Deutsche Politik

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Dicker
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Deutsche Politik

Beitrag von Dicker »

Nachdem hier schon trefflich über die US Politik diskutiert wird, frage ich mich, warum in die Ferne schweifen, absurde Poitik gibt es auch hier.

Deshalb, tada, der Deutsche Politik Thread

Ich möchte mit einem eröffnen, das mehr oder weniger auf der Hand liegt, der AFD. Und zwar einem Artikel in der Zeit, der sich der Frage widmet, warum auch viele Menschen mit Migrationshintergrund die AFD wählen.

https://www.zeit.de/2024/29/afd-waehler ... e=aeb93912
(10x zu verschenken, danach Paywall)

Hier eine kurze Zusammenfassung, für alle, die ihn nicht lesen können

Es werden verschiedene Migranten vorgestellt
  • Ali, 51, stolzer Türke und Deutscher, der glaubt, er sei mit Remigration nicht gemeint und die AFD wählt, weil er meint, zu vielen Migranten belasten das Sozialsystem zu viel und führen zu Verarmung. Er selbst hat immer gearbeitet.
  • Nadira, Vater kommt aus Ghana, sie war früher in der linksradikalen Szene unterwegs. Aber als sich die linken Gruppen nicht vom Islamismus abgrenzen wollen, den sie selber durch ihren Vater erfährt, wählt sie die einzige Partei, die das glaubwürdig tut, die AFD. Auch wenn sie sonst keine ihrer Werte teilt, denn sie will eine Debatte über Islamismus anstoßen.
  • Swetlana, Jüdin und Kontingentflüchtling aus der Ukraine, seit 93 in Deutschland. Sie sagt, obwohl sie selbst geflohen ist, dass zu viele Ausländer nach Deutschland kommen, die das System überfordern und schlecht integriert sind. Sie wählt deshalb AFD und trotz der prorussischen Tendenzen in der Partei
  • Ionut, Rumäne, der 2019 zu studieren nach Deutschland kam und geblieben ist. Er fällt nicht als Ausländer auf und mag den wirtschaftsliberalen konservativen Flügel der AFD, Grüne würde er nie wählen, die sind zu ideologisch. "Die AfD ist für mich eine schlechte Alternative, aber besser als alle anderen".
Dann geht der Artikel auf dieses Phänomen ein und sagt, dass viele Migranten sich als Deutsche fühlen und entsprechend wählen. "Es ist ein Irrglaube, zu denken, dass Menschen allein aufgrund ihrer Migrationsgeschichte signifikant anders wählen würden" (Jannes Jacobsen vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung). Die AFD spricht solche Menschen sogar gezielt an.
Dazu kommt, dass sie sich auf kommunaler Ebene deutlich bodenständiger und pragmatischer gibt und Probleme vor Ort anspricht und lösen will. Normalisierung von unten heißt diese Strategie. Die AFD will als normale demokratische Partei wahrgenommen werden und die Menschen, die sie wählen, sehen sich selbst auch als Demokraten.

Ich finde das echt faszinierend, wie sehr einzelne Themen und Probleme das Wahlverhalten bestimmen und wie sehr die Angst um den Wohlstandsverlust selbst solche Leute zur AFD treibt, die wirklich offensichtlich nicht von ihr profitieren würden.
Aber wenn selbst das Wissen um die Remigrationspläne der AFD Menschen mit Migrationshintergrund nicht davon abhält, sie zu wählen, ja was dann?Vermutlich braucht es mehr und bessere Integration und entsprechend Geld und Ressourcen. In der aufgeheizten Stimmung wird sich aber keine Partei trauen, das so offensiv zu fordern. Und so bleibt nur die vermeintliche Alternative, strengere Asylregeln, Abschiebungen, you name it. Und das spielt wieder der AFD in die Hände. Es ist zum Haare raufen.
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Feamorn
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von Feamorn »

Dicker hat geschrieben: 4. Jul 2024, 23:28 Aber wenn selbst das Wissen um die Remigrationspläne der AFD Menschen mit Migrationshintergrund nicht davon abhält, sie zu wählen, ja was dann?Vermutlich braucht es mehr und bessere Integration und entsprechend Geld und Ressourcen. In der aufgeheizten Stimmung wird sich aber keine Partei trauen, das so offensiv zu fordern. Und so bleibt nur die vermeintliche Alternative, strengere Asylregeln, Abschiebungen, you name it. Und das spielt wieder der AFD in die Hände. Es ist zum Haare raufen.
Ich habe selbst keinen Migrationshintergrund, und für eine ausführliche Antwort ist es heute leider zu spät, aber um das Zitierte mal eben noch aufzugreifen, da ich mich heute sehr über den Bericht (bzw. den Inhalt) geärgert habe, dass wir mit doch sehr fadenscheinigen Gründen die früheren Zusagen gegenüber den Helfern vor Ort nicht mehr einhalten werden (siehe hier https://www.tagesschau.de/investigativ/ ... m-100.html). Mir persönlich brechen auf der anderen Seite die Wahloptionen weg. Eigentlich bin ich stark grün und links-liberal geprägt, aber auf Bundesebene blieben da zuletzt eigentlich nur die Grünen, ich muss aber sagen, dass ich mich immer schwerer damit tue, die noch guten Gewissens zu wählen, wenn ich mir ansehe, was unter ihrer Mitwirkung in Sachen Flüchtlingspolitik (auch und insbesondere in Sachen Mittelmeer/Frontex) so getrieben wird. Ich habe von meiner linken Perspektive aus wirklich das Gefühl, dass alle "größeren" Parteien eigentlich nur noch die 20-30% (potentiellen) AfD-Wähler hofieren oder zumindest befrieden wollen, meine eigene politische Heimat geht damit immer mehr vor die Hunde, da wird in meinen Augen immer mehr Porzellan zerschlagen und Substanz verbrannt. Die SPD ist für mich mittlerweile seit Jahrzehnten quasi tot, die FDP ungefähr seit ich geboren bin (also dem Koalitionsbruch), da trauere ich nur alten Erzählungen und Leuten wie Baum und SLS hinterher. Die Linke fällt für mich aus anderen Gründen raus und BSW lässt mich Zweifeln, ob an dem Hufeisen nicht doch was dran ist. Zur Europawahl konnte ich, dank noch nicht vorhandener %-Hürde, noch ausweichen, zur nächsten BTW wird es für mich wirklich haarig... Ich bin extrem unzufrieden, aber halt von der anderen Seite her...

