Runde #159: So ein Zufall!

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Numfuddle
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von Numfuddle »

Der Fokus auf die Spielmechanik und der philosophische Ansatz der dem ganzen zu Grunde liegt.

Die Theorie von der Spielmechanik her aufzubauen ist für mich der völlig falsche Ansatz, weil es einerseits die Charakteristika des Mediums ausblendet (das wir auf dem Computer/der Konsole spielen bedeutet etwas anderes als wenn wir Brettspiele betrachten z.B.) und andererseits den Spieler aus dem Fokus verliert.

In den auch von dir verlinkten Beiträgen geht die Argumentation tendenziell in Richtung von Maßnahmen die die Reinheit des Core Games schützen sollen, vorgeblich aus dem Grund dass sie der Spieler so leichter durchdringen kann.

Das ist allerdings kein holistischer Ansatz, weil er das Ganzheitliche aus dem Fokus nimmt um die Spielmechanik gegenüber anderen Themen stärker zu gewichten und sie gegenüber anderen Elementen zu privilegieren.

Zusätzlich geht es in den verlinkten Berichten dann auch häufig um Dinge die man besser nicht tun sollte um die Kernmechaniken nicht zu verwässern, z.b. beim AI Design oder der Frage ob und wie man Zufall als Spielelement verwendet.

Die Argumentation geht dabei nur auf den Spieler ein wenn es darum geht, dass er das Spiel leichter durchdringt unter der Annahme, das ein leichter zu durchdringendes Spiel auch mehr Spaß macht.

Die Spielmechanik selbst wird da zum eigentlichen Wert erklärt dem sich andere Dinge dann naturgemäß unterordnen müssen und die gegen Einflüsse von außen „verteidigt“ werden muss. Notfalls auch gegen den Spieler. Damit die „Reinheit“ des Spiels erhalten bleibt ohne die der Spieler mein Soiel ja nicht mehr versteht.

Ich finde, dass da das Pferd vom falschen Ende her aufgezäumt wird.
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Nachtfischer
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von Nachtfischer »

Numfuddle hat geschrieben: 23. Apr 2018, 15:53Die Theorie von der Spielmechanik her aufzubauen ist für mich der völlig falsche Ansatz
Das macht es aber nicht zu einem grundsätzlich falschen Ansatz. Sie tun ja gar nicht so, als wollten sie "Prinzipien für ein besseres Uncharted oder Witcher" entwickeln. Ihnen geht es um eine kleine Nische der mechanisch fordernden und eleganten Strategiespiele. Willst du Gedanken zu Walking Simulatoren, gehst du eben zu Thomas Gripp. Und so weiter.
weil es einerseits die Charakteristika des Mediums ausblendet
Sie blenden Charakteristika bestimmter Strömungen des Mediums aus. Und das ist auch gut so. Eine allumfassende "one-size-fits-all"-Theorie bringt uns nicht weit. Es ist genau richtig, dass jeder Design-Ansatz seine eigenen Thesen aufstellt und testet.
andererseits den Spieler aus dem Fokus verliert
Das musst du mir erklären. Ich sehe da eigentlich überall den Spieler. Wie viel der Spieler wissen sollte; wie man es dem Spieler möglich macht, das Spiel (zunächst auf Regelebene sowie später auf strategischer Ebene) zu erlernen; wie sehr der Spieler gefordert werden soll; wie sehr der Spieler im Voraus kalkulieren können sollte; wie dem Spieler welche Information wann zugeführt wird und so weiter.
Das ist allerdings kein holistischer Ansatz, weil er das Ganzheitliche aus dem Fokus nimmt um die Spielmechanik gegenüber anderen Themen stärker zu gewichten und sie gegenüber anderen Elementen zu privilegieren.
Der Ansatz ist holistisch, was das System betrifft. Es geht da eben um nichts anderes als "Systems Design". Kein Grafik-, Sound- oder World-Design. Und der Anspruch oder irgendwelche Forderungen nach Unterwerfung anderer Disziplinen wurde auch nie geäußert.
gegen Einflüsse von außen „verteidigt“
Was sind denn die Einflüsse "von außen"? Für mich gehören die diskutierten Fragen allesamt sehr wohl mit ins Systems Design.
Ich finde, dass da das Pferd vom falschen Ende her aufgezäumt wird.
Vielleicht willst du einfach sagen, dass dich persönlich Spiele mit einem ganz klaren Fokus auf Spielmechanik nicht sonderlich interessieren? Und dass dir deshalb auch nicht so wichtig ist, was Designer in dem Bereich so von sich geben? Das ist okay. Aber deshalb musst du das nicht als "grundsätzlich falsch" darstellen und auch nicht versuchen, es mit dem stetigen Verweis auf den Reinheitsbegriff in irgendwelche ethisch fragwürdigen Ecken zu drängen.
dadadave
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von dadadave »

Nachtfischer hat geschrieben: 22. Apr 2018, 16:21 Auf das Risikomanagement-Argument geht Burgun ja im Artikel auch ein:
“If there’s randomness, then it’s all about risk management.”

A favorite [counter argument] of poker players. The idea behind this argument is that having random elements adds a “factoring in your odds” element to the game. You have to weigh the odds of outcome A happening against the odds of outcome B against the benefit of outcome A and the benefit of outcome B, and that makes games more interesting. Essentially, it’s combining odds and valuation.

This kind of risk management is not unique to random games. In any game that you haven’t solved, really every move you make is to some degree a risk that you must manage. In chess, there could be two major strategies – strategy A and strategy B. You might figure that A is more likely to work than B, but B has a bigger payoff than A, for instance. Randomness isn’t necessary.

