Selbstreflexion des Spielverhaltens - Was macht mir eigentlich Spaß?

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Asifluencer
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Selbstreflexion des Spielverhaltens - Was macht mir eigentlich Spaß?

Beitrag von Asifluencer »

Ich hoffe, so einen Thread gab es in der Vergangenheit noch nicht.

Die aktuelle Debatte rund um Starfield, insbesondere die Frage, wie gut es denn nun tatsächlich sei, hat mich an einen Reflexionsprozess erinnert, den ich während eines anderen Bethesda-Spiels hatte: Skyrim

Damals hatte ich meinen Stützpunkt in Weißlauf und erkundete die Regionen um die Ortschaft (ich weigere mich, das Örtchen "Stadt" zu nennen) systematisch. In einer Sitzung ging ich nach Osten, in einer nach Westen, für jede Region entwickelte ich Systeme, die ich als besonders effizient für die Erkundung bewertete. Standorte, die mir der Kompass anzeigte, die ich aber noch nicht besuchen konnte (Traglast sag ich nur) wurden in einem separaten Dokument notiert, um sie später erforschen zu können. Ich erinnere mich an das Zufriedenheitsgefühl, wenn ich eine Region gründlich abgegrast hatte. Ich erinnere mich aber auch daran, dass mir Kämpfe und Rätsel fast immer nur wie lästige Hindernisse vorkamen, die mich von diesem Gefühl abhalten sollten. Anders gesagt: ein Teil des Gameplays, mit welchem man in Skyrim durchaus erhebliche Zeit verbringen kann, war für mich nur nervig.

Ich weiß nicht mehr recht, welches Spielereignis der eigentliche Auslöser war, aber ich weiß noch, wie ich eines Tages in Skyrim vor einem Dungeon stand und mich fragte: "Was zum Teufel mache ich hier eigentlich?"
Wieder hatte ich die Sitzung genauestens geplant, mir den Weg abgesteckt, meine Notizen gesichtet, mich entnervt durch Gegnerhorden geschnetzelt, die keinerlei Herausforderung boten, ganz zu schweigen vom wertlosen Loot. Überdies weiß ich noch, wie enttäuscht ich bislang vom Content des Spiels war. Entgegen allgemeiner Wahrnehmung empfinde ich die Entdeckungen, die mir ein Skyrim bietet, mehrheitlich nicht als besonders spannend. Gefühlt kommen auf jede spannende Entdeckung, wie zum Beispiel die Unterwelt, 10 durchschnittliche Gruften und Höhlen. Kombiniere ich das mit einem (für mich) belanglosem Kampfsystem und den Schieberätseln, für deren Lösung man eigentlich nur aufmerksam durch den Dungeon gehen musste, dann blieb für meinen Spaß nur noch das Gefühl, etwas erledigt zu haben.
Trotzdem habe ich Skyrim extrem lange gespielt. Warum also? Was hat mich so lange bei der Stange gehalten?

Ich habe mir dann einige Tage Zeit genommen, um darüber nachzudenken. Das Ergebnis: Skyrim drückte bei mir ähnliche Knöpfe, wie meine damalige Arbeit. In dieser waren viele der eigentlichen Tätigkeiten auch von mir verhasst. Am Ende des Tages konnte ich aber fast immer zufrieden auf mein Tagwerk blicken. Aber hatte das etwas mit Spaß zu tun? Machte mir der Job 'Spaß'? Nicht wirklich. Zog ich eine gewisse Zufriedenheit oder Erfüllung aus ihm? Durchaus. Und das hat m.E. etwas mit dem ansozialisierten Arbeitsethos zu tun, der gerade hierzulande stark verbreitet ist. Skyrim sprach genau diesen Arbeitsethos bei mir an und brachte mich dazu, viele Stunden zu investieren, ohne wirklich Spaß zu haben. bzw. verwechselte ich das Zufriedenheitsgefühl erledigter Aufgaben (seien es selbst gesetzte Ziele oder Quests) mit Spaß.
Ich musste daraus auch den schmerzlichen Schluss ziehen, dass ich Jahre meines Lebens mit unspaßigen Spielen verbracht hatte. Vor Skyrim war Oblivion und in WoW hatte ich mich auch lange und viel aufgehalten (wobei da ein Teil des Spaßes durch soziale Interaktion entsteht, es ist also nicht auf jeder Ebene vergleichbar).

