"Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

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meisterlampe1989

"Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von meisterlampe1989 »

Hallo. Ich bin sauer; warum? Weil es anscheinend so aussieht, dass wir auf ein reaktionäres Zeitalter zusteuern, in dem man bestimmte Themen nicht mehr ansprechen darf ohne mit einem Shitstorm zu rechnen. Über diese Themen Videospiele, Filme oder Musik zu machen, wird in Zukunft sehr schwer werden.

Anlass dazu ist die aktuelle Hexenjagd auf die Game of Thrones - Macher David Benioff und D.B. Weiss, die angekündigt haben als nächstes Projekt eine alternate history Serie zu machen (ähnlich zu "Man in the high Castle"), bei der die Konföderierten den amerikanischen Bürgerkrieg gewonnen haben. In der Serie gibt es auch in der heutigen Zeit noch Sklaverei.

Es gibt Boykott-Aufrufe und Rassismus-Vorwürfe gegen die Macher und HBO. Warum? Die Macher sind weiß... Das ist ein absoluter Dammbruch, denn sonst regte man sich stets über die Darstellung von Themen auf, hier zum ersten mal bereits alleine deswegen, weil man es überhaupt zum Thema macht. Es ist noch keine Zeile Drehbuch geschrieben worden und noch kein einziger Schauspieler wurde gecastet.

In den Köpfen der Kritiker ist Darstellung=Verherrlichung, Gutheißen... das ist das freiwillige (weil nicht staatlich verordnet) Ende der Kunstfreiheit.
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bluttrinker13
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Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von bluttrinker13 »

Hm, ich finde das Konzept der Serie ja erst mal sehr interessant und spannend. Also hoffentlich knicken sie nicht ein, sondern machen das, klingt cool.

Hatte über den "shitstorm" mal was bei GS gelesen. Die Anführungszeichen kommen daher, weil ich den nicht besonders ernst zu nehmen fand, ein paar Tweets, who cares?

Hast du denn da weitere oder neue Informationen, ob es wirklich ernsthafte Kritik gibt, die auch das Studio und die Macher wirklich betreffen? Ich bin da nicht auf dem Laufenden. ;)

Weil ansonsten würde ich sagen, einfach ignorieren, ist nur social media. Die Kontroverse zeigt ja auch erst einmal nur, dass hier ein wirklich interessantes und potentiell mutiges Projekt in der Mache sein könnte. HBO ist sich ja auch für vieles dieser Art nicht zu schade, und zur Not gehen sie halt zu Netflix, da herrscht ebenfalls recht große Kunstfreiheit.
meisterlampe1989

Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von meisterlampe1989 »

Also die Kritik scheint so groß und breit zu sein, dass sich HBO genötigt fühlt die Macher zu verteidigen und General Interest Presse darüber berichtet.

https://www.welt.de/kultur/article16690 ... storm.html" onclick="window.open(this.href);return false;

Außerdem würde ich nie "nur Social Media" sagen.
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bluttrinker13
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Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von bluttrinker13 »

Warum nicht? Wenn du solcherart gegenstandlose und unsachliche Kritik beachtest und ernst nimmst, verleihst du ihr ja gerade erst Bedeutung. Und dann wird es evt davon mehr geben. Und wohin soll das denn führen..?

Also ich bin ja da völlig bei dir, shitstorm Quatsch, Serie interessant. Aber wenn HBO nun die Macher nun sogar verteidigt, ist ja nicht direkt was zu befürchten. Eventuell freuen die sich sogar über die publicity. ;)
radiator
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Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von radiator »

meisterlampe1989 hat geschrieben:Also die Kritik scheint so groß und breit zu sein, dass sich HBO genötigt fühlt die Macher zu verteidigen und General Interest Presse darüber berichtet.

https://www.welt.de/kultur/article16690 ... storm.html" onclick="window.open(this.href);return false;

Außerdem würde ich nie "nur Social Media" sagen.
Großartig! Du verweist auf einen Artikel, der deine Befürchtungen komplett widerlegt :)

Wo ist also das Problem?
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lolaldanee
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Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von lolaldanee »

