The Panel: Geld, Gier und Gamer

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Klagsam
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The Panel: Geld, Gier und Gamer

Beitrag von Klagsam »

Ich habe die Folge gerade fertig gehört und fand das grundlegende Thema sehr spannend, allerdings meinem Geschmack nach durch die Protagonisten etwas dünn behandelt.
Insbesondere die "Diskussion", bzw. "gesellschaftliche Einordnung" von Gier hat mich doch stark verwundert. Sinngemäß ist bei mir von beiden nicht viel mehr hängen geblieben als: Jo, ist halt nicht so schlimm wie Faulheit, aber "Leute in Deutschland haben damit nicht so ein großes moralisches Problem".
Dabei ist ja Gier (bzw. Geiz und Habgier) eine der sieben Todsünden, spielt in der Rechtsprechung eine große Rolle und ist nach wie vor in Form von Egoismus etwas was unbedingt zu vermeiden ist und bei vielen Menschen ein sehr schlechtes Gewissen erzeugt. Das alles ging in der Diskussion leider unter.

Prinzipiell würde ich auch der These wiedersprechen, dass Faulheit einen soviel schlechteren Ruf hat als die Gier. Es ist meist nur einfacher auf den Faulen 'rumzuhacken, als auf den Gierigen, weil letztere in der Regel die besseren Anwälte haben...

Auch fehlte mir der Aspekt, dass viele große Publisher über ihre PR und Marketingabteilungen ja auftreten als wäre ihnen daran gelegen gute Spiele zu veröffentlichen, sich aber rein monetär getrieben verhalten. Ich glaube, dass dieser Wiederspruch das ist was viele Leute ärgerlich macht und was maßgeblich zum schlechten Ruf von EA etc. beiträgt.
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Andre Peschke
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Re: The Panel: Geld, Gier und Gamer

Beitrag von Andre Peschke »

Klagsam hat geschrieben:Insbesondere die "Diskussion", bzw. "gesellschaftliche Einordnung" von Gier hat mich doch stark verwundert. Sinngemäß ist bei mir von beiden nicht viel mehr hängen geblieben als: Jo, ist halt nicht so schlimm wie Faulheit, aber "Leute in Deutschland haben damit nicht so ein großes moralisches Problem".
Kann ich verstehen, aber es geht ja gerade um neue Perspektiven in The Panel. Ich denke in diesen Momenten eher "Hmmm, interessant, dass Christian der Ansicht ist, dass Gier bei uns eher nachranging negativ ist und wir viel eher Faulheit an den Pranger stellen" und frage mich, ob er damit nicht recht hat. Tatsächlich regen sich die Leute über die "Gier der Konzerne" zwar auf, wenn's mal soweit ist. Aber wenn ich so drüber nachdenke finde ich es gar nicht so abwegig, dass viel mehr Leute sich über Faulheit aufregen und das auch ohne konkreten Anlass als Vorwurf von sich geben. Gerade wenn es darum geht Minderprivilegierte für ihren Status selbst verantwortlich zu machen, oder auch mit Blick auf die Flüchtlingsdebatte (dort sicher auch teilw. mit Rassismus durchtränkt).

Die Annahme, dass man mehr Geringschätzung erfährt, wenn man "faul" ist, als gierig (insbesondere erfolgreich und gierig)...erscheint mir nicht so absurd (auch in Bezug auf meritokratisch geprägtes Gamerdenken, evtl) und wirft ja ggf. weitere interessante Fragen auf.

