Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

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Ricer
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von Ricer »

Sebastian Solidwork hat geschrieben: 29. Jan 2019, 22:42 Wo sich mir gleich die nächste Frage stelle: Wie stehen Feuilleton-Redakteure zum Poststrukturalismus? Das ist ja etwas was sich auf ihre eigenen Medien bezieht. Buch, Film, Theater, etc.
Wenn sie selbst das ignorieren, scheinen sie ein generelles Bedürfnis nach Autoren zu haben, das unabhängig von Games ist. Games sind nur gerade die aufstrebende Medienform(en), die ohne groß präsenten Autor auskommt, an der sie sich stoßen.
Hier scheint man generell nicht vom Menschen zu lassen und auf das abstrakte(re) Werk schauen zu können. Ein Bedürfnis nach Hierachie vielleicht? Sowohl zum Buckeln als auch zum Treten.
Wiederum kurios dabei, dass gerade bei Brettspielen meistens groß der Autor, als eine Art Qualitätsgarantie, im Vordergrund steht. Wer kennt nicht den Namen Klaus Teuber?
Der Poststrukturalismus sagt nicht, dass man Autor*innen komplett außen vor lässt. Lebende Autor*innen sind selbstverständlich als historische Urheber*innen der Werke von großer Bedeutung und die Möglichkeit diese zu befragen, ob, warum und wie sie einen Diskurs anstoßen wollten, finde ich relevant. Ob und wie Künstler*innen darauf antworten ist natürlich eine andere Frage. Und das Klischee der Künster*innen von Spielen ist ja schon, dass eher so ganz deepe Emotions gefeelt werden sollen, die die Leute touchen und da catchen wo sie stayen!

Spätestens wenn im Feuilleton durchdringt, wie ähnlich das Spielen von digitalen Spielen und Theater sind (vor allem Performance-Theater, welches das Publikum miteinbezieht) wird sich der Feuilleton hoffentlich verändern. Denn in dem Bereich hat der Feuilleton der bisherigen Spieleberichterstattung einiges voraus.
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Sebastian Solidwork
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von Sebastian Solidwork »

Ricer hat geschrieben: 31. Jan 2019, 08:22 Der Poststrukturalismus sagt nicht, dass man Autor*innen komplett außen vor lässt.
Ich dachte genau darum geht es. Zu mindestens bei Betrachtung des Werkes. Oder was missverstehe ich?
Ich will nicht sagen, dass man das immer machen muss. Es ist ein von zwei Möglichkeiten. Jedem was er bevorzugt.
Gibt es Feuilleton-Redakteure die den Poststrukturalismus praktizieren? Sind es nicht viele Rezensionen die sich nur mit dem Werk beschäftigen?
Ricer hat geschrieben: 31. Jan 2019, 08:22 Und das Klischee der Künster*innen von Spielen ist ja schon, dass eher so ganz deepe Emotions gefeelt werden sollen, die die Leute touchen und da catchen wo sie stayen!
Ich glaube Klaus Teuber würde das nicht auf sich zutreffend sehen :D Was meinst du?
Ist das dein Klischee oder meinst du, dass von Feuilleton-Redakteuren (und noch vielen anderen)?
Schon narrative Interaktion sehe ich anderes funktionierend. Als Videospiel kommen da WhatRemainsOfEdithFinch oder Gone Home einigermaßen ran.
Im analogen Bereich fallen mir dazu Fiasko und Die Werwölfe von Düsterwald und das erwähnte FateCore-Rollenspiel ein (zu ein gewissem Maße tun das auch andere PnP-Rollenspiele, aber da beißt sich gerne das System mit der Narration und dann beschweren sich die narrativen Spieler über Powergamer).

Und die schon längere bekannten mechanischen Herausforderungen sind eine komplett andere Ausrichtung. Schach, Go, Risiko, Siedler von Catan, Poker, etc. Wird im Feuilleton genau so viel darüber berichtet wie über Filme, Bücher und Theater? Ich glaube nicht (als jemand der kaum ein Feuilleton liest, mir fehlen dort die interaktiven Medien :ugly: ). Behandeln sie mein Lieblingsgenre der (Hard-)Scifi?
Eine gesamtgesellschaftlicher Anspruch scheint mir in der heutigen Zeit der Vielfältigkeit und vielen großen "Nischen" sehr anspruchsvoll zu sein. Vielleicht gar unerfüllbar, weil er nur die, schon nicht kleine, Spitze des Eisberges behandeln kann?
Ricer hat geschrieben: 31. Jan 2019, 08:22 Spätestens wenn im Feuilleton durchdringt, wie ähnlich das Spielen von digitalen Spielen und Theater sind (vor allem Performance-Theater, welches das Publikum miteinbezieht) wird sich der Feuilleton hoffentlich verändern. Denn in dem Bereich hat der Feuilleton der bisherigen Spieleberichterstattung einiges voraus.
Du meinst damit vor allem interaktive narrative Erlebnisse?
Wie siehst du den da die mechanischen Herausforderungen? (Ich habe den Eindruck, du hast einen etwas größeren Einblick als ich, daher interessiert mich da deine Sichtweise)
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von drgonzo »

Innerhalb des Poststrukturalismus gibt es zur Instanz des Autors unterschiedliche Positionen, da hilft zum Einstieg auf jeden Fall der Wikipediaeintrag weiter.