Hm, coole idee mit dem setting, wenn sie clever sind reiten sie den shitstorm jetzt so lange er noch da ist, und lassen die ganzen hirnlosen die pr-arbeit für sie machen
bei mir hat das mit der pr ja schon mal funktioniert, ich höre gerade genau deshalb das erste mal von der idee, von der ich sonst wohl nie erfahren hätte
meisterlampe1989

Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von meisterlampe1989 »

bluttrinker13 hat geschrieben:Warum nicht? Wenn du solcherart gegenstandlose und unsachliche Kritik beachtest und ernst nimmst, verleihst du ihr ja gerade erst Bedeutung. Und dann wird es evt davon mehr geben. Und wohin soll das denn führen..?
Ich weiß, dass man politisch schnell in sehr komische Gegenden kommt, wenn man von "Rassismus gegen Weiße" spricht, aber so eine Kritik, die darauf beruht, dass Weiße keine Serie über Sklaverei machen dürfen, weil das ja nur rassistisch gegen Schwarze sein kann, muss thematisiert werden und dem muss sofort von Beginn an ein Riegel vorgeschoben werden.

"Wehret den Anfängen". Außerdem werden bereits jetzt schon die Drehbuchschreiber nicht mehr unbefangen an den Stoff herangehen können. Dir sagt sicher der Begriff "Schere im Kopf" etwas.
radiator hat geschrieben: Wo ist also das Problem?
Wo wiederlegt der Artikel mein Problem? Mein Problem ist doch bereits, dass sie sich dafür überhaupt rechtfertigen müssen.
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bluttrinker13
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Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von bluttrinker13 »

meisterlampe1989 hat geschrieben:
bluttrinker13 hat geschrieben:Warum nicht? Wenn du solcherart gegenstandlose und unsachliche Kritik beachtest und ernst nimmst, verleihst du ihr ja gerade erst Bedeutung. Und dann wird es evt davon mehr geben. Und wohin soll das denn führen..?
Ich weiß, dass man politisch schnell in sehr komische Gegenden kommt, wenn man von "Rassismus gegen Weiße" spricht, aber so eine Kritik, die darauf beruht, dass Weiße keine Serie über Sklaverei machen dürfen, weil das ja nur rassistisch gegen Schwarze sein kann, muss thematisiert werden und dem muss sofort von Beginn an ein Riegel vorgeschoben werden.

"Wehret den Anfängen". Außerdem werden bereits jetzt schon die Drehbuchschreiber nicht mehr unbefangen an den Stoff herangehen können. Dir sagt sicher der Begriff "Schere im Kopf" etwas.
Du willst social media Geblubber einen Riegel vorschieben? Good luck with that! Grüß mir Sancho Panza wenn du ihn siehst. :D
Nee im ernst, das ist als wolltest du Internettrolle belehren indem du sie fütterst. Meines Erachtens kann das nicht funktionieren. Ich denke wir sollten einfach gespannt auf die Serie sein. ;)

Und die Schere im Kopf ist denke ich bei Autoren dieses Kalibers kein Problem. Solange HBO denen freie Hand lässt, was durch den verlinkten Artikel ja sogar wahrscheinlicher scheint, haben die doch keine Schere im Kopf sondern einfach nur die Aufmerksamkeit die sie evt auch wollten. Ich meine, den shitstorm haben sie sich sicherlich vorher auch selbst ausgerechnet. ;)
Rince81
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Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von Rince81 »

meisterlampe1989 hat geschrieben: In den Köpfen der Kritiker ist Darstellung=Verherrlichung, Gutheißen... das ist das freiwillige (weil nicht staatlich verordnet) Ende der Kunstfreiheit.
In der Art, in der du dich darüber aufregst könnte man meinen, du hast ein Problem mit der Meinungsfreiheit... :mrgreen:

Kunstfreiheit schützt vor Eingriffen und Sanktionen eines Staates/der Behörden - nicht vor Kritik. Können wir also die Diskussion vielleicht ein paar Etagen niedriger verordnen?
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meisterlampe1989

Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von meisterlampe1989 »

Deswegen das "freiwillig" in Titel und sogar erklärt im Text. Ich habe deswegen auch das Wort "Zensur" vermieden.

