Runde #466: Palworld

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Asgon
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Asgon »

Ingoknito hat geschrieben: 4. Mär 2024, 17:24 Leider wird jedes Spiel, welches von Millionen Spielern gespielt wird, automatisch auf ein Podest gehoben. Nach dem Motto es muss ja gut sein wenn es soviele spielen und die Entwickler haben sich trotz der vielen gestohlenen Designs aus anderen Spielen bestimmt viel Mühe gegeben. Ja ne ist klar. Witzigerweise werden dann genauso rechtliche Schein-Argumente vorgebracht, wie es die USK beim Thema Lootboxen macht. :ugly:
Bezweifle auch, dass es in der thePod-Besprechung so gut weggekommen bzw. soviel hinein interpretiert worden wäre, wenn es kein Verkaufshit geworden wäre und es nur kurz bei "Aber warum" Erwähnung gefunden hätte.
Man darf sich dank Palworld in Zukunft wohl noch stärker auf etwaige Klon-Spiele einstellen dürfen, aber offenbar ist das ja gewünscht. Yippie.
Hui, mit der Argumentation würde es heutzutage aber sehr düster im Musikgeschäft oder jeglichen anderem Kunstsektor aussehen..

Aber mal anders gefragt. Zeichne mir doch ein abstraktes Schaaf mit viel Wolle in möglichst niedlicher Form oder sogar Chibioptik. Ich kann dir garantieren da wird die Luft für möglichst vielfältige Designs sehr dünn. Oder meinst du z.B. Anubis? Jo mei, da hat der Ägyptische Staat aber sehr viel Geld liegen lassen, wenn sie noch nicht bei Nintendo auf Schadensersatz angeklopft haben. Pokemon hat nicht umsonst nur eine handvoll Copyrights auf spezielle Designs angemeldet.

Unabhängig von der Diskussion wie weit darf eine künstlerische Interpretation gehen, um noch als etwas Eigenständiges zu gelten. Das Spiel ist schlicht und ergreifend einfach gut gemacht.
- die Mechaniken sind fluffig umgesetzt
- die Anpassungsmöglichkeiten der Schwierigkeitsgrade sind für mich genreübergreifend Benchmark im Gegensatz zu dem was da in der letzten Zeit so veröffentlicht wurde
- bis auf die Steamdeck Version läuft es ohne Probleme selbst auf angestaubter Hardware
- das Sammeln der Pals und deren Spezialversionen macht Spaß wie eh und je
usw. usw.
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Guthwulf
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Guthwulf »

Terranigma hat geschrieben: 4. Mär 2024, 20:09
Vinter hat geschrieben: 4. Mär 2024, 17:57 Jetzt würde mich ja ein Gespräch mit einem Japanexperten interessieren, der die Perspektive mit der Kritik an Ausbeutung und Kapitalismus im Kontext der japanischen Gesellschaft einordnet!
Zweiter Take: Ich habe gerade einen Beitrag geschrieben um erklären weshalb ich die "Der Autor ist tot"-Lesart nicht grundsätzlich teile und weiterhin nicht völlig überzeugt war, dass Palworld als gesellschaftskritische Satire intendiert war. Habe dann gerade noch'n wenig das Internet durchstöbert und bin dabei auf das hier gestoßen, Aussagen von Mizobe Takuro, dem (Lead-)Designer hinter dem Ding: (...)
“Palworld is not strictly a story-driven game. Not that there won’t be story elements dotted around the world. We just want players to create their own interpretation of the world through the environment and game mechanics.”

“In terms of the darker elements, we want to leave those decisions up to players. Player agency will be key in Palworld, which is why players can be good or bad. We want players to build their own story, and the gameplay mechanics are our way of facilitating that.” [...]

“Real-world events definitely inspired us while creating Palworld. We were also driven by the need to create an imperfect game world. We don’t want Palworld to be beautiful and perfect. We want to inject elements of darker themes, including exploitation and violence, alongside the intelligent animals.”
nnme.com
Zumindest der letzte Satz ("real world events inspired us... driven by the need to create an imperfect game world... we want to inject elements of darker themes, including exploitation and violence, alongside the intelligent animals") klingt für mich aber doch sehr deutlich danach, dass Palworld als gesellschaftskritische Satire intendiert war. Das ganze Marketing (z.B. der von Jochen vorgelesene Text) sowie das Spiel selber sprechen da auch eine sehr deutliche Sprache.

Ob die Intention so weitreichend und tiefgehend ist, wie im Podcast besprochen, ist natürlich unklar und ich würde insb. in Frage stellen, ob hier eine noble "wir wollen damit die Welt zum Besseren ändern" Absicht dahintersteckte oder einfach der Spaß am Subversiven / Schockfaktor. Die Satire sorgt außerdem für viel Aufmerksamkeit und hilft dabei, Palword rechtlich gegen z.B. Klagen von Nintendo abzusichern. Das wird da alles mit reinspielen. Am Ende ist es aber eh egal, was die Intention der Autoren war. Man kann das Spiel als gesellschaftskritische Satire interpretieren und daraus ergeben sich interessante Diskussionsansätze.
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Terranigma
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Terranigma »