PS: Den von dir zitierten Bericht finde ich aber auch sehr spannend, mal schauen, ob ich den noch irgendwann gelesen bekomme. Fürchte bis dahin werden die gratis-Zugänge weg sein.

Edit: typo
Zuletzt geändert von Feamorn am 5. Jul 2024, 09:26, insgesamt 1-mal geändert.
Voigt
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von Voigt »

Wo wird jetzt aber über die britische Wahl diskutiert? Noch ekn Thread? ^^
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Vinter
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von Vinter »

Dicker hat geschrieben: 4. Jul 2024, 23:28 Dann geht der Artikel auf dieses Phänomen ein und sagt, dass viele Migranten sich als Deutsche fühlen und entsprechend wählen.
Und auf der anderen Seite steht Höcke, der getreu nach seinem Vorbild ein Buch schreibt, in dem er ankündigt, nach der Machtübernahme
"wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind" mitzumachen." Er denke an einen "Aderlass". Diejenigen Deutschen, die seinen politischen Zielen nicht zustimmten, würden aus seinem Deutschland ausgeschlossen werden. Er trete für die Reinigung Deutschlands ein. Mit "starkem Besen" sollten eine "feste Hand" und ein "Zuchtmeister" den "Saustall ausmisten".
Quelle

Höcke will selbst nach seiner Lesart "richtige" Deutsche umbringen, wenn diese in Opposition zur AfD-Diktatur stehen.
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Dicker
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von Dicker »

Das die AFD besser nicht regieren sollte, ist auch vielen/einige ihrer Wähler bewusst. Die wählen sie halt aus Protest oder um auf Themen wie Islamisierung und Migration hinzuweisen. Dass das dumm ist, müssen wir nicht drüber reden. Ich finde es halt spannend, wie sehr diese Themen auch in migrantischen Milieus eine Rolle spielen.
flix
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von flix »

Feamorn hat geschrieben: 5. Jul 2024, 00:07
Dicker hat geschrieben: 4. Jul 2024, 23:28 Aber wenn selbst das Wissen um die Remigrationspläne der AFD Menschen mit Migrationshintergrund nicht davon abhält, sie zu wählen, ja was dann?Vermutlich braucht es mehr und bessere Integration und entsprechend Geld und Ressourcen. In der aufgeheizten Stimmung wird sich aber keine Partei trauen, das so offensiv zu fordern. Und so bleibt nur die vermeintliche Alternative, strengere Asylregeln, Abschiebungen, you name it. Und das spielt wieder der AFD in die Hände. Es ist zum Haare raufen.
Ich habe selbst keinen Migrationshintergrund, und für eine ausführliche Antwort ist es heute leider zu spät, aber um das Zitierte mal eben noch aufzugreifen, da ich mich heute sehr über den Bericht (bzw. den Inhalt) geärgert habe, dass wir mit doch sehr fadenscheinigen Gründen die früheren Zusagen gegenüber den Helfern vor Ort nicht mehr einhalten werden (siehe hier https://www.tagesschau.de/investigativ/ ... m-100.html). Mir persönlich brechen auf der anderen Seite die Wahloptionen weg. Eigentlich bin ich stark grün und links-liberal geprägt, aber auf Bundesebene blieben da zuletzt eigentlich nur die Grünen, ich muss aber sagen, dass ich mich immer schwerer damit tue, die noch guten Gewissens zu wählen, wenn ich mir ansehe, was unter ihrer Mitwirkung in Sachen Flüchtlingspolitik (auch und insbesondere in Sachen Mittelmeer/Frontex) so getrieben wird. Ich habe von meiner linken Perspektive aus wirklich das Gefühl, dass alle "größeren" Parteien eigentlich nur noch die 20-30% (potentiellen) AfD-Wähler hofieren oder zumindest befrieden wollen, meine eigene politische Heimat geht damit immer mehr vor die Hunde, da wird in meinen Augen immer mehr Porzellan zerschlagen und Substanz verbrannt. Die SPD ist für mich mittlerweile seit Jahrzehnten quasi tot, die FDP ungefähr seit ich geboren bin (also dem Koalitionsbruch), da trauere ich nur alten Erzählungen und Leuten wie Baum und SLS hinterher. Die Linke fällt für mich aus anderen Gründen raus und BSW lässt mich Zweifeln, ob an dem Hufeisen nicht doch was dran ist. Zur Europawahl konnte ich, dank noch nicht vorhandener %-Hürde, noch ausweichen, zur nächsten BTW wird es für mich wirklich haarig... Ich bin extrem unzufrieden, aber halt von der anderen Seite her...

PS: Den von dir zitierten Bericht finde ich aber auch sehr spannend, mal schauen, ob ich den noch irgendwann gelesen bekomme. Fürchte bis dahin werden die gratis-Zugänge weg sein.

Edit: typo
Mein Gefühl - und ich komme auch aus dem linken Lager - ist eher, dass Probleme wie Islamismus und die Migrationspolitik klein geredet werden und man sich der Sache nicht so wirklich annimmt. Die rechten Parteien beanspruchen sich diese Themen klar für sich und finden damit offenbar Anklang bei einem Teil der Bevölkerung und die Linken haben bislang keinen guten Umgang damit gefunden. Ist die Angst zu groß als "Rassist" abgestempelt zu werden, wenn man von der eigentlichen Linie der eigenen Bubble abweicht? Wenn Migranten selbst, die u.a. auch vor dem Islamismus fliehen, die Probleme klar benennen, warum hört man ihnen gefühlt nicht zu?

Es ist entsetzlich, dass man die AfD wählt, wenn man keinen anderen Ausweg sieht um Gehör zu finden, aber wundern tut es mich leider auch nicht. Ich selbst fühle mich auch in gar keiner Partei mehr wohl. Aus meiner linken Sicht ist es das Appeasement gegenüber dem politischen Islam seit Jahrzehnten, der Antisemitismus etc. Am ehesten sehe ich mich noch bei Volt, aber hier muss ich auch erst noch die weitere Entwicklung abwarten. Die EU Wahl war ja ein kleiner Erfolg.