Das Gute an diesem Reflexionsprozess war aber: ich kann heute viel bewusster entscheiden, was für Spiele etwas für mich sind, und was diesen oben beschriebenen Fake-Spaß triggern würde. Meine Kaufentscheidungen sind besser geworden und ich spiele bewusster.

Mich interessiert: habt ihr in eurer Gaming-Laufbahn womöglich ähnliche Reflexionsprozesse gehabt?

PS: natürlich ist meine persönliche Definition von Spaß/kein Spaß keine allgemeingültige. :)
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DaFrenz
Beiträge: 182
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Re: Selbstreflexion des Spielverhaltens - Was macht mir eigentlich Spaß?

Beitrag von DaFrenz »

Mit Spaß ist das so eine Sache. Kein Spiel zaubert einem durchgehend ein breites Grinsen ins Gesicht. Mache Spiele ziehen ihren Reiz sogar daraus, deprimierend oder frustrierend zu sein. Und auch die rückwirkende Befriedigung einer abgearbeiteten Aufgabenliste würde ich nicht völlig verteufeln.

Trotzdem frage ich mich gelegentlich auch, ob ich noch genug aus einem Spiel ziehe um es weiterzuspielen. Gerade bei längeren Spielen. Es ist nur nicht immer einfach, den persönlichen Wert eines Spiels zu beziffern.
Aber diese „Was mache ich hier eigentlich?“-Epiphanie hab ich auch schon gehabt. 😁
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schreckofant
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Re: Selbstreflexion des Spielverhaltens - Was macht mir eigentlich Spaß?

Beitrag von schreckofant »

Ich stimme zu, dass Selbstreflexion in der heutigen Zeit besonders wichtig ist. Während unserer Ära haben wir einfach alles gespielt und durchgespielt, weil es verfügbar war.

Mit der aktuellen Flut an Spielen und anderen Medien müssen wir viel selektiver sein, auf welche wir unseren Fokus legen möchten. Ich habe einen ähnlichen Prozess bei Hack-and-Slay-Spielen wie Diablo durchlaufen. Irgendwann wurde es mir zu stumpf, zu eintönig.

Bei Bethesda-Spielen möchte ich jedoch hervorheben, dass sie auch einen gewissen Nostalgiefaktor bedienen. Sie funktionieren immer auf die gleiche Weise, und wenn man beispielsweise Starfield spielt, fühlt man sich quasi "zuhause". Es ist ein bisschen wie das Hervorkramen eines alten Spiels und sofortiges Wiedereintauchen, da man alle Mechaniken noch beherrscht. So spiele ich immer wieder gerne Baldur's Gate 1+2.

Aber auch die Bethesda Spiele haben sich verändert, und meiner Meinung nach zum Negativen. Sie werden immer größer und immer irrelevanter. Ich erinnere mich an einen besonderen Moment in Morrowind, den mir kein anderes Bethesda-Spiel danach bieten konnte, weshalb es bis heute mein absoluter Favorit unter den Bethesda-Spielen ist.

Ich betrat irgendeine Daedra-Ruine im Norden, bekämpfte die Kreaturen und wollte schon gehen, als ich einen Tümpel entdeckte. Ich tauchte ab und kam in einem versunkenen Teil dieser Ruine wieder auf. Dort stand ein Daedra, den ich bekämpfte. Ansonsten war dort nichts. Enttäuscht wollte ich zurückgehen, als ich aus dem Augenwinkel etwas Funkelndes sah. Über dem Tümpel hing ein Schild - ein absolut fantastischer magischer Schild. Man hätte diesen Schild leicht übersehen können, aber ich hatte in der richtigen Sekunde kurz nach oben geschaut.

Solche Momente gibt es viele in Morrowind. Der persistente Loot ist einfach fantastisch. Als ich danach Oblivion spielte, waren diese Momente weg und sind danach nie wieder aufgetaucht.

Also Ja, auch ich hatte solche Reflexionsprozesse und stelle fest das ich immer stärker selektiere. Starfield werde ich wahrscheinlich nicht anfassen. Diablo4 juckt mich nicht die Bohne. Auf das Cyberpunk AddOn warte ich zudem Sehnsüchtig und BG3 war einfach Fantastisch.