As to the “calculating odds” aspect of this, determining odds is never interesting, especially not when you’re talking about something like counting cards in poker. Calculating odds in a deterministic system might be harder to do, but it would certainly be far more interesting due to all of the variables at play in a good, dynamic strategy game.
Der Ausgangspunkt für meinen Post war die Podcast-Episode, nicht Burguns Artikel, auch wenn Burgun mehrfach in der Episode angesprochen wurde. Ich argumentiere hier auch nicht für die Überlegenheit von Systemen mit einer Output-Randomness-Komponente. Hingegen argumentierte ich dagegen, dass diese Komponente im konkreten Fall XCOMs die taktischen Aspekte irgendwie abwerte oder etwas verschleiere. Zwei verschiedene paar Schuhe. Das Risikomanagement auch anders ins Spiel gebracht werden kann ändert daran nichts.

Aber zu den zitierten Ausführungen Burguns: die Output-Randomness ist ja m.E. nicht deshalb interessant, weil es so viel Spass macht, die Odds auszurechnen (50 Züge in einem Schachspiel vorauszudenken finde ich allerdings jetzt auch nicht wesentlich interessanter). Die Output-Randomness ist für mich stattdessen deshalb interessant, weil sie verhindert, dass man ab einem gewissen Punkt das Spiel einfach durchrechnen und lösen kann, für Überraschungsmomente und interessante Narrative sorgt (im Sinne der Story, die beim Spielen erlebt wird). Zudem ist Realismus wohl das falsche Wort dafür, aber Zufallselemente abstrahieren auf überschaubare Weise Systeme aus der Realität, auf die kaum ein Designer Bock hätte, sie zu simulieren, und die wenige Spieler wirklich als bereichernde Komplexität empfinden würden. Dass diese Unwägbarkeiten trotzdem in abstrahierter Form Eingang finden in die Spielsysteme schadet meiner Meinung einem Spiel keineswegs, wenn es richtig gemacht wird.
Darüber hinaus kannst du die Stochastik auch durch ausreichend weit vom aktuellen Spielzustand entfernten (Eingabe-)Zufall ins System bekommen. Und dadurch den Fokus klar auf Planung und Strategie lassen. Es braucht dazu keinen "In-Your-Face"-Ausgabezufall in Form von Trefferwahrscheinlichkeiten (der sich ja offensichtlich so mies anfühlt, dass er heimlich manipuliert werden muss).
Sicher, kann man, aber die Frage, die die entsprechende Passage im Podcast bei mir aufwarf war eine andere, nämlich: Sollte man es vermeiden, es anders zu machen? Der Ausgabezufall kann sich mies anfühlen, aber auch fantastisch. Dass das Spiel die Wahrscheinlichkeiten anders kommuniziert, um menschliche Unzulänglichkeiten zu kompensieren, das ist jedenfalls kein zwingendes Argument gegen den Ausgabezufall. Das ist, als würde man sagen, Jump und Run Mechaniken taugten nicht, weil sonst bräuchten Spiele nicht so "Manipulationen" vorzunehmen, wie z.B. Sprünge zuzulassen, auch wenn man ein paar Frames über die Platform hinausgeschossen ist und keinen Boden unter den Füssen hat. Die unterschiedlichen internen und kommunizierten Wahrscheinlichkeiten täuschen keine nicht-vorhandene Komplexität vor, weil es trotzdem Zufallsmomente sind, ob es nun vorgetäuschte 80% oder effektive 90%.

Was ganz anderes: coole Diskussionen hier im Thread, freue mich, dem Forum beigetreten zu sein! :)
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Nachtfischer
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von Nachtfischer »

dadadave hat geschrieben: 23. Apr 2018, 16:39Dass das Spiel die Wahrscheinlichkeiten anders kommuniziert, um menschliche Unzulänglichkeiten zu kompensieren, das ist jedenfalls kein zwingendes Argument gegen den Ausgabezufall.
Nicht die Kommunikation selbst, aber vielleicht die Gründe dafür. Warum fühlt es sich denn im Falle eines Misserfolgs so dermaßen mies an, dass man die Wahrscheinlichkeiten im Hintergrund nach oben korrigiert? Klar, auch weil wir nicht gerne verlieren. Aber ich denke auch, weil es so fundamental gegen das geht, was das (mechanische) Spielen als solches ausmacht, den Gameplay-Loop. Ausgabezufall sägt da heftig an einer Brücke (der Verlässlichkeit des Feedbacks), während Eingabezufall eher von außen neue Rahmenbedingungen vorgibt, innerhalb derer dann der Loop aber weiterhin funktioniert. Deshalb ärgert uns Ausgabezufall (unter anderem), wenn er schief geht. Denn dann haben wir nicht nur den Misserfolg, sondern das Spiel teilt uns auch sehr offen mit, dass wir als Spieler gerade ziemlich egal waren.

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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von dadadave »

Nachtfischer hat geschrieben: 23. Apr 2018, 16:57
dadadave hat geschrieben: 23. Apr 2018, 16:39Dass das Spiel die Wahrscheinlichkeiten anders kommuniziert, um menschliche Unzulänglichkeiten zu kompensieren, das ist jedenfalls kein zwingendes Argument gegen den Ausgabezufall.
Nicht die Kommunikation selbst, aber vielleicht die Gründe dafür. Warum fühlt es sich denn im Falle eines Misserfolgs so dermaßen mies an, dass man die Wahrscheinlichkeiten im Hintergrund nach oben korrigiert? Klar, auch weil wir nicht gerne verlieren. Aber ich denke auch, weil es so fundamental gegen das geht, was das (mechanische) Spielen als solches ausmacht, den Gameplay-Loop. Ausgabezufall sägt da heftig an einer Brücke (der Verlässlichkeit des Feedbacks), während Eingabezufall eher von außen neue Rahmenbedingungen vorgibt, innerhalb derer dann der Loop aber weiterhin funktioniert. Deshalb ärgert uns Ausgabezufall (unter anderem), wenn er schief geht. Denn dann haben wir nicht nur den Misserfolg, sondern das Spiel teilt uns auch sehr offen mit, dass wir als Spieler gerade ziemlich egal waren.