Diese ganzen Probleme bestehen schon länger, aber der 07.10. hat hier für mich persönlich sehr, sehr viel geändert.
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von Rince81 »

flix hat geschrieben: 5. Jul 2024, 11:56 Diese ganzen Probleme bestehen schon länger, aber der 07.10. hat hier für mich persönlich sehr, sehr viel geändert.
Warum der 07.10. Die Probleme sind ja nicht neu. Ich bin auch eher mit einer grünen sozialliberalen Grundhaltung unterwegs. Ich bin für das Recht auf Asyl, bin der Meinung, dass man Menschen nicht in Länder wie Syrien oder Afghanistan abschieben soll. Ich finde es völlig legitim, wenn Menschen über Mittelmeer kommen und Sicherheit und ein besseres Leben suchen.
Nur wenn man mich fragt, was ich zu den aktuell "gefühlt" im Wochentakt auftretenden Messerattacken sage - dann bin ich sprachlos. Weil jemand, der solche Anschläge verübt, womöglich mit islamistischem Hintergrund, ganz sicher nicht schutzbedürftig ist, weil in seinem Heimatland Islamisten an der Macht sind. Nur sieht man es den Menschen meist nicht vorher an und ich bin kein Anhänger von irgendwelchen Kollektivstrafen.

Dazu sehe ich auch, wie es sowohl Bundes- als auch Landespolitik in den vergangenen Jahren geschafft haben, das "Flüchtlingsproblem" in der Praxis bei den Kommunen abzuladen, die davon faktisch teils völlig überfordert wurden. Gleichzeitig übernimmt die Politik dafür keine Verantwortung und versucht nicht einmal die Bevölkerung mitzunehmen. Ich bin kein CDU Fan, Merkels "Wir schaffen das" rechne ich ihr aber nach wie vor hoch an. Ich glaube nach wie vor, dass wir das schaffen können - aber nicht mit der Politik, wie sie aktuell betrieben wird - weder von den Ampelparteien noch von der Opposition.
With fear for our democracy, I dissent.
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flix
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von flix »

Rince81 hat geschrieben: 5. Jul 2024, 12:32
flix hat geschrieben: 5. Jul 2024, 11:56 Diese ganzen Probleme bestehen schon länger, aber der 07.10. hat hier für mich persönlich sehr, sehr viel geändert.
Warum der 07.10. Die Probleme sind ja nicht neu.
Sie sind nicht neu, aber sie kamen lange Zeit nie zum Vorschein in meinen politischen Kreisen. Nach dem 07.10. war ich entsetzt über den Judenhass und das Anbiedern an den konservativen Islam innerhalb der Linken und bin seitdem auch ohne wirkliche politische Heimat.
Ich bin auch eher mit einer grünen sozialliberalen Grundhaltung unterwegs. Ich bin für das Recht auf Asyl, bin der Meinung, dass man Menschen nicht in Länder wie Syrien oder Afghanistan abschieben soll. Ich finde es völlig legitim, wenn Menschen über Mittelmeer kommen und Sicherheit und ein besseres Leben suchen.
Nur wenn man mich fragt, was ich zu den aktuell "gefühlt" im Wochentakt auftretenden Messerattacken sage - dann bin ich sprachlos. Weil jemand, der solche Anschläge verübt, womöglich mit islamistischem Hintergrund, ganz sicher nicht schutzbedürftig ist, weil in seinem Heimatland Islamisten an der Macht sind. Nur sieht man es den Menschen meist nicht vorher an und ich bin kein Anhänger von irgendwelchen Kollektivstrafen.

Dazu sehe ich auch, wie es sowohl Bundes- als auch Landespolitik in den vergangenen Jahren geschafft haben, das "Flüchtlingsproblem" in der Praxis bei den Kommunen abzuladen, die davon faktisch teils völlig überfordert wurden. Gleichzeitig übernimmt die Politik dafür keine Verantwortung und versucht nicht einmal die Bevölkerung mitzunehmen. Ich bin kein CDU Fan, Merkels "Wir schaffen das" rechne ich ihr aber nach wie vor hoch an. Ich glaube nach wie vor, dass wir das schaffen können - aber nicht mit der Politik, wie sie aktuell betrieben wird - weder von den Ampelparteien noch von der Opposition.
Volle Zustimmung. Ich bin auch kein Fan von Kollektivstrafen, aber wenn islamistische Taten hier weiterhin in einer sehr hohen Frequenz verübt werden muss man halt irgendwo (hart) ansetzen. Eine Lösung dafür habe ich allerdings auch nicht. Die derzeitige Lage ist aber schlicht inakzeptabel.
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von Peninsula »

Feamorn hat geschrieben: 5. Jul 2024, 00:07
Erstmal einfach nur danke für diesen Beitrag!
flix hat geschrieben: 5. Jul 2024, 11:56 Mein Gefühl - und ich komme auch aus dem linken Lager - ist eher, dass Probleme wie Islamismus und die Migrationspolitik klein geredet werden und man sich der Sache nicht so wirklich annimmt.
Diese Verquickung der Themen Islamismus und Migrationspolitik halte ich für fatal, auch weil radikale, islamistische Gruppen mit ihrer Propaganda ganz gezielt hier in Deutschland aufgewachsene, junge, muslimische Menschen ansprechen und sich dabei Ausgrenzungserfahrungen zunutze machen. Nach dem Motto: "Die Deutschen werden dich sowieso niemals akzeptieren, finde deine wahre (ideologische) Heimat lieber bei uns!"
Meiner Ansicht nach ist es deutlich sinnvoller, Islamismus und damit verbundene Radikalisierungsprozesse als Problem unserer Gesellschaft hier vor Ort zu begreifen, wie es bspw. auch bei Rechtsextremismus passiert bzw. passieren sollte. Das mit dem Thema Migration zu verbinden und so zu tun, als wäre es ein frisch importiertes Problem, wird der Sache nicht gerecht und ist kontraproduktiv - mit nichts hilft man Islamisten mehr, als das von ihnen gezeichnete Bild eines generell islamfeindlichen Deutschlands auch noch - gewollt oder ungewollt - zu bestätigen.
flix hat geschrieben: 5. Jul 2024, 13:00 Ich bin auch kein Fan von Kollektivstrafen, aber wenn islamistische Taten hier weiterhin in einer sehr hohen Frequenz verübt werden muss man halt irgendwo (hart) ansetzen. Eine Lösung dafür habe ich allerdings auch nicht. Die derzeitige Lage ist aber schlicht inakzeptabel.
Welche islamistischen Taten meinst du, die hier mit einer sehr hohen Frequenz verübt werden und nicht hart geahndet werden? Dieses Bild kenne ich höchstens aus Nius und anderen einschlägig rechten Schmutzportalen, aber weder aus seriösen Quellen noch meiner Alltagserfahrung im stark migrantisch geprägten Berlin-Neukölln.
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von flix »