Was verstehst du unter narrativer Interaktivität? Choose your own adventure?
Zuletzt geändert von drgonzo am 1. Feb 2019, 09:05, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von bluttrinker13 »

drgonzo hat geschrieben: 31. Jan 2019, 15:53 Innerhalb des Poststrukturalismus gibt es zur Instanz des Autors unterschiedliche Positionen, da hilft zum Einstieg auf jeden Fall der Wikipediaeintrag weiter.
Ist jetzt nicht gegen oder an dich gerichtet, sondern an diesen "Begriff" des "Poststrukturalismus" generell, den liest man hier ja öfter.

Unbedingt auch diesen Teil des Wiki-Artikels beachten: https://de.wikipedia.org/wiki/Poststruk ... mus#Kritik !

Will sagen, ich habe noch nie jemanden getroffen, der diesen Begriff klar erläutern, definieren oder einstimmend mit anderen erklären kann. Jeder erzählt einem da was anderes, und die meisten Philosophen (bzw. Studierenden) die ich darüber befragt habe verdrehen nur die Augen. Ein daher meines Erachtens mindestens nicht-hilfreicher, schlimmstens überflüssiger und verwirrender Begriff.

Strukturalismus, bspw in der wissenschaftlichen Theoriebildung nach Stegmüller oder Westermann, ist da was ganz anderes.

Sorry fürs offtopic.
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Ricer
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von Ricer »

Sebastian Solidwork hat geschrieben: 31. Jan 2019, 09:59
Ricer hat geschrieben: 31. Jan 2019, 08:22 Der Poststrukturalismus sagt nicht, dass man Autor*innen komplett außen vor lässt.
Ich dachte genau darum geht es. Zu mindestens bei Betrachtung des Werkes. Oder was missverstehe ich?
Ich will nicht sagen, dass man das immer machen muss. Es ist ein von zwei Möglichkeiten. Jedem was er bevorzugt.
Gibt es Feuilleton-Redakteure die den Poststrukturalismus praktizieren? Sind es nicht viele Rezensionen die sich nur mit dem Werk beschäftigen?
Du kannst es halt nicht trennscharf in Schubladen packen.
Sebastian Solidwork hat geschrieben: 31. Jan 2019, 09:59
Ricer hat geschrieben: 31. Jan 2019, 08:22 Und das Klischee der Künster*innen von Spielen ist ja schon, dass eher so ganz deepe Emotions gefeelt werden sollen, die die Leute touchen und da catchen wo sie stayen!
Ich glaube Klaus Teuber würde das nicht auf sich zutreffend sehen :D Was meinst du? Ist das dein Klischee oder meinst du, dass von Feuilleton-Redakteuren (und noch vielen anderen)?
Ich bezog mich auf digitale Spiele. Und das Klischee ist eines, dass oft in Auseinandersetzungen mit David Cage oder UbiSoft-Spielen zutage tritt.
Sebastian Solidwork hat geschrieben: 31. Jan 2019, 09:59 Schon narrative Interaktion sehe ich anderes funktionierend. Als Videospiel kommen da WhatRemainsOfEdithFinch oder Gone Home einigermaßen ran.[...] Und die schon längere bekannten mechanischen Herausforderungen sind eine komplett andere Ausrichtung. Schach, Go, Risiko, Siedler von Catan, Poker, etc.
Ja, das hatten wir doch mit den Narrauthors und den Simauthors angesprochen.
Sebastian Solidwork hat geschrieben: 31. Jan 2019, 09:59 Eine gesamtgesellschaftlicher Anspruch scheint mir in der heutigen Zeit der Vielfältigkeit und vielen großen "Nischen" sehr anspruchsvoll zu sein. Vielleicht gar unerfüllbar, weil er nur die, schon nicht kleine, Spitze des Eisberges behandeln kann?
Der gesamtgesellschaftliche Anspruch des Mediums entsteht doch durch die Vielfalt des Mediums!
Sebastian Solidwork hat geschrieben: 31. Jan 2019, 09:59
Ricer hat geschrieben: 31. Jan 2019, 08:22 Spätestens wenn im Feuilleton durchdringt, wie ähnlich das Spielen von digitalen Spielen und Theater sind (vor allem Performance-Theater, welches das Publikum miteinbezieht) wird sich der Feuilleton hoffentlich verändern. Denn in dem Bereich hat der Feuilleton der bisherigen Spieleberichterstattung einiges voraus.
Du meinst damit vor allem interaktive narrative Erlebnisse?
Wie siehst du den da die mechanischen Herausforderungen? (Ich habe den Eindruck, du hast einen etwas größeren Einblick als ich, daher interessiert mich da deine Sichtweise)
Ich meine damit alle digitalen Spiele. Ob es sich um narrative Spiele oder machanische Herausforderungen handelt, ist dabei unerheblich, weil die Interaktivität an erster Stelle steht. Das ist genau das, was Wolfgang in der Kolumne angesprochen hat. Das Spiel stellt einen Raum zur Verfügung, der nur entsteht, wenn Spieler*innen ihn betreten, in ihm agieren. Eine bekannte Medienform, die nach genau diesem Prinzip funktioniert ist das Theater und in besonderem Maße das Performace-Theater. Einen Roman oder einen Film können Zuschauer*innen nicht durch Interaktion beim Lesen oder Schauen beeinflussen. Ein Theaterstück wird erst durch das Publikum zu einem Theaterstück. Das Spiel erst durch Spieler*innen zum Spiel. Folgendes Buch vertieft sich in diese Thematik: https://www.transcript-verlag.de/978-3- ... 376-4002-1