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Ich sehe diesen fundamentalen Widerspruch oder Gegensatz nicht. Vielleicht hat das was mit der Erwartungshaltung zu tun? Der Umstand, dass man in einer konkreten Situation die richtige Entscheidung getroffen hat und trotzdem nicht das gewünschte Ergebnis dabei herauskommt ist nur dann frustrierend, wenn ich erwarte, dass eine Handlung immer zu einem ganz konkreten Ergebnis führt. Wichtig ist dabei, dass der Zufall nicht spielentscheidend ist. Dass man als Spieler nicht über jeden einzelnen Ausgang eines Microereignisses die totale Kontrolle hat, das kann man mögen oder auch nicht, aber ich sehe es nicht als inhärent inferior, gerade bei einem Singleplayer-Spiel. Ich muss mal Burguns Texte lesen, vielleicht verwechsle ich da was, aber ich dachte viele seiner Punkte bezögen sich auf kompetitive Multiplayer-Spiele? In dem Bereich sehe ich Output-Randomness einiges kritischer.

Die Wahrscheinlichkeiten im Hintergrund werden deshalb nach oben korrigiert, weil ohne statistische Analyse der Spieler das Gefühl hat, dass es unglaubliches Pech (oder schlimmer noch, ein Betrug des Spiels ist) sei, wenn 2 80% Chancen hintereinander nicht eintreffen. Dabei ist das etwas, das nicht soooo unwahrscheinlich ist. Es geht bei dieser Manipulation einzig darum, Bauchgefühl und Mathematik in Einklang zu bringen. das könnte man auch anders erreichen, z.B. mittels punktueller Korrektur, was dann aber viel weniger "zufällig" wär, als konsequent einfach die Wahrscheinlichkeiten etwas verfälscht zu kommunizieren.
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mart.n
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von mart.n »

Für mich wird ein RNG generell nervig, wenn das Ergebnis entscheidende Auswirkungen auf das Spiel hat. Mal als Beispiel:
Spiel X (RPG), Spieler A 100 HP, Monster trifft Spieler für 30 HP, kritisch (RNG) für 60

Das ist für mich ok. Ärgerlich, aber man kann es ja noch reparieren. Was aber gar nicht geht, sind Fälle wie Fire Emblem im Iron Man Modus.
Spieler A 100 HP, Monster trifft Spieler für 70, kritisch (RNG) für 140. Und das auch, wenn alles erdenkliche beachtet! Also Evasion, Waffendreieck passt etc pp. Halt einfach nur Pech.

Das geht einfach nicht. Das ist scheiße. Das frustet mich so dermaßen, dass ich solche Spiele entweder über Save Games verarsche oder es ganz lasse. Ich verstehe auch nicht, warum das in letzter Zeit so oft zugenommen hat. Pech ist das eine. Aber entscheidendes Pech (oder von mir aus auch Glück) darf nicht die Regel sein. Das killt für mich jedes Spiel.

Ich habe den Podcast allerdings noch nicht gehört und hoffe, dass es darum geht. ;) Bringe hier gerade Kind ins Bett, was nicht schlafen will und mich an den Rande des Nervenzusammenbruchs bringt und musste mich gerade ablenken. *hust*
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Ricer
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von Ricer »

dadadave hat geschrieben: 23. Apr 2018, 19:17 Die Wahrscheinlichkeiten im Hintergrund werden deshalb nach oben korrigiert, weil ohne statistische Analyse der Spieler das Gefühl hat, dass es unglaubliches Pech (oder schlimmer noch, ein Betrug des Spiels ist) sei, wenn 2 80% Chancen hintereinander nicht eintreffen. Dabei ist das etwas, das nicht soooo unwahrscheinlich ist.
Sehe ich genauso. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 4 Prozent tritt genau das ein. Nie Plan B vergessen und in Mathe besser aufpassen :)
Numfuddle
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von Numfuddle »

Nachtfischer hat geschrieben: 23. Apr 2018, 16:25 Vielleicht willst du einfach sagen, dass dich persönlich Spiele mit einem ganz klaren Fokus auf Spielmechanik nicht sonderlich interessieren? Und dass dir deshalb auch nicht so wichtig ist, was Designer in dem Bereich so von sich geben? Das ist okay. Aber deshalb musst du das nicht als "grundsätzlich falsch" darstellen und auch nicht versuchen, es mit dem stetigen Verweis auf den Reinheitsbegriff in irgendwelche ethisch fragwürdigen Ecken zu drängen.
Wir können uns gerne über die Sache unterhalten dann musst du es aber auch aushalten können, dass nicht jeder deiner Meinung ist oder der Meinung Dritter die du als Argumentationshilfe hinzuziehst.

Das ist jetzt aber schon das zweite Mal in diesem Thread dass du die Debatte auf die persönliche Ebene ziehst und deinen Mit-Diskutanten unlautere Motive unterstellst. Ich sehe keine Veranlassung meine Motive gegenüber dir zu verteidigen.
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von Numfuddle »

Nachtfischer hat geschrieben: 23. Apr 2018, 16:25 Das ist okay. Aber deshalb musst du das nicht als "grundsätzlich falsch" darstellen und auch nicht versuchen, es mit dem stetigen Verweis auf den Reinheitsbegriff in irgendwelche ethisch fragwürdigen Ecken zu drängen.
Abschließend, weil du mich hier ja in eine "fragwürdige" Ecke drängst mit deiner Andeutung. "Reinheit" ist ein philosophisches Konzept das bis auf Plato zurückgeht und auch z.B. in den Schriften von Kant auftaucht, daran ist nichts "ethisch fragwürdig"
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Andre Peschke
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von Andre Peschke »

Numfuddle hat geschrieben: 23. Apr 2018, 22:15 Das ist jetzt aber schon das zweite Mal in diesem Thread dass du die Debatte auf die persönliche Ebene ziehst und deinen Mit-Diskutanten unlautere Motive unterstellst. Ich sehe keine Veranlassung meine Motive gegenüber dir zu verteidigen.
Ich bitte euch alle bei Bedarf nochmal die Forenregeln zu studieren und zu einem freundlichen Umgang zu finden. Danke.