Guthwulf hat geschrieben: 4. Mär 2024, 20:24Am Ende ist es aber eh egal, was die Intention der Autoren war. Man kann das Spiel als gesellschaftskritische Satire interpretieren und daraus ergeben sich interessante Diskussionsansätze.
Dem zweiten Teil stimme ich zu, dem ersten nicht. Ich verstehe selbstverständlich die Stoßrichtung des "Der Autor ist tot"-Ansatzes, weil er allerlei Vorteile mit sich bringt und für einige Fragestellungen - eben die, was das Werk an sich tut - völlig ausreichend ist. Wenn ich allerdings ein Werk in seinem gesellschaftlichen Kontext bespreche, z.B. falls (!) man der Frage nachgehen will, welche Themen die Entwickler mit Palworld verhandeln wollen und ob es als Gesellschaftskritik intendiert war oder ob man - wie du sagst - nur um "Schockelemente" geht, weil man sich dachte, dass man damit Aufmerksamkeit generieren kann, dann erscheint mir der Autor wiederum doch relevant.

Und persönlich jedenfalls finde ich die Frage auch interessant, wie ein Autor zu seinem Werk steht. Sollte nämlich am Ende des Tages rauskommen, dass die subversive Satire in Palworld nur ein unbeabsichtigter Nebeneffekt ist und man eigentlich nur so'n wenig Gedönse in den Designtopf warf in der Annahme, dass schon irgendwas trendet, dann würde es jedenfalls auch meine Sicht auf das Spiel verändern. Wenn ein Entwickler nämlich sowas wie Tierquälerei halt einfach so "lulz, weil wegen Schock" in sein Spiel einbaut, wie andere Entwickler z.B. das Spielen von Terroristen an einem Flughafen als reinen Selbstzweck verwenden, dann täte ich mir schwer dem Spiel noch den Titel "subversive Satire" zu verleihen, auch wenn das Werk gemäß "Der Autor ist tot"-Lesart natürlich davon völlig unbenommen ist. Aber als Rezipient bin ich's nicht, und der Kontext in dem man ein Spiel wahrnimmt prägt ja wiederum auch wie man es eben wahrnimmt. Und Kenntnisse über den Entstehungskontext sind da eine Information. Gerade wenn man ein Werk in einem gesellschaftlichen Kontext einordnen will und es nicht isoliert für sich betrachtet erscheint mir die Frage, ob ein Autor hier bewusst handelt oder nicht, jedenfalls sehr relevant.

Hängt natürlich vom eigenen Interesse ab. Aber gebe zu, dass ich diese politische Dimension von Palword auch faszinierender finde als das Spiel selbst, obwohl es schon sehr viele Dinge richtig macht. Hoffe mal, dass'n paar Survival-Spiele hier Best Practices kopieren, insb. die Automatisierung über NPCs. Nur in Zukunft bitte keine drolligen Dingers; das halte ich nicht aus.
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Nico »

Ravana hat geschrieben: 3. Mär 2024, 13:49
Guthwulf hat geschrieben: 3. Mär 2024, 13:42 Die Frage wäre ja weniger, ob sie die Satire verstehen sondern eher, ob die Gefahr besteht, dass sie durch Palworld mit Dingen konfrontiert werden, die ihrer Entwicklung schaden (z.B. in dem sie daraus lernen, dass es ok ist, Tiere zu quälen) oder sie traumatisieren (z.B. Gewalt)
Das lässt sich pauschal so nicht wirklich sagen. Da hängt auch sehr viel von der Sozialisierung zuhause, im Freundeskreis und in der Schule ab. Aber ja, es kann natürlich zu solchen Nebeneffekten kommen - aber ich denke der Großteil wird die Pals als abstrakte Wesen begreifen und nicht mit Tieren im echten Leben gleichsetzen. Dementsprechend wären wahrscheinlich eher Extremsituation wie das Schlachten der Pals Momente, in denen sich mit so einem Verhalten auseinandergesetzt wird. Ich kann aber wie gesagt auch nur für mein Klientel sprechen, und wenn ich höre was die so alles mit 10-15 zocken, dann glaube ich nicht, dass Palworld dahingehend ausbricht. Kinder und vor allem Jugendliche sind zum Glück hinsichtlich virtueller Gewalt mittlerweile deutlich reflektierter, als wir es ihnen manchmal zutrauen - sofern sie sich überhaupt Gedanken darum machen und es nicht einfach nur ein gameplaytechnisches Mittel zum Zweck darstellt.
Ich hab das Spiel vor dem Sonntagscast quasi direkt in die "Kiddie-Spiel"-Ecke geschoben und deshalb auch selbst nie angespielt. Nach allem, was ich auf Websites und auf Youtube/Tiktok gesehen habe, denke ich, dass selbst 80%+ der Erwachsenen das Spiel rein durch die Gameplay-Brille sehen, oder bestenfalls als anrüchig oder gar "verboten" wirkende Satire auf die Pokémon-Spiele. "Wie Pokémon mit Waffen" ist die Zusammenfassung, die ich am häufigsten gelesen habe, und das erklärt dann auch die Popularität vor allem in der jungen Zielgruppe. Alleine deswegen wäre eine USK-Einstufung ab 16 oder 18 auch geradezu albern, da sie (ähnlich wie bei Call of Duty früher) komplett an der Realität vorbei gehen würde.