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Sebastian Solidwork
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von Sebastian Solidwork »

bluttrinker13 hat geschrieben: 31. Jan 2019, 17:37
drgonzo hat geschrieben: 31. Jan 2019, 15:53 Innerhalb des Poststrukturalismus gibt es zur Instanz des Autors unterschiedliche Positionen, da hilft zum Einstieg auf jeden Fall der Wikipediaeintrag weiter.
Ist jetzt nicht gegen oder an dich gerichtet, sondern an diesen "Begriff" des "Poststrukturalismus" generell, den liest man hier ja öfter.

Unbedingt auch diesen Teil des Wiki-Artikels beachten: https://de.wikipedia.org/wiki/Poststruk ... mus#Kritik !

Will sagen, ich habe noch nie jemanden getroffen, der diesen Begriff klar erläutern, definieren oder einstimmend mit anderen erklären kann. Jeder erzählt einem da was anderes, und die meisten Philosophen (bzw. Studierenden) die ich darüber befragt habe verdrehen nur die Augen. Ein daher meines Erachtens mindestens nicht-hilfreicher, schlimmstens überflüssiger und verwirrender Begriff.

Strukturalismus, bspw in der wissenschaftlichen Theoriebildung nach Stegmüller oder Westermann, ist da was ganz anderes.

Sorry fürs offtopic.
Danke für die Info. :)
drgonzo hat geschrieben: 31. Jan 2019, 15:53 Innerhalb des Poststrukturalismus gibt es zur Instanz des Autors unterschiedliche Positionen, da hilft zum Einstieg auf jeden Fall der Wikipediaeintrag weiter.
Mir geht es weniger darum was jetzt Poststrukturalismus genau ist, als mehr um das Konzept 'Der Autor ist tot' in dem man ein Werk nur für sich betrachtet und sich nicht vom Aussagen des Autor beeinflussen lässt (in dem man sich erst gar nicht nachfragt).
Und ich denke das tun genügend Rezensionen jetzt schon.
Daher wundert es mich, dass Herr Freund so vehement Autoren bei Spielen fordert, wo doch auch schon Filme und Bücher rezensiert werden, ohne das man ein Wort vom Autor gehört hat. Selbst in "seinen" bisherigen Medien ist das kein muss. Weiß da jemand mehr?
drgonzo hat geschrieben: 31. Jan 2019, 15:53 Was verstehst du unter narrativer Interaktivität? Choose you own adventure?
Ich beziehe mich darauf was Nachtfischer hier als dynamische (z.B. Dwarf Fortress oder This War of Mine) und explorative Gesichten (z.B. Gone Home oder What Remains of Edith Finch) bezeichnet.
Bei einer typischen mechanischen Herausforderung wie einen Strategiespiel oder einem Multiplayershooter geht es darum die Regeln eines abstrakten Systems zu lernen und die hingeworfenen Herausforderungen zu bestehen (bei MP-Shooter durch andere Spieler). Oder halt auch im ersten Schritt mal nicht. Man verliert, lernt und wird besser. Jede einzelne Aktion hat eine gewisse Bedeutung, weil von ihr der Spielausgang mit abhängt.
What Remains of Edith Finch ist für mich das plakativste Beispiel (aber auch eine spezielle Art) was narrativer Interaktivität ist (als eine mögliche Form). Hier kann man nicht verlieren und einzelne Aktionen ändern daran nichts, höchstens dauert es mal länger. Statt dessen geht es darum über die Steuerung sich in die Situation des Charakter hinein zu versetzen und das gleiche Erleben wir er zu haben.
This War of Mine ist ein Geschichtengenerator. Er hat viele kleine Schnibsel von denen unterschiedliche, je nach Aktion des Spielers, zu einer Gesichte aneinander gehängt werden. Zwar können hier auch alle Charaktere sterben, aber bis dahin hat man auch ein gewisse Geschichte erlebt.

Das Gegenbeispiel sind Spiele die ihre Gesichten mit Cutszenen erzählen. Das sind Filme, keine Interaktivität.
Und im klassischen "Story-driven"-Shooter hat man auch mechanische Herausforderungen die man verlieren kann. Diese Stellen eine Hürde beim erfahren der Gesichte da (wo gibt es das bei WRoEF, Büchern oder Filmen?). Oder den Leuten, die die Herausforderungen gefällt, stört die Geschichte.

Das ist alles noch vergleichsweise neu und gewöhnungsbedürftig.
Wie verständlich war das für dich?

Länger soll es dazu hier nicht werden. In diesem Thread möchte ich beim Thema des Wortreiches bleiben.

