu Dark Souls spiele ich gerade Wind Waker. Und das ist echt kein schweres Spiel. Die Lösungen der Rätsel sind offensichtlich, die Kämpfe keine Herausforderung. Trotzdem ist das Spiel unfassbar erfrischend und macht auf beinahe schon unschuldige Art und Weise Spaß. Ich habe es damals nicht gespielt, sondern spiele es jetzt zum ersten Mal und auch ohne Nostalgie ist das echt ein hervorragender Titel. Schwierigkeit bedingt also auch nicht unbedingt Spielspaß. Ich glaube, was an Wind Waker Spaß macht ist, dass einen das Spiel spielen lässt. Das man (nach einem ellenlangen, sehr auf Kinder abzielenden Tutorial) tatsächlich frei Spielen kann. Ohne ständige Unterbrechungen, ohne Zwischensequenzen, ohne überkomplexe, kontextabhängige Bewegungsmanöver usw. Und das man trotzdem immer neue Dinge sieht und lernt und herausfindet. Man hat diese ständigen kleinen Aha-Momente, die sich aus der sich ständig erweiternden Werkzeugpalette ergeben.
TL; DR:
Ein Spiel muss nicht komplex sein, um Spaß zu machen. Reduktion auf das wesentliche tut Spielen gut. Super Mario, Dark Souls oder WInd Waker sind gute Spiele, weil sie eine reduzierte, aber ausgefeilte Mechanik haben und dem Spieler die Kontrolle über das Spiel lassen. Und weil sie den Spieler selber spielen, scheitern und lernen lassen, ohne ihnen das Gefühl zu geben, das Spiel wäre schuld. Und nur wenn man scheitern und lernen kann, ist ein hoher Schwierigkeitsgrad motivierend. Gleichzeitig ist es sehr leicht, ein Spiel zu versauen, indem man es mit zu vielen Systemen vollstopft, die dem Erlebnis aber nichts hinzufügen und es nur schwer zu erlernen machen. Und deshalb würde ich sagen: Ja, spiele sollten leichter zu erlernen sein. Es sollte bereits nach kürzester Zeit klar sein, wie sich ein Spiel steuert. Es sollte dem Spieler die Kontrolle überlassen. Und dann aufbauend auf dieser sehr reduzierte, überschaubaren aber wohldefinierten und wohldurchdachten Basis für stetige Herausforderungen sorgen, indem sich die Systeme natürlich erweitern. Mario macht das mit immer komplexeren Sprungpassagen, Zelda macht das durch die stetige Erweiterung von Werkzeugen, Dark Souls tut dies durch immer herausforderndere Begegnungen. Watch Dogs und Fallout 4 hingegen müssen dich am Anfang ewig an die Hand nehmen und erschlagen dich mit ihrer oberflächlichen Komplexität, die das Spiel jedoch nur aufblasen, nicht jedoch befriedigender machen.