Andre
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Symm
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Re: The Panel: Geld, Gier und Gamer

Beitrag von Symm »

Hm...heute morgen hab ich mir beim Hören des Panels so meine Gedanken gemacht. Wären wir eigentlich bereit Einbussen zu machen im Bereich der technischen Innovationen, gerade was Grafik angeht um so die immer größeren Produktionsbudgets wieder auf ein normales Maß runter zu dampfen, um so den Publishern wieder die Möglichkeit zu geben mit dem Vollpreis genug Gewinn zu machen?
Das setzt natürlich vorraus das die Beuteboxen lediglich dazu da sind um die Herstellkosten wieder reinzuspielen und sich nicht die selbst die Taschen zusätzlich noch mal voll zu machen?
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NDA
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Re: The Panel: Geld, Gier und Gamer

Beitrag von NDA »

Symm hat geschrieben:Hm...heute morgen hab ich mir beim Hören des Panels so meine Gedanken gemacht. Wären wir eigentlich bereit Einbussen zu machen im Bereich der technischen Innovationen, gerade was Grafik angeht um so die immer größeren Produktionsbudgets wieder auf ein normales Maß runter zu dampfen, um so den Publishern wieder die Möglichkeit zu geben mit dem Vollpreis genug Gewinn zu machen?
Meine persönliche Antwort: Den Schritt habe ich schon lange getan, da ich in der Regel Indie-Titel oder Paradox-Tirel spiele. Selten, dass meine bevorzugten Genres Grafikblender enthalten. Ich muss nur an die 200 Stunden Stardew Valley denken um zu wissen, dass ich keine Probleme mit einem Grafikdowngrade hätte.

Oder, falls es nicht Pixelgrafik sein soll, denkt an den Erfolg der Wii oder aktuell der Switch. Technische Innovation abseits der Konsole findet man dort eher vergebens.
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Freitag
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Re: The Panel: Geld, Gier und Gamer

Beitrag von Freitag »

Symm hat geschrieben:Wären wir eigentlich bereit Einbussen zu machen im Bereich der technischen Innovationen, gerade was Grafik angeht um so die immer größeren Produktionsbudgets wieder auf ein normales Maß runter zu dampfen, um so den Publishern wieder die Möglichkeit zu geben mit dem Vollpreis genug Gewinn zu machen?
Gerade Indie-Titel sind durch das geringere Budget ja meist gezwungen, einen eigenen Grafikstil zu entwickeln. Spontan und zuletzt gespielt fallen mir da etwa Virginia, Orwell, Machinarium oder Tue Sexy Brutal ein. Die wären alle mit realistischer, topmoderner Grafik kein Stück besser, sondern würden im Gegenteil einiges von ihrem Charme verlieren. Behaupte ich zumindest. :D

Und Indies entwickeln oft eigene Mittel, Geschichten zu erzählen. Vorgerenderte Zwischensequenzen mit Motion-Capturing sind garantiert auch verdammt teuer. Und die "Story" oft doch nur mittelprächtig.

Letzter Punkt: ich verstehe nicht richtig, warum reine Multiplayer Titel - ich denke vor allem an Dice - unbedingt einen Singleplayer brauchen, der dann bestenfalls mäßig und aufgesetzt ist. Ich verstehe den Wunsch nach guten Singleplayer Spielen, aber ein Studio kann oft nur eins von beidem. Dann lieber die Ressourcen auf die Stärken werfen.

Kurzum: es gäbe bestimmt einige Möglichkeiten, am Budget zu drehen, ohne gleich schlechtere oder "hässlicher" Spiele zu bekommen. Schätze ich als Laie.
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DexterKane
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Re: The Panel: Geld, Gier und Gamer

Beitrag von DexterKane »

Symm hat geschrieben:Das setzt natürlich vorraus das die Beuteboxen lediglich dazu da sind um die Herstellkosten wieder reinzuspielen und sich nicht die selbst die Taschen zusätzlich noch mal voll zu machen?
Disclaimer: Ich werde hier gleich ein wenig polemisch, das hier ist so ne Art pet peeve von mir.

Morgen Leute,

das ist für Nichtkaufleute häufig nicht sehr intuitiv, aber jemand, der sein Projekt auf +-0 oder was auch immer der Volksmund als angemessenen Gewinn ansieht, kalkuliert, ist für das nächste Projekt seinen Job los. Und zwar, aus Kaufmannssicht, zu Recht! Ich muss als Projektleiter IMMMER versuchen das Maximum an Kohle rauszuholen, alleine schon, um eventuelle Fehler, oder den Fall dass das Projekt scheitert (oder sich wider erwarten nicht gut verkauft), abfedern zu können. Dazu bin ich verpflichtet, weil ich erstmal bei meinen Mitarbeitern in der Verantwortung stehe, sowie bei gehandelten Unternehmen (also allen großen) natürlich auch meinen Investoren.