Edit: @Ricer deinen Kommentar sehe ich gerade beim Absenden. Ich antworte die Tage.
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von drgonzo »

Sebastian Solidwork hat geschrieben: 31. Jan 2019, 23:00 Mir geht es weniger darum was jetzt Poststrukturalismus genau ist, als mehr um das Konzept 'Der Autor ist tot' in dem man ein Werk nur für sich betrachtet und sich nicht vom Aussagen des Autor beeinflussen lässt (in dem man sich erst gar nicht nachfragt).
Genau deshalb ja mein Hinweis auf die verschiedenen Positionen hinsichtlich der Instanz des Autors, z.B. Roland Barthes "Der Tod des Autors" oder Michel Foucault "Was ist ein Autor?" Randbemerkung: interessant ist übrigens, folgt man der Position Barthes', kann der Akt des Lesens durchaus als interaktiv bezeichnet werden.
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Ricer
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von Ricer »

drgonzo hat geschrieben: 1. Feb 2019, 09:48
Sebastian Solidwork hat geschrieben: 31. Jan 2019, 23:00 Mir geht es weniger darum was jetzt Poststrukturalismus genau ist, als mehr um das Konzept 'Der Autor ist tot' in dem man ein Werk nur für sich betrachtet und sich nicht vom Aussagen des Autor beeinflussen lässt (in dem man sich erst gar nicht nachfragt).
Genau deshalb ja mein Hinweis auf die verschiedenen Positionen hinsichtlich der Instanz des Autors, z.B. Roland Barthes "Der Tod des Autors" oder Michel Foucault "Was ist ein Autor?" Randbemerkung: interessant ist übrigens, folgt man der Position Barthes', kann der Akt des Lesens durchaus als interaktiv bezeichnet werden.
Richtig, weil den Leser*innen eigene Interpretationen des Werkes zugestanden werden und jede*r Leser*in mit anderen Vorerfahrungen an ein Werk tritt. An dieser Stelle haben zum Beispiel Schulen mit sehr autorenlastigen Interpretationsansätzen keine gute Grundlage für den "interaktiven" Umgang mit Texten und Sprache gelegt.
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von ZiggyStardust »

Apropos, Feuilleton und Spiele. Was haltet ihr von folgenden Artikel?
Die folgenreichste Kühnheit des Ubisoft-Entwicklerteams dürfte allerdings in der spürbaren Lust an der Farbenpracht der griechischen Welt liegen. Indem sie Gewänder, Tempel und Skulpturen zu einem hohen Anteil überaus bunt gestaltet haben, imitierten sie die „barbarische Sitte des Bemalens von Marmor und Stein“ (Johann Joachim Winckelmann). Statt auf edles, reines Weiß stoßen Millionen Videospieler weltweit auf kräftige Blau-, Rot- und Grüntöne. Damit trägt das Spiel dem Stand der Wissenschaft Rechnung, wonach die Polychromie die allgemeine griechische Sitte war. Erstaunlich selbstbewusst bricht das Spiel mit der klassizistischen Vorstellung, die alten Griechen seien in weißem Marmor umherwandelnde Idealmenschen gewesen.

Aber reichen solche punktuellen Maßnahmen an die Farbenpracht der alten Welt heran? Das Antikenbild der breiten und insbesondere jungen Öffentlichkeit werden die Museen damit jedenfalls nur schwer reformieren können. „Assassin’s Creed Odyssey“ könnte diese Aufgabe erfüllen, weil damit zum allerersten Mal die Erzeugnisse griechischer Kultur in der Lebenswelt Jugendlicher und junger Erwachsener überaus lebhaft und bunt auftreten. Von diesem Punkt aus gibt es kaum noch einen Weg zurück zur Selbstverständlichkeit des weißen Marmors, dem „verbreitetsten Missverständnis in der Geschichte westlicher Kunst“, wie Mark Abbe, Professor für antike Kunst an der University of Georgia, das Phänomen bezeichnet.
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ ... 01228.html
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von philoponus »

bluttrinker13 hat geschrieben: 31. Jan 2019, 17:37 Unbedingt auch diesen Teil des Wiki-Artikels beachten: https://de.wikipedia.org/wiki/Poststruk ... mus#Kritik !
Ich habe da vor vielen Jahren mal einen kleinen Essay dazu geschrieben:

Die Errungenschaften der Postmoderne als Theorie
Eine philosophische Kritik


http://www.erlangerliste.de/ressourc/postmod.html
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von bluttrinker13 »

philoponus hat geschrieben: 1. Feb 2019, 12:21 Ich habe da vor vielen Jahren mal einen kleinen Essay dazu geschrieben:

Die Errungenschaften der Postmoderne als Theorie
Eine philosophische Kritik


http://www.erlangerliste.de/ressourc/postmod.html
Sehr interessant, vielen Dank. Werde ich mir mal in Ruhe anschauen.
Wolfgang Walk
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von Wolfgang Walk »

ZiggyStardust hat geschrieben: 1. Feb 2019, 12:13 Apropos, Feuilleton und Spiele. Was haltet ihr von folgenden Artikel?

(snip)

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ ... 01228.html
Habe den Artikel selbst in einer Facebook-Gruppe geteilt, aber der Anfang stellt natürlich auch schon wieder die immer selben Dünkel heraus:
"Als Heinrich Wölfflin 1899 mit Blick auf die Kunst der italienischen Renaissance schrieb, dem Wort „klassisch“ hafte etwas „Erkältendes“ an und man fühle sich, wenn es erklinge, „von der lebendigen bunten Welt hinweggehoben in luftleere Räume, wo nur Schemen wohnen, nicht Menschen aus rotem, warmen Blut“, konnte er kaum ahnen, dass 119 Jahre später ausgerechnet die Unterhaltungsindustrie dieses Vorurteil aus der Welt schaffen könnte. Ein Videospiel namens „Assassin’s Creed Odyssey“ erobert derzeit den Weltmarkt." (Hervorhebung WW)

Ausgerechnet!

