Streaming: Wer denkt an die Musik?

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Pan Sartre
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Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von Pan Sartre »

Nach den ganzen Diskussionen um Impressums-Pflicht, Rundfunklizenz, DSGVO etc. bin ich immer noch erstaunt, wie naiv viele YTer und Streamer weiterhin ihrem Hobby/Beruf nachgehen ohne sich endlich über die damit verbunden rechtlichen Hürden zu informieren. Was mir schön länger auffällt, wie viele deutsche (!) Streamer ihre Spotify-Playlists nebenher laufen lassen. Wiederum andere sind sich der GEMA-Problematik im Ansatz bewusst, glauben aber es gebe eine "x-Sekunden-darf-man-einen-Song-anspielen"-Regel oder sind der Meinung, geschützte Musik während des Streams ist erlaubt, aber On-Demand nicht (weil Twitch das automatisch mutet und YouTube solche Videos sperrt/löscht).

Ich bin kein Jurist, habe mich aber immer mal wieder oberflächlich informiert, da ich bekannte Musikstücke für Videos oder Spiele verwenden wollte. Ob nun direkt abgespielt/angespielt oder nachgespielt (Gitarre etc.), ich bin stets zu dem Ergebnis gekommen: Lass es! Die Problematik wirkt sehr kompliziert und man verliert durch die vielen, meist "geglaubten" Regelungen schnell den Überblick. Wenn man das erstmal beiseite wischt, bleibt eigentlich ein sehr simpler Grundsatz: Sobald du geschützte Musik öffentlich (!) aufführst, bist du lizenzpflichtig. Egal ob du ein Spotify-Abo abgeschlossen, die Musik gekauft hast, das Radio / der Fernseher läuft oder dein Lieblingslied nur summst.

Nun habe ich noch nie gehört, dass die GEMA in dieser Hinsicht aktiv ist bzw. geworden ist. Was mich wiederum wundern würde. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, wo GEMA-Vertreter Geschäfte, Banken oder andere öffentliche Einrichtungen aufsuchten, um diese auf ihre Lizenzpflicht hinzuweisen, wenn irgendwo auch nur ein Radio dudelte. Oder als sie Kindergärten abmahnten, weil dort neuere Kinderlieder gesungen wurden.
Die GEMA ist ihren Mitgliedern gegenüber ja sogar verpflichtet, die Gebühren einzutreiben. Aber warum tut sie das im Falle von Streams nicht? Habe ich etwas übersehen? Gibt es eine Vereinbarung mit Twitch (was ich mir nicht vorstellen kann)? Bewertet die GEMA Twitch anders als die Rundfunkanstalten und deutsche Streams unterliegen alleinig us-amerikanischen Regelungen? Hat sich jemand damit ausgiebig befasst? Ich bin neugierig! :D
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HerrReineke
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von HerrReineke »

Ob die GEMA im Bereich Twitch etc. vorgeht kann ich dir auch nicht beantworten (da würde vermutlich nur eine Anfrage bei der GEMA selbst helfen wenn man bei Google nichts findet) aber urheberrechtlich kann ich vermutlich einige Fragen beantworten :D

Vielleicht ist es einfach ein Mangel an Personal und Kompetenz in dem Feld, was es bisher für die zu wenig lukrativ macht. Es gibt jedenfalls einen eigenen GEMA-Tarif der auch Streaming (bis zu einem gewissen Umfang und laut den Tarifdetails scheinbar nur auf der eigenen Webseite) umfasst (Tarif VR-OD 10). Die Preise richten sich maßgeblich nach den jährlichen Abrufzahlen (Tarifübersicht). Zu dem Tarif gibt es auch ein kleines FAQ. Bei größeren Abrufzahlen muss man sich wohl direkt an die GEMA wenden - wie genau es bei der Nutzung fremder Webseiten für seine Streams aussieht kann ich dem so nicht entnehmen und weiß ich konkret auch nicht.

Ein großes Problem im Bereich des Urheberrechts sind tatsächlich die ganzen Halbwahrheiten und vermeintlichen tollen Ideen. Im Prinzip lässt es sich (für Streamer) aber durchaus gut zusammenfassen mit: Nutze nichts, an dem du keine Lizenzrechte erworben hast - die Schranken (ergo: Ausnahmen) des Urheberrechts werden für dich höchstwahrscheinlich nicht gelten. Und das was du abspielst wird höchstwahrscheinlich ein geschütztes Werk sein, dass einer Lizenz bedarf. [Ganz allgemein ist das Nutzen fremder Werke ohne zu wissen ob bzw. warum man das jetzt wie nutzen darf keine gute Idee].

Und um die Frage der Vergütungspflicht zu klären ist es vermutlich am einfachsten bei der GEMA anzurufen und sich dort (kostenfrei) beraten zu lassen - das ist auch deren Job. Alternativ oder ergänzend sind spezialisierte Anwälte natürlich noch ein guter Weg - oder sehr viel Eigenrecherche (aber ohne juristisches Grundverständnis kann das gefährlich werden wie man sieht).

Und ein Stream auf Twitch könnte jedenfalls dann (auch) deutschem Urheberrecht unterliegen, wenn er (bestimmungsgemäß) auch in Deutschland abrufbar ist - also von deutschsprachigen Streamern quasi immer - wobei das im Ergebnis kaum einen Unterschied machen dürfte, denn das Urheberrecht ist international extrem angeglichen - sowohl auf EU-Ebene (z.B. Urheberrechtsrichtlinie) als auch weltweit (z.B. durch die sog. Revidierte Berner Übereinkunft - RBÜ). Die Frage wäre dann eher, wo der Rechteinhaber gegen dich vorgehen könnte und welche Verwertungsgesellschaft ggf. Beiträge einfordern und ausschütten würde (sowas wie die GEMA gibt es ja auch in den anderen Ländern).