Peninsula hat geschrieben: 5. Jul 2024, 23:48
Feamorn hat geschrieben: 5. Jul 2024, 00:07
Erstmal einfach nur danke für diesen Beitrag!
flix hat geschrieben: 5. Jul 2024, 11:56 Mein Gefühl - und ich komme auch aus dem linken Lager - ist eher, dass Probleme wie Islamismus und die Migrationspolitik klein geredet werden und man sich der Sache nicht so wirklich annimmt.
Diese Verquickung der Themen Islamismus und Migrationspolitik halte ich für fatal, auch weil radikale, islamistische Gruppen mit ihrer Propaganda ganz gezielt hier in Deutschland aufgewachsene, junge, muslimische Menschen ansprechen und sich dabei Ausgrenzungserfahrungen zunutze machen. Nach dem Motto: "Die Deutschen werden dich sowieso niemals akzeptieren, finde deine wahre (ideologische) Heimat lieber bei uns!"
Meiner Ansicht nach ist es deutlich sinnvoller, Islamismus und damit verbundene Radikalisierungsprozesse als Problem unserer Gesellschaft hier vor Ort zu begreifen, wie es bspw. auch bei Rechtsextremismus passiert bzw. passieren sollte. Das mit dem Thema Migration zu verbinden und so zu tun, als wäre es ein frisch importiertes Problem, wird der Sache nicht gerecht und ist kontraproduktiv - mit nichts hilft man Islamisten mehr, als das von ihnen gezeichnete Bild eines generell islamfeindlichen Deutschlands auch noch - gewollt oder ungewollt - zu bestätigen.
flix hat geschrieben: 5. Jul 2024, 13:00 Ich bin auch kein Fan von Kollektivstrafen, aber wenn islamistische Taten hier weiterhin in einer sehr hohen Frequenz verübt werden muss man halt irgendwo (hart) ansetzen. Eine Lösung dafür habe ich allerdings auch nicht. Die derzeitige Lage ist aber schlicht inakzeptabel.
Welche islamistischen Taten meinst du, die hier mit einer sehr hohen Frequenz verübt werden und nicht hart geahndet werden? Dieses Bild kenne ich höchstens aus Nius und anderen einschlägig rechten Schmutzportalen, aber weder aus seriösen Quellen noch meiner Alltagserfahrung im stark migrantisch geprägten Berlin-Neukölln.
https://www.tagesschau.de/inland/innenp ... u-100.html

Erstmal gingen die Zahlen grundsätzlich sehr hoch.

Ich habe nichts davon geschrieben, dass die Taten nicht geahndet werden, ich folge keinen Schundblättern wie Nius, aber mir werden genug Taten in den Twitter Feed gespült und das seit Monaten. In dieser hohen Frequenz habe ich das zuvor nie erlebt. Kann natürlich auch nur mein eigenes Gefühl sein, aber Folgendes ist allein in der letzten Zeit passiert:

https://www.br.de/nachrichten/bayern/me ... en,UHHfaYN

https://amp.zdf.de/nachrichten/panorama ... i-100.html

https://www1.wdr.de/daserste/monitor/se ... -a-100.amp

https://www.neumarktaktuell.de/regional ... 05-07-2024

Und das sind jetzt nur die Messerattacken der letzten 2 Monate, die ich spontan gefunden habe.

Und hier allgemein zum Thema Messerattacken:
https://www.fr.de/politik/mannheim-mess ... 13706.html
„Den Verdacht, dass die Zahl der Messerangriffe gestiegen ist, hatten wir schon länger. Die jüngste Kriminalstatistik hat das nun bestätigt“, sagt Mertens. Die Statistik, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor einigen Wochen in Berlin vorgestellt hat, zeigt einen Anstieg solcher Gewalttaten um zehn Prozent. Noch erheblicher ist die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen, wie aktuelle Zahlen zeigen: Dort gab es im vergangenen Jahr 6.221 Straftaten, in denen ein Messer oder eine ähnliche Stichwaffe benutzt wurde. Das ist ein Anstieg um fast 50 Prozent im Vergleich zu 2022.
Dazu kommen Angriffe auf das jüdische Leben, besonders in Berlin. Die antisemitischen Straftaten sind in die Höhe geschossen. Zeitgleich steigen auch die Angriffe auf Geflüchtete.

Das sind furchtbare Entwicklungen und die sollte man nicht kleinreden.

Stimme aber zu bei der Verquickung von Islamismus und Migrationspolitik. Das habe ich nicht deutlich genug gekennzeichnet. Das Islamismus Problem ist vor allem hier vor Ort zu finden durch die Radikalisierung in TikTok etc.
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von Rince81 »

flix hat geschrieben: 6. Jul 2024, 06:40 Ich habe nichts davon geschrieben, dass die Taten nicht geahndet werden, ich folge keinen Schundblättern wie Nius, aber mir werden genug Taten in den Twitter Feed gespült und das seit Monaten. In dieser hohen Frequenz habe ich das zuvor nie erlebt. Kann natürlich auch nur mein eigenes Gefühl sein, aber Folgendes ist allein in der letzten Zeit passiert:
Die Statistik gibt dir Recht aber gerade beim Twitter Feed ist die Frage, was davon Musks Werk ist. Ich glaube, dass der Algorithmus dort zunehmend auf politischen Krawall gebürstet ist.
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von Voigt »

Ich würde bei der Statistik gerne wissen bei Anstieg von Messerattacken, wieviel davon ist Steigerung mit Migrationshintergrund, einmal relativ aber auch einmal in absoluten Zahlen. Ich hatte jetzt von zwei Messerattacken mit Migrationshintergrund gehört, das ist ja quasi nix bei 6000 Straftaten mti Messer oder Allgemein Toten in Deutschland. Aber ich krieg öfter ma auch was nicht mit, vielleicht sind es deutlich mehr.
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XfrogX
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von XfrogX »

Ich glaube bei sowas ist das größte Problem es gibt zuwenig Psychologen. Den eigentlich müsste man jeden Flüchtling zumindest mal für 4 Stunden oder so zu einem schicken. Das würde glaube ich viel helfen. Aber eine hohe Quote wird dann noch deutlich mehr Betreuung brauchen. Und oftmals ja auch einen Übersetzer dafür, der sicher auch geschult sein muss für sowas.