Das heißt nicht, dass ein Spiel deshalb keinen künstlerischen Anspruch haben kann, aber ich muss zumindest annehmen können (was ja auch häufig genug klappt), dass ich dieses künstlerische Spiel auch verkauft kriege.

Diesen Leuten dann "Gier" vorzuwerfen, zeugt leider häufig davon, dass man nicht verstanden hat, wie Kapitalismus funktioniert.

Das muss man natürlich nicht gut finden, aber bei den gegebenen Rahmenbedingungen etwas anderes zu erwarten ist, außer bei 2-3 Mann Indie Teams, nun, sagen wir mal naiv.

Du wirst nur in der Regel niemanden finden, der das in dieser Deutlichkeit ausspricht. Das könnte verkaufsschädigend sein (siehe oben).

Ich will damit auch gar nicht sagen, dass das die EINZIGE Motivation eines Entwicklers ist, aber es ist EINE, die jeder hat und eine nicht ganz unwichtige dazu.

Im konkreten Bezug auf Lootboxen und Microtransaktionen bezogen will ich damit sagen, dass man sich halt nicht wundern darf, dass das versucht wird. Wenn man keine Boxen will (Ich finde als Konsument solche Monetarisierungen auch scheiße), muss man halt entsprechend Gegenwind erzeugen und direkt negatives Feedback geben. Und vor allem diese Spiele dann auch konsequent nicht kaufen. Nur so kriegt man da eventuell das Ruder rumgerissen.
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Desotho
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Re: The Panel: Geld, Gier und Gamer

Beitrag von Desotho »

Symm hat geschrieben:Wären wir eigentlich bereit Einbussen zu machen im Bereich der technischen Innovationen, gerade was Grafik angeht um so die immer größeren Produktionsbudgets wieder auf ein normales Maß runter zu dampfen, um so den Publishern wieder die Möglichkeit zu geben mit dem Vollpreis genug Gewinn zu machen?
Bin ich bereits jetzt schon.
Auch ich mag gute Grafik wie bei einem Final Fantasy 15, aber ein Trails in the Sky ist für mich das weitaus bessere Spiel trotz der Grafik.
Oder ein NieR Automata was zwar ganz sicher keine schlechte Grafik hatte, aber auch kein Grafikporno war. Dafür haben Spiel, Story und der großartige Soundtrack gestimmt.
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Terranigma
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Re: The Panel: Geld, Gier und Gamer

Beitrag von Terranigma »

Andre Peschke hat geschrieben:Ich denke in diesen Momenten eher "Hmmm, interessant, dass Christian der Ansicht ist, dass Gier bei uns eher nachranging negativ ist und wir viel eher Faulheit an den Pranger stellen" und frage mich, ob er damit nicht recht hat. Tatsächlich regen sich die Leute über die "Gier der Konzerne" zwar auf, wenn's mal soweit ist. Aber wenn ich so drüber nachdenke finde ich es gar nicht so abwegig, dass viel mehr Leute sich über Faulheit aufregen und das auch ohne konkreten Anlass als Vorwurf von sich geben.
Würde Christian da auch zustimmen. "Gier", das sagte er auch schön, könnte als negatives Pendant zu "Ambition" gesehen werden und "Gier" impliziert auch, dass jemand fähig ist und willensstark genug ist, seine Gier durchzusetzen. Gierige Menschen werden i.d.R. nicht assoziiert mit faul, schwach, träge, o.Ä., sondern sind durchaus selbstwirksame Macher. Auch wird "Gier", wie auch in deinem Ausdruck, häufig unpersönlich auf Konzerne, Firmen oder Personengruppen, z.B. Bänker oder Manager, ausgeweitet. "Faulheit" hingegen wird wesentlich häufiger als Charaktereigenschaft (!) verwendet, und damit eben auch als Urteil über einen Menschen. Insbesondere wenn man es im größeren Kontext sieht, steht "Faulheit" auch gerne im Verdacht, andere Menschen in Mitleidenschaft zu ziehen - da gibt es das Bild der "sozialen Hängematte", in der "Sozialschmarotzer" liegen, die arbeiten könnten, aber auf Grund ihrer "Faulheit" nicht wollen, was dann der "hart arbeitende Steuerzahler" ausbügeln muss.