Edit: Aus Jux, lasse ich auch immer gerne mal ChatGPT auf komplexere Forenposts antworten um zu schauen was es dazu sagt. Dabei kam unter anderem dieser "weise" Abschnitt heraus:

"Deine Reflexion ist ein wichtiger Schritt in der Erkenntnis, dass die Freude am Spielen nicht immer gleichbedeutend mit dem Spaß am Spielen ist. Es ist wichtig, diese Unterscheidung zu treffen und bewusste Entscheidungen darüber zu treffen, welche Spiele wir spielen und warum wir sie spielen. "
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Asifluencer
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Re: Selbstreflexion des Spielverhaltens - Was macht mir eigentlich Spaß?

Beitrag von Asifluencer »

DaFrenz hat geschrieben: 7. Sep 2023, 11:54 Mit Spaß ist das so eine Sache. Kein Spiel zaubert einem durchgehend ein breites Grinsen ins Gesicht. Mache Spiele ziehen ihren Reiz sogar daraus, deprimierend oder frustrierend zu sein. Und auch die rückwirkende Befriedigung einer abgearbeiteten Aufgabenliste würde ich nicht völlig verteufeln.
Keine Frage. Ich hatte sehr viel "Spaß" mit "What remains of Edith Finch" obwohl es thematisch eigentlich furchtbar düster ist. Ich fühlte mich ob der oft ironisch-traurigen Inszenierung an Irving-Romane erinnert, und das hat dann wieder "Spaß" gemacht.
Ich denke, an solchen Beispielen sieht man, wie schwer das Konzept "Spaß" eigentlich zu greifen ist, bzw. dass unsere Sprache da an ihre Grenzen stößt.

Was Frust angeht: Die Souls-Games oder auch Xcom im Ironman bieten ja Erfahrungen mit hohem Frustpotential. Ich würde aber die These aufstellen, dass das Kerngameplay Spaß machen muss, damit man sich dem aussetzt. Man stelle sich vor, man hasst das Kampfsystem von Elden Ring und wird dann noch 52 mal von einem Boss verprügelt. Da dürfte der Spaß sehr mager ausfallen, bzw. reduziert sich auf den Taumel des Erfolgs, wenn man den Boss dann doch gelegt hat.
Gleiches gilt für erledigte Aufgaben: in meinem Beispiel Skyrim erkläre ich ja, dass mir an diesem Spiel eigentlich fast nichts Spaß gemacht hat. Und dann waren erledigte Aufgaben am Ende einfach nicht genug. Es ist aber gut möglich, dass bei anderen Menschen die Gewichtung da so anders ist, dass denen das völlig genügt.
DaFrenz hat geschrieben: 7. Sep 2023, 11:54 Trotzdem frage ich mich gelegentlich auch, ob ich noch genug aus einem Spiel ziehe um es weiterzuspielen. Gerade bei längeren Spielen. Es ist nur nicht immer einfach, den persönlichen Wert eines Spiels zu beziffern.
Aber diese „Was mache ich hier eigentlich?“-Epiphanie hab ich auch schon gehabt. 😁
Gerade deswegen sollte man sich ab und an diese Fragen stellen. Bei Skyrim/Bethesda/bzw. generischen Open Worlds kam ich ja für mich zu dem Schluss, dass sozusagen der Mangel an Reflexion dazu geführt hat, dass ich viele Jahre Dinge gespielt hatte, die mir keinen Spaß gemacht haben, bzw. ich Befriedigung mit Spaß verwechselte.

Wenn ich das mit Elden Ring vergleiche, das durchaus auch diesen Aspekt mit dem Abhaken von Aufgaben hat, und mich frage, wo der Unterschied liegt, dann komme ich auf Erkenntnis, dass mir das Kerngameplay von Elden Ring - der Kampf - einfach verdammt viel Spaß macht. Da reduziert es sich halt nicht auf das Gefühl, eine Region sauber durchforstet zu haben.
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Asifluencer
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Re: Selbstreflexion des Spielverhaltens - Was macht mir eigentlich Spaß?

Beitrag von Asifluencer »

schreckofant hat geschrieben: 7. Sep 2023, 12:09 "Deine Reflexion ist ein wichtiger Schritt in der Erkenntnis, dass die Freude am Spielen nicht immer gleichbedeutend mit dem Spaß am Spielen ist. Es ist wichtig, diese Unterscheidung zu treffen und bewusste Entscheidungen darüber zu treffen, welche Spiele wir spielen und warum wir sie spielen. "
Das ist eine interessante Trennung, wenngleich ich mich frage, wie Chat GPT Freude und Spaß definiert, um die Trennung vornehmen zu können.
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