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Phazonis
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von Phazonis »

Nachdem es hier auch wieder zu Verwechslungen kam möchte ich da einem meiner Vorredner mal nachdruck verleihen und Den Podcastern mal vorschlagen doch mal KI zu beleuchten und gerade mal den Unterschied zwischen der im Computerspiel landläufigen Auffassung von KI ist und echter KI wie eben Schach Computer, Alpha Go und sonstige ist. Nicht nur weil das Thema recht interessant ist, sondern weil es demnächst wohl auch von Bedeutung sein kann für uns Spieler da mal Klarheit zu schaffen, denn man versucht mittlerweile ja auch echte KI in Computerspiele einfließen zu lassen. Zuletzt hat man es ja mit einer KI probiert die 1v1 Dota 2 spielt (habe leider keine passende Quelle zur Hand).

Zum anderen kam hier das "cheaten" von der KI auf. Das ist ein durchaus gern genutzter Trick um sich Arbeit im Umgang mit der KI zu sparen. So kommt es, meist in Strategiespielen, dazu, dass man anstatt die KI nun neu zu schreiben und anzupassen, was viel Arbeit kostet, auf dem höheren Schwierigkeitsgrad die Ki einfach cheatet. Das heißt sie bekommt Mittel die dem Spieler nich zur Verfügung stehen. Meistens sammelt sie Ressourcen in einer dem Spieler unmöglichen schnellen Rate ein. Dies ist wie ich aber auch finde eher schelchtes Gamedesign, da diese KI nicht wirklich den Spieler taktisch herrausfordert, indem sie nun besser spielt bzw. reagiert, sondern schlicht die selbe Taktik verwendet und die selben Fehler hat, aber jetzt halt nur schneller ist.
RogueMike
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von RogueMike »

{TLDR: Zufallselemente erhöhen zwangsläufig die Komplexität + weitere Anmerkungen zu verschiedenen Themen, teilweise mit Schach- und Poker-Bezug. Am Ende zwei Vermutungen und ein entsprechender Themenvorschlag für ein neues Podcast-Format.}

Hallo zusammen!

Eigentlich wollte ich zu einem musikalischen Thema meinen ersten Beitrag hier im Forum verfassen, aber da ich nicht nur beruflich gerne mit Wahrscheinlichkeiten konfrontiert werde, kribbelt es mir zu sehr in den Fingern. :D

Diese Podcast-Ausgabe hat mir wirklich gut gefallen, denn Andre und Jochen sind auf ziemlich viele Aspekte eingegangen; sogar die Tatsache, dass es im Schach auch die Zufalls- bzw. Glückskomponente des menschlichen Verhaltens gibt. Ein besserer Spieler gewinnt nunmal nicht immer, sondern nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gegen einen eigentlich unterlegenen Kontrahenten, selbst wenn er mit konstanter Konzentration bzw. “Tagesform” agiert. So kann er in einer individuellen Partie das Pech haben, eine Zugfolge zu wählen, auf die der Gegner besonders gut vorbereitet ist, woraufhin dann die Partie durchaus kippen kann.

Meine weiteren Anmerkungen beziehen sich teilweise auf Themen, die bereits kontrovers diskutiert wurden. Dabei habe ich den Eindruck, dass es in der Bewertung der verschiedenen Ausprägungen von Zufallselemente im Spieledesign eher um graduelle Unterschiede geht, und nicht um ein “entweder oder”. Ich bin der Überzeugung, dass es eher eine Stil- bzw. Geschmacksfrage ist, ob bestimmte Zufallselemente eine Daseinsberechtigung (je nach Ausprägung) haben. Je nach Genre mag das für die Gesamtheit optimale Spieldesign anders ausfallen, aber die Population der Computerspieler halte ich für divers genug, um auch relativ starke Abweichungen von der “Norm” zu rechtfertigen, so wie im Brettspielbereich ein zufallsarmes Puerte Rico (wobei wir das oben erwähnte Verhaltens-Glück gerade in Mehrspieler-Spielen nicht vergessen dürfen) parallel zu zufallslastigeren Spielen wie Die Siedler von Catan oder Risiko existieren darf und zu Recht seine Fans gefunden hat.

Die Unterscheidung in Input- und Output-Zufall finde ich übrigens vergleichsweise irrelevant. Es scheint mir für das Spielerlebnis mehr darauf anzukommen, wann genau (und in welcher Ausprägung) das Zufallselement in Erscheinung tritt und ob Spielstände nachträglich manipuliert werden können. Ich mag es, wenn ein Spiel mich zum Improvisieren auffordert und bin dementsprechend Zufallselementen grundsätzlich eher zugeneigt. Darüber hinaus steckt in mir aber auch ein Optimierer und so kann ich in Banished nicht anders als jedes mal neu zu laden, wenn mal wieder ein Minenarbeiter einem herabgestürzten Felsen zum Opfer gefallen ist. Aber es gibt ja zum Glück Roguelikes, bei denen solche Schummeleien nicht möglich sind. :D (Das mehrmalige Erstellen von Karten zu Spielbeginn zwecks Optimierung der Ausgangsposition halte ich jedoch für nicht wirklich spielspaßmindernd.)

Stichwort Schummeln: Wenn ich erfahre (und nach einer gewissen Zeit merkt man es sicherlich), dass ein Spiel wie XCOM 2 Wahrscheinlichkeiten zu meinen Gunsten erhöht, fühle ich mich eher betrogen als begünstigt. Denn: Möglicherweise (oder sogar: wahrscheinlich) wäre es der bessere Spielzug gewesen, eine “nur” zu 80 % positive Auswirkung (bzw. ein 20%iges Scheitern) in Kauf zu nehmen, wenn die Wahrscheinlichkeit in Wirklichkeit deutlich höher ist. Im Nachhinein fühle ich mich dann vielleicht schlecht und hier fehlt mir dann die Transparenz; für mich persönlich muss das Regelwerk klar erkennbar sein und solche Wahrscheinlichkeiten gehören nunmal dazu. Und ja - es kann Spaß machen, diese zu berücksichtigen zu “müssen”, denn es erhöht die Komplexität (dazu gleich mehr) und sorgt für Abwechslung und Improvisation. Dennoch: Aus utilitaristischer Perspektive ist anzuerkennen, wenn sich solche “Begünstigungen” (z.B. 80% wird zu 95%) auf das Spielerleben aller (insgesamt betrachtet) positiv auswirken.