Auch wenn das Mumpitz ist und wohlhabende Steuerhinterzieher ein bedeutend größeres Loch in die Steuerkasse fressen als Arbeitslose, ... ich glaube, du kannst am Stammtisch mit einem Rant auf faule Arbeitslose mehr Menschen auf deine Seite ziehen, als gegen gierige Manager. Schon anatomisch ist's auch viel leichter nach unten zu treten, als die Faust nach oben zu heben. Das geht auf Dauer auch in die Arme. ;)


"Gier" kommt auf die Tagesordnung bei konkreten Anlässen, wie dem Lootbox-Shitstorm bei EA. Gleichwohl hält das auch gefühlt nicht lange an. Ich glaube auch Journalisten ärgern sich, dass solche Enthüllungen wie die Panama Papers, Paradies Papers, usw. für ein paar Tage durch die Medien gehen, aber auch in der Bevölkerung kaum irgendeinen länger anhaltenden Impact haben. Genauso glaube ich auch, dass EA einfach abwarten wird, bis der Staub sich legt, um dann mit kosmetischen Änderungen die Lootboxen wieder zurückzubringen. Im schlimmsten Fall läuft's immer noch nicht, im besten Fall können sie das Narrativ aufmachen, "sie hätten aus ihren Fehlern gelernt", was natürlich Unfug ist. "Fehler" sind Dinge, die man unabsichtlich tut. Battlefront II wurde ja auch nicht "ausversehen" um die Lootbox-Mechanik herumgebaut, sondern vorsätzlich.
DexterKane hat geschrieben:Diesen Leuten dann "Gier" vorzuwerfen, zeugt leider häufig davon, dass man nicht verstanden hat, wie Kapitalismus funktioniert.
Inwiefern? "Gier" bringt ein moralisches Werturteil zum Ausdruck; ich kann jemanden "Gier" vorwerfen, und dennoch verstehen, in welchem Kontext er dieses "gierige Verhalten" zeigt. Man mag den Vorwurf "naiv" finden, aber das wiederum hat nichts mit mangelnden Verständnis zu tun. Umgekehrt könne man jemanden, der dies "naiv" nennt, als "zynisch" bezeichnen. Das ist kein Argument, sondern nur ein persönliches Werturteil.
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DexterKane
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Re: The Panel: Geld, Gier und Gamer

Beitrag von DexterKane »

Terranigma hat geschrieben:
DexterKane hat geschrieben:Diesen Leuten dann "Gier" vorzuwerfen, zeugt leider häufig davon, dass man nicht verstanden hat, wie Kapitalismus funktioniert.
Inwiefern? "Gier" bringt ein moralisches Werturteil zum Ausdruck; ich kann jemanden "Gier" vorwerfen, und dennoch verstehen, in welchem Kontext er dieses "gierige Verhalten" zeigt. Man mag den Vorwurf "naiv" finden, aber das wiederum hat nichts mit mangelnden Verständnis zu tun. Umgekehrt könne man jemanden, der dies "naiv" nennt, als "zynisch" bezeichnen. Das ist kein Argument, sondern nur ein persönliches Werturteil.
OK, das war wohl etwas sehr flapsig formuliert. Ich probier's mal anektotisch.

Ich arbeite als Einkäufer für ein mittelständisches Unternehmen im Maschinen-/ Anlagenbau.