Jeder kann seine Meinung frei zu allem äußern, wenn er diese aber zeitgleich mit unhaltbaren Vorwürfen spickt, nehme ich mir auch das Recht heraus dies zu beanstanden. Zumal es das, was kritisiert wird noch gar nicht gibt, also aus reiner Voreingenommenheit und teilweise zum Selbstzweck passiert.

Und egal wie cool sich HBO oder die Writer jetzt geben: An keinem geht es einfach so vorbei, wenn er bei einer falschen oder auch nur missverständlichen Zeile die er schreibt als Rassist gebrandmarkt wird. Gerade im Internet, wo viele nicht weiter als die Überschrift lesen.

Also egal wie klein und unbedeutend so ein Shitstorm aussieht, er hat jetzt schon Einfluss auf die Serie.

Und da bin ich Hardliner: Auch nur ein Satz, den sich ein Autor aus Angst nicht traut zu schreiben, wie er es will, ist für mich eine unerträgliche oppressive Einschränkung seiner künstlerischen Freiheit. Egal ob verordnet oder selbstverordnet, unterbewusst oder bewusst und egal ob vom Staat oder durch gesellschaftliche Konventionen.

Sobald ein Kunstwerk erscheint, ist es für Kritiker zum Abschuss freigegeben. Bis dahin sollte man den Künstler machen lassen, was er will.

Ja, da werde ich pathetisch, Sorry.
Zuletzt geändert von meisterlampe1989 am 1. Aug 2017, 20:00, insgesamt 2-mal geändert.
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TechniKadger
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Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von TechniKadger »

Ich glaube man sollte immer bedenken, dass Stimmen auf Social Media, vor allem wenn sie in die extremere Richtung gehen, überproportional groß erscheinen. Man schaut mit einer Lupe auf ein Staubkorn, vergisst, dass man eine Lupe in der Hand hat und denkt, das Korn wäre größer als sein Auge.

Ja, es gibt Haltungen, die zu stark bzw. an den falschen Stellen gegen eine reale Ungerechtigkeit gegenkorigieren. Aber gleichzeitig wird so etwas dann auch sehr stark kritisiert. Ich z.B. habe in den letzten Tagen wesentlich mehr Verteidigungen für Conferedate gelesen, als andersrum.
Rince81
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Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von Rince81 »

meisterlampe1989 hat geschrieben:Deswegen das "freiwillig" in Titel und sogar erklärt im Text. Ich habe deswegen auch das Wort "Zensur" vermieden.
Schreibst aber im gleichen Atemzug von der "Abschaffung der Kunstfreiheit"... Nichts könnte weiter davon entfernt sein.
Und da bin ich Hardliner: Auch nur ein Satz, den sich ein Autor aus Angst nicht traut zu schreiben, wie er es will, ist für mich eine unerträgliche oppressive Einschränkung seiner künstlerischen Freiheit. Egal ob verordnet oder selbstverordnet, unterbewusst oder bewusst und egal ob vom Staat oder durch gesellschaftliche Konventionen.
Sobald ein Kunstwerk erscheint, ist es für Kritiker zum Abschuss freigegeben. Bis dahin sollte man den Künstler machen lassen, was er will.
Das ist eine HBO Serie bzw. soll eine werden! Einziger Existenzzweck solch einer Serie ist der Verkauf von Pay-TV Abos. Da wird natürlich immer die reine künstlerische Vision verfolgt und nicht eine einzige Sekunde überlegt, was den Kunden bei der Stange hält.
https://www.youtube.com/watch?v=DsXInOPxgjY" onclick="window.open(this.href);return false;
Jeder kann seine Meinung frei zu allem äußern, wenn er diese aber zeitgleich mit unhaltbaren Vorwürfen spickt, nehme ich mir auch das Recht heraus dies zu beanstanden. Zumal es das, was kritisiert wird noch gar nicht gibt, also aus reiner Voreingenommenheit und teilweise zum Selbstzweck passiert.
Ist der Blick von außen nicht schön? Wie wäre es mal mit einem Blick rein? Dahin, wie es noch heute im Old South aussieht? Dass man ganz aktuell riesige Debatten darüber hatte und hat, die Konföderiertenflagge von Regierungsgebäuden abzuhängen und Statuen von Südstaatengenerälen abzubauen? Dass dort Rassismus und Diskriminierung nach wie vor Alltag ist? Das man bis heute Probleme damit hat ein faires Wahlrecht zu garantieren, dass nicht Schwarze diskriminiert, dass aktuell ein Typ Justizminister ist, der in den achtziger in Alabama(!) als zu rassistisch angesehen wurde um dort Bundesrichter zu werden. Klar, dass die Idee zu "Confederate" da offene Wunden aufreißt - gerade weil es eben nicht alte Geschichte ist...



