Stratos hat geschrieben: ↑17. Mär 2019, 05:42
In Bezug auf Kinderpornographie ist es aber auch so, dass nur "tatsächliche" und "wirklichkeitsnahe" Darstellungen unter ein Besitzverbot fallen (§ 184b StGB), bei Jugendpornographie, also 14 bis 18 Jahre, gar nur "tatsächliche" Darstellungen(§ 184c StGB). Unter ein Verbreitungsverbot fallen aber klar auch virtuelle Darstellungen, wie auch zum Beispiel auch bei Gewaltdarstellungen nach § 131 StGB. Nun kann man streiten, was "wirklichkeitsnah" ist, aber soweit ich weiß, fallen virtuelle Darstellungen in der Regel nicht darunter; es dürfte auch vor allem um sogenannte Scheinvolljährige gehen, also Nicht-Kinder, die sich als Kinder ausgeben, wie Kinder wirken.
Du schreibst einerseits, dass virtuelle Darstellungen klar unter das Verbreitungsverbot fallen, aber andererseits, dass sie nach Deiner Kenntnis nicht unter "wirklichkeitsnah" subsumiert werden. Das würde sich widersprechen, hast Du Dich eventuell verschrieben?
Übrigens ist es meiner Kenntnis nach nicht korrekt. Die Literatur schließt gezeichnete Humanoide ein (falls Du auf Animes hinausmöchtest), gefestigte Rechtsprechung gibt es allerdings noch nicht. Im Zweifelsfall werden sich die Strafverfolgungsbehörden mutmaßlich auf Straftaten mit Opfern konzentrieren.
Dazu von meiner Seite eine kurze Klarstellung:
"
Auch fiktive Darstellungen von Kindern genügen; mit Ausnahme der Tathandlungen nach Abs. 1 Nr. 1 müssen sie aber wirklichkeitsnah sein. Dies ist der Fall, wenn sie sich einem durchschnittlichen Betrachter anhand des äußeren Erscheinungsbildes als tatsächliche Abbildungen eines Kindes darstellen. Dagegen stellen erkennbar künstliche Produkte wie Zeichnungen, Zeichentrickfilme und Comics, aber auch rein wörtliche Darstellungen kein wirklichkeitsnahes Geschehen dar (BGH NStZ 2013, 642 (643)).
Solche Schriften unterfallen ausschließlich Abs. 1 Nr. 1; Tatgegenstand der Abs. 1 Nr. 2, 3, Abs. 2 und 3 können sie nicht sein. Hinsichtlich des Alters der missbrauchten Person kommt es auch bei fiktiven Darstellungen auf die Einschätzung eines verständigen Beobachters an (BGHSt 47, 55 (62) = NJW 2001, 3558)"
(
Ziegler in: BeckOK StGB, 41. Ed. 1.2.2019, StGB § 184b Rn. 8)
Für ein "Verbreiten" und "öffentliches Zugänglichmachen" (also die Tatbestandsalternative des § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB) reichen also rein fiktive Darstellungen aus: auch Zeichnungen oder bloße Texte - es muss sich "lediglich" um pornographische "Schriften" handeln:
"Keine pornographischen Schriften sind solche, die sexuelle Handlungen von oder mit Kindern schildern, ohne auf sexuelle Erregung ausgerichtet zu sein, zB die Erörterung kindlicher Sexualität in einem Roman oder Film sowie in psychologischen oder sexualmedizinischen Publikationen."
(
Hörnle in: MüKoStGB, 3. Aufl. 2017, StGB § 184b Rn. Randnummer 15)
Und auch zum Thema "
Einschätzungsprärogative" kann ich vielleicht ein bisschen Licht ins Dunkel bringen. Damit ist typischerweise gemeint, dass der Gesetzgeber der Exekutive einen Entscheidungskorridor belässt, den diese eigenverantwortlich ausfüllt und der gerichtlich nur beschränkt überprüfbar ist:
"Der Gesetzgeber ist danach gehalten, vielfältigsten Fallkonstellationen durch eine hinreichende Offenheit der begrifflichen Beschreibung des vom Regelungsinhalt der Norm umfassten Lebensausschnitts Rechnung zu tragen. Legt man die dem deutschen Rechtskreis gebräuchlichste Normstruktur des Konditionalprogramms („wenn …, dann …“) und damit die Unterteilung in Tatbestands- und Rechtsfolgenseite zu Grunde, muss die Tatbestandsseite der Norm, soll sie als „allgemeines Gesetz“ Geltung beanspruchen, einen hinreichenden Abstraktionsgrad aufweisen. Zu diesem Zweck greift der Gesetzgeber auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurück. Dadurch öffnen sich dem Rechtsanwender Optionenräume, die zu unterscheiden sind von denjenigen auf der Rechtsfolgenseite der Norm, bezeichnet gemeinhin als Ermessensermächtigung. Die Ausfüllungsfähigkeit und -bedürftigkeit des tatbestandlichen Optionenraums besagt jedoch nichts über die Frage, inwieweit damit eine Ermächtigung zur letztgültigen Entscheidung einhergeht.
Nur wenn die durch Administrativorgane vorgenommene Tatbestandsausfüllung der Kontrolle durch Gerichte (teilweise) entzogen ist, kann von einer Letztentscheidungsmacht der Verwaltung gesprochen werden. Dies ist in der Regel gemeint, wenn von Beurteilungsspielraum oder Einschätzungsprärogative die Rede ist. Derartige behördliche Letztentscheidungsrechte stehen in einem Spannungsverhältnis zur Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV 1 GG und der Gesetzesbindung der Gerichte nach Art. 20 III, Art. 97 I GG. Verwaltungshandeln unterliegt daher grundsätzlich der vollständigen gerichtlichen Nachprüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Eine Ausnahme von dieser „Vermutung“ bedarf daher einer sorgfältigen Normanalyse im jeweiligen Fall. Diese hat insbesondere zu hinterfragen, welcher Qualität der eingeräumte Beurteilungsspielraum ist, dh ob sich der tatbestandliche Optionenraum auf die Definition und Ausfüllung der Rechtsbegriffe und/oder sogar die Erkenntnis und Bewertung der entscheidungserheblichen Tatsachen erstreckt"
(
Jacob/Lau in: NVwZ 2015, 241, 241 f.)
Es gibt aber auch eine Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers selbst (ausführlich dazu:
Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, 2014). Da ist sie vor allem auch im Bereich der Verhältnismäßigkeit eines Gesetzes relevant: Dem Gesetzgeber wird z.B. bei der Frage der Erforderlichkeit eines Gesetzes (also der Frage, ob es kein gleich geeignetes, milderes Mittel gibt) eine Einschätzungsprärogative zugebilligt (dort häufig auch als "Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum" bezeichnet). Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat 2017
ein Gutachten "Zum Spannungsverhältnis zwischen Deutschem Bundestag und Bundesverfassungsgericht" ausgearbeitet, in dem dieser Aspekt am Rande mit beleuchtet wird, aber insgesamt ganz gut aufzeigt, wo dort Problemfelder liegen.
So, und jetzt erstmal den Podcast hören