Würde ich meinem Chef gegenüber sowas sagen, wie: "Wir haben mit dem Projekt ja schon genug verdient, dann brauch ja nicht mehr um bessere Preise verhandeln.", hätte ich am nächsten Tag eine Abmahnung auf dem Schreibtisch und zwar zu Recht. Die besten Preise zu kriegen ist nämlich quasi DIE Definition meines Jobs, und wenn ich meinen Job nicht mache, darf ich mich nicht wundern, wenn mein Chef sich jemand anderen sucht, der meinen Job macht.

Aus Erfahrung weiß ich, dass im Rahmen eines Großprojekts immer Probleme auftreten und und man immer damit rechnen muss, das noch irgendwo unvorhersehbare Kosten auftauchen. Manchmal geht auch was richtig in die Hose und ich habe einen Totalverlust. (Auf die Spielebranche bezogen könnte man hier ein Projekt nennen, das sich um 6-12 Monate verzögert und entsprechend mehr kostet, bzw. das Spiel funktioniert nicht so, wie man sich das vorgestellt hat/macht keinen Spaß und wird nach 1-2 Jahren Entwicklungszeit unveröffentlicht eingedampft.) Würde ich die Projekte, die laufen, so kalkulieren, wie sich das die "Sozialromantiker" vorstellen, kann ich den Laden im schlimmsten Fall dichtmachen (was in der Spielebranche ja auch so häufig genug passiert), wäre aber wohl zumindest meinen Job los.

Um so was kompensieren zu können, muss man halt versuchen mit jedem Projekt (Spiel) so viel wie möglich zu verdienen. Das ist nicht gierig, das ist mein Job. Zumal ich jetzt mal unterstelle, dass ich nicht in die Spielebranche gehe, wenn ich an dicken Bonuszahlungen interessiert bin. Da gibt es ganz andere Branchen.

Nebenbei bemerkt, die Spitze sei mir erlaubt, kommen die Leute, die gerne moralisch argumentieren in meinem Privatumfeld zu 90% aus dem ÖD bzw. sind Studenten, also Leute deren Arbeitsumfeld nicht im freien Wettbewerb steht. Und wenn mir der unkündbare Staatsbeamte dann was vom bösen Kapitalismus erzählen will, krieg ich halt PIckel.

Langer Rede kurzer Sinn (hoffentlich): Sich moralisch über andere erheben (was anderes ist das nämlich nicht) ist für Diskussionen meiner Meinung nach nicht zielführend und führt nur zu verhärteten Fronten. Damit meine ich explizit niemanden hier, sonst würde ich mir nicht die Mühe machen das so ausführlich aufzuschreiben.

Ich halte es für sinnvoller zu versuchen den anderen Standpunkt zu verstehen, anstatt auf Konfrontation zu gehen.

Wenn mit Jim Sterling dann der lauteste der "gierigen Arschlöcher"-Fraktion, dann auch noch seltsam dünnhäutig reagiert, wenn eben jene "Arschlöcher" ihm keine kostenlosen Muster mehr schicken, sprich anfängt zu jammern, wenn es um SEINE bottom-line geht, steht man dann auch schnell, völlig unverschuldet, in Gesellschaft, in der zumindest ich nicht stehen wollen würde.

Ich hoffe dieser kleine Exkurs aus Sicht eines "Kapitalistenschweins" trägt etwas zum gegenseitigen Verständnis bei. :)
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Terranigma
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Re: The Panel: Geld, Gier und Gamer

Beitrag von Terranigma »

DexterKane hat geschrieben:Um so was kompensieren zu können, muss man halt versuchen mit jedem Projekt (Spiel) so viel wie möglich zu verdienen. Das ist nicht gierig, das ist mein Job. Zumal ich jetzt mal unterstelle, dass ich nicht in die Spielebranche gehe, wenn ich an dicken Bonuszahlungen interessiert bin. Da gibt es ganz andere Branchen.
"Das ist mein Job" steht aber nicht im Widerspruch zu "Das ist gierig". Es wäre auch denkbar, dass dein Job darin besteht gierig zu sein - nur als Möglichkeit. Das sind zwei verschiedene Aussagen, die sich nicht gegenseitig ausschließen oder gar widerlegen. Hier wird auf zwei völlig verschiedenen Ebenen geredet. Die eine trifft ein Werturteil - "Das ist gut/schlecht" - anhand moralischer oder ethischer Maßstäbe, und dein Argument ist genau genommen kein Argument, weil du lediglich widergibst, dass der Status Quo eben der Status Quo ist. Daraus folgt nur erst einmal nichts. Der Status Quo kann sein wie sein wie er ist, und man kann dennoch ein entsprechendes Werturteil darüber fällen.