Ein Vergleich, auf den ich in der Folge übrigens vergeblich gewartet habe, sind die "Edgelord-Sandboxen", die ihr in Folge 463 besprochen habt und die für mich in eine ähnliche Richtung gehen. Dort ist natürlich der Begriff der Satire weniger passend (auch wenn die Beschreibung von Doms Lieblingsspiel aus der Folge schon ein wenig "satirisch" angelegt klang), aber ich denke, dass die Faszination für viele Spieler die gleiche ist. In beiden Fällen tut man etwas moralisch anrüchiges und testet in einem vermeintlich fröhlichen oder zumindest abstrakten Setting Grenzen aus. Das hat denke ich sowohl für viele Erwachsene als auch Jugendliche einen Reiz, wobei Palworld ja anscheinend sogar noch eine etwas klarere erzählerische Rahmung anbietet, die es Mainstream-tauglicher (weil moralisch entschuldbarer) macht.
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Guthwulf
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Guthwulf »

Terranigma hat geschrieben: 4. Mär 2024, 20:45Wenn ich allerdings ein Werk in seinem gesellschaftlichen Kontext bespreche, z.B. falls (!) man der Frage nachgehen will, welche Themen die Entwickler mit Palworld verhandeln wollen (...) Und persönlich jedenfalls finde ich die Frage auch interessant, wie ein Autor zu seinem Werk steht.
Klar kann das auch ne sehr interessante Frage sein. Das ist dann aber Analyse des Autoren und nicht mehr Interpretation des Werkes.

"Was wollte uns der Autor damit sagen" war schon in deiner Jugend für Interpretation von Texten im Deutschunterricht oder später z.B. in der Literaturwissenschaft auf der Universität ein "Thema verfehlt, Note 6" ;) Die Interpretation eines Werkes entsteht beim Empfänger und in dessen gesellschaftlichem Kontext. Spekulationen über die Intentionen des Autoren sind dafür irrelevant und zudem auch nicht auflösbar. Du bist kein Telepath und kannst nicht in den Kopf des Autoren gucken. Für die Interpretation eines Werkes gilt daher (aus gutem Grund) schon immer "Der Autor ist tot".

Das heißt nicht, dass man nicht unabhängig davon oder ergänzend dazu auch über die Intention des Autoren spekulieren darf und das Werk dafür z.B. in dessen gesellschaftlichen Kontext einordnet. Wenn du deshalb dann aber z.B. Palworld ablehnst, weil du zum Schluß kommst, dass es dem Entwickler nur um den Schockfaktor ging, dann hat das nix mit der Interpretation des Werkes sondern mit deiner Beurteilung des Autoren zu tun und die basiert vermutlich dann auch nur auf Spekulation / Indizien. Du kannst ja trotzdem nicht in den Kopf der Entwickler gucken.
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Crenshaw »

Guthwulf hat geschrieben: 4. Mär 2024, 21:25 "Was wollte uns der Autor damit sagen" war schon in deiner Jugend für Interpretation von Texten im Deutschunterricht oder später z.B. in der Literaturwissenschaft auf der Universität ein "Thema verfehlt, Note 6" ;) Die Interpretation eines Werkes entsteht beim Empfänger und in dessen gesellschaftlichem Kontext. Spekulationen über die Intentionen des Autoren sind dafür irrelevant und zudem auch nicht auflösbar. Du bist kein Telepath und kannst nicht in den Kopf des Autoren gucken. Für die Interpretation eines Werkes gilt daher (aus gutem Grund) schon immer "Der Autor ist tot".
hm, da habe ich aber andere Erfahrungen gemacht, bei Interpretationen ging es oft eher darum was wollte uns der Autor sagen und weniger, was interpretiere ich da rein, ich habe das "der Autor ist" immer als ein Argument für Bequemlichkeit gesehen, sich nur auf den Text zu konzentrieren und Umstände der Entstehung außen vor zu lassen, außerdem führt das mMn zu eher beliebigen Interpretation, bei denen es eher darum geht, wie begründe ich meine Meinung, ob der Text das her gibt oder nicht
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Mauswanderer »

Guthwulf hat geschrieben: 4. Mär 2024, 21:25 "Was wollte uns der Autor damit sagen" war schon in deiner Jugend für Interpretation von Texten im Deutschunterricht oder später z.B. in der Literaturwissenschaft auf der Universität ein "Thema verfehlt, Note 6" ;) Die Interpretation eines Werkes entsteht beim Empfänger und in dessen gesellschaftlichem Kontext. Spekulationen über die Intentionen des Autoren sind dafür irrelevant und zudem auch nicht auflösbar. Du bist kein Telepath und kannst nicht in den Kopf des Autoren gucken. Für die Interpretation eines Werkes gilt daher (aus gutem Grund) schon immer "Der Autor ist tot".
Haha, das hat jede(r) meiner Deutschlehrer(innen) aber ganz, ganz anders gesehen. :lol:

Habe mich darüber auch immer eher amüsiert, als das anzunehmen.
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Ironic Maiden »

Guthwulf hat geschrieben: 4. Mär 2024, 21:25
Terranigma hat geschrieben: 4. Mär 2024, 20:45Wenn ich allerdings ein Werk in seinem gesellschaftlichen Kontext bespreche, z.B. falls (!) man der Frage nachgehen will, welche Themen die Entwickler mit Palworld verhandeln wollen (...) Und persönlich jedenfalls finde ich die Frage auch interessant, wie ein Autor zu seinem Werk steht.
Klar kann das auch ne sehr interessante Frage sein. Das ist dann aber Analyse des Autoren und nicht mehr Interpretation des Werkes.

