Nachgeforscht - Was findet Andre an virtueller Gewalt?

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echtschlecht165
Beiträge: 2393
Registriert: 9. Jan 2017, 13:26

Re: Nachgeforscht - Was findet Andre an virtueller Gewalt?

Beitrag von echtschlecht165 »

Dieses Gewaltthema ist nicht ein so einfaches:
Einerseits habe ich in echt noch keine Schlägereien gehabt und bin eher auf der Pazifistischen Seite zuhause, andererseits kann ich mit Videos, wie dem Hitman-Kill em all Videos oder mit Tarantinoesker Gewalt sehr viel spass haben.

Es kommt meiner Meinung nach stark auf den Kontext und die Art der Darstellung von Gewalt an, ob man sie nun für Kinder zumutbar hält oder nicht.

Ob jetzt Bösewichter in Hächsler gesteckt werden (wie bei Hitman) oder ob ihnen Tische und Stühle über den Schädel gezogen werden (wie bei Bud Spencer Filmen) ist nur auf den ersten Blick ein Unterschied.
Faktisch gesehen sollte man beides nicht machen, und beides führt entweder zum Tod oder zu schlimmen Verletzungen.
AUch sollte man nicht mit beiden Beinen auf Schildkröten springen :-)

In allen Fällen wird zwar Gewalt ausgeübt, aber in einer offensichtlich ironischen Form, und in keinem der 3 Fälle wird auch nur ansatzweise die Auswirkung von Gewalt gezeigt. (blutige Schädel, zerfetzte Gliedmaßen oder zerquetschte Schildkröten). Ich denke, das verstehen schon die kleinsten Kinder, denn schließlich haben wir auch alle Tom und Jerry geschaut und drüber gelacht.
Probleme hab ich persönlich erst mit zelebrierter Gewalt, die realitätsnah dargestellt wird, mit all ihren Folgen. (DIe diversen Vergewaltigungs und Folterfilme schaue ich mir garnicht erst an, und bei der berühmten GTA Folterszene habe ich mit abgewandten Augen weitergeklickt, weil ich nur weiterspielen wollte)
Hier habe ich als erwachsener Mensch Probleme zuzusehen und es zu verarbeiten und ich möchte Kindern solche Gedanken nicht in den Kopf setzen.

Aber wenn John Travolta "über einen Hubbel fährt" und der Geisel auf der Rückbank die Birne wegschießt, darüber kann ich immer wieder lachen. :D

Irgendwie seltsam
In Stein gemeißelt
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Heretic
Beiträge: 4999
Registriert: 20. Mai 2016, 13:30

Re: Nachgeforscht - Was findet Andre an virtueller Gewalt?

Beitrag von Heretic »

echtschlecht165 hat geschrieben:Probleme hab ich persönlich erst mit zelebrierter Gewalt, die realitätsnah dargestellt wird, mit all ihren Folgen.
Das sehe ich genauso. Allerdings kommt es auf den Kontext an. Ich finde ich es auch nicht gut, wenn Gewalttaten verharmlost dargestellt werden. Das klassische Beispiel: Das "Tatort"-Opfer mit dem roten Punkt auf der Stirn. Klar, der Tatort soll um 20:15 Uhr laufen und das Special Effects-Budget ist bescheiden - da wird verständlicherweise nicht der Hinterkopf über die Wand verteilt. Ein wenig mehr Realismus in Bezug auf Gewalt halte ich aber für wichtig. Wenn man die nicht en détail zeigen will, sollte man konsequenterweise vorher wegblenden und das Kopfkino des Zuschauers die Arbeit machen lassen.
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Veldrin
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Registriert: 7. Mär 2018, 18:34

Re: Nachgeforscht - Was findet Andre an virtueller Gewalt?

Beitrag von Veldrin »

Ich weiß die Folge und der Thread sind schon alt, aber ich habe erst eben die Folge geschaut und möchte auch meinen Senf dazu beitragen. Schadet ja nicht :)

Im Grunde bin ich da ähnlich von der Argumentation her warum mir gewisse Gewalt in Spielen (oder Filmen) gefällt.
Abstoßend wird die Gewalt für mich immer dann, wenn die Distanz dazu sinkt, sprich wenn es besonders realistisch anmutet. Das kann auch schon eine besonders realistische auditive Gestaltung sein oder eben die visuelle.