Input-/Output-Zufall kann darüber hinaus schwer unterscheidbar sein und gemeinsam auftreten (was die Forderung, starker Output-Zufall sei zu vermeiden, jedoch natürlich nicht per se widerlegt). Beispielsweise können wir in einem bestimmten Spielabschnitt eine neue (und grundsätzlich starke, sodass wir sie wählen sollten) Waffe erhalten, z.B. eine Lanze oder einen Bumerang. Wir nehmen an: Beide haben den gleichen Erwartungswert, d.h. die Gesamtheit der Spieler wird, ausgehend von derselben Ausgangslage, die weiteren Spielabschnitte gleichermaßen erfolgreich absolvieren, unabhängig von der Waffe. Offensichtlich haben diese Waffen jedoch andere spielmechanische Auswirkungen (neuer Input-Zufall?) und es kann sein, dass ein bestimmter Spieler mit dem Bumerang deutlich schlechter umgehen kann als mit der Lanze und möglicherweise selbst dann, wenn durch einen überlagerten Output-Zufall die Waffe rein numerisch etwas aufgewertet wurde, einen Nachteil erleidet. (Vielleicht habe ich das Input-/Output-Konzept jedoch nicht richtig verstanden.)

Kommen wir nun zum Thema Zufall und Komplexität: Zufallselemente erhöhen grundätzlich die Komplexität von Spielen! Jedenfalls würde ich gerne eine plausible Definition von Komplexität hören, nach der dies nicht der Fall wäre. Ich würde jedenfalls davon ausgehen, dass Komplexität einhergeht mit der Schwierigkeit, bei maximaler Kenntnis der Spielmechanik (was unfassbar viel verlangt sein kann) die optimale Strategie zu finden, was in etwa der Anzahl (evtl. abzüglich sehr ähnlicher Zustände) der möglichen Spielzustände bzw. Spielverläufe entspricht. Stellen wir uns z.B. ein modifiziertes Schachspiel vor: Jedes Mal, wenn wir einen Zug machen wollen, wird (quasi als “Probe”) gewürfelt: Bei einer 3, 5, 5 oder 6 dürfen wir den Spielzug ausführen, bei einer 1 oder 2 müssen wir jedoch einen anderen wählen (der dann zu 100% realisiert wird). Wird das Spiel dadurch weniger oder mehr komplex? Die Komplexität steigt offensichtlich gewaltig, denn statt lediglich unserem “Primärzug” müssen wir auf einmal auch alternativen Zügen erhebliche Beachtung schenken – nicht nur bei uns, sondern auch bzgl. der gegnerischen Züge! Man könnte die Komplexität noch weiter erhöhen, indem man z.B. unterschiedlichen Figuren unterschiedliche Erfolgswahrscheinlichkeiten bei der Probe zuweist. Möglicherweise werden Schachexperten jetzt sagen, dass dieses Gedankenexperiment Schach “kaputtmachen” würde, aber man sieht hoffentlich, worauf ich hinaus will. Es ist auch kein Wunder, dass es im Vergleich zu Schach deutlich länger gedauert hat, bis bei der Pokervariante No Limit Texas Hold’em (bei hinreichend großen Stacksizes) Computer-KIs entwickelt wurden, die menschlichen Spielern überlegen sind. Durch die vielen Kartenkombinationen und die Vielzahl an möglichen Setzgrößen hat man eine schiere Explosion der Pfade an Spielverläufen!

(Übrigens: Jochen hat Recht, dass für den ambitionierten Pokerspieler sich in manchen Situationen, insbesondere am River und mit Abstrichen auf dem Turn, der optimale Spielzug näherungsweise im Kopf berechnen lässt. Neuerdings, durch entsprechende selbstlernende Algorithmen vorangetrieben, hat es sich jedoch in die Richtung entwickelt, dass man - ähnlich wie bei den Eröffnungen beim Schach – frühe, näherungsweise optimale Spielzüge prinzipiell auswendig lernen könnte. Witzigerweise kann es dann Empfehlungen geben wie “tue mit Hand X zu 60 % dieses und zu 40% jenes”, was die Glückskomponente nicht gerade mindern dürfte. ;) )

Ich halte es jedoch für menschlich nachvollziehbar, dass man glücksbehaftete Spiele nicht als besonders komplex empfindet. Es kommt vermutlich daher, dass es der Intuition bzw. dem Sprachempfinden widerspricht, einem Spiel, bei dem ein Spieler durch Glück gegen einen deutlich besseren Kontrahenten gewinnen kann, ohne auf besonders komplexe Gedankengänge im Kopf zwingend angewiesen zu sein, eine hohe Komplexität zuzuschreiben. Was man dann jedoch mit “komplex” meint, ist eher der Wortbedeutung “fair” entsprechend – oder aber, falls man “fair” als irreführend empfindet (denn bei einem reinen Glücksspiel wären die Chancen ja quasi “fair” verteilt) sowas wie “skillastig” oder “streng” (Fehler werden eher bestraft). Poker ist deutlich glückslastiger als Schach, jedoch (je nach Variante) nicht minder komplex, evtl. ganz im Gegenteil. Ein Spiel kann gleichermaßen glückslastig wie komplex sein. (Selbstverständlich nimmt die Glückslastigkeit mit zunehmender Samplesize ab.)