"Was wollte uns der Autor damit sagen" war schon in deiner Jugend für Interpretation von Texten im Deutschunterricht oder später z.B. in der Literaturwissenschaft auf der Universität ein "Thema verfehlt, Note 6" ;) Die Interpretation eines Werkes entsteht beim Empfänger und in dessen gesellschaftlichem Kontext. Spekulationen über die Intentionen des Autoren sind dafür irrelevant und zudem auch nicht auflösbar. Du bist kein Telepath und kannst nicht in den Kopf des Autoren gucken. Für die Interpretation eines Werkes gilt daher (aus gutem Grund) schon immer "Der Autor ist tot".
Herrje, immer dieses Schlagwort vom Tod des Autoren. Das ist eine mögliche Herangehensweise an Interpretationen. Es gibt viele andere. Sorry, aber es stört mich immer kolossal, wenn dieser Slogan durch die Gegend geworfen wird, und so getan wird, als habe sich damit jede weitere Einbeziehung von Autorintention usw. erledigt. Natürlich kann man den Autor und seine Intentionen usw. in eine Interpretation einbeziehen und je nach Ansatz muss man das vielleicht auch.

Gerade hier im Forum wird das gebetsmühlenartig wiederholt, und als quasi Naturgesetz hingestellt. Es ist aber nicht so als habe Barthes 1968 das einzig mögliche Dogma zur Literaturinterpretation aufgestellt und nun müssten wir uns alle daran halten. Interpretation ist keine Physik. Sorry, dass ich mich darüber so aufrege, aber ich empfinde das als Totschlagargument, das leider häufig benutzt wird, um Diskussionen abzuwürgen.
In Wirklichkeit bin ich Janna und podcaste hier ab und zu. Und in echt bin ich auch nicht so grün und flauschig wie auf dem Profilbild. Man kann mich auch auf Bluesky finden.
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Guthwulf »

Mauswanderer hat geschrieben: 4. Mär 2024, 21:55Haha, das hat jede(r) meiner Deutschlehrer(innen) aber ganz, ganz anders gesehen. :lol:
Crenshaw hat geschrieben: 4. Mär 2024, 21:46hm, da habe ich aber andere Erfahrungen gemacht, bei Interpretationen ging es oft eher darum was wollte uns der Autor sagen und weniger, was interpretiere ich da rein,
Tut mir leid, dass ihr solche Lehrer hattet... Wie alt waren eure Deutschlehrer oder wart ihr in den 50er Jahren auf der Schule? :D

Literaturinterpretation ist in der Literaturwissenschaft in erster Linie die werk-/textimmanente Interpretation. Wenn du über die Intention des Autors spekulierst oder den Text in seinem gesellschaftlichen Kontext bewertest bist du bei der Literaturkritik und nicht mehr der Literaturinterpretation. So habe ich das zumindest während meiner Schulzeit (80-90er Jahre) und meinem Universitätsstudium (90-2000er Jahre) gelernt. ;) Kann mir schwer vorstellen, dass sich das geändert hat.
Crenshaw hat geschrieben: 4. Mär 2024, 21:46außerdem führt das mMn zu eher beliebigen Interpretation, bei denen es eher darum geht, wie begründe ich meine Meinung, ob der Text das her gibt oder nicht
Nö, das eben gerade nicht ;) Es gibt zwar keine "richtige" oder "falsche" Interpretation, aber du musst deine Interpretation natürlich trotzdem schlüssig und nachvollziehbar aus dem Werk herleiten.

Um Wikipedia zu bemühen: "Gewöhnlich folgt die schriftliche Textinterpretation, die in der Schule gelehrt wird, einem festgelegten Schema in sechs Schritten (argumentierendes Interpretieren):
  1. Einleitung: Der Inhalt, Autor des Textes, das Erscheinungsjahr und die Wirkungsabsichten des Textes werden in einem einzigen Satz, manchmal auch zweien, wiedergegeben. Auch wird der Leser zum Thema des Textes hingeführt.
  2. Inhaltsangabe: Der Inhalt des Textes wird verkürzt wiedergegeben. Dabei wird weniger auf Details geachtet; wichtiger ist der Verlauf der Erzählung, die wichtigsten Charaktere und die wesentlichen Ereignisse.
  3. Interpretationshypothese: Sie soll das eigene Textverständnis erklären und kurz skizzieren, welches Ziel die Interpretation hat.
  4. Formale Analyse: Der Text wird vor allem auf Besonderheiten der Wortwahl, Formen des Satzbaus und der Satzverknüpfungen und auf sprachliche Bilder hin analysiert.
  5. Interpretation: Der Text wird entsprechend der Interpretationshypothese gedeutet. Wichtig sind dabei Zitate entscheidender Textstellen, die die Hypothese belegen. Auch auf sprachliche Stilmittel kann hingewiesen werden.
  6. Schluss: Der Schluss besteht meist aus einer zusammenfassenden Bewertung der eigenen Hypothese.
Aber eine Diskussion über Literaturwissenschaften führt nun wirklich endgütlig Off-Topic :D
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Guthwulf »