Ich hoffe das hat alle Klarheiten beseitigt :ugly:

Edit: Beachte den ausführlichen Beitrag unten.
Zuletzt geändert von HerrReineke am 14. Aug 2018, 08:45, insgesamt 3-mal geändert.
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Pan Sartre
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von Pan Sartre »

Ah, Danke. Jetzt kann ich mir zumindest mal ein Bild machen, wie "kostspielig" es für Streamer/Youtuber wäre, würden sie die genutzte Musik tatsächlich lizensieren. Wenn ich's richtig verstanden habe, beziehen sich die Abrufzahlen auf das gesamte Angebot, also den Kanal, und nicht auf ein einzelnes Video. Da würden selbst bei kleineren Streamern schnell hohe Beträge anfallen. Außerdem ist es ein Pauschalpaket. Der Lizenznehmer könnte demzufolge so viele Lieder spielen, wie er möchte. Ich kenne nur das klassiche Modell für Konzerte/Musikveranstaltungen. Da musste vom Veranstalter immer eine Setlist samt Angabe über Größe und Rahmen der Veranstaltung zur Berechnung übermittelt werden.

Und bei der GEMA nachfragen, warum sie nicht gegen Streamer vorgeht, halte ich für kontraproduktiv, da ich selbst den einen oder anderen schaue, den es betrifft. Aber ich beiß mir dann immer auf die Zunge, wenn einer "nur mal kurz ein Lied anspielen" möchte. Man muss sein Glück nicht noch herausfordern :doh:

Eine weitere Frage ist für mich, wie steht es eigentlich um Ingame-Musik. Gerade GTA ist ein gutes Beispiel. Im Ingame-Radio läuft aktuellere "Unterhaltungsmusik". Einige Streamer schalten das Radio ab, andere versuchen laut drüberzureden (meist weniger erfolgreich) und einige juckt es nicht die Bohne.
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HerrReineke
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von HerrReineke »

Edit: Beachte den ausführlichen Beitrag unten.
Pan Sartre hat geschrieben: 11. Aug 2018, 20:46 Ah, Danke. Jetzt kann ich mir zumindest mal ein Bild machen, wie "kostspielig" es für Streamer/Youtuber wäre, würden sie die genutzte Musik tatsächlich lizensieren. Wenn ich's richtig verstanden habe, beziehen sich die Abrufzahlen auf das gesamte Angebot, also den Kanal, und nicht auf ein einzelnes Video. Da würden selbst bei kleineren Streamern schnell hohe Beträge anfallen. Außerdem ist es ein Pauschalpaket. Der Lizenznehmer könnte demzufolge so viele Lieder spielen, wie er möchte. Ich kenne nur das klassiche Modell für Konzerte/Musikveranstaltungen. Da musste vom Veranstalter immer eine Setlist samt Angabe über Größe und Rahmen der Veranstaltung zur Berechnung übermittelt werden.
Die Setlist ist meines Wissens nicht für die Berechnung des Preises relevant, sondern nur für die Ausschüttung an die konkreten Urheber - die Preise sind üblicherweise von der Größe (Besucher, Fläche, Dauer etc.) abhängig. Die Pauschalpreise sind auch deshalb so, weil für die GEMA erstmal alle Künstler gleich sind - Musik von Michael Jackson kostet das selbe wie von einem Künstler, dessen einziger Fan und Hörer er selbst ist (oder nicht einmal er :ugly: ). Kann sein, dass es in einzelnen Tarifen unterschiede gibt, aber so kenne ich es vom Grundsatz her.
Btw: ca. 85% aller Einnahmen der GEMA gehen an die Urheber und andere Ausschüttungsberechtigte (jedenfalls nach den Daten der Wikipedia bis 2012).
Pan Sartre hat geschrieben: 11. Aug 2018, 20:46 Und bei der GEMA nachfragen, warum sie nicht gegen Streamer vorgeht, halte ich für kontraproduktiv, da ich selbst den einen oder anderen schaue, den es betrifft. Aber ich beiß mir dann immer auf die Zunge, wenn einer "nur mal kurz ein Lied anspielen" möchte. Man muss sein Glück nicht noch herausfordern :doh:
Verständlich. Leider kam mir die Idee noch nicht, als vor ein paar Jahren der Justiziar der GEMA bei uns ne Vorlesung gehalten hat; aber da war Streaming auch noch ein wenig kleiner :lol:
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Edit: Beachte den ausführlichen Beitrag unten.
Pan Sartre hat geschrieben: 11. Aug 2018, 20:46 Eine weitere Frage ist für mich, wie steht es eigentlich um Ingame-Musik. Gerade GTA ist ein gutes Beispiel. Im Ingame-Radio läuft aktuellere "Unterhaltungsmusik". Einige Streamer schalten das Radio ab, andere versuchen laut drüberzureden (meist weniger erfolgreich) und einige juckt es nicht die Bohne.
Das dürfte - ohne das im Detail durchgegangen zu sein - eine mögliche Lizenzkette sein. Der Spieleentwickler musste die Rechte für die Nutzung ja ohnehin erwerben (sonst darf er es nicht einbauen). Um das Spiel zu nutzen erwirbst du wiederum diverse Lizenzrechte (du musst es ja zur Nutzung zwangsweise vervielfältigen (als Datei auf deinem PC - auch beim Spielestreaming, aber dann nur kurzzeitig im RAM), § 16 UrhG. D.h. der Spieleentwickler musste zwingend auch das Recht erwerben, dass er es an seine Kunden wiederum unterlizensieren darf.

Und dann ist quasi die Frage, ob auch die öffentliche Wiedergabe (§ 19a UrhG) mit lizensiert wurde. Das wiederum ist eine Frage die theoretisch bei jedem Spiel anders sein kann und dafür müsste man wohl in die jeweilige EULA reingucken. Gerade bei sehr alten Spielen übrigens eine besondere Herausforderung, weil es damals kein Streaming (und ggf. nicht einmal die Verwertungsart der "öffentlichen Wiedergabe" [seit 2003 im UrhG!]) gab und es deshalb eine damals unbekannte Nutzungsart war, die wiederum geregelt sein müsste (woran nicht immer jeder denkt; manche Rechteinhaber regeln nur die bekannten Nutzungsarten - und dann wird es primär ein Fall der Vertragsauslegung).