Denn klar: dass Unterhaltung und Aufklärung eine Schnittmenge haben, das ist ja an und für sich schon etwas Unerhörtes. Dieser elende, arrogante Reflex, U als unterlegen im Dienste der Aufklärung anzusehen, der scheint unausrottbar. Als gäbe es nicht auch im E-Bereich im Zweifelsfall jede Menge dummen, unaufgeklärten Schrott, und als hätte der U-Bereich nicht spätestens mit dem Bestseller-Autor Heinrich Heine schon 60 Jahre vor Wölfflin seine aufklärerische Potenz gezeigt.
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von Ricer »

Wolfgang Walk hat geschrieben: 4. Feb 2019, 11:40 Ausgerechnet!

[...] Dieser elende, arrogante Reflex, U als unterlegen im Dienste der Aufklärung anzusehen, der scheint unausrottbar. Als gäbe es nicht auch im E-Bereich im Zweifelsfall jede Menge dummen, unaufgeklärten Schrott, und als hätte der U-Bereich nicht spätestens mit dem Bestseller-Autor Heinrich Heine schon 60 Jahre vor Wölfflin seine aufklärerische Potenz gezeigt.
Ausgerechnet!

Ist es in diesem Kontext nicht eher das Spiel (eines jungen Autoren) mit dem Vorurteil, auf dem der komplette weitere Text aufbaut und es für unsinnig erklärt, wenn er am Ende nicht von Unterhaltung, sondern von "Kultur in der Lebenswelt" spricht? Ohne "ausgerechnet" funktioniert der Text nicht.
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Sebastian Solidwork
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von Sebastian Solidwork »

Ricer hat geschrieben: 31. Jan 2019, 22:54
Sebastian Solidwork hat geschrieben: 31. Jan 2019, 09:59 Ich dachte genau darum geht es. Zu mindestens bei Betrachtung des Werkes. Oder was missverstehe ich?
Ich will nicht sagen, dass man das immer machen muss. Es ist ein von zwei Möglichkeiten. Jedem was er bevorzugt.
Gibt es Feuilleton-Redakteure die den Poststrukturalismus praktizieren? Sind es nicht viele Rezensionen die sich nur mit dem Werk beschäftigen?
Du kannst es halt nicht trennscharf in Schubladen packen.
Mit den zwei Möglichkeiten wollte ich ausdrücken, dass es hier kein Wahr und Falsch gibt. Jeder hat die Wahl.
Und vermutlich gibt es hier ein breites Spektrum zwischen zwei Extrempunkten.
Ricer hat geschrieben: 31. Jan 2019, 22:54
Sebastian Solidwork hat geschrieben: 31. Jan 2019, 09:59
Ricer hat geschrieben: 31. Jan 2019, 08:22 Und das Klischee der Künster*innen von Spielen ist ja schon, dass eher so ganz deepe Emotions gefeelt werden sollen, die die Leute touchen und da catchen wo sie stayen!
Ich glaube Klaus Teuber würde das nicht auf sich zutreffend sehen :D Was meinst du? Ist das dein Klischee oder meinst du, dass von Feuilleton-Redakteuren (und noch vielen anderen)?
Ich bezog mich auf digitale Spiele. Und das Klischee ist eines, dass oft in Auseinandersetzungen mit David Cage oder UbiSoft-Spielen zutage tritt.
Ich sehe digitale Spiele das weiter führen, was ein paar Jahrzehnte (?) früher die analoge begonnen haben. Daher die Erwähnung von Klaus Teuber.

David Cage... dieses Holzhammerding ist auch nicht meiner Art.
Ricer hat geschrieben: 31. Jan 2019, 22:54
Sebastian Solidwork hat geschrieben: 31. Jan 2019, 09:59 Schon narrative Interaktion sehe ich anderes funktionierend. Als Videospiel kommen da WhatRemainsOfEdithFinch oder Gone Home einigermaßen ran.[...] Und die schon längere bekannten mechanischen Herausforderungen sind eine komplett andere Ausrichtung. Schach, Go, Risiko, Siedler von Catan, Poker, etc.
Ja, das hatten wir doch mit den Narrauthors und den Simauthors angesprochen.
Nach dem das Klischee eh nicht von dir ist, passt das.
Ricer hat geschrieben: 31. Jan 2019, 22:54
Sebastian Solidwork hat geschrieben: 31. Jan 2019, 09:59 Eine gesamtgesellschaftlicher Anspruch scheint mir in der heutigen Zeit der Vielfältigkeit und vielen großen "Nischen" sehr anspruchsvoll zu sein. Vielleicht gar unerfüllbar, weil er nur die, schon nicht kleine, Spitze des Eisberges behandeln kann?
Der gesamtgesellschaftliche Anspruch des Mediums entsteht doch durch die Vielfalt des Mediums!
Hilft halt nichts, wenn der Anspruch aus einer Zeit stammt, als die Vielfalt noch überschaubarer war.
Wir haben schon Nischen in unserer Nische, die nur kleine Gruppen kennen ("Wer macht den sowas?" als Beispiel). Wie soll da ein Feuilleton noch den Überblick behalten? (Die Frage ist eher ans Feuilleton gestellt, den an dich persönlich)
Ricer hat geschrieben: 31. Jan 2019, 22:54 Ich meine damit alle digitalen Spiele. Ob es sich um narrative Spiele oder machanische Herausforderungen handelt, ist dabei unerheblich, weil die Interaktivität an erster Stelle steht. Das ist genau das, was Wolfgang in der Kolumne angesprochen hat. Das Spiel stellt einen Raum zur Verfügung, der nur entsteht, wenn Spieler*innen ihn betreten, in ihm agieren. Eine bekannte Medienform, die nach genau diesem Prinzip funktioniert ist das Theater und in besonderem Maße das Performace-Theater. Einen Roman oder einen Film können Zuschauer*innen nicht durch Interaktion beim Lesen oder Schauen beeinflussen. Ein Theaterstück wird erst durch das Publikum zu einem Theaterstück. Das Spiel erst durch Spieler*innen zum Spiel. Folgendes Buch vertieft sich in diese Thematik: https://www.transcript-verlag.de/978-3- ... 376-4002-1