Ironic Maiden hat geschrieben: 4. Mär 2024, 22:19Herrje, immer dieses Schlagwort vom Tod des Autoren. Das ist eine mögliche Herangehensweise an Interpretationen. Es gibt viele andere. Sorry, aber es stört mich immer kolossal, wenn dieser Slogan durch die Gegend geworfen wird, und so getan wird, als habe sich damit jede weitere Einbeziehung von Autorintention usw. erledigt. Natürlich kann man den Autor und seine Intentionen usw. in eine Interpretation einbeziehen und je nach Ansatz muss man das vielleicht auch.

Gerade hier im Forum wird das gebetsmühlenartig wiederholt, und als quasi Naturgesetz hingestellt. Es ist aber nicht so als habe Barthes 1968 das einzig mögliche Dogma zur Literaturinterpretation aufgestellt und nun müssten wir uns alle daran halten. Interpretation ist keine Physik. Sorry, dass ich mich darüber so aufrege, aber ich empfinde das als Totschlagargument, das leider häufig benutzt wird, um Diskussionen abzuwürgen.
Zumindest ich habe damit keine Diskussion abwürgen wollen. Deshalb habe ich schließlich explizit darauf hingewiesen, dass die Intention eine sehr interessante Frage (und lohnenswerte) Diskussion / Spekulation sein kann. Mit der Intention des Autoren bist du für mein (literaturwissenschaftliches) Verständnis dann aber eher bei der Literaturkritik und nicht der Literaturinterpration. Das ist bei Palworld dann eine andere Diskussion als die Interpretation von Palworld als gesellschaftliche Satire. Vielleicht schlägt da der dogmatische wissenschaftliche Gutachter in mir über die Stränge. Man kann aber natürlich beide Diskussionen führen. Damit Back To Topic?
Zuletzt geändert von Guthwulf am 4. Mär 2024, 22:47, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Ironic Maiden »

Bevor das ganze völlig off-topic wird, möchte ich als Deutsch- und Englischlehrerin und Literaturwissenschaftlerin (MA in Anglistik) kurz sagen, dass die oben genannten Schritte und Schwepunkte bei der Literaturinterpretation nur ein mögliches Vorgehen darstellen. Selbst wenn man in unterschiedliche Schulbücher schaut, werden da unterschiedliche Vorgehensweisen dargestellt. Und auch im schriftlichen Abitur lässt der Erwartungshorizont je nach Aufgabenstellung verschiedene Lösungswege zu.
Es ist Aufgabe der Lehrer*innen, die Schüler*innen zu befähigen, auch eigenständige Herangehensweisen an Textinterpretationen zu finden, möglicherweise auch unter Heranziehung verschiedener Denkschulen.
Das oben aufgeführte, sehr schematische Vorgehen wird, meiner Erfahrung nach, von Lehrkräften bevorzugt, die ansonsten als Zweitfach eine Naturwissenschaft oder sowas wie PoWi haben, oder - und das klingt jetzt arrogant, ist aber aus meiner anekdotischen Erfahrung so - wenig Ahnung von Literaturwissenschaft abseits der bloßen Unterrichtsmaterie haben.
Es tut mir immer leid, wenn Leute doofe, engstirnige Lehrer*innen in Deutsch hatten, aber leider ist das halt so.
(Und jetzt nehme ich mich auch wieder hier raus, sonst rante ich noch weiter statt zu schlafen.)
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Felidae »

Crenshaw hat geschrieben: 4. Mär 2024, 21:46außerdem führt das mMn zu eher beliebigen Interpretation, bei denen es eher darum geht, wie begründe ich meine Meinung, ob der Text das her gibt oder nicht
Genau das IST aber Interpretation - was kann ich persönlich aus einem Text für mich rausnehmen. Das andere wäre ja nicht mehr Interpretieren, sondern Wissen.

Edit: Das schließt natürlich nicht aus, Wissen über die Lebensumstände des:der Autor:in einfließen zu lassen. Bei Gedichten von Rose Ausländer sollte man natürlich auch ihre Biografie im Hinterkopf haben.
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Ironic Maiden »

Felidae hat geschrieben: 4. Mär 2024, 22:46
Crenshaw hat geschrieben: 4. Mär 2024, 21:46außerdem führt das mMn zu eher beliebigen Interpretation, bei denen es eher darum geht, wie begründe ich meine Meinung, ob der Text das her gibt oder nicht
Genau das IST aber Interpretation - was kann ich persönlich aus einem Text für mich rausnehmen. Das andere wäre ja nicht mehr Interpretieren, sondern Wissen.

