Das Problem mit (letztlich) Whataboutism ist nunmal, dass man dann über gar nix berichten dürfte, gegen gar nichts protestieren dürfte, sich gegen gar nichts wehren dürfte. Denn es gibt immer irgendwas andres, was schlimmer, wichtiger, dringlicher wäre.olipool hat geschrieben: ↑4. Mär 2019, 09:56
Das ist ohne Frage eine schreckliche Geschichte, die es garantiert zu Hauf gibt (was es jetzt schlimmer und nicht besser macht).
Aber da möchte ich doch mal wissen, welche Berichterstattung sich in den letzten Wochen um dieses Thema gekümmert hat? Vermutlich überschaubar. Aber jetzt mit THQ kann man sich mal schnell und einfach, ohne großen Aufwand positionieren. Und geht es den Publikationen wirklich um dieses Thema oder um Abgrenzung?
Wie gesagt, meine Meinung soll in keinster Weise Anspruch auf Richtigkeit oder Allgemeingültigkeit haben. Ich bin lediglich generell unglücklich über Presse/Nachrichten. Mir fällt als Parallele auch die WM in Russland ein. Schlimme Arbeitsbedingungen, sklavenartige Verhältnisse? Ach na komm, soll doch in erster Linie um Fußball gehen, berichten wir mal kurz aber dann bitte auf die Titelseite wie Deutschland gespielt hat. Wird irgendwo gehäuft über moderne Sklaverei (inkl. verschleppter Kinder für Pornographie) berichtet, in einem Außmaß, dem der Dringlichkeit gerecht würde? Ich glaube nicht. Weil am Thema gar nicht das große Interesse besteht (bei Presse und Leserschaft). Daher FÜHLT sich die THQ Debatte eben so falsch für mich an, weil es nicht um die schlimmen Dinge auf 8chan geht sondern um jemanden, der diese schlimmen Dinge "ja bestimmt gutheißen muss". Es ist in erster Linie ein "Opfer" gefunden, das Verfehlungen begangen hat.
Man könnte ja nun auch fragen, warum so viele Leute noch nie von 8chan gehört haben, nicht wissen, dass Sklaverei nicht abgeschafft ist und Kinder für Pornos verschleppt werden. Aber dass viele Leute jetzt wissen, dass THQ ja mal der richtig schwarze Peter in der Branche ist. Das meinte ich mit meiner persönlichen Wichtigkeitsskala. Was THQ gemacht hat, ist doch Pillepalle im Vergleich. Und ja, es triggert bei manchem schlimmste Erinnerungen und es ist auch nicht schön zu reden.
Aber ist es nicht für das oben zitierte Opfer kinderpornographischer Taten nicht ein noch viel größerer Schlag ins Gesicht, JEDEN Tag, wenn die Headline auf Seite 1 ist: Trump furzt auf Pressekonferenz. Oder: Madonna zeigt Nippel auf Konzert. Oder: Deutsche Bank mit Rekordgewinn.
Mit anderen Worten: halt die Klappe, deine Story ist nicht wichtig.
Ich seh in sowas dann lieber eine Chance. Wenn THQ wegen Kinderpornographie in die Schlagzeilen kommt und sich dann auch betroffene Opfer zu Wort melden, besteht die Chance, dass die Opfer Gehör finden. Und ein weiteres Tabuthema mehr und mehr ins öffentliche Bewusstsein gerät. So kann die Gesellschaft Stück für Stück sensibilisiert werden. Das wird vermutlich nicht jetzt sofort passieren, die Erfahrung zeigt, dass Gesellschaften die wirklich unangenehmen Themen gern so lang wie möglich ignorieren. Aber es sind nunmal die kleinen Tropfen, die irgendwann doch ein Fass zum Überlaufen bringen. Die irgendwann ein vehementes "Jetzt reichts!" bewirken. Die THQ-Story wird auf lange Sicht vermutlich so ein Tropfen sein.
Beispiele für so "Tropfensammlungen" gibt es zuhauf - Alltagsrassismus von Polizeibeamten in den USA, Alltagssexismus gegenüber Frauen, die sexuelle Ausnutzung von Machtverhältnissen, um nur ein paar der letzten Jahre zu nennen. Lauter Themen, die alle unterm Tisch gehalten wurden - bis irgendwann eben eine Meldung zuviel erschienen ist und es nicht mehr unterm Tisch bleiben konnte.
Der Job der Presse ist es, das Geschehen zu dokumentieren. Ob daraus dann eine gesellschaftliche Debatte wird, liegt letztlich nicht in ihrer Hand. Allerdings tust Du "der Presse" auch ein wenig Unrecht - zwar ist es richtig, dass sich viele Artikel nur auf die absolut akkute Schlagzeile beziehen. Eine gute Zeitung oder auch ein special interest-Magazin hat aber sehr wohl auch eine Unterabteilung, in der dann Hintergründe umfassender aufgearbeitet werden. Konkret in dem Beispiel: Du kannst sicher nicht erwarten, dass in der Spielepresse, ausgehend von THQ, ein Hintergrundartikel zur Kinderpornographie auftauchen wird. Es ist aber durchaus denkbar, dass die ZEIT oder auch die Süddeutsche den Vorfall zum Anlass nehmen, darüber allgemein zu schreiben. "Die Spielepresse" tut das bei anderen Themen übrigens genauso - siehe den Magazinteil der Gamestar, in dem zum einen 2014 ein sehr langer, gut recherchierter Artikel zu "Gamergate" erschienen ist, zum anderen auch zB nach Erscheinen von KC:D eine gründliche Untersuchung veröffentlicht wurde, wie KC:D nun tatsächlich historisch zu bewerten ist.
"Die Presse" erledigt ihren Job in der Regel durchaus. Es ist tatsächlich das mangelnde Interesse der Leser, das einer größeren Debatte oft im Weg steht.