Ich mag generell solche "was wäre wenn"-Szenarios, mit hat Vaterland gut gefallen und Amazon hat etwas Kritik aber primär Lob mit dem Man in the High Castle bekommen. Nun mal sehen, was die beiden vorhaben.
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meisterlampe1989

Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von meisterlampe1989 »

Rince81 hat geschrieben: Ist der Blick von außen nicht schön? Wie wäre es mal mit einem Blick rein? Dahin, wie es noch heute im Old South aussieht? Dass man ganz aktuell riesige Debatten darüber hatte und hat, die Konföderiertenflagge von Regierungsgebäuden abzuhängen und Statuen von Südstaatengenerälen abzubauen? Dass dort Rassismus und Diskriminierung nach wie vor Alltag ist? Das man bis heute Probleme damit hat ein faires Wahlrecht zu garantieren, dass nicht Schwarze diskriminiert, dass aktuell ein Typ Justizminister ist, der in den achtziger in Alabama(!) als zu rassistisch angesehen wurde um dort Bundesrichter zu werden. Klar, dass die Idee zu "Confederate" da offene Wunden aufreißt - gerade weil es eben nicht alte Geschichte ist...
Aber die Kritik kommt doch momentan von der völlig anderen Seite. Natürlich sind das alles bestehende Probleme. Gerade deswegen haben die Macher sich dieses Thema genommen. Gerade im Trump-Amerika benötigt man solche Werke.

Die Kritik jetzt gerade kommt doch eher von der linken Political Correctness - Seite. Du findest es also überhaupt nicht problematisch, wenn Weißen nur aufgrund ihrer Hautfarbe vorgeworfen wird rassistisch zu sein, wenn sie eine Serie machen, die Sklaverei zum Thema hat?

Ich bin selber links und finde Political Correctness alles andere als grundsätzlich falsch, aber was momentan abläuft ist langsam unerträglich. Das führt manchmal in so absurde Diskussionen. Dieses Jahr wurde sogar schon groß darüber debattiert, welche Schwarzen denn in Filmen über Rassismus mitspielen dürfen. In "Get Out" spielte ein schwarzer Brite die Hauptrolle. Prompt kamen Leute, u.A. der eigentlich sehr von mir geschätzte Samual Jackson, und forderten, dass das doch ein amerikanischer Schwarzer spielen sollte, weil doch nur der den richtigen Background hat und die Rolle fühlen konnte.

Dann zu jedem Film die obligatorischen Whitewashing Debatten oder Diskussionen um Cultural Appropiation.

Und auch hier der Dislaimer: Ja, es gibt dreistes Whitewashing, aber auch sehr unnötige Debatten wie z.B. zu Ghost in the Shell. Der Major ist nicht asiatisch gezeichnet, sondern westlich. Deswegen ist es kein Whitewashing Scarlett Johansson zu besetzen. Warum Matt Damon in einem Film über die chinesische Mauer dabei sein muss, das weiß nur der Geier und darüber kann man streiten.