Edit: Das schließt natürlich nicht aus, Wissen über die Lebensumstände des:der Autor:in einfließen zu lassen. Bei Gedichten von Rose Ausländer sollte man natürlich auch ihre Biografie im Hinterkopf haben.
Interpretation hat natürlich auch was mit Wissen zu tun. Das mag jetzt hart klingen, aber natürlich werden Interpretationen mitunter auch besser, wenn man entsprechendes Hintergrundwissen hat. Gute Interpretationen sind eben nicht nur subjektives Gelaber. Egal wie wortgewandt man ist und wie genau und empathisch man liest, fundiertes Wissen, z.B. über Hintergründe und Konzepte, machen die meisten Interpretationen besser. Deswegen ist eine Textinterpretation von jemandem, der*die umfassendes Wissen über den Text, seine Entstehung usw. hat, meistens (nicht immer) auch interessanter und "besser" als die von motivierten Laien. Und sei es nur, weil man auf Grundlage von Wissen auch mehr in einem Text finden kann. (Wie ja das Rose Ausländer-Beispiel von Felidae zeigt.)
Ich schätze zum Beispiel, dass viel weniger Leute hier den Podcast hören würden, wenn Jochen, André und co nicht so fundiertes Wissen über Spiele hätten.
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Guthwulf »

Ironic Maiden hat geschrieben: 4. Mär 2024, 22:46Naturwissenschaft oder sowas wie PoWi haben
Ich komme aus der Naturwissenschaft (kenne Literaturwissenschaften von der Uni nur aus dem Nebenstudium) und arbeite (nach meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Gutachter) inzwischen im politischen Bereich für die Bundesregierung. Insofern voll ins Schwarze getroffen! :lol: "Wir" (Naturwissenschaftlicher) können es mit Pedanterie bzgl. eindeutiger Definition von Begriffen definitiv übertreiben. Das ist in meinem Bereich aber auch extrem wichtig, damit alle über das gleiche reden, wenn sie Begriffe in den Raum werfen. Insofern vielleicht eine Berufskrankheit...
Zuletzt geändert von Guthwulf am 4. Mär 2024, 23:08, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von skade »

Ironic Maiden hat geschrieben: 4. Mär 2024, 22:19 Gerade hier im Forum wird das gebetsmühlenartig wiederholt, und als quasi Naturgesetz hingestellt. Es ist aber nicht so als habe Barthes 1968 das einzig mögliche Dogma zur Literaturinterpretation aufgestellt und nun müssten wir uns alle daran halten. Interpretation ist keine Physik. Sorry, dass ich mich darüber so aufrege, aber ich empfinde das als Totschlagargument, das leider häufig benutzt wird, um Diskussionen abzuwürgen.
Ich muss da grad mal kurz eine Lanze für die Physik und die Naturwissenschaften an sich brechen: Neuentdeckungen in den Bereichen sind häufig auch Perspektivwechsel und die Felder haben auf gutem Niveau viel mehr mit Kreativität zu tun, als man Ihnen zugesteht. Das ist nicht so weit von der Interpretation an sich. Es gibts sogar das Argument, dass Leute in den Naturwissenschaften mehr Literaturwissenschaft/Philosophie dazu nehmen sollen, um gerade dieses Denken zu schärfen.

Ansonsten stimm ich dir sehr zu, aber ich die Richtung finde ich ehrlich gesagt schon immer etwas problematisch, weils gerne so als Gegensatz dahergesagt wird. Im Schulumfeld wird Naturwissenschaft leider noch so praktiziert, was nach der Schule dann wieder rausgearbeitet werden muss.
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Guthwulf »

skade hat geschrieben: 4. Mär 2024, 23:08Ich muss da grad mal kurz eine Lanze für die Physik und die Naturwissenschaften an sich brechen: Neuentdeckungen in den Bereichen sind häufig auch Perspektivwechsel und die Felder haben auf gutem Niveau viel mehr mit Kreativität zu tun, als man Ihnen zugesteht. Das ist nicht so weit von der Interpretation an sich. Es gibts sogar das Argument, dass Leute in den Naturwissenschaften mehr Literaturwissenschaft/Philosophie dazu nehmen sollen, um gerade dieses Denken zu schärfen.
Deshalb hab ich das im Studium damals belegt plus Psychologie und ein wenig Wirtschaft ;) Aber der Perspektivwechsel und das Hinterfragen der eigenen Hypothesen ist eh Grundpfeiler des wissenschaftlichen Arbeitens. Dafür ist es wichtig, eine gemeinsame Sprache (als Naturwissenschaftler am liebsten Mathematik) oder wenigstens ein gemeinsames Verständnis von der Bedeutung der verwendeten Begriffe zu haben.
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Guthwulf »