Wenn es nicht im Wege der Lizenzkette geklappt hat blieben nur die zwei "normalen" Möglichkeiten: Selber lizensieren (nur über eine Verwertungsgesellschaft halbwegs praktikabel möglich - aber es gibt keine die speziall Videospiele abdeckt, was es wiederum scheiße macht; übrigens aus meiner Sicht durchaus eine Lücke, über die es sich zu diskutieren lohnt) oder man müsste unter eine der urheberrechtlichen Schranken fallen (unwahrscheinlich bei Streamern).

Und ja, das alles hat jetzt (möglicherweise) nur geklärt, ob man es überhaupt abspielen darf und nicht, ob und wieviel man dann dafür noch als Vergütung zahlen müsste; bzw. jemand anderes das evtl. noch tun muss (klassisches Beispiel: Videos bei YouTube). Inwiefern da aber On-Demand-Videos und Live-Streaming vergleichbar sind ist zweifelhaft - möglicherweise könnte eine saubere Lizenzkette ausreichend sein (jedenfalls hinsichtlich der eigenen "Vergütungsfreiheit"). Auch hier wird einem vermutlich fast nur die GEMA weiterhelfen können - und dann hat man zumindest einen Ausgangspunkt bei dem man rechtlich nachfassen und deren Einschätzung überprüfen kann (die GEMA kann sich ja auch irren :ugly: ). Aus dem Stehgreif kann ich das nicht im Detail herleiten, sorry :oops: Aber ich werde da mal etwas weiter nachrecherchieren ;)
Zuletzt geändert von HerrReineke am 14. Aug 2018, 08:48, insgesamt 4-mal geändert.
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von Dr. Zoidberg [np] »

Müsste hier die Pflicht nicht beim Plattformbetreiber liegen?

Wenn ich einen Club buche und dort ein Event veranstalte, dann liegt es ja auch am Clubbetreiber die GEMA zu zahlen und nicht an mir als Veranstalter und noch weniger am jeweiligen DJ. Zumal hier ja zusätzlich dazu Pauschalen gelten und nicht jedes Lied einzeln gemeldet werden muss.

Wäre dem nicht so, hätte es mEn den langen Streit zwischen YouTube und der GEMA nie geben dürfen, weil letztere dann einfach nur die Uploader hätte zur Kasse bitten müssen.
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Pan Sartre
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von Pan Sartre »

Dr. Zoidberg [np] hat geschrieben: 11. Aug 2018, 23:26 Müsste hier die Pflicht nicht beim Plattformbetreiber liegen?

Wenn ich einen Club buche und dort ein Event veranstalte, dann liegt es ja auch am Clubbetreiber die GEMA zu zahlen und nicht an mir als Veranstalter und noch weniger am jeweiligen DJ. Zumal hier ja zusätzlich dazu Pauschalen gelten und nicht jedes Lied einzeln gemeldet werden muss.

Wäre dem nicht so, hätte es mEn den langen Streit zwischen YouTube und der GEMA nie geben dürfen, weil letztere dann einfach nur die Uploader hätte zur Kasse bitten müssen.
Ich glaube das hängt mit der Funktionsweise zusammen. YT war ja rein On-Demand. Twitch ist Streaming und bietet "eigentlich" keinen abrufbaren Content. Die können keinen direkten Einfluss auf die Inhalte nehmen, da sie das "Signal" nur aufbereiten und verteilen. Erst im zweiten Schritt (wenn der Stream als Video bereitgestellt wird). Was sie auch tun, in dem sie die Tonspur einfach muten ;)

Bei der Rundfunklizenz wurde ähnlich argumentiert, die Plattform müsste sich kümmern. Ich fand diese Interpretation damals schon sehr abenteuerlich. Selbst ohne Rechtskenntnis war meine Schlussfolgerung, dass Twitch das Angebot für Deutschland eher eingestellt hätte als die ganzen bürokratischen Hürden in Kauf zu nehmen. Die wären dann schließlich für ALLE Inhalte verantwortlich gewesen und hätten Einfluss aufs Programm nehmen können/müssen. Twitch hat doch eher die Funktion wie KabelDeutschland, Astra, Unitymedia etc. :mrgreen:
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Axel
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von Axel »

Dr. Zoidberg [np] hat geschrieben: 11. Aug 2018, 23:26 Müsste hier die Pflicht nicht beim Plattformbetreiber liegen?
Wenn es nach der Novellierung der EU-Richtlinie für ein modernes Urheberrecht gegangen wäre, dann wäre das jetzt so. Dann würde sich auch die Ausgangsfrage bezüglich Twitch und Musik in Streams nicht stellen. Da wäre Twitch die Anlaufstelle für GEMA & Co.

Da haben aber die Blödiane von den Piraten zusammen mit den Lobbyisten der Internetwirtschaft mit Hilfe absurdester Fake-News-Kampagnen ("Uploadfilter! Zensur! Die wollen kleine Kinder fressen!") jedoch ganze Arbeit geleistet, dass das erstmal nicht durchkommt.

Folge: Bis jetzt ist immer noch jeder Uploader und Streamer lizenzierungspflichtig, nicht die Plattform selbst. Nach dem Gesetzesentwurf wäre es jetzt so gewesen, dass in diesem Fall Twitch eine Pauschallizenz mit den Verwertungsgesellschaften (bei uns die GEMA) für die gesamte Plattform hätte abschließen müssen. Dann wäre lizenzierungspflichtige Musik für die Streamer keinerlei Problem mehr gewesen. Aber da wehren sich, warum auch immer, diese Plattformen mit Händen und Füßen. Und geben die Bringschuld an deren User weiter. :clap: Es wäre ein Gesetz gewesen, was die Plattformbetreiber in die Pflicht genommen und die normalen User mehr Freiheiten eingeräumt hätte (von wegen Zensur...). Bedankt euch bei Julia Reda & Co., dass das nun nicht so gekommen ist.
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Pan Sartre
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von Pan Sartre »

MitSchmackes! hat geschrieben: 12. Aug 2018, 00:17
Dr. Zoidberg [np] hat geschrieben: 11. Aug 2018, 23:26 Müsste hier die Pflicht nicht beim Plattformbetreiber liegen?
Wenn es nach der Novellierung der EU-Richtlinie für ein modernes Urheberrecht gegangen wäre, dann wäre das jetzt so. Dann würde sich auch die Ausgangsfrage bezüglich Twitch und Musik in Streams nicht stellen. Da wäre Twitch die Anlaufstelle für GEMA & Co.