Mir geht es da aber ähnlich wie André Peschke. Wenn die Gewalt intimer wird dann sinkt die Distanz und es nimmt mich emotional mehr mit und ich kann es nicht mehr genießen. Z.B. den Film Martyrs fand ich ganz schrecklich und es spielt dabei keine Rolle, dass es unschuldige Frauen waren die da gefoltert wurden, auch wenn natürlich der Faktor unschuldig und weiblich den Abstoßfaktor noch mal erheblich verstärkt. Vergewaltigungszenen finde ich auch schrecklich und dabei spielt es keine Rolle ob das Opfer ein Mann, eine Frau, ein Mädchen oder ein Junge ist. Sowas kann ich nicht sehen.

Ich glaube nicht mal, dass die Vergewaltigung oder Folterszene an sich das schlimme ist, also das Visuelle. Sondern dass die Opfer bei sowas greifbarer wirken. Es wirkt nicht mehr gänzlich unreal und distanziert. Die Opfer zeigen verschiedene Emotionen wie Unbehagen, Trauer, Verzweiflung, Schmerz, Kummer und sind völlig hilflos ausgeliefert und werden ihr Leben lang daran zu knabbern haben, falls sie das überleben. Das ist es was dann die Distanz bricht und es für mich ungenießbar macht. Wie gesagt bei Spielen und Filmen ist einem intellektuell immer klar, dass es nicht echt ist und somit bleibt es auch bei Abstoßend. Wenn es aber Nachrichten sind, etwas echtes, oder einfach nur eine Dokumentation auf reale Begebenheiten, dann kann ich da sogar Wut und Traurigkeit verspüren. Z.B. habe ich mir kürzlich eine Doku über den Holocaust angeschaut. Und da mir bewusst ist, dass das alles echte Bilder sind, hat mich das schon sehr mitgenommen, wie da ganz abgemagerte Lebewesen, die keinen Ton mehr von sich geben, sinnlos und kaltherzig getötet oder verhungern gelassen wurden, wie die da wie ein Stück Müll weggeschmissen werden. Da wird dann z.B. an einem Bein gegriffen und dann mit Schwung der Leichnam auf eine Schubkarre geworfen mit aller natürlichen Bewegung eines toten Objekts was mal ein lebendiger Mensch war. Bei sowas kommen mir dann auch Tränen und Wut. Aber selbst wenn eine Person nur sauber und schnell getötet wird. In dem Moment wo es real und nicht Fiktion ist finde ich es schrecklich, obwohl es visuell eigentlich viel harmloser ist.

Aber in der Fiktion ist es nur abstoßend ohne wirklich zu berühren, und mit genügend Distanz ist Gewalt eben sogar befriedigend in einem fiktionalen Kontext.
Wenn Leute en Masse über den Haufen geballert werden, oder schön schnell abgemurkst, dann finde ich das nicht schlimm. Und diese Opfer vorher schon belanglos waren und nicht eingeführt wurden, keine Beziehung aufgebaut wurde, dann berührt mich das nicht. Dann kann ich das auch genießen.

Also prinzipiell, wenn das Opfer greifbar ist dann finde ich die Gewalt nicht schön, wenn es nicht greifbar ist und somit distanziert und deutlich surreal, dann finde ich es genießbar.

Generell bin ich jetzt aber kein Gewaltfetischist. In Spielen versuche ich auch immer gut und gnädig zu sein. Wenn mich aber ein NPC so abnervt, dann knall ich den schon mal über den Haufen. Letztendlich ist es alles virtuell und das ist einem intellektuell immer bewusst, wenn auch nicht immer emotional.

Was ich an Gewalt ästhetisch oder belohnend finde ist ähnlich wie bei André die Machtphantasie, aber eher dieses ich kann die Welt besser machen und Übel abwenden, und wenn es nur bedeutet Megaton in die Luft zu jagen, weil die gönnerhaften Kletten mir ständig irgendeinen Kram schenken, weil ich mal gut zu denen war und die mir aufn Sack gehen. Machtphantasie.
Und das visuelle aber auch. Es sieht einfach stark aus. Das unterscheidet sich dahingehend für mich nicht vom Kaputtschießen einer Fensterscheibe oder was auch immer. Bei Personen die büßen müssen kommt einfach noch ein Bonus der Genugtuung hinzu. Natürlich kann es auch Genugtuung geben, wenn die blöde Tür klemmt und dann wird eben die Granate gezückt. Das Glücksgefühl unterscheidet sich dahingehen nicht vom Töten eines NPCs.