Ironic Maiden hat geschrieben: 4. Mär 2024, 22:58Interpretation hat natürlich auch was mit Wissen zu tun. Das mag jetzt hart klingen, aber natürlich werden Interpretationen mitunter auch besser, wenn man entsprechendes Hintergrundwissen hat. Gute Interpretationen sind eben nicht nur subjektives Gelaber. Egal wie wortgewandt man ist und wie genau und empathisch man liest, fundiertes Wissen, z.B. über Hintergründe und Konzepte, machen die meisten Interpretationen besser. Deswegen ist eine Textinterpretation von jemandem, der*die umfassendes Wissen über den Text, seine Entstehung usw. hat, meistens (nicht immer) auch interessanter und "besser" als die von motivierten Laien. Und sei es nur, weil man auf Grundlage von Wissen auch mehr in einem Text finden kann. (Wie ja das Rose Ausländer-Beispiel von Felidae zeigt.)
Ich schätze zum Beispiel, dass viel weniger Leute hier den Podcast hören würden, wenn Jochen, André und co nicht so fundiertes Wissen über Spiele hätten.
Da wirst du für mein Empfinden nu aber bissel unfair. Natürlich ist Interpretation kein "subjektives Gelaber" und natürlich kann / sollte man Wissen (z.B. über Hintergründe oder Konzepte) in seine Interpretation einbeziehen. Die vermutete Intention des Autors (um die es hier eingangs ging) ist aber eben gerade kein "Wissen" sondern eine (unauflösbare) "Spekulation". Diese Spekulation zur Grundlage der eigenen (!) Interpretation eines Werkes zu machen, halte ich für zumindest ... hinterfragenswert. Wenn ich Palworld als gesellschaftliche Satire interpretiere ist dafür erstmal irrelevant, ob sie als solche beabsichtigt war. Das heißt NICHT, dass es nicht trotzdem sehr interessant sein kann, über die Intention zu spekulieren sowie auf dieser Grundlage das Werk zu bewerten (z.B. ob ich Palworld moralisch als legitime gesellschaftliche Satire akzeptiere). Das ist für mich (Begriffspendanten!) dann aber eher ne Kritik/Analyse als ne Interpretation und damit eine geringfügig andere Diskussion (die wir natürlich auch gerne führen können und die ich damit nicht abwürgen will!). War auch eigentlich nur nen Nebensatz bei mir... hatte keine Vorstellung, dass das solche Reaktionen auslöst. Sorry dafür....
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Felidae
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Felidae »

Ironic Maiden hat geschrieben: 4. Mär 2024, 22:58
Interpretation hat natürlich auch was mit Wissen zu tun. Das mag jetzt hart klingen, aber natürlich werden Interpretationen mitunter auch besser, wenn man entsprechendes Hintergrundwissen hat. Gute Interpretationen sind eben nicht nur subjektives Gelaber. Egal wie wortgewandt man ist und wie genau und empathisch man liest, fundiertes Wissen, z.B. über Hintergründe und Konzepte, machen die meisten Interpretationen besser. Deswegen ist eine Textinterpretation von jemandem, der*die umfassendes Wissen über den Text, seine Entstehung usw. hat, meistens (nicht immer) auch interessanter und "besser" als die von motivierten Laien. Und sei es nur, weil man auf Grundlage von Wissen auch mehr in einem Text finden kann. (Wie ja das Rose Ausländer-Beispiel von Felidae zeigt.)
Ich schätze zum Beispiel, dass viel weniger Leute hier den Podcast hören würden, wenn Jochen, André und co nicht so fundiertes Wissen über Spiele hätten.
Wobei zumindest in meinem Deutsch-Unterricht (Mittelstufe und LK) auch regelmäßig Texte zur Interpretation vorgelegt wurden, deren Autor:innen wir zuvor nicht behandelt hatten - sprich: Wenn ich mich nicht durch Zufall schon mit der Person beschäftigt hatte, wurde es zwangsläufig eine Interpretation, die sich maximal auf das Geschlecht des:der Autor:in beziehen konnte, sich ansonsten aber ausschließlich auf den Text an und für sich beziehen musste.

Mag sein, dass es "bessere" Interpretationen gibt als von Menschen, die den:die Autor:in nicht kennen. Aber dass die zwangsläufig "interessanter" sind - das wage ich zu bezweifeln. Und es ist ja auch ein Unterschied, ob jemand etwas interpretiert, obwohl er von Literatur keine Ahnung hat - oder ob jemand mit breitem literarischen Wissen einen Text interpretiert, dessen konkrete:r Urheber:in nur ihm:ihr unbekannt ist.

Ich weiß, dass Spielberg jüdische Vorfahren hat, die in Auschwitz ums Leben kamen. Aber ist dieses Wissen notwendig, um "Schindlers Liste" und "Jäger des verlorenen Schatzes" interpretieren zu können? Oder spricht die jeweilige Darstellung von Nazis nicht für sich selbst? Und verbaut mir manches Wissen nicht evtl. sogar manche spannende Interpretation, wenn ich das Wissen zu sehr im Kopf habe? Ich hab beispielsweise mal eine fantastische "Hochzeit des Figaro" gesehen - in einer modernen deutschen Textfassung. Daraus war jegliches Rokoko verschwunden - und aus der (aus heutiger Sicht) harmlosen komischen Oper wurde ein hochaktueller Gesellschaftskommentar. Hätte die Regie bei ihrer Interpretation die ganze Zeit im Kopf gehabt, "Das Stück ist ausgehendes 18. Jahrhundert, Absolutismus, vorindustriell", dann wäre eine extrem spannende Lesart vermutlich gar nicht erst entstanden. Und, hier wirds jetzt natürlich verrückt: Gleichzeitig eine sehr werkimmanente. Denn zu Mozarts Zeiten WAR der "Figaro" ja ein Revoluzzer-Skandalstück. Was man nur heute halt nicht mehr bemerkt. (Womit ich das Gegenargument natürlich gleich mitliefere - die Regie KONNTE Mozart so frei interpretieren, grade, WEIL sie wusste, wie das Stück bei seiner Uraufführung rezipiert wurde.)