Da haben aber die Blödiane von den Piraten zusammen mit den Lobbyisten der Internetwirtschaft mit Hilfe absurdester Fake-News-Kampagnen ("Uploadfilter! Zensur! Die wollen kleine Kinder fressen!") jedoch ganze Arbeit geleistet, dass das erstmal nicht durchkommt.

Folge: Bis jetzt ist immer noch jeder Uploader und Streamer lizenzierungspflichtig, nicht die Plattform selbst. Nach dem Gesetzesentwurf wäre es jetzt so gewesen, dass in diesem Fall Twitch eine Pauschallizenz mit den Verwertungsgesellschaften (bei uns die GEMA) für die gesamte Plattform hätte abschließen müssen. Dann wäre lizenzierungspflichtige Musik für die Streamer keinerlei Problem mehr gewesen. Aber da wehren sich, warum auch immer, diese Plattformen mit Händen und Füßen. Und geben die Bringschuld an deren User weiter. :clap: Es wäre ein Gesetz gewesen, was die Plattformbetreiber in die Pflicht genommen und die normalen User mehr Freiheiten eingeräumt hätte (von wegen Zensur...). Bedankt euch bei Julia Reda & Co., dass das nun nicht so gekommen ist.
Du machst es dir in deiner Schlussfolgerung sehr einfach. Beispielweise hätte Twitch GAR NICHTS abschließen müssen. Die hätten knallhart kalkuliert, ob sich das für die lohnt. Selbst Google/YT haben nicht ohne Grund lange verhandelt. Viel wahrscheinlicher wäre es gewesen, dass Twitch entweder mehr Vorgaben gemacht hätte, wer, was und wann streamt oder gar ihr Angebot ganz eingestellt im EU-Raum. Wenn ein Streamer hätte GEMA-Musik nutzen wollen -> wir (Twitch) haben keine Lizenz, weil zu teuer -> KEINE GEMA-Musik in Streams. Die Streamer hätten nichts gewonnen, außer mehr "Rechtsicherheit" auf Kosten freier Gestaltung ihres Angebots.

Edit - Ergänzung meinsterseits: Außerdem hatte ich nicht die Eindruck, dass sich allein die Plattformbetreiber dagegen gestemmt haben. Es waren die "normalen User". Von den Piraten habe ich dahingehend noch nicht mal etwas mitbekommen (dachte, die hatten sich aufgelöst). Hätten nicht zahlreiche Streamer/YouTuber ihren Senf dazu gegeben, wäre mir diese Problematik nicht im Ansatz so bewusst geworden. Aus deren Sicht waren die Uploadfilter keine Fake-News sondern die wahrscheinlichste Konsequenz. Wenn die Plattform für die Inhalte komplett verantwortlich ist, hat diese ein Interesse daran diese Inhalte auch bis aufs letzte zu kontrollen um nicht doch von ungewollten Kosten (Urheberrechtsklagen etc.) überrascht zu werden. Sie hätten also in die Inhalte der User eingreifen MÜSSEN. Wie du daraus "mehr Freiheiten" für die User herauslesen kannst, ist mir ein Rätsel. Nützlich wären die Regelungen allein für die Urheber/Verlage gewesen.
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HerrReineke
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von HerrReineke »

Edit: Beachte den ausführlichen Beitrag unten.
Dr. Zoidberg [np] hat geschrieben: 11. Aug 2018, 23:26 Müsste hier die Pflicht nicht beim Plattformbetreiber liegen?

Wenn ich einen Club buche und dort ein Event veranstalte, dann liegt es ja auch am Clubbetreiber die GEMA zu zahlen und nicht an mir als Veranstalter und noch weniger am jeweiligen DJ. Zumal hier ja zusätzlich dazu Pauschalen gelten und nicht jedes Lied einzeln gemeldet werden muss.

Wäre dem nicht so, hätte es mEn den langen Streit zwischen YouTube und der GEMA nie geben dürfen, weil letztere dann einfach nur die Uploader hätte zur Kasse bitten müssen.
Okay, nächste Eskalationsstufe der Komplexität :D

Zunächst einmal muss man hier verschiedene Dinge strikt trennen: Das urheberrechtliche Nutzungsrecht geht nicht einher mit einer Vergütungspflicht gegenüber der GEMA. Vollkommen unabhängig davon, ob man der GEMA etwas zahlen muss oder nicht muss man auf jeden Fall über ein entsprechendes Nutzungsecht verfügen (z.B. auch durch Anwendbarkeit einer der Schranken - und insbesondere manche Schranken werden über Vergütungspflichten kompensiert, z.B. § 52 S. 2 UrhG). Das lässt sich auch gut an deinem YouTube-Beispiel erkennen: YouTube zahlt inzwischen an die GEMA; trotzdem kann der einzelne YouTuber noch Urheberrechtsverletzungen begehen und dafür auch verfolgt werden - beides ist zu einem gewissen Grad voneinander unabhängig.

Dann: Ja, der oben erwähnte Internet-Tarif betrifft grundsätzlich die eigene Homepage (steht auch in den oben verlinkten FAQ und Tarifdetails):
Wann gilt der neue Tarif „VR-OD 10“?: Der Tarif „VR-OD 10“ gilt, wenn: Sie Musik und/oder Videos mit Musik auf Ihrer Internetseite oder über Ihren Webserver anbieten
Hätte ich klarer formulieren können; danke für den Hinweis.

