Rigolax hat geschrieben: ↑17. Mär 2024, 12:25Ein Trend zur Hyperkorrektheit. Ich sehe darin vor allem die Tendenz, dass vor allem zählt, was "realistisch" wäre und Eskapismus unterbewertet wird. Das äußert sich u.a. in Körperbildern; nicht nur weiblichen, auch der Conan-mäßige Barbar hat ja eher ausgedient, auch so etwas wie Donut Drake ist heute undenkbar (nicht, dass ich das wiederhaben will, aber ich mein nur, 2011 hat Naughty Dog in Uncharted 3 so ein krasses Fatshaming betrieben, heute absolut undenkbar bei der Firma). In japanischen Spielen ist das anders, die feiern noch einen Unrealismus, etwa in Resident Evil Village. Im deutschsprachigen Journalismus, bei Der Standard, wird da schon teils die Munition versteckt in Vasen als "Regiefehler" bezeichnet (
https://www.derstandard.at/story/200012 ... ste-horror); nun will ich das keineswegs als Beispiel für "Wokeismus" anführen, es dient nur zur weiteren Illustration des Trends zum "Realismus", den ich meine.
Naja, kann man vielleicht auch erstmal feststellen, was "woke" denn überhaupt bedeuten soll, aber ich sehe halt nichts, was einen tatsächlich negativen Auswuchs insbesondere im Gaming darstellen würde. Wir haben ein breitgefächertes Angebot an Spielen und Darstellungsstilen. Dass es Trends und Entwicklungen gibt, ist etwas völlig normales und wer ernsthaft meint, er leidet Mangel, weil jetzt nur noch zwei von zehn Videospielcharakter*innen aussehen wie Sexdolls aus der Fabrik anstatt neun von zehn, um für das Argument mal bei einem Aspekt zu bleiben, der hat wohl ganz andere Probleme. Diversität stört einen doch nur, wenn man eigentlich immer nur das gleiche haben will. (Und das bekommt man ja größtenteils auch noch, nur eben nicht
nur. Es sei auch angemerkt, dass das Publikum vielfältiger geworden ist, und damit die Ansprüche und Geschmäcker.) Und ich verstehe auch nicht, was denn daran negativ sein soll, sich Gedanken zu machen, wie Inhalte von — und das sind Videospiele heutzutage — Massenmedien vom Konsumenten aufgenommen werden und welchen Einfluss sie eventuell haben können. Wenn man dann zu dem Schluss kommt, dies und das ist vielleicht nicht sonderlich hilfreich oder zumindest künstlerisch langweilig, ist es doch zu begrüßen, wenn versucht wird, es besser zu machen. Es ist ja nun auch nicht gerade so, als wäre RE Village gecancelt worden, weil darin unrealistische Frauenfiguren zu sehen sind; im Gegenteil gab es sogar einen Hype um die sexualisierte Darstellung der Schlossherrin. Dass nicht jeder Versuch glückt oder jedem gefällt, macht die Sache an sich nicht schlecht.
Trend zum Realismus ... naja, kann man so oder so sehen. Natürlich kann mir unsinnige Platzierung von Munitionspäckchen die Immersion kaputt machen. Hängt letztlich davon ab, welche Art von Erfahrung ich mir von einem Titel erhoffe. Gerade bei einem Horrortitel mag es dem Grusel abträglich sein, wenn ich durch lauter solche Kleinigkeiten immer wieder daran erinnert werde, nur ein Spiel zu spielen. Ist legitim, dass dann als falsch gemacht aufzufassen. Frage ist wieder, wem wurde dadurch geschadet, dass das jemand so sieht? Mit Kritik muss jedes Werk zurechtkommen. Resident Evil ist die wohl erfolgreichste Horrormarke im Gamesbereich überhaupt oder so ... das kann Capcom ab. Durch den technischen Fortschritt ist auch mehr Realismus möglich, umso mehr beißt es sich dann, wenn Dinge unpassend wirken. Betrifft letztlich doch ohnehin nur einen Bruchteil der Spiele, nämlich die, die überhaupt Realismus anstreben, und genau wie im Film handelt es sich eh nur um die Illusion von Realismus.
"Wokemismus" kann man wohl vor allem darin sehen, wenn pünktlich zum Pride Month die Flaggen rausgeholt werden (bei X), aber dann dennoch wie bei Overwatch in Saudi-Arabien gerne gedealt wird (
https://www.pcgamer.com/2-months-after- ... h-esports/), statt Akzente zu setzen politischer Natur bzgl. eines so homophoben Staats.
Sagst ja selber, dass das nicht wirklich ein Problem mit "woke" ist. Welches Vorgehen in solchen Dingen auf lange Sicht am hilfreichsten sein wird, sollen andere, die sich besser auskennen, überlegen, aber das Geheuchel der Unternehmen macht die Sache an sich nicht schlecht.
Nicht vlt. direkt "Wokeismus" anzukreiden, aber m.E. verwandt der Trend zu einem Safetyismus, d.h. "Triggerwarnungen", "Safe(r) Spaces" etc., der auch in der Gamingindustrie sich fortsetzt. Ich bin da nah an der Kritik von Jonathan Haidt ("Coddling of the American Mind").
Das Thema hatten wir hier schon an anderer Stelle. Man nimmt keinen Schaden durch "kann Spuren von Erdnüssen enthalten" Hinweise, nur weil man persönlich keine Erdnussallergie hat.
Die Berichterstattung von Kotaku zu FFXVI war meiner Meinung nach nicht überzeugend, was das genannte Thema angeht, aber erstens ... wo genau ist das Problem? FFXVI ist so, wie von den Machern vorgesehen, veröffentlicht worden und es konnten sich alle, die es wollten, selbst ein Bild davon machen, ob ihnen die Darstellungen darin nun gefallen oder nicht. Und zweitens ist es, selbst wenn man für die eintönige Rassendarstellung in FFXVI oder wie wir das nennen wollen einen plausiblen Grund, der auf dieses Spiel zutrifft, hat, doch nicht verkehrt, wenn man von außen mal die Frage stellt, hey, warum ist das so und warum wird nicht mal was anderes gemacht? Wie gesagt, dass Kotaku mit der Antwort eher unglücklich umgegangen ist, macht den Wunsch nach Vielfalt, Abwechslung und Repräsentation an sich nicht zu etwas schlechtem.