Eine Glückskomponente macht natürlich nicht zwangsläufig ein gutes Spiel. Eine meiner ermüdensten Spielerfahrungen war wohl, als man in “Zelda – Ocarina of Time” mehrere (jeweils mit einer 50%igen Wahrscheinlichkeit behafteten) Schatzkisten hintereinander erfolgreich auswählen musste, um ein Herzteil zu ergattern. Gepaart mit den sich in die Länge ziehenden Schatzkistenöffnungsanimationen war dieses Trial-and-Error-Minispielchen eine Qual. Überhaupt empfinde ich die 2D-Zeldas quasi durch die Bank als bessere Spiele, die meine Zeit mehr zu schätzen wissen, aber das ist ein anderes Thema.

Im Hinblick auf das Thema “Zufall im Alltag” möchte ich ein wenig widersprechen, denn ich halte das Realismus-Argument (mit Abstrichen) durchaus für plausibel. Es stimmt schon: Vieles, was man in Rollenspielen als Probe ausführen würde und dann im Alltag misslingt, würde man eher auf mangelnden Skill bzw. schlechte Konzentration schieben, aber es gibt nunmal viele Dinge im Leben, bei denen der Zufall eine große Rolle spielt. Bzgl. des Fußball-Beispieles: Ja, wenn man eine 100%ige (die ironischerweise grundsätzlich zu 0% im Tor landet :lol:) versiebt, redet kaum jemand von Pech, aber wie sieht es mit einem aus einer durchschnittlichen Chance resultierenden Pfostentreffer aus? Und jeder, der schonmal Tennis gespielt hat, weiß, wie tückisch Netzroller sein können. Nungut, Fußball und Tennis sind in sich abgeschlossene Spiele, aber man kann bei vielen Dingen im Leben, die in Spielen abgebildet werden, Zufallselemente finden. Nicht jeder mag alle Zufallselemente auch als solche empfinden, aber de facto is vieles im Leben auf (Quasi-)Zufall basierend, zumidnest teilweise.

Dann ist mir noch aufgefallen, dass zeitgleich zu den klassischen Computer- und Videospielen die Flipperspiele (“Pinball”) sich in den 80ern und frühen 90ern erheblich weiterentwickelt haben. Ähnlich wie viele Roguelikes stehen Flipperspiele für mich für “Spiele in Reinkultur” (, die - ähnlich wie andere Arcade-Spiele - zumindest verwandt mit Roguelikes sind), bei denen es sowohl auf taktisches wie auch sensorisches Geschick ankommt. Und an ihnen lässt sich illustrieren, wie schwierig die Abgrenzung von Können und Glück bzw. Zufall sein kann: Da gibt es zum einen (dies soll aber keine Kategorisierung sein) den reinen Zufall, wenn beispielsweise ein Bonus ausgelost wird (der nicht nur eine Punktzahl, sondern auch z.B. ein freigewordener Extraball sein kann). Auf der Gegenseite gibt es eine starke (und im Allgemeinen unterschätzte) Skillkomponente bzgl. des Treffens von Bahnen etc., zumindest über längere Zeiträume. Hier geht es natürlich schon los: Auch der größte Pinball Wizard trifft nicht immer, ebenso wie ein Stephen Curry in der NBA nicht jeden Freiwurf verwandelt, d.h. es gibt sehr knappe Schüsse und der Zufall entscheidet quasi darüber, ob getroffen wird oder nicht. Und wenn beim Pinball ein Ball in die Bumper gelangt und wild hin- und herspringt, dann lässt sich zwar theoretisch die Bahn vorausberechnen, in der Praxis (d.h. für den Spieler) gestaltet sich das ganze aber als ein Prozess mit starker Zufallskomponente.

Zum Schluss möchte ich noch zwei Vermutungen anstellen:

1. Leute, die Zufallselemente in Spielen vergleichsweise stark begrüßen, sind storylastigen Spielen vergleichsweise wenig zugeneigt.
2. Leute, die Zufallselemente in Spielen vergleichsweise stark begrüßen, sind dem Utilitarismus vergleichsweise stark zugeneigt.

Selbst, wenn sich beides als wahr herausstellen sollte, bleibt dann immer noch die Frage nach der Stärke und der Ursachen der jeweiligen Zusammenhänge. Daran anschließend würde ich gerne noch einen Vorschlag für ein neues Podcast-Format machen: “Wer sind wir?” (Arbeitstitel) Hier könnte es dann darum gehen, was uns Computerspieler auszeichnet (im Vergleich zur Gesamtbevölkerung), im Positiven wie Negativen (es geht aber eher nicht um “Wertungen”, sondern einfach alle möglichen Eigenschaften), wie sich die Population der Computerspieler im Laufe der Zeit entwickelt hat (weitere Vermutung meinerseits: Dieser Wandel hat starke Auswirkungen auf die Spielemusik von AAA-Titeln gehabt) und auch (vielleicht der interessanteste Teil), was Fans verschiedener Genres voneinander unterscheidet. Solche Fragestellungen wurden sicherlich in manchen Podcast-Episoden bereits angeschnitten, aber ich vermute, dass in diesem Themenkomplex sehr viel potenzielles Material steckt und das allgemeine Interesse könnte hoch sein.

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Michael / RogueMike
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DieTomate
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von DieTomate »