Ich bin aber kein Fan von übertriebener Gewalt. Es sei denn das Spiel ist vom Grundton schon überzogen wie z.B. Bulletstorm und dann passt es auch wieder. Genauso spaßig fand ich aber auch Hard Reset und da waren es Roboter die man schön in alle Einzelteile zerschießen kann.

TL;DR es kommt immer darauf an wie distanziert die Gewalt ist. Wenn die Opfer wie echte Menschen anmuten und als Steigerungsfaktor noch unschuldig sind oder weiblich, dann baut sich eine Hemmschwelle auf und es ist nicht mehr genießbar.
Zuletzt geändert von Veldrin am 7. Mär 2018, 19:40, insgesamt 1-mal geändert.
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Veldrin
Beiträge: 79
Registriert: 7. Mär 2018, 18:34

Re: Nachgeforscht - Was findet Andre an virtueller Gewalt?

Beitrag von Veldrin »

Nachtfischer hat geschrieben:Ich fand es interessant, wie viel von dem, was André erzählt hat, man auch erstmal als grundlegende Faszination interaktiver Unterhaltung einordnen kann. Sowas wie physikalische Experimente, greifbares audiovisuelles Feedback, Selbstwirksamkeit, "Regisseur spielen", Technikfaszination und so weiter. Das ist ja alles auch völlig unabhängig von einem gewalthaltigen Setting zu haben.

Von daher frage ich mich, ob das Ganze vielleicht ein Stück weit einfach eine durch das ubiquitäre Vorhandensein von Gewalt im Medium "ausgebildete Assoziation" (Gewalt = toll) ist. Sprich: Weil all diese Dinge faszinierend sind und man bei Spielen kaum um die Gewalt herumkommt, kann sich der Eindruck verfestigen, dass tatsächlich die Gewalt das Schöne ist und nicht die eigentlichen (und abstrakteren) spielerischen Elemente.

Ich will damit Gewaltdarstellungen nicht die Möglichkeit eines ästhetischen Aspekts absprechen, aber die angesprochene Assoziation könnte da meines Erachtens auch durchaus emotional verstärkend reinspielen.
Das habe ich mir auch gedacht und ich glaube für mich, dass das so zutrifft. Dass mir die Gewalt an sich nicht mal das Schöne ist sondern eben die abstrakteren spielerischen Elemente. Schöner Einwurf.
Doerka
Beiträge: 3
Registriert: 24. Jan 2024, 13:13

Re: Nachgeforscht - Was findet Andre an virtueller Gewalt?

Beitrag von Doerka »

Hallo zusammen, hallo Andre,

ich habe letzte Woche frisch die Folge gehört und melde mich mal auf Andres´Wunsch nach Feedback.

Unterm Strich fand ich die Folge den absoluten Banger. (sagen die Kids das heute noch? Banger?)

Ich gebe zu, dass ich bei vielen Folgen zwischendurch mal etwas nicht mitbekommen, das mag der Autofahrt geschuldet sein auf der ich die Folgen meistens höre.
Diese Folge hat mich von Anfang bis Ende voll in ihren Bann gezogen. Sowohl Andres´Ausführungen zu seinen Gefühlen zu genereller Gewalt, als auch die
dazu gestellten Fragen, haben mich selbst über Dinge in meinem Medienkonsum nachdenken lassen, über die ich mir bisher keine Gedanken gemacht hatte. Wenns spratzt war halt einfach geil bisher. Das Thema hängt mir tatsächlich immer noch ein bisschen nach, habe mich gestern erst wieder beim
spielen erwischt, wie ich das erlebte reflektiert habe. Entsprechend hat die Folge bei mir Eindruck hinterlassen.

Zum Thema gegen Ende der Folge möchte ich persönlich meinen herzlichen Dank an Andre und Ines ausdrücken. Als selbst mittelbar Betroffener dieses
Themas hat es mich fast umgehauen, wie professionel und mit dem nötigen Gewicht darüber gesprochen wurde.

Hut ab und danke nochmal.

P.S. ganz viele andere Folgen fand ich auch super :D


Dirk
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