Das sagt aber nur, ob dieser Tarif für einen passt, nicht aber, ob man generell zahlungspflichtig ist. Dafür gilt allgemein:
Wer ist gegenüber der GEMA zahlungspflichtig?
Im Prinzip jeder, der für die öffentliche Nutzung von Musik organisatorisch und wirtschaftlich verantwortlich ist: Veranstalter, Gastronome, Einzelhändler, Online-Anbieter, Labels, Ärzte, Vereine etc. Ob Sie zum Kreis der GEMA-Kunden gehören, erfahren Sie von Ihrem GEMA-Berater.
Quelle
Hier kann man gut anfangen zu diskutieren: Ist Twitch organisatorisch und wirtschaftlich (alleine) verantwortlich? Oder nicht eher der Streamer? Hier wurde ja schon ein wenig dazu geschrieben: Es kommt hier wohl maßgeblich auf die Unterschiede von On-Demand- und Live-Streaming-Videos an.

Bzgl. der DJs: In gewissem Umfang sind auch die GEMA-pflichtig und zwar nach Tarif VR-Ö (Allgemeine Übersichtsseite zu Diskotheken und DJs inkl. FAQs etc.) Betrifft aber andere Fälle, als du dir vermutlich grad in deinem Beispiel vorgestellt hast.

Was die verschiedenen Entwürfe von Veränderungen der Urheberrechtsrichtlinie angeht schließe ich mich Pan Sartre überwiegend an: Soweit ich die noch in Erinnerung habe hätte das nicht unbedingt geholfen und hatte jedenfalls auch andere Gefahren / Probleme verursacht (die ich keinesfalls für "Fake-News" halte). Aber mal gucken wann der nächste Anlauf kommt und was dort so alles drin sein wird...
Zuletzt geändert von HerrReineke am 14. Aug 2018, 08:49, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von Rince81 »

HerrReineke hat geschrieben: 11. Aug 2018, 21:38 Das dürfte - ohne das im Detail durchgegangen zu sein - eine mögliche Lizenzkette sein. Der Spieleentwickler musste die Rechte für die Nutzung ja ohnehin erwerben (sonst darf er es nicht einbauen). Um das Spiel zu nutzen erwirbst du wiederum diverse Lizenzrechte (du musst es ja zur Nutzung zwangsweise vervielfältigen (als Datei auf deinem PC - auch beim Spielestreaming, aber dann nur kurzzeitig im RAM), § 16 UrhG. D.h. der Spieleentwickler musste zwingend auch das Recht erwerben, dass er es an seine Kunden wiederum unterlizensieren darf.

Und dann ist quasi die Frage, ob auch die öffentliche Wiedergabe (§ 19a UrhG) mit lizensiert wurde. Das wiederum ist eine Frage die theoretisch bei jedem Spiel anders sein kann und dafür müsste man wohl in die jeweilige EULA reingucken. Gerade bei sehr alten Spielen übrigens eine besondere Herausforderung, weil es damals kein Streaming (und ggf. nicht einmal die Verwertungsart der "öffentlichen Wiedergabe" [seit 2003 im UrhG!]) gab und es deshalb eine damals unbekannte Nutzungsart war, die wiederum geregelt sein müsste (woran nicht immer jeder denkt; manche Rechteinhaber regeln nur die bekannten Nutzungsarten - und dann wird es primär ein Fall der Vertragsauslegung).
Hallte ich in der Praxis für sehr unwahrscheinlich. Solch eine Verwertungskette würde dann ja z.b. gerade für Filmmusik extrem sinnvoll sein - stattdessen zahlt jedes Kino seine GEMA-Pauschalen für die öffentliche Vorführung von Filmen - die ja meist Musik enthalten und die ja da auch bereits entsprechend zur Verwendung lizenziert ist.
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von HerrReineke »

Edit: Beachte den ausführlichen Beitrag unten.
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Rince81 hat geschrieben: 12. Aug 2018, 11:28 Hallte ich in der Praxis für sehr unwahrscheinlich. Solch eine Verwertungskette würde dann ja z.b. gerade für Filmmusik extrem sinnvoll sein - stattdessen zahlt jedes Kino seine GEMA-Pauschalen für die öffentliche Vorführung von Filmen - die ja meist Musik enthalten und die ja da auch bereits entsprechend zur Verwendung lizenziert ist.
Die Lizenzkette sorgt erstmal nur dafür, dass man es überhaupt öffentlich wiedergeben darf, nicht, dass man (oder jemand Drittes) dafür keinesfalls mehr zahlen müsste (z.B. an die GEMA)! Wenn es also nicht einmal eine solche Lizenzkette (oder Einzellizenz oder Schrankenregelung) gibt, dann ist die öffentliche Wiedergabe eine Urheberrechtsverletzung - aus irgendeinem Grund musst du es öffentlich wiedergeben dürfen. Möglicherweise kann man eine passende Lizenz bei der GEMA kaufen (denn die Vergütung ist ja ein Lizenzerwerb für bestimmte Nutzungen), aber beides kann auch auseinanderfallen.
Die Frage nach der Vergütung an eine Verwertungsgesellschaft ist davon strikt zu trennen und dadurch leider nicht beantwortet.

Oder am Beispiel des Kinos: Das Kino muss natürlich alle notwendigen Lizenzrechte vom Filmhersteller (oder sonstigen Rechteinhabern) erwerben, dass es den Film überhaupt zeigen darf (da stehen diverse Urheberrechte und verwandte Schutzrechte im Raum; und auch der Filmhersteller kann vergütungspflichtig an die GEMA sein, vgl. Tarif VR-TH-F-1) - ansonsten ist das öffentliche Vorführen sogar eine Urheberrechtsverletzung.
Die Vergütungspflicht an die GEMA (scheinbar nach Tarif T-F) ist wieder ein anderes Thema (und umfasst wohl auch Musik in den Pausen, vor und nach den Filmen, im Foyer, etc.).