Herzliche Grüße!
Ich zweifel gar nicht daran, dass du generell erst mal alle Interaktivitäten meinst. Nur klingt das Beispiel des Performace-Theater für mich nach einem narrativen Spiel.
Ich denke es hilft beim Verständnis von Interaktivität schon früh zwischen narrativer und mechanischer zu unterscheiden. Dann kann man mit konkreten Beispiel besser das allgemein gültige Prinzip der Interaktion erklären. Wenn man hier Beispiel mischt, erschwert das mMn das Verständnis.

Wie sehr erhält den das Performace-Theater Aufmerksamkeit vom Feuilleton?
Danke für den Buchtip.


Natürlich auch Richtung Wolfgang schielend, will ich meine Punkte noch mal zusammenfassen und zur Diskussion stellen:
1. Mit dem Postrukturalismus gibt es auch in den bisher vom Feuilleton beachteten Medien eine Strömung die den Autor als weniger wichtig erachtet. Das ist sehe ich jetzt nicht exklusiv etwas der Interaktivität an.
2. Schon die analoge Interaktivität, in Form von z.B. Brettspielen, Pen&Paper-Rollenspielen und LARPs, wird vom Feuilleton kaum gewürdigt (soweit ich es mitbekomme, was nicht viel ist).
3. Mit den ersten beiden Punkten, und unserer beklagten Ignoranz digitaler Interaktivität, scheint das Feuilleton vor ein Herkulesaufgabe zu stehen einem gesamtgesellschaftlich Anspruch gerecht zu werden. (Wie) Kann es das überhaupt schaffen? Oder wäre es nicht besser diesen Anspruch aufzugeben? Und wir arbeiten uns daran auch nicht mehr ab? Und können wir es auch vielleicht einfach ignorieren, weil es für Spieler eine geringe Bedeutung hat und es ein digitales/Interaktives Gegenstück geben wird? Eine besser Trennung im Digitalen zwischen reinen Technikthemen und Kultur wäre wünschenswert. Am Ende wird es wohl eine Mischung, ein Austausch brächte vermutlich beiden Seiten voran.
Was übersehe ich? Was findet ihr interessant?
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von drgonzo »

Sebastian Solidwork hat geschrieben: 4. Feb 2019, 23:46 3. Mit den ersten beiden Punkten, und unserer beklagten Ignoranz digitaler Interaktivität, scheint das Feuilleton vor ein Herkulesaufgabe zu stehen einem gesamtgesellschaftlich Anspruch gerecht zu werden. (Wie) Kann es das überhaupt schaffen? Oder wäre es nicht besser diesen Anspruch aufzugeben? Und wir arbeiten uns daran auch nicht mehr ab? Und können wir es auch vielleicht einfach ignorieren, weil es für Spieler eine geringe Bedeutung hat und es ein digitales/Interaktives Gegenstück geben wird? Eine besser Trennung im Digitalen zwischen reinen Technikthemen und Kultur wäre wünschenswert. Am Ende wird es wohl eine Mischung, ein Austausch brächte vermutlich beiden Seiten voran.
Was übersehe ich? Was findet ihr interessant?
Von wo/wem wird denn dieser vermeintlich gesamtgesellschaftliche Anspruch - und was formuliert der überhaupt - an das Feuilleton herangetragen? Eine Trennung von Technik und Kultur herbeizuführen wäre meines Erachtens wenig produktiv; Kultur ist inhärent technisch konstituiert (siehe z.B. Schreiben, Lesen, Malen, Spielen, ...,). Alle anderen Punkte verstehe ich so nicht, hier wären weitere Erläuterungen hilfreich.
Stuttgarter
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von Stuttgarter »

Woher kommt überhaupt der Glaube, das Feuilleton müsse alles abdecken, was in einer Sparte erscheint?