Aus all den Gründen - ja, natürlich profitiert ThePod gewaltig davon, dass die Herren (und auch eine Dame ;) ) sich sehr gut mit Spielen und anderen Kulturdisziplinen auskennen. Trotzdem zeigt die Folge zu Palworld (juhu, back to topic!) ja wunderbar, dass sie von den unmittelbaren Urhebern eines Spiels so gut wie gar nichts wissen müssen und trotzdem eine schlüssige Interpretation liefern können.
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Guthwulf
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Guthwulf »

Um das Thema mal TOTAL UNAUFFÄLLIG und VÖLLIG SUBTIL wieder zurück zu Palworld zu führen (vielleicht könnten wir die "literaturwissenschaftliche Diskussion zum Wesen einer Interpretation" bei Bedarf in einem eigenen Thread weiterführen / auslagern ;)):
Andre Peschke hat geschrieben: 4. Mär 2024, 15:04Palworld (...) Hier sind sie auf eine Goldader gestoßen und solange sich der Hype nicht als riesiges Strohfeuer entpuppt würde ich davon ausgehen, dass sie hier am (Lamm)Ball bleiben.
@Andre, hattest du meine Frage zur wilden Entwicklungsgeschichte von weiter oben gesehen? Antwort / Einschätzung würde mich sehr interessieren (natürlich auch gerne von anderen Diskussionsteilnehmern):
Guthwulf hat geschrieben: 4. Mär 2024, 16:24Frage ist natürlich, ob sie dazu in der Lage sind. Das Spiel scheint ja eine sehr abenteuerliche Entwicklungsgeschichte hinter sich zu haben. Kennt ihr den News Beitrag von Gamestar oder den Blogpost des CEOs?

GameStar: https://youtu.be/XMSDbeA2Fu8?si=zZs2HWfkdhPeOLxc
CEO Blogpost: https://note-com.translate.goog/pocketp ... 4bc3ba5479

Sehr... interessant und überraschend selbstkritisch (laut Eigenaussage "das Gegenteil guter Spieleentwicklung", "Ich stolperte immer wieder über Stellen, über die ich nicht hätte stolpern dürfen", "Ich wusste nichts, was Branchenexperten wissen sollten" "Weil wir eine Gruppe von Amateuren waren" etc.). Außerdem hat er sich zu verschiedenen Gelegenheiten auf Twitter geäußert (u.a. als Reaktion auf den Haß, den das Team wegen der Plagiatsvorwürfe bekam: "I am responsible for the production. ... I would appreciate it if you would refrain from slandering the artists involved in Pal World.")

Hätte mir gehofft, dass ihr bissel in der Folge auf diese wilde Entstehungsgeschichte eingeht.

Hier noch ein Interview, das aber eher PR-Geblubber ist: https://automaton-media.com/en/intervie ... 123-25950/

Zu den rechtlichen Aspekten (Stichwort: Plagiatsvorwürfe) hatte ich weiter oben ja schon eine längere Analyse eines Anwaltes verlinkt.
guthwulf04 (Steam), dreosan (PSN), Guthwulf06 (Xbox), Guthwulf16 (Switch: SW-7403-8257-5609)
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Andre Peschke
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Re: Runde #466: Palworld

Beitrag von Andre Peschke »

Guthwulf hat geschrieben: 5. Mär 2024, 00:13Frage ist natürlich, ob sie dazu in der Lage sind. Das Spiel scheint ja eine sehr abenteuerliche Entwicklungsgeschichte hinter sich zu haben. Kennt ihr den News Beitrag von Gamestar oder den Blogpost des CEOs?

Hätte mir gehofft, dass ihr bissel in der Folge auf diese wilde Entstehungsgeschichte eingeht.
Die Frage kann ich nicht beantworten insoweit sie auf die Fähigkeiten des Teams und den Zustand der Software betrifft. Spekulativ: Was von dem Spiel sichtbar ist, lässt mich jetzt nicht zweifeln, dass das Skillset des Teams nicht ausreicht, um es weiter zu verbessern. Sie haben ja nun zB auch genug Geld um UE-Expertise zuzukaufen. Von daher wird es IMO nicht an der Machbarkeit scheitern. Es wird vielleicht lang dauern (wenn Neueinstellungen nötig sind und ggf das Spiel eine Crappy-Basis hat, wo sie Teile wegwerfen und neu aufbauen müssen) und das kann natürlich dazu führen, dass die Survival-Crafting-Heuschrecken schon auf das nächste Hypefeld weiterziehen um dort zu grasen. Aber perspektivisch ist da noch ein kompletter Playstation-Release zu holen, der Investments rechtfertigt (AFAIK haben sie keinen konkreten Exklusivvertrag, sondern nutzen nur die Early-Access-Plattform, die Sony schlicht gar nicht hat - oder?).

Die Entstehungsgeschichte hatte ich überflogen, aber wir sind ja kaum zur Bewertzung des eigentlichen Spielinhalts gekommen, insofern wollte ich nicht auch noch ein weiteres externes Thema in die Diskussion einbringen. :D

Andre
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