Aber das ist gefühlt allgemein ein Problem das ziemlich verschlafen wird, auf beim aktuellen Thema mit dem Bürgergeld und den Verweigerern ost sicher über die Hälfte es ein psychisches Problem die Ursache, und ohne das zu lösen, gibts keine dauerhafte Anstellung für solche Leute.

Aber auch schon in den Schulen sieht man das.

Eigentlich müssten wir gerade alles versuchen das dieser Bereich stark wächst. Aber gefühlt gibts dafür keine Programme oder Förderungen.
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von oilrumsick »

Als jemand, der unsere aktuelle Regierung gewählt hat (Grüne) bin ich eigentlich ganz zufrieden mit der Regierungsarbeit und dem Zustand des Landes.

Das soll nicht heissen, das ich keine Probleme sehe oder mit allen Aktivitäten der Regierung einverstanden bin, aber gemessen an dem was ich erwartet habe bin ich zufrieden. Auf der Habenseite stehen für mich das Deutschlandticket (bin Pendler in München und spare dadurch nur gegenüber meinem Jahretickets einiges an Geld und Nerven - ausserdem ist es dadurch extrem entspannt geworden mal spontan öffentlich in die Berge oder zur Familie nach Nürnberg/Ansbach zu fahren) und der generelle Push hin zu mehr erneuerbaren Energien. Insbesondere das letztere wollt eich und habe es bekommen. Inwiefern das nun n der aktuellen Regierung liegt und wie vielen von alleine gekommen wäre - geschenkt. Ich bin nur froh, dass es passiert!

Andere Sachen sind mir nicht so wichtig. Die Kriminalstatistik ist mir ziemlich egal solange es keine absurden Spikes gibt. Aktuell bewegen wir uns trotz des Anstieges in einem Bereich von 2005-2010 - und wenn ich mich recht entsinne war das Leben damals ganz ok. Persönlich kenne ich niemanden in meinen Bekannten-, Verwandten- oder Kollegenkreis, der Opfer eines Gewaltverbrechens geworden wäre oder jemals davon berichtet hätte, dass er/sie jemanden kennt. Das ist natürlich nur anekdotische Evidenz, aber für mein persönliches Empfinden ist diese ja durchaus relevant.
Damit verbunden ist auch, dass ich Berichte über Verbrechen in Zeitungen nichts gebe. In 2023 gab es in Deutschland ~154500 Fälle schwerer und gefährlicher Körperverletzung - wenn man alle berichten würde, müssten in der Zeit oder FAZ also 423 Fälle am Tag abgehandelt werden. In der Realität werden vielleicht 1 am Tag berichtet also 0,23% - wenn nächstes Jahr 2 am Tag berichtet werden erweckt das den Eindruck, dass das Problem doppelt so schlimm ist, obwohl immer noch nur ~0,5% berichtet werden. Worauf ich hinaus will: egal was in den Nachrichten behandelt wird, man kann darauf nicht ablesen ob das Problem viel Schlimmer wird oder nicht, denn es wird immer nur ein winziger Bruchteil berichtet. Deswegen ignoriere ich das soweit ich kann für meine persönliche Bewertung. Und mich nerven Leute (wie z.B. mein Vater), die gefühlt den ganzen Tag nichts anderes tun als das Web nach Berichten über Straftaten zu durchsuchen nur um ihre Vorurteile zu bestätigen - was hat man denn davon ausser schlechter Laune und ein verzerrtes Bild der Realität?

Und wirtschaftlich sehe auch auch eher jahrelanges Versagen der Privatunternehmen als Hauptursache für die aktuellen Probleme in manchen Branchen (so auch meiner, der Automobilbranche) als Versagen der Politik. Am ehesten noch die enge Verflechtung mit Autokratien (primär Russland + China), durch die uns Sanktionen mehr auf die Füsse fallen. Aber a) habe ich selber an das Motto "Wandel durch Handel geglaubt", weswegen es mir schwer fällt völlig entrüstet mit dem Finger auf die Politik zu zeigen und b) war da bestimmt auch viel Lobbyarbeit von Privatunternehmen im Spiel - aus meiner Sicht sind diese also zumindest teilweise selber Schuld. Und mein Lohn ist auch ganz ok gestiegen.

Für meine drängendsten Probleme (zu viele Unterbrechungen durch Ampeln beim Fahrradfahren in München, unzuverlässiger Nahverkehr und fehlende Kita/Kindergartenplätze) kann die Regierung in Berlin glaub ich gar nicht so viel machen, weil das wohl eher bei Stadt+Land liegt.

Meine Stimme werden die Grünen also bei der nächsten Bundestagswahl wieder bekommen. Ich denke, dass sie die richtigen Ziele verfolgen und bei der Umsetzung eine ganz okaye Arbeit machen. Das reicht mir.
Peninsula
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von Peninsula »

flix hat geschrieben: 6. Jul 2024, 06:40 https://www.tagesschau.de/inland/innenp ... u-100.html

Erstmal gingen die Zahlen grundsätzlich sehr hoch.
Fachleute sehen den medialen und politischen Diskurs rund um die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik (PKS) kritisch, weil sie nicht die Aussagekraft hat, die ihr von Politiker*innen und Medien oft zugeschrieben wird.

Hier äußert sich beispielsweise der Kriminologe Martin Thüne im Interview mit der Frankfurter Rundschau:
Warum ist die Polizeiliche Kriminalstatistik aus Ihrer Sicht problematisch?

Die PKS ist hochgradig kompliziert, und sie wird Jahr für Jahr komplizierter, weil die Erfassungsmodalitäten umgestellt werden. Man muss quasi Kriminologie studiert haben, um mit der PKS umgehen zu können. Sie hat außerdem systematische Probleme. Ein Leitsatz lautet: Die PKS ist unvollständig, verzerrt, potenziell manipulierbar und ungewichtet. Die PKS ist unvollständig, weil sie die tatsächliche Kriminalität zuweilen nicht ansatzweise abbildet. Sie ist verzerrt, das heißt, bestimmte Phänomene werden stärker abgebildet als andere. Sie ist potenziell manipulierbar, das heißt, man kann durch bestimmte polizeiliche Maßnahmen die Fallzahlen aktiv beeinflussen und man kann Aufklärungsquoten aktiv beeinflussen und damit ein Bild suggerieren, das mit der Realität nichts zu tun hat.