RogueMike hat geschrieben: 24. Apr 2018, 07:32Kommen wir nun zum Thema Zufall und Komplexität: Zufallselemente erhöhen grundätzlich die Komplexität von Spielen! Jedenfalls würde ich gerne eine plausible Definition von Komplexität hören, nach der dies nicht der Fall wäre. Ich würde jedenfalls davon ausgehen, dass Komplexität einhergeht mit der Schwierigkeit, bei maximaler Kenntnis der Spielmechanik (was unfassbar viel verlangt sein kann) die optimale Strategie zu finden, was in etwa der Anzahl (evtl. abzüglich sehr ähnlicher Zustände) der möglichen Spielzustände bzw. Spielverläufe entspricht. Stellen wir uns z.B. ein modifiziertes Schachspiel vor: Jedes Mal, wenn wir einen Zug machen wollen, wird (quasi als “Probe”) gewürfelt: Bei einer 3, 5, 5 oder 6 dürfen wir den Spielzug ausführen, bei einer 1 oder 2 müssen wir jedoch einen anderen wählen (der dann zu 100% realisiert wird). Wird das Spiel dadurch weniger oder mehr komplex? Die Komplexität steigt offensichtlich gewaltig, denn statt lediglich unserem “Primärzug” müssen wir auf einmal auch alternativen Zügen erhebliche Beachtung schenken – nicht nur bei uns, sondern auch bzgl. der gegnerischen Züge! Man könnte die Komplexität noch weiter erhöhen, indem man z.B. unterschiedlichen Figuren unterschiedliche Erfolgswahrscheinlichkeiten bei der Probe zuweist. Möglicherweise werden Schachexperten jetzt sagen, dass dieses Gedankenexperiment Schach “kaputtmachen” würde, aber man sieht hoffentlich, worauf ich hinaus will.
Eine solche Regel würde wahrscheinlich zu billigen Verzweiflungszügen führen. Stell dir vor du hast dir bereits einen positionellen Vorteil im Spiel verschafft. Dein Gegner könnte dann z.B. versuchen, mit der Dame eine deiner gedeckten Leichtfiguren zu schlagen, und darauf zu pokern, dass die Würfel dir verbieten werden, wiederum die Dame zu schlagen. Warum sollte man dann überhaupt noch versuchen, sich positionelle Vorteile zu verschaffen? Die Motivationen verschieben sich einfach. Man könnte jetzt sagen, dass man dann eben aufpassen und sich immer eine zweite Option offen halten muss. Inwiefern das überhaupt möglich wäre, und welche Folgen das hätte, kann ich auch nicht beurteilen.

RogueMike hat geschrieben: 24. Apr 2018, 07:32Eine Glückskomponente macht natürlich nicht zwangsläufig ein gutes Spiel. Eine meiner ermüdensten Spielerfahrungen war wohl, als man in “Zelda – Ocarina of Time” mehrere (jeweils mit einer 50%igen Wahrscheinlichkeit behafteten) Schatzkisten hintereinander erfolgreich auswählen musste, um ein Herzteil zu ergattern. Gepaart mit den sich in die Länge ziehenden Schatzkistenöffnungsanimationen war dieses Trial-and-Error-Minispielchen eine Qual. Überhaupt empfinde ich die 2D-Zeldas quasi durch die Bank als bessere Spiele, die meine Zeit mehr zu schätzen wissen, aber das ist ein anderes Thema.
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Sebastian Solidwork
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von Sebastian Solidwork »

Mir gefällt es ja prinzipiell, dass das Thema von Keith Artikel hiermit einem breiten Publikum zugänglich gemacht wurde.
Allerdings zweifel ich daran wie gut es war das im Stammtischformat zu tun. Schon in der Folge scheint es einige Missverständnisse zum Thema zu geben und dies überträgt sich auch auf die Kommentare hier. So manche Anekdote sehe ich dem Thema nicht gerecht werdend.
Eine Folge mit einem Ansprechpartner der sich schon länger mit dem Thema auseinander gesetzt hat, Walkthrough (?), hätte dem vielleicht vorgebeugt.
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Nachtfischer
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von Nachtfischer »

RogueMike hat geschrieben: 24. Apr 2018, 07:32Die Unterscheidung in Input- und Output-Zufall finde ich übrigens vergleichsweise irrelevant. Es scheint mir für das Spielerlebnis mehr darauf anzukommen, wann genau (und in welcher Ausprägung) das Zufallselement in Erscheinung tritt
Aber genau um dieses "Wann" geht es ja wie gesagt bei der Input/Output-Unterscheidung.
Input-/Output-Zufall kann darüber hinaus schwer unterscheidbar sein
Durchaus. Im letzten Absatz des oben verlinkten Beitrags gehe ich kurz darauf ein. "Zu naher" Input-Zufall kann sich in der Praxis wie Output-Zufall auswirken. Es ist - wie so oft - eher ein Spektrum als ein binärer Switch (siehe dazu auch Burguns verlinktes Video).
Zufallselemente erhöhen grundätzlich die Komplexität von Spielen!
Kommt darauf an, worauf du die Komplexität beziehst.

Beispiel: Wir spielen ganz normal Schach, du schlägst meinen König, aber dann entscheidet trotzdem ein Münzwurf, wer gewinnt.
  • Die Regeln sind komplexer als Schach, denn es ist das gesamte Schach-Regelwerk + eine Regel zum Münzwurf.
  • Strategisch ist das Spiel aber sehr viel weniger komplex als Schach, denn es gibt gar keine gute Strategie. Alle Überlegungen sind letztlich vollkommen irrelevant.
(Übrigens könnte man auch argumentieren, dass - da Zufall per Definition nicht berechenbar ist - schon der Münzwurf für sich alleine komplexer ist als Schach. Wieder eine andere Perspektive auf Komplexität.)

-----

Ansonsten: Schön, wie die En-Detail-Folge zu FIFA gleich zwei praktische Beispiele für die hier diskutierten Thesen liefert! :)
  • Output-Zufall nach dem Abgeben eines Schusses begrenzt die Möglichkeit, gutes Schießen zu erlernen.
  • André lernte beim Spielen gegen die KI teilweise nicht primär "gut FIFA zu spielen", sondern die Eigenheiten dieser KI auszunutzen (Stichwort: kurze Abschläge). Und das führt uns ja wieder genau zu den Argumenten von Lowey und Burgun.
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Maulwuerfel
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von Maulwuerfel »

Nachtfischer hat geschrieben: 24. Apr 2018, 10:30 da Zufall per Definition nicht berechenbar ist
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von Nachtfischer »

Maulwuerfel hat geschrieben: 24. Apr 2018, 10:39
Nachtfischer hat geschrieben: 24. Apr 2018, 10:30 da Zufall per Definition nicht berechenbar ist
Man do I got news for you!
https://de.wikipedia.org/wiki/Stochastik
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Singh
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von Singh »

Nachtfischer hat geschrieben: 24. Apr 2018, 10:30
Zufallselemente erhöhen grundätzlich die Komplexität von Spielen!
Kommt darauf an, worauf du die Komplexität beziehst.