Wenn wir so weiter machen, dann gibt es bald keine Filme, Serien oder Computerspiele ohne Shitstorm mehr. Das hat nichts mehr mit sachlicher Kritik zu tun, die diese Medien weiter bringt.
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bluttrinker13
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Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von bluttrinker13 »

meisterlampe1989 hat geschrieben: Wenn wir so weiter machen, dann gibt es bald keine Filme, Serien oder Computerspiele ohne Shitstorm mehr. Das hat nichts mehr mit sachlicher Kritik zu tun, die diese Medien weiter bringt.
Und genau mit diesem letzten Satz bist du doch bei dem angekommen, was ich anfangs schrieb. Ist keine sachliche Kritik, bringt nicht weiter, also pustekuchen und ignorieren das Ganze oder wenigstens nicht so überhöhen in seiner Bedeutsamkeit. ;)

Nur das "wir" kannst du gerne streichen, das gilt nämlich nicht, schon gar nicht in heutiger sozialer Kommunikation. Es sind hier ganz normale, natürliche Prozesse die da ablaufen, Leute fühlen sich getriggert, Leute sind bei gewissen Themen betroffen und "on edge", wie rince ja auch schön dargestellt hat. Das wird immer so sein, lass es geschehen und nimm eine eigene Meinung dazu ein. Solange hier keine Zensur oder offener Zwang vorliegt ist das doch alles gut und richtig so. Kunst und neue Ideen, einschließlich Wissenschaft, hat sich doch schon immer von gewissen Normen und Kritik ein Stück weit emanzipieren müssen, und das auch um überhaupt Kunst zu sein. Das gehört einfach dazu - Stichwort: unbequem sein.

Ich persönlich finde es eher witzig und entlarvend da manche Twitterkommentare von jungen (!) hippen Leuten zu lesen, die letztlich ähnlich engstirnig erscheinen wie anno dazumals Ansichten der älteren Generation, dass Rockmusik ja wohl vom Teufel persönlich kommen müsste.

Und noch mal wiederholt, der shitstorm erscheint mir ein absolut einkalkulierter von Seiten der Autoren. Die wissen schließlich was hier (US) los ist. Insofern würde ich mir keine Sorgen machen, dass das das Projekt groß verfälscht oder downtuned. Wenn die eine Vision haben, werden die sie auch durchziehen. Und mit dem Rückhalt gerade erst eine der erfolgreichsten Serien aller Zeiten zu Ende zu produzieren, wird ihnen wohl auch niemand ernsthaft in die Suppe spucken.

Zumal wir alle, Twitter-hater und Interessierte, ja eben noch gar nicht wissen können, wie die Serie wird. :whistle:
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Dostoyesque
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Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von Dostoyesque »

meisterlampe1989 hat geschrieben:Hallo. Ich bin sauer; warum? Weil es anscheinend so aussieht, dass wir auf ein reaktionäres Zeitalter zusteuern, in dem man bestimmte Themen nicht mehr ansprechen darf ohne mit einem Shitstorm zu rechnen.[...]
Es gibt Boykott-Aufrufe und Rassismus-Vorwürfe gegen die Macher und HBO. [...]
Ich seh das Problem nicht. Die Serie wird produziert und die Kritiker äußern ihre Kritik. Man muss nicht alles zu einem Shitstorm stilisieren, der die Meinungsfreiheit bedroht. Ich teile nicht die Kritik, halte sie für Unsinn, fühle mich aber nicht in meiner Freiheit bedroht, eine Meinung zu äußern. Genauso sollten diejenigen, die diese Vorwürfe gegen Benioff und Co. formulieren auch nicht den Eindruck bekommen, dass ihre Kritik nicht erlaubt ist. Wenn für dich Meinungsfreiheit bedeutet, dass sich niemand über deine Meinungen und deinen Geschmack beschweren darf ist das auch nicht besonders tolerant. Live and let live. Es ist nicht verboten, Kritik zu äußern, auch wenn sie sehr harsch ausfällt.

Ich persönlich teile wie gesagt die Kritik nicht, halte die Prämisse aber auch für sehr uninteressant und polemisch. Ich brauch "Confederate" nicht. Das macht Benioff noch nicht zu einem Rassisten. Desweiteren haben HBO und die entsprechenden Autoren mit Sicherheit mit Reaktionen dieser Art gerechnet, weswegen der reveal auch etwas unspektakulär war, damit nicht zu viel auf einmal kommt. Das erste Interesse und die ersten Kontroversen sind gesäht, läuft also insgesamt nicht allzu schlecht für HBO. Ich halte die Prämisse aber auch aus diesem Grund für bewusst polemisch.
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Maschendraht
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Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von Maschendraht »