Bei Kinostarts kriegen sie das vermutlich hin - recht überschaubarer Release pro Woche. Schon bei Theaterpremieren wirds dann aber schwierig - nicht jedes Stück, das Premiere hat, wird auch besprochen (weiß ich aus Erfahrung - als echt kleines Theater musst Du sehr gute Connections haben, um nen Kritiker in Dein Haus zu bekommen). Und wenn wir dann zu Musikveröffentlichungen, Serien oder gar Büchern kommen - kein Feuilleton der Welt dürfte den Anspruch haben, alles abzudecken, was erscheint. Sondern die Redakteure suchen sich das raus, was ihnen interessant/relevant vorkommt.

Was die reinen Spielemagazine im übrigen ja auch tun. Die Zeiten, in denen praktisch jeder Release gewürdigt wurde, waren schon lang vor der Steamschwemme vorbei.

Es stellt überhaupt kein Problem dar, wenn das Feuilleton nur auf einzelne Spiele eingeht. Statt auf die gesamte Landschaft.
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Sebastian Solidwork
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von Sebastian Solidwork »

Stuttgarter hat geschrieben: 5. Feb 2019, 11:51 Woher kommt überhaupt der Glaube, das Feuilleton müsse alles abdecken, was in einer Sparte erscheint?
Das frage ich mich auch :) Details siehe unten.
Wobei "alle" hier wohl gerade das entgegen gesetzt Ende des möglichen Spektrums darstellt.
Stuttgarter hat geschrieben: 5. Feb 2019, 11:51 Es stellt überhaupt kein Problem dar, wenn das Feuilleton nur auf einzelne Spiele eingeht. Statt auf die gesamte Landschaft.
Hier verstehe ich die Kritik (vor allem von Wolfgang) so, dass es das unzureichend tut. Es sind im Verhältnis zu anderen Medien zu wenige. Und auch nicht seiner Eigenart, der Interaktivität, gerecht werdend.
drgonzo hat geschrieben: 5. Feb 2019, 10:29
Sebastian Solidwork hat geschrieben: 4. Feb 2019, 23:46 3. Mit den ersten beiden Punkten, und unserer beklagten Ignoranz digitaler Interaktivität, scheint das Feuilleton vor ein Herkulesaufgabe zu stehen einem gesamtgesellschaftlich Anspruch gerecht zu werden. (Wie) Kann es das überhaupt schaffen? Oder wäre es nicht besser diesen Anspruch aufzugeben? Und wir arbeiten uns daran auch nicht mehr ab? Und können wir es auch vielleicht einfach ignorieren, weil es für Spieler eine geringe Bedeutung hat und es ein digitales/Interaktives Gegenstück geben wird? Eine besser Trennung im Digitalen zwischen reinen Technikthemen und Kultur wäre wünschenswert. Am Ende wird es wohl eine Mischung, ein Austausch brächte vermutlich beiden Seiten voran.
Was übersehe ich? Was findet ihr interessant?
Von wo/wem wird denn dieser vermeintlich gesamtgesellschaftliche Anspruch - und was formuliert der überhaupt - an das Feuilleton herangetragen?
Diese, dir wohl entgangene (?), Grundlage wurde hier im Thread geschaffen:
- Von Wolfgang hier und auch in der Kolumne selbst (Nach "Kulturseite" suchen. Ich weiß nicht wie sehr Zitate erlaubt sind, daher lasse ich sie gerade weg)
- Und Phazonis antwortet mir auf die gleiche Frage, das es der selbst definierte Anspruch des Feuilleton ist.
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Ricer
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von Ricer »

Sebastian Solidwork hat geschrieben: 4. Feb 2019, 23:46
Ricer hat geschrieben: 31. Jan 2019, 22:54 Ich meine damit alle digitalen Spiele. Ob es sich um narrative Spiele oder machanische Herausforderungen handelt, ist dabei unerheblich, weil die Interaktivität an erster Stelle steht. Das ist genau das, was Wolfgang in der Kolumne angesprochen hat. Das Spiel stellt einen Raum zur Verfügung, der nur entsteht, wenn Spieler*innen ihn betreten, in ihm agieren. Eine bekannte Medienform, die nach genau diesem Prinzip funktioniert ist das Theater und in besonderem Maße das Performace-Theater. Einen Roman oder einen Film können Zuschauer*innen nicht durch Interaktion beim Lesen oder Schauen beeinflussen. Ein Theaterstück wird erst durch das Publikum zu einem Theaterstück. Das Spiel erst durch Spieler*innen zum Spiel. Folgendes Buch vertieft sich in diese Thematik: https://www.transcript-verlag.de/978-3- ... 376-4002-1

Herzliche Grüße!
Ich zweifel gar nicht daran, dass du generell erst mal alle Interaktivitäten meinst. Nur klingt das Beispiel des Performace-Theater für mich nach einem narrativen Spiel.
Ich denke es hilft beim Verständnis von Interaktivität schon früh zwischen narrativer und mechanischer zu unterscheiden. Dann kann man mit konkreten Beispiel besser das allgemein gültige Prinzip der Interaktion erklären. Wenn man hier Beispiel mischt, erschwert das mMn das Verständnis.
Wie wäre es mit diesem basalen Ansatz, in Anlehnung an Narrauthors und Simauthors, für die Unterscheidung!