Ich merke schon, meine Ausführungen sind teilweise nicht konkret genug und stiften ebenfalls Verwirrung... ich editiere mal ein bisschen :oops:
Zuletzt geändert von HerrReineke am 14. Aug 2018, 08:51, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von Rince81 »

HerrReineke hat geschrieben: 12. Aug 2018, 11:56 Die Frage nach der Vergütung an eine Verwertungsgesellschaft ist davon strikt zu trennen und dadurch leider nicht beantwortet.
Ich hatte deine Ausführungen so verstanden, dass du denkst, dass bei deiner Version der Lizenzkette Streamer komplett aus dem Schneider und nicht mehr GEMA-pflichtig sein und war daher überrascht. :geek:


Zum Beispiel: Ja, das ist der. Kinobetreiber haben aber im Regelfall über die entsprechenden Branchenverbände Sondervereinbarungen mit der GEMA.
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von Voigt »

Ich merke gerade dass das Forum meinen Beitrag über Smartphone geschluckt hat, wundere mich schon warum keiner auf meine Frage antwortete. ^^

Wie ist das eigentlich mit Online Streams von regulären Radios, welche ja Lizenzen erworben haben, wenn man die im Hintergrund des GameStreams laufen lässt. Die sind ja gebührenfinanziert, oder zumindest über Werbung, und da sollte es keinen großen Unterschied machen wo der frei verfügbare Radiostream gehört wird, und ob er restreamet wird.

Zum Beispiel von lizensierter Musik in Spielen, zumindest bei EU4 ist es so, dass die größtenteils eigene produzierte Musik nutzen, aber auch paar Sachen von Sabaton lizensiert haben. Wenn man die Musik im Launcher auswählt, steht extra da, dass man jetzt nichtmehr Streamen darf, da dies nicht von der Lizenz abgedeckt ist. Falls man EU4 mit der EU4 Musik streamen möchte, dann soll man das Sabaton Music DLC bitte abwählen.

Vermute, dass Paradox jetzt bloß explizit hingeschrieben hat, aber so ähnlich bei den meisten anderen Spiele rechtlich auch so aussieht.
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von Pan Sartre »

Voigt hat geschrieben: 12. Aug 2018, 18:51 Wie ist das eigentlich mit Online Streams von regulären Radios, welche ja Lizenzen erworben haben, wenn man die im Hintergrund des GameStreams laufen lässt. Die sind ja gebührenfinanziert, oder zumindest über Werbung, und da sollte es keinen großen Unterschied machen wo der frei verfügbare Radiostream gehört wird, und ob er restreamet wird.

Zum Beispiel von lizensierter Musik in Spielen, zumindest bei EU4 ist es so, dass die größtenteils eigene produzierte Musik nutzen, aber auch paar Sachen von Sabaton lizensiert haben. Wenn man die Musik im Launcher auswählt, steht extra da, dass man jetzt nichtmehr Streamen darf, da dies nicht von der Lizenz abgedeckt ist. Falls man EU4 mit der EU4 Musik streamen möchte, dann soll man das Sabaton Music DLC bitte abwählen.

Vermute, dass Paradox jetzt bloß explizit hingeschrieben hat, aber so ähnlich bei den meisten anderen Spiele rechtlich auch so aussieht.
Du wirst das Radio dennoch nicht laufen lassen dürfen, auch wenn die bereits Lizenzen erworben haben. Diese umfasst garantiert nicht die Möglichkeit, wiederum von anderen weiterverbreitet zu werden. Außerdem verletzt du durch das Weiterverbreiten auch die Rechte des Radiosenders, da du dir deren Inhalte (das erarbeitete Programm ) zu eigenen machst. Zumindest meinem bescheidenem Rechtsverständnis nach. Es wird sicher keine Rolle spielen ob privates oder ÖR-Radio. Man bezahlt ja selbst schon so oft versteckt Lizenzen und Gebühren mit, die einem gewisse Rechte einräumen, die aber praktisch nutzlos sind. Bei Geräten die zur Wiedergabe und/oder Vervielfältigung von Inhalten genutzt werden können (Kopierer, PCs, Festplatten, USB-Sticks, CDs,...), zahlt man immer noch diese Pauschalabgabe. Damit ist es dir theoretisch erlaubt, Privatekopien anzufertigen. Aber was nützt dir das, wenn alles mit Kopierschutz versehen ist und dieser andererseits nicht legal umgangen werden darf?

Dein EU4 Beispiel zeigt gut dass den Entwicklern die Problematik bewusster wird. Ich sehe es positiv und hoffe, es bringt einige Streamer dazu sich darüber mehr Gedanken zu machen, in welcher Grauzone sie da eigentlich wandern. :D
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HerrReineke
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von HerrReineke »

So, jetzt der Rundumschlag. Tatsächlich habe ich mich oben in einzelnen Aspekten etwas verrannt und in anderen die Unterschiede nicht beachtet bzw. deutlich genug gemacht. Nachdem ich heute aber ein wenig recherchieren und auch mit zwei Anwälten aus diesem Bereich nochmal darüber gesprochen habe fühle ich mich gleich etwas weniger doof, denn mein erster Gedanke war scheinbar doch richtig - wäre ich mal dabei geblieben :lol:
Um aber Verwirrungen aufgrund einiger unpräziser Aussagen oben zu vermeiden werden ich diese vermutlich durchstreichen - damit bleibt es nachverfolgbar aber hoffentlich ungefährlich für alle Interessenten :D

Und los geht es:

Dem grundlegenden urheberrechtlichen Konzept nach ist der Urheber Inhaber verschiedenster Rechte: Nutzungsrechte und Persönlichkeitsrechte. Die Nutzungsrechte gibt dieser zumeist durch verschiedene Lizenzverträge an andere Parteien weiter (z.B. sein Label oder die GEMA). Dabei kann er dies erstmal für jedes Nutzungsrecht einzeln machen und hierbei viele Differenzierungen vornehmen (z.B.: Label A hat das Vervielfältigungsrecht in den USA, Label B für 10 Jahre in der EU, dann kriegt es Label C, etc. pp.).