Dostoyesque hat geschrieben: Ich seh das Problem nicht. Die Serie wird produziert und die Kritiker äußern ihre Kritik.[...] Wenn für dich Meinungsfreiheit bedeutet, dass sich niemand über deine Meinungen und deinen Geschmack beschweren darf ist das auch nicht besonders tolerant. Live and let live. Es ist nicht verboten, Kritik zu äußern, auch wenn sie sehr harsch ausfällt.
Es ist aber ein Unterschied, ob jemand die Meinung eines anderen Kritisiert, so wie hier, oder ob man kritisiert, dass jemand überhaupt eine Meinung zu einem bestimmten Thema hat, so wie die Kritiker dieser Serie.

Zu der Kritik selbst finde ich, dass man sie natürlich äußern "darf", was aber nichts daran ändert, dass ich sie für problematisch halte. Da steckt einfach eine bestimmte Sichtweise dahinter, dass nur bestimmte Gruppen etwas von bestimmten Themen verstehen. Da wird die eigene Geschichte und das subjektive Empfinden absolut gesetzt, während anderen abgesprochen wird, dass sie sich über das Thema informieren können. Zugehörigkeit zu einer Gruppe schlägt eigenes Nachdenken des Individuums. Und das halte ich für kollektivistisch und antiintellektuell. Die Aufklärung sagte "habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen". Diese Leute sagen: denk nicht nach und stell keine Fragen, sondern besinne dich auf deine Gruppe oder lass es einfach, falls du nicht dazugehörst.
meisterlampe1989

Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von meisterlampe1989 »

Dostoyesque hat geschrieben:
meisterlampe1989 hat geschrieben:Hallo. Ich bin sauer; warum? Weil es anscheinend so aussieht, dass wir auf ein reaktionäres Zeitalter zusteuern, in dem man bestimmte Themen nicht mehr ansprechen darf ohne mit einem Shitstorm zu rechnen.[...]
Es gibt Boykott-Aufrufe und Rassismus-Vorwürfe gegen die Macher und HBO. [...]
Ich seh das Problem nicht. Die Serie wird produziert und die Kritiker äußern ihre Kritik. Man muss nicht alles zu einem Shitstorm stilisieren, der die Meinungsfreiheit bedroht. Ich teile nicht die Kritik, halte sie für Unsinn, fühle mich aber nicht in meiner Freiheit bedroht, eine Meinung zu äußern. Genauso sollten diejenigen, die diese Vorwürfe gegen Benioff und Co. formulieren auch nicht den Eindruck bekommen, dass ihre Kritik nicht erlaubt ist.
Ich fühle sehr wohl mein Recht beschnitten mich zu bestimmten Themen zu äußern. Denn das, worum es hier geht, ist keine Kritik oder Meinungsäußerung, sondern der Versuch jemanden mit einem Begriff Mundtot zu machen.

Natürlich ist die Prämisse in den heutigen Trump-USA ein heißes Eisen. Und man kann sie, wie du, auch für polemisch halten. Aber es fühlen sich die völlig falschen Leute angesprochen. Mit der Serie will man aufzeigen, worauf die USA zusteuern, wenn sie Leute wie Trump wählen. Der "Angry White Man" soll sich angesprochen fühlen. Von der Richtung hätte ich, wie bei FarCry 5, einen Outcry erwartet.

Stattdessen drehen die "Liberals" wegen dem Trigger-Wort "Slavery" durch.

Ich bin politisch sehr interessiert und verfolge seit Jahren die Politik und das politische Spektrum in den USA. Dort wird seit Jahren von der linken Seite die Debattenkultur zerstört, indem man bestimmte Worte zu Trigger-Worten machte.
Einem bestimmten politischen Spektrum ist der Kontext mittlerweile egal. Wenn man ein bestimmtes Wort sagt, was ihnen missfällt, ist man automatisch in der Schublade. Das ist undemokratisch.

