Phazonis hat geschrieben: ↑25. Jan 2019, 21:36
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Ich such mir keine einzelne Stelle zum Zitieren raus, sondern antworte mal allgemein:
Es ist ja Dein gutes Recht, keinerlei Interesse an den Menschen hinter einem Spiel zu haben. Es gibt auch genügend Menschen, die mit Sicherheit keinerlei Interesse an den Personen Spielberg, Springsteen, Steinbeck haben - obwohl sie deren Filme, Musik, Bücher mögen. Gleichwohl beschäftigt sich nicht nur das Feuilleton mit den Herrschaften, sondern es gibt (bzw. gab zumindest) gleich mehrere Fachzeitschriften, die sich mit den Urhebern beschäftigt haben. Im (Pop-)Musikbereich ist eins der prominentesten Beispiele mit Sicherheit der "Rolling Stone". Der seit seiner ersten Ausgabe Hintergrundberichte veröffentlicht - Interviews mit Musikern, Essays, in denen einzelne Alben und Strömungen kulturell eingeordnet werden, Kurzbiografien einzelner Musiker, Berichte über Plattenlabels und und und. Du musst das als Musikfan nicht lesen. Aber Du
kannst.
Das dürfte durchaus seinen Anteil daran haben, dass die Popmusik heute nicht mehr als "seichte Unterhaltungsmusik" angesehen wird, sondern die Künstler gesellschaftlich als eben solche wahrgenommen werden. Aber selbst wenn es den Effekt nicht hätte - es gibt nunmal Fans, die auch Hintergründe wissen wollen. Und die auch interessiert, was Künstler abseits der Musik so denken und machen. Bei einem langen Interview mit Bono, Sting oder Campino wird natürlich nicht nur über die Musik geredet - es geht garantiert auch (beispielsweise) um Politik. Vermutlich findest Du das dann wieder uninteressant - aber andere interessiert es nunmal. Bei einem Robbie Williams wird es auf jeden Fall darum gehen, warum sein neuestes Album so klingt, wie es klingt - der Kerl hat mittlerweile ja paar Stile durchprobiert, um letztlich wieder ziemlich am Anfang seiner Entwicklung zu landen. Manche Fans interessiert nunmal, warum er das so gemacht hat.
Gleiches kann man auf Regisseure, Autoren, Maler, Tänzer, Schauspieler übertragen - "Warum haben Sie sich dieses Thema ausgesucht? Wie war die Arbeit an diesem sperrigen Thema? Haben Sie dabei etwas über sich selbst herausgefunden? Gab es Probleme mit Ihrem Geldgeber/Verleger?" etc. Wenn mich als Konsument diese Hintergründe interessieren, habe ich mehrere Anlaufstellen, wo ich etwas darüber erfahren kann.
Außer bei Spielen. Spieleentwickler sind aber genauso kreative Menschen wie Schriftsteller, Musiker, Filmemacher. Die sich garantiert etwas bei ihrem Spiel gedacht haben. Die Biografien abseits der Spieleentwicklung haben. Die Meinungen zu anderen Themen haben. (Erfahrungsgemäß sind kreative Menschen häufig sehr vielseitig interessiert und haben sich zu einer Menge Themen Gedanken gemacht, weil sie früher oder später zwangsläufig in ihrer Kreativität Bezugspunkte der realen Welt tangieren.)
Es wäre wünschenswert, dass Spieler, die es interessiert, die Möglichkeit hätten, sich auf die gleiche Art über Spieleentwickler zu informieren, wie es der Filmfan über Spielberg kann.
Letztes Jahr gab es übrigens ein sehr deutliches Beispiel dafür, dass das auch dringend notwendig ist - die Figur Daniel Vavra. Die wochenlange Diskussion hat deutlich gezeigt, dass zumindest ein Teil der Spielerschaft sehr wohl wissen will, was für Menschen hinter einem Spiel stecken. Um einordnen zu können, wie bestimmte Aussagen eines Spiels zu werten sind. Und das hat auch nichts mit übersteigerter "political correctness" und dem Ruf nach Verboten etc. zu tun - der Bestsellerautor Tom Clancy war ein reaktionärer konservativer Drecksack. Deshalb kann man seine Romane dennoch gern lesen. Aber das Wissen um Clancys politische Überzeugungen hilft bei der Einordnung seines Werks.
Edit: Lustigerweise führen wir die Diskussion in einem Forum zu einem journalistischen Format, das tatsächlich diesen Weg bereits einschlägt. Einerseits dadurch, dass vergleichsweise viele Schaffende hier zu Wort kommen. Andererseits dadurch, dass Metathemen sehr viel Raum einnehmen. Und zuguterletzt vor allem dadurch, dass jemand wie Wolfgang Walk hier (zum Glück!) extrem viel Gelegenheit bekommt, seine Sicht auf Spieleerschaffung, gesellschaftlichen Kontext und noch ganz andere Themen darzulegen. Und - es scheint die Spieler zu interessieren.
Edit 2: Verkürzt gesagt, The Pod
macht klassisches Feuilleton, angewandt auf Spiele.