Beispiel: Wir spielen ganz normal Schach, du schlägst meinen König, aber dann entscheidet trotzdem ein Münzwurf, wer gewinnt.
  • Die Regeln sind komplexer als Schach, denn es ist das gesamte Schach-Regelwerk + eine Regel zum Münzwurf.
  • Strategisch ist das Spiel aber sehr viel weniger komplex als Schach, denn es gibt gar keine gute Strategie. Alle Überlegungen sind letztlich vollkommen irrelevant.
(Übrigens könnte man auch argumentieren, dass - da Zufall per Definition nicht berechenbar ist - schon der Münzwurf für sich alleine komplexer ist als Schach. Wieder eine andere Perspektive auf Komplexität.)
Dem kann ich auch in diesem Beispiel nicht folgen. Natürlich ist es strategisch komplexer, wenn ich das Scheitern des Münzwurfs mit einplanen muss.

Wie bringe ich mich in eine Position, dass ich direkt im Anschluss den Gegner wieder ins Schach bringe, wenn der erste Versuch scheitert? Warte ich vielleicht bis ich den Gegner in mehrere aufeinanderfolgende Schach-Situationen bringen kann oder versuche ich mein Glück mit einen Rush, bei den ich im Anschluss ins Hintertreffen gerate? Wie antizipiere ich die weiteren Züge des Gegners, falls mein Münzwurf scheitert?

Ich kann jetzt nicht erkennen, wie es dadurch strategisch weniger komplex geworden ist.:think:
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Nachtfischer
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von Nachtfischer »

@Singh: Du hast mein Beispiel falsch gelesen beziehungsweise überinterpretiert. Sprich: Die Regeln, die du im Kopf hast, sind zu interessant. ^^

Ich schrieb, dass der Münzwurf entscheidet, wer (das Spiel) "gewinnt". Somit ist stets völlig egal, wie das Schachspiel davor ausging.

Klar ist das ein sehr konstruiertes Beispiel. Aber es soll eben zeigen, dass die Einführung von Zufall ein Spiel strategisch weniger komplex machen kann, auch wenn die Regeln dadurch komplexer werden. Beziehungsweise konkreter, dass bestimmte Zufallsmechanismen Teile des strategischen Raums, den ein Spiel aufspannt, für irrelevant erklären können. Und im Kleinen passiert das durchaus auch immer wieder in der Praxis.
akill0816
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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Beitrag von akill0816 »

Nachtfischer hat geschrieben: 24. Apr 2018, 10:30 Ansonsten: Schön, wie die En-Detail-Folge zu FIFA gleich zwei praktische Beispiele für die hier diskutierten Thesen liefert! :)
  • Output-Zufall nach dem Abgeben eines Schusses begrenzt die Möglichkeit, gutes Schießen zu erlernen.
  • André lernte beim Spielen gegen die KI teilweise nicht primär "gut FIFA zu spielen", sondern die Eigenheiten dieser KI auszunutzen (Stichwort: kurze Abschläge). Und das führt uns ja wieder genau zu den Argumenten von Lowey und Burgun.
Sportsimulationen sind aber ein spezieller Fall, indem meiner Meinung nach Zufall absolut notwendig ist, weil das Ideal des Spiel ist, ein in der Realität existierendes Spiel möglichst originalgetreu zu simulieren ohne dabei ein Steuerungsmodell zur Verfügung zu haben, dass auch nur im Ansatz die Möglichkeiten eines menschlichen Körpers besitzt. Der Begungsablauf beim Schuss ist in der Realität bestimmt von Körperkraft und Bewegungskoordination. Beides ist am Gamepad kaum simulierbar. Ohne ein Zufallselement werden die Spiele unglaublich schematisch, weil das Timing beim Drücken eines Knopfes zu simpel ist und nach einigem Üben eine Situation entsteht, die dazu führt, dass der Spieler aus einer bestimmten Position immer triftt während das im zu simulierenden Sport eben nicht so ist, weil der Bewegungsablauf hinreichend komplex ist um eine Reproduziebarkeit zu verhindern. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass im reallen Sport auch ein gewisses Maß an Zufall dadurch entsteht, dass es für den Stürmer kaum möglich ist, das Verhalten des Torhüter zu prognostizieren. Bei einer 1-auf-1 Situation im Fussball spekulieren Torhüter und Stürmer und durch das jeweilige Verhalten entsteht ein Zufallselement während in Simulationsspielen leider zu oft erkennbar wird, welchen Routinen die KI folgt.
Ich spiele Sportspiele seit 25 Jahren mehr oder weniger regelmäßig und die schlechtesten Versionen sind diejenigen, die den Zufall so stark minimieren, dass es Positionen gibt, aus denen ein Spieler immer trifft. Wenn das Spiel für den Spieler lesbarer wird als der zu simulierende Sport folgt daraus fast immer ein wenig spassiges weil zu leicht durchschaubares Spiel.
Für mich sind Sportspiele daher eher ein Beispiel dafür, dass eine perfekte Vorhersehbarkeit eines Spielablaufs dazu führt, dass bestimmte Spielkonzepte nichtmehr funktionieren. Die Fussballspiele, die eher Skilllastig ausfall, geben den Simulationsanspruch weitgehend auf (die alten sensible soccer-Teile wären das beste Beispiel) und erzeugen dadurch ein anderes Spielerlebnis, dass vielen Spieler nicht das gibt was sie wollen nämlich sich so zu fühler als steuere man ein Bundesligateam.
Wenn man ein spielmechanisches Erlebnis schaffen will, dass rein Skillbasiert funktioniert, dann ist es wohl besser sich von real existierenden Sportarten zu lösen und in Richtung Rocket League zu gehen, wo das Spiel ansich nicht simuliert sonder eine Physik besitzt, die speziell für ein skillbasiertes Spiel geschaffen wurde ohne sich an der Realität messen zu müssen.
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