Muss die Kriminalstatistik reformiert werden?

Ich würde stark dafür plädieren, dieses PKS-System radikal in Frage zu stellen, sich zusammenzusetzen und etwas Neues zu entwickeln. Vorschläge dazu gibt es seit Jahrzehnten. Wir sehen ja, dass sie in der Öffentlichkeit polarisiert und Maßnahmen aus der PKS abgeleitet werden, die auf dieser Datengrundlage besser nicht abgeleitet werden sollten.
flix hat geschrieben: 6. Jul 2024, 06:40 Ich habe nichts davon geschrieben, dass die Taten nicht geahndet werden,
Du schreibst Folgendes:
flix hat geschrieben: 6. Jul 2024, 06:40 wenn islamistische Taten hier weiterhin in einer sehr hohen Frequenz verübt werden muss man halt irgendwo (hart) ansetzen. Eine Lösung dafür habe ich allerdings auch nicht. Die derzeitige Lage ist aber schlicht inakzeptabel.
Da steckt erstens die Behauptung drin, dass islamistische Taten in einer sehr hohen Frequenz verübt werden und zweitens implizieren "(hart) ansetzen" und die "derzeitige, schlicht inakzeptable Lage" meinem Verständnis nach, dass man erst damit beginnen muss, hart dagegen vorzugehen, weil es eben noch nicht passiert.
Das sind jetzt generell Messerangriffe, aber islamistisch? Islamismus als Motiv wird lediglich im Monitor-Beitrag zum Mannheimer Mordanschlag nahegelegt. Gleichzeitig betrachtet der Beitrag aber die massive politische Instrumentalisierung des Anschlags und insbesondere die Verquickung mit dem Thema Migration und bspw. Forderungen nach einer härteren Abschiebepraxis äußerst kritisch.

Zu Messerangriffen generell ist kürzlich dieses Interview mit dem Kriminologen Dirk Baier, der u.a. zu Gewaltprävention forscht, erschienen. Auch hier wird die Aussagekraft der PKS insgesamt problematisiert, aber auch nochmal spezifischer auf das konkrete Thema Messerangriffe eingegangen. Das ganze Interview ist lesenswert, aber ich picke mal ein paar Aussagen heraus, die besonders mit unserer Diskussion hier zusammenhängen.
Aber die Zahlen in den Polizeilichen Kriminalstatistiken zeigen ja schon einen Anstieg – bundesweit und auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Die Zahlen zu Messerangriffen werden erst seit 2021 systematisch erhoben. Die Zahlen der Jahre 2020 und 2021 sind daher aus meiner Sicht mit Unsicherheiten behaftet, weil sich überall erst eine einheitliche Routine bei der Erfassung dieser Delikte etablieren musste.

Die aktuellen Zahlen könnten zudem auch deshalb höher ausfallen, weil wir seit einiger Zeit intensiver über den Messereinsatz reden und daher auch möglicherweise mehr solche Delikte zur Anzeige kommen. Ich wäre daher noch vorsichtig, von einem Trend zu sprechen. Nicht vorsichtig muss man aber bezüglich der Einschätzung sein, dass Messergewalt ein relevantes Problem ist und niedrigere Zahlen eindeutig wünschenswert wären.
Inwieweit das Gefühl zutrifft, dass Messerangriffe zunähmen, ist aus der Sicht dieses Experten also nicht erwiesen. Nichtsdestotrotz stellt die Gewalt ein ernstzunehmendes Problem dar.
Generell gilt: Was die Staatsangehörigkeiten mit einem Messer-Einsatz zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht. Es hat eher was mit den Lebenslagen der Menschen zu tun.

Welchen Einfluss hat die Lebenslage?

Schauen wir doch mal auf Geflüchtete, die in diesem Bereich auffällig werden, wie diese Menschen in Deutschland untergebracht sind: ohne Bleibeperspektive, meist in größeren Asylunterkünften, meist ohne Tagesstruktur. Es ist nicht so überraschend, dass man sich in diesen Umwelten mit Messern ausstattet, weil es auch eine ein Stück weit gefährliche Umwelt ist. Es ist nicht gut, wenn so viele Männer miteinander untergebracht sind.

Dann dauern die Asylverfahren ewig und diese Menschen leben am Rand der Gesellschaft, den deutschen Wohlstand vor Augen, an dem sie nicht teilnehmen können. Das macht etwas mit Menschen, keine Perspektive zu haben, keine Ausbildung, keine Arbeit, keine Struktur.
Das liest sich für mich deutlich plausibler als der leider viel zu häufig vorkommende Verweis auf Herkunftsländer und -kulturen. Die Forderung von xfrog nach besserer psychologischer Versorgung scheint mir in eine Richtung zu gehen, die der interviewte Experte gutheißen könnte.
Wie blicken Sie denn auf den Umgang von Medien und Politik mit dem Thema Messergewalt?

Es ist ein Problem der politischen Kultur geworden, dass zumindest bestimmte Parteien solche Delikte, die es auch schon vor 20 Jahren gab, instrumentalisieren und damit bestimmte Erklärungsmuster und Forderungen verbinden. Eine einzelne Tat wird dann sofort zum Versagen der jetzigen Politik hochstilisiert. Und das macht etwas mit den Menschen, gerade bei so schweren Taten, die enorm emotionalisieren. Dann werden Vorurteile, die in der Bevölkerung gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen bestehen, befeuert und davon abgeleitet, dass unsere Gesellschaft auf dem völlig falschen Weg wäre.
Genau in diesem Zusammenhang ist aus meiner Sicht auch in Diskussionen im kleineren Rahmen (wie hier im Forum) Vorsicht geboten. Ein Gefühl, dass alles immer schlimmer wird und "die Politik ja nichts tut!" stellt sich angesichts schockierender Nachrichten und Bilder schnell ein. Aber dabei muss man immer hinterfragen, ob wirklich etwas schlimmer wird und ganz besonders muss man darauf achten, Vorurteile nicht zu befeuern.
Als Gaming Community können wir uns auch einfach vor Augen halten, wie überzeugend die Behauptung "Killerspiele machen Kinder zu Mördern!" für weite Teile von Politik und Gesellschaft auf den ersten Blick erschien. Ungleich gefährlicher ist es, wenn derart voreilige Schlüsse und Vorurteile sich auf Bevölkerungsgruppen beziehen, die ohnehin schon deutlich mehr Diskriminierung ausgesetzt sind als der gemeine Gamer und außerdem deutlich heftigere Maßnahmen gefordert werden als (ebenso abzulehnende) Videospielverbote.
Es ist ein soziales Problem und das muss man mit sozialen Maßnahmen angehen.
So lautet Dirk Baiers Fazit zu den Messerangriffen, dem ich voll und ganz zustimme.
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bonkic
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von bonkic »

wie spaltung und aufstacheln gut funktioniert, hat erdogan mit seiner spontanen reise zum türkei-spiel nach berlin ja gerade gezeigt.
und als ultimative provokation hatte er den gefallenen, ehemaligen deutschen nationalspieler özil im gepäck.