Als Analogie: Das ist so, als würde jemand das Töten im Krieg moralisch als "schlecht" beurteilen und ein Berufssoldat erwidert, dass die Aussage "naiv" sei und von mangelnden "Sachverstand" zeuge, weil im Krieg nun eben Menschen getötet werden. Das ist halt so, also solle man sich damit abfinden. Das geht am Kern der Aussage vorbei.
DexterKane hat geschrieben:Langer Rede kurzer Sinn (hoffentlich): Sich moralisch über andere erheben (was anderes ist das nämlich nicht) ist für Diskussionen meiner Meinung nach nicht zielführend und führt nur zu verhärteten Fronten.
Es ließe sich doch aber auch so zusammenführen: Du sagst, dein Job besteht in Profitmaximierung. Das ist das, was du tust. Damit ist aber nicht gesagt, ob du es "gut" findest, was du tust. Würde mich einmal interessieren: Glaubst du, dass deine Arbeit "anständig" ist? Ist nur ganz wertneutral gefragt. Du könntest ja in der freien Wirtschaft sein, aber diesen Handlungsdruck auch blöde finden.

Wobei man auch ganz pragmatisch fragen könnte, ob EA sich auf Dauer nicht ihr Geschäftsmodell kaputt macht, wenn sie Lootboxen derart in Verruf bringt. Selbst ökonomisch mag Battlefront II da langfristig Schaden anrichten und den Profit schmälern.
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DexterKane
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Re: The Panel: Geld, Gier und Gamer

Beitrag von DexterKane »

Terranigma hat geschrieben:
DexterKane hat geschrieben:Um so was kompensieren zu können, muss man halt versuchen mit jedem Projekt (Spiel) so viel wie möglich zu verdienen. Das ist nicht gierig, das ist mein Job. Zumal ich jetzt mal unterstelle, dass ich nicht in die Spielebranche gehe, wenn ich an dicken Bonuszahlungen interessiert bin. Da gibt es ganz andere Branchen.
"Das ist mein Job" steht aber nicht im Widerspruch zu "Das ist gierig". Es wäre auch denkbar, dass dein Job darin besteht gierig zu sein - nur als Möglichkeit. Das sind zwei verschiedene Aussagen, die sich nicht gegenseitig ausschließen oder gar widerlegen. Hier wird auf zwei völlig verschiedenen Ebenen geredet. Die eine trifft ein Werturteil - "Das ist gut/schlecht" - anhand moralischer oder ethischer Maßstäbe, und dein Argument ist genau genommen kein Argument, weil du lediglich widergibst, dass der Status Quo eben der Status Quo ist. Daraus folgt nur erst einmal nichts. Der Status Quo kann sein wie sein wie er ist, und man kann dennoch ein entsprechendes Werturteil darüber fällen.

Als Analogie: Das ist so, als würde jemand das Töten im Krieg moralisch als "schlecht" beurteilen und ein Berufssoldat erwidert, dass die Aussage "naiv" sei und von mangelnden "Sachverstand" zeuge, weil im Krieg nun eben Menschen getötet werden. Das ist halt so, also solle man sich damit abfinden. Das geht am Kern der Aussage vorbei.
Ok, verstanden. Da müssen wir dann aber die Systemfrage aufmachen. Kapitalismus ist mit allerhand Problemen behaftet und funktioniert mehr schlecht als recht. Zumindest in der deutschen Version halte ich ihn aber tatsächlich für die beste Alternative, die wir haben.

