derFuchsi hat geschrieben:Vinter hat geschrieben:
Es ist auch nicht so, als ob ich da nun hochempört wäre. Ich fand die Debatte damals nur irritierend, weil für mich intuitiv klar war, dass man Werke im Kontext ihrer Zeit sehen muss und nicht nachträglich "modernisieren" sollte und ich mich fragte, wer denn bitteschön auf so eine Idee kommt.
Im Kontext seiner Zeit sehen ist ein schöner Stichpunkt.
Die heutzutage geächteten Begriffe wie Neger/Mohr oder Zigeuner waren vor nicht allzu langer Zeit noch garnicht so negativ besetzt wie heutzutage.
Das ergibt sich schon aus dem Kontext. Wer würde z.B. ernsthaft behaupten dass Astrid Lindgren Rassistin war?
1968 sang eine gewisse Alexandra ein romantisches Lied über einen Zigeunerjungen.
Ob der Sarotti-Mohr einen diskriminierenden Hintergrund hatte würde ich auch bezweifeln.
Joachim Herrmann hat Roberto Blanco einen „wunderbaren Neger“ genannt und einen riesen Shitstorm geerntet. Alleine diese zwei Wörter sagen doch eigentlich alles. Der hat das offensichtlich als Lob gemeint und nicht mitbekommen wann dieses Wort aus dem öffentlichen Sprachraum verbannt wurde.
etc...
Waren sicher alles Rassisten und wussten es nur selbst nicht.
Selbst wenn diese Begriffe im Ursprung rassistisch gemeint waren wurden sie im Allgemeinen nicht so benutzt sondern es waren eben gängige Begriffe um Menschen diversen Ethnien zuordnen zu können.
Natürlich war Astrid Lindgren keine Rassistin. Im Gegenteil, ein Mädchen das stolz von sich sagt, dass es eine Negerprinzessin sein will war zu der Zeit sicher etwas sehr rebellisches. Sie war wohl sicher eher der "Gutmensch" der damaligen Zeit.
Und natürlich war es im entsprechenden Kontext auch eine wichtige Botschaft an Kinder. Zu zeigen, dass nichts falsch daran ist eine dunkle Hautfarbe zu haben und man sogar stolz als "Neger" sein kann, auch wenn vielleicht viele Menschen um einen herum andere Dinge behaupten.
Aber ist diese Botschaft heute noch aktuell oder sind wir nicht schon viel weiter? Sind wir nicht von "auch ein schwarzer Mensch kann stolz sein" bei "die Helligkeit der Hautfarbe sollte völlig irrelevant sein" angekommen? So wichtig die Botschaft damals war, wie aktuell ist sie heute noch und inwiefern hat es noch einen Wert einen Begriff zu erhalten, der für viele Dunkelhäutige als schwer beleidigend und herabwertend empfunden wird?
Und ist es sinnvoll, wenn ich meinem Kind diesen Begriff vorlese und dann aber noch erklären muss, dass das Wort heute eine Beleidigung ist und es bitte nicht schwarze Menschen mit "Neger(könig)" ansprechen soll? Südseekönig ist doch ein wirklich schönes Wort, sowohl vom Klang als auch vom Bild her. Warum soll mein Kind eine tolle Geschichte nicht mit einem weitaus weniger negativ behafteten Begriff kennenlernen dürfen?
Der Sarotti Mohr hat halt den klassischen dunkelhäutigen Diener dargestellt. Ich finde schon, dass man sagen kann, dass die Verromantisierung einer solchen Angelegenheit wie Sklaverei es wert ist umgeändert zu werden.
Und Joachim Herrmann? Der Mann, der gesagt hat, dass ein Vergleich zwischen
den Vertriebenen und Flüchtlingen eine Beleidigung der Vertriebenen sei? Auch hier kann man in meinen Augen gerne über die Geisteshaltung dieses Mannes diskutieren.
derFuchsi hat geschrieben:Nebenbei gibt es sogar Betroffene die mit den neuen Begriffen nicht einverstanden sind wie Gruppierungen die weder zu den Sinti noch zu den Roma gehören und daher lieber Zigeuner genannt werden wollen.
Ja, und es gibt orthodoxe Juden die den Staat Israel ablehnen. Und Deutsche, die das Grundgesetz kacke finden.
Was soll mir das sagen? Meinungen und Empfindungen sind halt komplex. Es gibt auch sicher Schwarze die ich "Neger" nennen kann und die dann darüber lachen. Andere wiederum würden mich wohl fragen, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe. Und genauso gibt es Roma, die sich von dem Begriff diskriminiert fühlen. Und angesichts der Historie des Begriffs ist das auch absolut nachvollziehbar.
Es geht hier eben nicht nur um lustige kleine Bezeichnungen. Es geht hier nicht um so harmlose Sachen wie einen Deutschen als "Kartoffel" (apropos, die Reaktionen auf diesen Begriff zeigen auch wie schnell Deutsche dann ganz schnell plötzlich selbst die tief beleidigten sein können) zu bezeichnen. Begriffe wie Neger und Zigeuner haben eine ganz andere (äußerst unrühmliche) Geschichte.
derFuchsi hat geschrieben:Noch was passendes aus der
Wikipedia
"Beispielsweise weist der Philosoph Slavoj Žižek darauf hin, dass sich „politisch korrekte“ Begriffe abnutzten (die Ersatzbegriffe erben mit der Zeit die Bedeutung des Wortes, das sie ersetzen sollten), wenn sie nicht mit einer Veränderung der sozialen Wirklichkeit einhergingen. So sei allein durch eine fortwährende Neuschöpfung von Ersatzbegriffen (wie in dem US-amerikanischen Beispiel Negro – black people – coloured people – African-Americans) noch keine Veränderung erzielt, wenn nicht den Worten eine tatsächliche soziale Integration folge. Die rein sprachliche Prägung immer neuer Begriffe enthülle die Unfähigkeit, die tatsächlichen Ursachen von Rassismus und Sexismus allein durch Sprachpolitik zu überwinden. Zudem entstehe durch die laufende Neuschaffung von Begriffen eine exzessive Struktur, da jeder Begriff durch den folgenden seinerseits unter Diskriminierungsverdacht gestellt und entwertet werde. Dieser Effekt wird auch „Euphemismus-Tretmühle“ genannt. Laut Žižek versuche die Geisteshaltung der „politischen Korrektheit“ durch ihre zirkuläre Selbstbezogenheit alle Spuren der Begegnung mit „dem Realen“ (Lacan) zu beseitigen."
Jo, da kann ich wohl zustimmen. Man verbeißt sich lieber in Diskussionen um Begrifflichkeiten anstatt am Problem selbst zu arbeiten.
Aber Begriffe wie Negro/Neger und black people/Schwarze haben komplett verschiedene Historien. Ich sage auch meist "Dunkelhäutige" oder "Schwarze" und mache mir sonst keinen großen Kopf darum, ob es nicht nen noch schöneren Begriff gibt und musste mir dafür auch noch nie nen dummen Spruch anhören. Aber wie schon weiter oben gesagt, es geht eben nicht einfach nur um nen etwas schöneren Begriff.