er bedient genau das, was oben angesprochen wurde: hier (in deutschland) wird man euch nie wirklich akzeptieren, aber der gute onkel vom bosporus ist für euch da. und wie man sieht, fällt das auf fruchtbaren boden. dass ihm die "deutschtürken" grundsätzlich völlig egal sind (außer bei der wahl), da es ihm natürlich nur darum geht, innenpolitisch zu punkten, dringt offensichtlich nicht durch oder spielt keine rolle.

immerhin hat die türkei verloren, wenn auch nicht unbedingt verdient. das wiederum tut mir für die vielen vernünftigen türkischen fans dann auch schon fast wieder leid. denn bei aller kritik muss man der mannschaft eines lassen: die zerreißen sich wirklich auf dem platz und geben alles; was man von vielen anderen teams bei dieser em leider nicht behaupten kann. dass es aber vom türkischen verband und / oder spielern keinerlei distanzierung (eher im gegenteil) gab, ist zwar nicht überraschend aber trotzdem schlichtweg inakzeptabel.
Carlos
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von Carlos »

Spannend ich hatte auch letztens mal überlegt so nen Thread aufzumachen weil ich das Forum hier sehr für seine ruhige Art schätze zum Austausch.

Zu dem Eingangsartikel, ehrlich gesagt wundert mich da gar nichts. Ich hatte 2016 auch mal ne schwierige Zeit wo es mir beruflich nicht so gut ging ich viel pendeln musste und daher leider auch zu viel Zeit mit News verbracht habe. Gerade die üblichen Smartphone Newsboards als Aggregatoren sind hier fast genauso schlimm wie mittlerweile Twitter oder ander Social Plattformen die nur von Aufmerksamkeit und Hate News leben. In der Zeit gab es ja tatsächlich extrem große Terroranschläge wie auch kleinere islamistische Messerattacken. Und damals hatte ich auch in Gesprächen mit Kollegen mit Migrationsbackground gehört dass diese mit der ADF sympathisieren und es wirkte für mich auch schlüssig weil augenscheinlich viele andere Parteien diese Thematiken nicht so ernst nahmen oder eben gerne Islamismus Kritik und Terror nicht vermischen wollten.

Mit einigem Abstand wirkt das für mich mittlerweile einfach nur absurd, AFD und andere rechte Parteien nutzen Islamismus Kritik ähnlich wie Kritik an

„aufgezwungene Diversity, Quoten und Klimaschutz-Indoktrination."

Einfach nur als emotionalen Hebel. Viele dieser Themen ähneln sich. In der Pandemie war es dann die angebliche Freiheit die einem geraubt wurde oder der angebliche Inpfzwang. Die Mechanismen sind gleich, die Themen variieren immer mal wieder.

Viele davon sind gesellschaftlich relevant und müssen konstruktiv von demokratischen Parteien angegangen werden. AFD, französische Rechte, niederländische Rechte oder eben auch ungarische Rechte haben daran jedoch überhaupt kein Interesse, da würde nämlich Arbeit bedeuten und nicht einfach aufgeilen an Hate News und mit dem Finger auf Gesellschaftsgruppen zeigen.

On a positive note, ich bin selbst nicht in einer Partei tätig aber kenne Leute die hier grüne Kommunalpolitik machen und nichts davon geht in Richtung der Aussagen aus dem Artikel
„Die Grünen seien ein Feind der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, findet er. Ionut hat nur wenig Verständnis dafür, dass beispielsweise Banken die Regenbogenflagge hissen oder er in seinem Deutschsprachkurs etwas über Klimaschutz lernen musste.“

Ich sehe tatsächlich nur eine sachliche Umsetzung von Themen und Lösungen die tatsächlich für Veränderung sorgen. Zum Beispiel haben wir morgens hier auf dem Schulweg schon Verhältnisse wie in Holland, es gibt fast mehr Kinder und Erwachsene auf Fahrrädern als Autos auf der Straße. Sowas gibt mir ehrlich gesagt mehr Hoffnung im Alltag als die neusten Terrorattacken auf Twitter durch zu klicken und vermeintlich zu quantifizieren. Kann ich jeden nur empfehlen im Alltag 😃
Carlos
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von Carlos »

oilrumsick hat geschrieben: 6. Jul 2024, 21:30 Als jemand, der unsere aktuelle Regierung gewählt hat (Grüne) bin ich eigentlich ganz zufrieden mit der Regierungsarbeit und dem Zustand des Landes.
SpoilerShow
Das soll nicht heissen, das ich keine Probleme sehe oder mit allen Aktivitäten der Regierung einverstanden bin, aber gemessen an dem was ich erwartet habe bin ich zufrieden. Auf der Habenseite stehen für mich das Deutschlandticket (bin Pendler in München und spare dadurch nur gegenüber meinem Jahretickets einiges an Geld und Nerven - ausserdem ist es dadurch extrem entspannt geworden mal spontan öffentlich in die Berge oder zur Familie nach Nürnberg/Ansbach zu fahren) und der generelle Push hin zu mehr erneuerbaren Energien. Insbesondere das letztere wollt eich und habe es bekommen. Inwiefern das nun n der aktuellen Regierung liegt und wie vielen von alleine gekommen wäre - geschenkt. Ich bin nur froh, dass es passiert!