Die PC-Debatte hat die linken in den USA gespalten. Man unterscheidet mittlerweile regressive left, das sind die Trigger-Leute und Links-Libertäre.
Das Trump heute Präsident ist, hat nicht wenig mit PC zu tun.
Rince81
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Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von Rince81 »

meisterlampe1989 hat geschrieben: Dann zu jedem Film die obligatorischen Whitewashing Debatten oder Diskussionen um Cultural Appropiation.
Und das ist gut so. Weil sich nur dadurch langfristig etwas ändert. Und es ist kein Rassismus gegen Weiße, sondern die schlichte Erkenntnis, dass man manchmal nicht in der Haut steckt.
Nehmen wir mal Moonlight, den aktuellen Oscargewinner als bester Film, ein toller, beeindruckender und kraftvoller Film. Das Drehbuch stammt von Barry Jenkins und Tarell McCraney. Beide schwarz, beide in Liberty City, Florida aufgewachsen, zumindest Jenkins in prekären Verhältnissen und McCraney schwul. Was wäre da raus gekommen, wenn sich ein weißer heterosexueller Drehbuchautor aus einer Vorstadt irgendwo in Wisconsin dran versucht hätte?
https://www.youtube.com/watch?v=9NJj12tJzqc" onclick="window.open(this.href);return false;

Das bedeutet nicht, dass weiße Filmemacher da nichts dürfen, Hidden Figures war ein gelungener Film. Hollywood hat aber in den vergangenen Jahrzehnten und auch noch in den letzten Jahren mehrfach eindrucksvoll bewiesen, dass die Filmbranche ein Rassismus und Sexismusproblem hat. Es ist gerade daher mehr als legitim von vornherein auf Vorbehalte hinzuweisen.
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Rince81
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Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von Rince81 »

meisterlampe1989 hat geschrieben: Ich fühle sehr wohl mein Recht beschnitten mich zu bestimmten Themen zu äußern.
Den Eindruck machst du hier im Thread nicht...
Die "Gesendet von meinem HTC11 Life mit Tapatalk"-Signatur
meisterlampe1989

Re: "Confederate" oder die freiwillige Abschaffung der Kunstfreiheit

Beitrag von meisterlampe1989 »

Rince81 hat geschrieben: Beide schwarz, beide in Liberty City, Florida aufgewachsen, zumindest Jenkins in prekären Verhältnissen und McCraney schwul. Was wäre da raus gekommen, wenn sich ein weißer heterosexueller Drehbuchautor aus einer Vorstadt irgendwo in Wisconsin dran versucht hätte?


Weißt du es?
Rince81 hat geschrieben:Hollywood hat aber in den vergangenen Jahrzehnten und auch noch in den letzten Jahren mehrfach eindrucksvoll bewiesen, dass die Filmbranche ein Rassismus und Sexismusproblem hat. Es ist gerade daher mehr als legitim von vornherein auf Vorbehalte hinzuweisen.
Hollywood war und ist sexistisch und rassistisch, wenn man es denn so hart ausdrücken will. Frauen sind immer noch selten Hauptdarsteller, werden schlechter bezahlt und stereotyp besetzt. Und divers ist der Cast zwar häufiger als früher, aber die wichtigsten Rollen werden nach wie vor mit weißen Männern besetzt. Filz fällt eben nur langsam ab.

Aber was hat das mit dem Thema zu tun. Die Serie wird sich doch kritisch mit dem Thema auseinander setzen; sie stößt doch ins selbe Horn, wie du und allen anderen (auch ich) die gegen Rassismus, Xenophobie, Sklaverei etc. sind. Sie wird das nicht verherrlichen oder in einem guten Licht darstellen, sondern wie sich es gehört als das, was es ist: Menschenverachtend.

Auch wenn ihr hier das alles runter spielt, ich finde es nach wie vor unverschämt einem weißen nur Aufgrund seiner Hautfarbe vorzuwerfen, er könnte nicht mit dem Thema Sklaverei umgehen und er wäre ein Rassist nur weil er sich mit dem Thema beschäftigt. Mir ist auch egal wie klein diese Gruppe ist, da kriege ich Pickel.
Rince81 hat geschrieben:Den Eindruck machst du hier im Thread nicht...
Ich wirke sicher ziemlich engagiert und vehement. Ich bin halt passioniert. Muss man nicht mögen, aber ich verstelle mich nicht.
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