Tatsächlich ist beim Streaming zwischen der öffentliche Wiedergabe gem. § 19a UrhG und dem Senderecht aus § 20 UrhG (bzw. allgemein bei beidem Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie (2001/29/EG)) zu differenzieren:
Ehrhardt hat geschrieben:"Stehen Live-Streams in Rede, die das gesendete Programm integral ohne Möglichkeit zum Download begleitend abbilden, sei es das gesamte Programm, sei es konkret auf einen Sendeplatz oder ein Ereignis bezogen temporär, handelt es sich urheberrechtlich um Sendung. Zeitversetzte On-Demand-Streams, die an keine feste Abfolge gebunden sind, unterliegen demgegenüber dem Regime der öffentlichen Zugänglichmachung"
in: Wandtke/Bullinger, UrhG § 20 Rn. 4
Hillig hat geschrieben:"Als Funksendung durch „ähnliche technische Mittel“ werden auch alle Arten von Sendungen im Internet erfasst, die zu einem vom Sendenden bestimmten Zeitpunkt zeitgleich an eine Öffentlichkeit gerichtet sind. Deshalb sind zB Sendungen im Webradio oder Internet-TV Funksendungen iSd § 20"
in: BeckOK UrhR, UrhG § 20 Rn. 9

Demzufolge dürfte das Live-Streaming bei Twitch unter das Senderecht aus § 20 fallen, wohingegen die Aufzeichnung unter § 19a fällt.

Jetzt ist die Frage, wer die maßgeblichen Rechte innehat. Dies ist für jedes einzelne Werk zu differenzieren. Und hier kommt die schon erwähnte Lizenzkette ins Spiel:

Der Spieleentwickler musste einige Rechte für die Nutzung ja ohnehin erwerben (sonst darf er es nicht einbauen). Um das Spiel zu nutzen erwirbt der Spieler wiederum diverse Lizenzrechte (er muss es ja zur Nutzung zwangsweise vervielfältigen (als Datei auf deinem PC - auch beim Spielestreaming, aber dann nur kurzzeitig im RAM), § 16 UrhG). D.h. der Spieleentwickler musste zwingend auch das Recht erwerben, dass er es an seine Kunden wiederum unterlizensieren darf.

Damit bleibt erneut die Frage, ob auch die öffentliche Wiedergabe (§ 19a UrhG) und das Senderecht (§ 20) mit lizensiert wurden. Das wiederum ist eine Frage die theoretisch bei jedem Spiel und insbesondere bei jedem Werk (=Lied) anders sein kann und dafür muss man wohl die jeweilige EULA (oder sonstigen Lizenzbedingungen) kontrollieren. Gerade bei alten Spielen kann das eine besondere Herausforderung sein - ebenso wie eine möglicherweise notwendige ergänzende Vertragsauslegung.

Alternativ könnten diese Rechte bei der GEMA liegen, wenn der Urheber diese an die GEMA abgetreten hat. Das lässt sich auch durch eine Online-Suche in der GEMA-Datenkbank machen. Auch da ist dann wieder die Frage, welche Rechte es genau sind, die übertragen wurden.

Nun zum Streamer: Der braucht irgendwoher eine Lizenz dafür, dass er die Musik öffentlich wiedergeben bzw. senden darf. Diese Lizenz kann er auf mehreren Wegen erlangen: Durch die erwähnte Lizenzkette, von den Rechteinhabern direkt oder von der GEMA (Schrankenregelungen sind relativ offensichtlich nicht einschlägig, daher lasse ich die mal außen vor). Woher dieses Recht kommt ist letztlich egal: Es muss nur inhaltlich ausreichend sein. Ob der Streamer für dieses Recht also beim Erwerb des Videospiels indirekt mitgezahlt hat oder es anschließend bei der GEMA nochmal einkaufen musste ist also für das Ergebnis irrelevant: Er braucht nur diese Lizenz!

Vorteil bei der GEMA: Die muss gem. § 34 VGG mit dir einen Vertrag abschließen (Lizensierungszwang), dafür kostet es halt dann extra.

Der Künstler kann übrigens keine Rechte weitergeben, die er nicht mehr hat. Wer also sein Senderecht als Urheber exklusiv der GEMA gibt, wird dieses keinesfalls einem Entwickler geben können - das kann dann nur noch die GEMA (denn die hat die Rechte ja jetzt).

Das Praxisproblem ist nun schlicht, dass niemand alle Lieder in einem Videospiel vorab darauf kontrollieren wird, wer da die Rechte innehat und wo er sich diese ggf. noch zusätzlich besorgen muss. Für Videospieler allgemein ganz positiv ist, dass wohl die meisten Künstler die Musik für Videospiele machen nicht in der GEMA sind (und entsprechend die Rechte nicht über die GEMA sondern über die Lizenzkette laufen [können]). Nachteil ist, dass dies in einem Spiel sehr unterschiedlich ausfallen kann. Das erwähnte Beispiel von Europa Universalis 4 ist da sehr gut: für die Werke aus dem Sabaton-DLC liegen die entsprechenden Rechte wohl bei der GEMA (Das Lied "Carolus Rex" wird bei der GEMA z.B. unter der Werk.-Nr: 12700309-001 geführt - die anderen habe ich nicht kontrolliert). Die sonstige Musik scheint von Künstlern zu stammen, die ihre Rechte nicht an die GEMA abgegeben haben und diese dann - über den Entwickler zum Publisher an den Spieler - weitergegeben konnten (so dürfte man wohl den Hinweis interpretieren - habe ich aber nicht in der EULA kontrolliert).