Andere Sachen sind mir nicht so wichtig. Die Kriminalstatistik ist mir ziemlich egal solange es keine absurden Spikes gibt. Aktuell bewegen wir uns trotz des Anstieges in einem Bereich von 2005-2010 - und wenn ich mich recht entsinne war das Leben damals ganz ok. Persönlich kenne ich niemanden in meinen Bekannten-, Verwandten- oder Kollegenkreis, der Opfer eines Gewaltverbrechens geworden wäre oder jemals davon berichtet hätte, dass er/sie jemanden kennt. Das ist natürlich nur anekdotische Evidenz, aber für mein persönliches Empfinden ist diese ja durchaus relevant.
Damit verbunden ist auch, dass ich Berichte über Verbrechen in Zeitungen nichts gebe. In 2023 gab es in Deutschland ~154500 Fälle schwerer und gefährlicher Körperverletzung - wenn man alle berichten würde, müssten in der Zeit oder FAZ also 423 Fälle am Tag abgehandelt werden. In der Realität werden vielleicht 1 am Tag berichtet also 0,23% - wenn nächstes Jahr 2 am Tag berichtet werden erweckt das den Eindruck, dass das Problem doppelt so schlimm ist, obwohl immer noch nur ~0,5% berichtet werden. Worauf ich hinaus will: egal was in den Nachrichten behandelt wird, man kann darauf nicht ablesen ob das Problem viel Schlimmer wird oder nicht, denn es wird immer nur ein winziger Bruchteil berichtet. Deswegen ignoriere ich das soweit ich kann für meine persönliche Bewertung. Und mich nerven Leute (wie z.B. mein Vater), die gefühlt den ganzen Tag nichts anderes tun als das Web nach Berichten über Straftaten zu durchsuchen nur um ihre Vorurteile zu bestätigen - was hat man denn davon ausser schlechter Laune und ein verzerrtes Bild der Realität?

Und wirtschaftlich sehe auch auch eher jahrelanges Versagen der Privatunternehmen als Hauptursache für die aktuellen Probleme in manchen Branchen (so auch meiner, der Automobilbranche) als Versagen der Politik. Am ehesten noch die enge Verflechtung mit Autokratien (primär Russland + China), durch die uns Sanktionen mehr auf die Füsse fallen. Aber a) habe ich selber an das Motto "Wandel durch Handel geglaubt", weswegen es mir schwer fällt völlig entrüstet mit dem Finger auf die Politik zu zeigen und b) war da bestimmt auch viel Lobbyarbeit von Privatunternehmen im Spiel - aus meiner Sicht sind diese also zumindest teilweise selber Schuld. Und mein Lohn ist auch ganz ok gestiegen.

Für meine drängendsten Probleme (zu viele Unterbrechungen durch Ampeln beim Fahrradfahren in München, unzuverlässiger Nahverkehr und fehlende Kita/Kindergartenplätze) kann die Regierung in Berlin glaub ich gar nicht so viel machen, weil das wohl eher bei Stadt+Land liegt.

Meine Stimme werden die Grünen also bei der nächsten Bundestagswahl wieder bekommen. Ich denke, dass sie die richtigen Ziele verfolgen und bei der Umsetzung eine ganz okaye Arbeit machen. Das reicht mir.
Ich hab’s mal in nen Spoiler Tag gepackt um nicht zu lange zu zitieren aber ich gehe da in vielen Punkten gut mit.

Bezogen auf die Auto Branche auch wenn ich da nicht arbeite aber diese lange genug als Kunden hatte inklusive der ganzen Zulieferer sehe ich auch eher das Problem einer weiter so Mentalität und daran hat wirklich die aktuelle Regierung am wenigsten mit zu tun auch wenn die FDP natürlich gerne noch mit der Auto macht brumm brumm Mentalität Werbung macht und die SPD gerade auf lokaler Ebene gerne mit anderen Parteien zusammen gerne jeden Radweg boykottiert der auch nur einen Anwohnerparkplatz kosten könnte (selbst wenn es sich hier nur um geduldetes aufgesetztes Parken auf dem Gehweg handelt😁).

Aber all die Themen die eigentlich anzugehen wären da höre ich gerade vom konservativen Lager oder noch schlimmer aus dem rechten Lager eigentlich nur ja früher war das alles besser und da müssen wir zurück. Als ob das abschaffen von Regenbogen Flaggen, Gendern und das verschleppen einer Klimaneutralität uns auch nur ein Schritt weiter bringen würde, sei es wirtschaftlich oder eben auch ökologisch.

Persönlich finde ich das besonders dumm weil ich nur denke gerade Wirtschaft und Ökologie sollte sich nicht ausschließen. Gerade zukunftsgerichtete Technologien sind ja eigentlich hilfreich. Ich meine wer kennt nicht die Bücher von früher so ist das Leben im Jahr 2000. ich erinnere mich damals schon Solar gesehen zu haben und viel grün. Und halt nicht die autogerechte Stadt der 60er Jahre 😂 Aber irgendwo auf dem Weg dahin sind scheinbar viele Leute leider gerade aus der Boomer Zeit stehen geblieben und haben gesagt ne hier steht mein Pfahl hier gehe ich nicht weiter. 🤷
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Feamorn
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von Feamorn »

Carlos hat geschrieben: 8. Jul 2024, 10:58 Persönlich finde ich das besonders dumm weil ich nur denke gerade Wirtschaft und Ökologie sollte sich nicht ausschließen. Gerade zukunftsgerichtete Technologien sind ja eigentlich hilfreich.
Ich frage mich ja immer wieder mal, wie es aktuell für Deutschland in dem Bereich wohl aussehen würde, hätten CDU/CSU/FDP die deutsche Solarindustrie um 2010 herum nicht zu Grabe getragen... Heute heulen alle, dass China da alle dominiert...
Carlos
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Re: Deutsche Politik

Beitrag von Carlos »

Feamorn hat geschrieben: 8. Jul 2024, 11:25
Carlos hat geschrieben: 8. Jul 2024, 10:58 Persönlich finde ich das besonders dumm weil ich nur denke gerade Wirtschaft und Ökologie sollte sich nicht ausschließen. Gerade zukunftsgerichtete Technologien sind ja eigentlich hilfreich.
Ich frage mich ja immer wieder mal, wie es aktuell für Deutschland in dem Bereich wohl aussehen würde, hätten CDU/CSU/FDP die deutsche Solarindustrie um 2010 herum nicht zu Grabe getragen... Heute heulen alle, dass China da alle dominiert...
Analogien zum deutschen Auto Markt. Ich weiß noch wie wir mit nem BMW 2017 schon Videos gemacht haben für den Stromverband. Und was ist 7 Jahre später: Strafzölle gegen chinesische Konkurrenz und die großen Hersteller setzen auf Luxus Verbrenner. In fünf Jahren ist das Geheule dann Bock größer weil der Motor halt hier Deutschland Brumm brumm machen muss😂
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