Theater:
Narrativ - du folgst den Regieanweisungen
Mechanisch - du improvisierst (oft mit einem vorgegebenen Set an Regeln; manchmal auch völlig frei, was ein gehöriges Eskalationspotenzial mit sich bringt)

Musik:
Narrativ - du spielst deine Partitur
Mechanisch - du hast sieben Noten und machst was draus

Feddich :)
Strohhalm
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von Strohhalm »

Zitat von Wolfgangs Walks Rubrik "Was fehlt, ist nicht der Autor" vom 23.01.19:
“Game Designer stellen eine Frage – und die will beantwortet werden. Wir konstruieren ein Problem – und erwarten vom Spieler, dass er die Lösung dazu findet. Wir schaffen Dialog. Wir schaffen Debatte. Und wenn das Design gelingt, dann ist diese Debatte herausfordernd, intellektuell aufrichtig und bereichernd.”

Das ist eine so kluge Aussage, dass ich die ganze Zeit schon drüber nachdenke:
WELCHE FRAGE(N) STELLT DAS SPIEL?
Um die Frage an ein Spiel stellen zu können, muss ich überhaupt erstmal Fragen stellen können. Ich muss das Spiel erlebt haben.
WIE WIRKT DAS SPIEL AUF MICH?
Was löst es in mir aus? Was macht das Spiel mit mir? Bin ich entspannt oder irritiert?
WAS WILL DAS SPIEL MIR SAGEN?
Welchen Inhalt hat es? Welche Konsequenzen vermittelt es?

Die allermeisten Spiele stellen die Frage des Überlebens und der Evolution. Mach den Gegner tot, bevor er dich tot macht. Damit erzählen die meisten von der Gameplaymechanik her, die Steinzeitgeschichte. Sichere das Überleben durch Reiz-Reaktionsverbesserung oder durch Ressourcenmanagement und Strategie (Entscheidungen). Oft wird das ganze dann in ein anderes Narrativ verpackt. Bleibt aber im Kern gleich. Ob ich gegen Soldaten, Zombies oder Alien kämpfe, ändert nix daran, dass mein Ziel das Überleben ist. Ziel=Gewinnen=Überleben.
Auch wenn die Gegner die Zeit, Umwelteinflüsse oder andere Spieler sind. Töte bevor es dich tötet. Survival of the fittest.

Aber was macht das Setting mit mir? Was macht es für ein Unterschied, was ich über die Gegner weiß? Welcher Kontext bietet der Kontent? Macht das Spiel mich nachdenklich? Berührt es mich? Gibt es etwas, über das ich “reden” will? Das hängt doch meist ausschließlich am Narrativ? Kann man über "Super Mario" genauso viel nachdenken und berührt sein, wie über "The Last of Us"?

Welchen Eindruck hat das Spiel gemacht? Wie interpretiere ich es? Was gibt mir die Ästhetik? Wie erlebe ich es? Mit den Augen, Ohren und Fingern? Oder dem Muskelkater durch VR? Das sind doch hauptsächlich Fragen an das Design?

Und was ist mit den ganzen Ambience Games/Walkingsims und Adventures? Stellen die bessere Fragen als Fernsehserien oder Bücher? Gleicher Inhalt, nur mit Rätselhindernisse? Bietet hier die Interaktionsmöglichkeit wirklich einen Mehrwert? Stellt also “Detroit Become Human” andere Fragen als die Serie “Real Humans”? Was bedeutet es eigene Entscheidungen treffen zu können, die Auswirkungen auf das Ende haben? Was macht das aus einem Werk? Sind also die Fragen gleich, nur die Präsentationsform, die Verpackung, das Medium ein anderes? Sind Spiele gleich oder besser geeignet als andere Medien, um Fragen zu stellen?

WER beantwortet die Fragen? (Spiele-) Journalisten sehr selten. Wenn die Grafik top ist und das Bewertungsschema abgehakt ist, fällt denen doch kaum was ein. Deshalb Lets plays, weil da mehr Gedanken und Emotionen rüberkommen? Wir lernen doch gerade erst über Spiele zu sprechen, aber setzen uns kaum mit ihrem Inhalt und den Fragen die sie stellen auseinander. Weil wir objektiv sein wollen? Was hat dieses Spiel in dir ausgelöst? Was hat es mit dir gemacht, diesen Inhalt zu konsumieren? Fragen sich das Journalisten? Oder muss man da Philosoph sein? Vielleicht verstehen wir Spiele nicht und das was sie mit uns machen. Vielleicht haben wir noch nicht gelernt den Spielen zuzuhören, wenn sie zu uns sprechen. Vielleicht haben wir noch nicht gelernt die richtigen Fragen zu stellen. Vielleicht finden wir keine Worte, um Spielerfahrungen beschreiben zu können. Vielleicht sind wir noch meilenweit davon entfernt eine Antwort geben zu können.

Eure Strohi
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hightower
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Re: Wortreich: Was fehlt, ist nicht der Autor

Beitrag von hightower »

@Strohi, interessante Gedanken, fast schon Wolfgang like. Als Konsument und Spieler habe ich mir diese Fragen noch nie bewusst gestellt. Von einem Spiele-Jounrnalisten sollte man dies zum Teil aber erwarten.

Wenn man alle die Fragen und noch weitere beantwortet kann man vielleicht ergründen warum ein Spiel beim Spieler ankommt oder nicht. Warum ein Spiel erfolgreich ist oder floppt. Alle Fragen sollte zumindest der Game Designer für sich beantworten. Und das während der ganzen Entwicklung eines Spieles.
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