Ein Beispiel das ich heute gehört habe war wohl ein Fall eines alten Call of Duty, bei dem im Spiel ein Radio war, dass ein bei der GEMA registriertes Lied abspielte. In dem Fall war die GEMA wohl ursprünglich mal aktiv geworden, hatte das aber dann wohl wieder abgeblasen - es war ihnen wohl zuviel Aufwand für eine solche Bagatelle. Allgemein geht die GEMA wohl wegen der schwierigen Kontrolle nicht gegen Streamer vor - die haben wohl entweder nicht die Ressourcen oder halten die (möglichen) Verstöße jedenfalls noch nicht für relevant genug. Das in der Praxis einzige Problem für Streamer seien wohl die Landesrundfunkanstalten, sobald man eine gewisse Größe erreicht hat [Alles Hörensagen vom Anwalt - mehr Details habe ich leider dazu jeweils nicht^^].

Das Gleiche gilt natürlich auch für Hintergrundmusik aus Podcast-Apps oder dem Radio: Der Podcastanbieter bzw. Radiobetreiber hat die notwendigen Rechte erworben - nicht du. Du sendest es aber auch (bzw. macht gibst es öffentlich wieder), brauchst diese Rechte also ebenfalls. Wenn es sich dabei um Werke handelte, wo die entsprechenden Rechte bei der GEMA liegen, kannst du die dort mutmaßlich auch erwerben. Wenn die Rechte da nicht liegen, musst du die woanders her bekommen. In diesen beiden Fällen dürfte es aber sehr eindeutig keine potenzielle Lizenzkette geben - also ist sowas mit ziemlich Sicherheit ein Minenfeld. Außer natürlich es handelt sich um frei verfügbare Musik (z.B. gemeinfrei) - aber dann hast du ja die Lizenzrechte daran bzw. es gibt keine mehr ;)

Meine Verwirrung weiter oben resultierte insbesondere aus dem Beispiel von YouTube. Hier gilt aber: Nur wiel YouTube der GEMA vielleicht irgendwas für irgendwelche Lieder zahlt heißt das nicht, dass man als Uploader automatisch die notwendigen Rechte hat - die braucht man aber weiterhin. Demzufolge können die Frage, ob man entsprechende Rechte hat und ob die GEMA Geld von irgendwem kriegt für (möglicherweise andere) Rechte durchaus auseinanderfallen.

Ich hoffe nun sind endgültig alle ausreichend verwirrt :lol:
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von HerrReineke »

Und ich hatte noch eine offizielle Anfrage an die GEMA geschickt. Deren Antwort:

"Die Lizenz zur Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken können wir Ihnen nicht erteilen, wenn diese auf Plattformen gestreamt werden. Die Anfrage müssten Sie direkt an den Plattformbetreiber richten, da dieser der Lizenzschuldner ist."

Die GEMA sieht also die Plattformbetreiber als Verantwortliche an - damit dürften jedenfalls Streamer in der Praxis mit der GEMA kein Problem bekommen. Und wer fragt jetzt bei Twitch nach? :ugly:
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von Axel »

Genau das ist das Problem. Plattformbetreiber schieben den Schuh auf deren User, während sie eigentlich verantwortlich wären. Hier braucht es einfach klar gesetzliche Handlungsrahmen. Dass diese Betreiber wie Twitch oder Google auch ständig Propaganda gegen Einrichtungen wie die GEMA machen, macht es nicht besser. Vielmehr streut es nur Unsicherheit und Halbwahrheiten unter den Usern.
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Pan Sartre
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von Pan Sartre »

HerrReineke hat geschrieben: 14. Aug 2018, 14:08 Und ich hatte noch eine offizielle Anfrage an die GEMA geschickt. Deren Antwort:

"Die Lizenz zur Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken können wir Ihnen nicht erteilen, wenn diese auf Plattformen gestreamt werden. Die Anfrage müssten Sie direkt an den Plattformbetreiber richten, da dieser der Lizenzschuldner ist."

Die GEMA sieht also die Plattformbetreiber als Verantwortliche an - damit dürften jedenfalls Streamer in der Praxis mit der GEMA kein Problem bekommen. Und wer fragt jetzt bei Twitch nach? :ugly:
Also mir will die Einstellung der GEMA diesbezüglich nicht in den Kopf. Entweder ist die sich über die Funktionsweise von Twitch nicht ganz im Klaren oder die Suchen den bequemsten Weg (die Plattform soll eine Lizenz abschließen und nicht jeder Streamer einzeln). Die sehen das also anders als die Rundfunkanstalten. Im Augenblick ist das natürlich praktisch für die Streamer, aber falls die GEMA Twitch doch irgendwann auf die Füße tritt, dann dürfte Twitch wohl explizit Verbote für Streamer aussprechen, dass derartige Musik nicht mehr (mit-)gestreamt werden darf.
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Darkcloud
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von Darkcloud »

Twitch mutet teile im Stream ja zumindest nachträglich wenn da Lizensierte Musik lief.
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Pan Sartre
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Re: Streaming: Wer denkt an die Musik?

Beitrag von Pan Sartre »

Darkcloud hat geschrieben: 16. Aug 2018, 08:58 Twitch mutet teile im Stream ja zumindest nachträglich wenn da Lizensierte Musik lief.
Ja, das kann am amerikanischen Recht liegen, die geschütze Musik eventl. live erlaubt, aber nicht als VOD. Ein weiterer Grund ist, weil eine Echtzeitprüfung durch Twitch wohl nicht möglich ist. Nichtsdestotrotz erwartet die GEMA, Lizenzvereinbarungen für LIVE-Musik und Musik in VOD. Da zweiteres von Twitch entfernt wird, ist ersteres aber immer noch nicht rechtlich sicher geklärt.
Und wenn ich HerrReineke richtig verstanden habe, deckt eine Lizenz mit der GEMA nicht zwangsläufig alle Nutzungsrechte ab. Wenn ich also ein geschütztes Lied regelmäßig als Intro nutze und die Leute meine Streams damit verbinden (Markenzeichen?), müssten weitere Rechte eingeholt werden (vermutlich mit dem Label/Urheber).
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