Eventuelle Sozialismus Diskussionen mal beseite. Nehmen wir mal an Kapitalismus ist zu einem gewissen Grad unethisch/unmoralisch (da würde ich Dir nicht mal widersprechen). Und dann? Ich bin mir gerade nicht sicher worauf Du hinauswillst.
Terranigma hat geschrieben:
DexterKane hat geschrieben:Langer Rede kurzer Sinn (hoffentlich): Sich moralisch über andere erheben (was anderes ist das nämlich nicht) ist für Diskussionen meiner Meinung nach nicht zielführend und führt nur zu verhärteten Fronten.
Es ließe sich doch aber auch so zusammenführen: Du sagst, dein Job besteht in Profitmaximierung. Das ist das, was du tust. Damit ist aber nicht gesagt, ob du es "gut" findest, was du tust. Würde mich einmal interessieren: Glaubst du, dass deine Arbeit "anständig" ist? Ist nur ganz wertneutral gefragt. Du könntest ja in der freien Wirtschaft sein, aber diesen Handlungsdruck auch blöde finden.
Nicht zwingend gut, aber notwendig. Für den "nicht-gierigen" Entwickler würde ich nicht arbeiten wollen, das wäre mir zu unsicher. Frei nach Brecht: Erst kommt das fressen, dann die Moral. (ich weiß, das passt nicht wirklich, aber man versteht hoffentlich trotzdem, worauf ich hinaus will)

Ich bin mir durchaus bewusst, dass man, um meinen Job gut zu machen, eine gewisse sagen wir mal "moralische Flexibilität" braucht und das nicht jedermanns Sache ist. (Es gab in der Berufsschule früher den Spruch, dass einen guten Kaufmann ausmacht, besser lügen zu können, als der andere.)
Im business-to-business Bereich, wo man nur mit anderen Kaufleuten zu tun hat, habe ich damit aber tatsächlich kein Problem.
Da gibt es viel schlimmeres, als Versicherungsvertreter würde ich zum Beispiel nicht arbeiten wollen.
Terranigma hat geschrieben:Wobei man auch ganz pragmatisch fragen könnte, ob EA sich auf Dauer nicht ihr Geschäftsmodell kaputt macht, wenn sie Lootboxen derart in Verruf bringt. Selbst ökonomisch mag Battlefront II da langfristig Schaden anrichten und den Profit schmälern.
Da wiederum bin ich völlig bei Dir. EA ist mit der Aktion übers Ziel hinaus geschossen und kriegt dafür jetzt die Quittung. Der Zyniker in mir ist sich aber bewusst, dass Sie trotzdem weiter probieren werden. Ultimate Team funktionert ja offensichtlich. Ich glaube auch, dass die Core-Gamerschaft hier Ihren Einfluss überschätzt. Gerade EA macht sein Geld nicht hauptsächlich mit Leuten wie uns, sondern mit der Madden/FIFA Crowd, die eher kein Problem damit hat, eben 2€ auszugeben, um Manuel Neuer im Team zu haben.

Das würde ein Andrew Wilson natürlich nicht zugeben, macht es aber nicht weniger war. Ich würde sogar sagen, as es durchaus möglich ist, dass EA nur deshalb so schnell eingeknickt ist, weil sie einen pikierten Anruf vom "House of Mouse" haben, die im Vorfeld von "The last Jedi" keine schlechte Presse wollten.
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Andre Peschke
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Re: The Panel: Geld, Gier und Gamer

Beitrag von Andre Peschke »

DexterKane hat geschrieben:Ok, verstanden. Da müssen wir dann aber die Systemfrage aufmachen.
So hatte ich das im Podcast ja sogar eingeleitet. Ich stelle, wie man inzwischen wissen sollte, gerne diese Fragen die erstmal feststellen wollen, was denn vielleicht moralisch oder ideel betrachtet "korrekt" bzw "optimal" wäre. Auch wenn solch ein Idealzustand oft in einer praxisfernen Forderung münden mag: Er ist IMO als Leitlinie interessant. Wenn wir wissen, was der utopische Idealzustand wäre, kann man sich bemühen sich dem anzunähern und man kann auch besser argumentieren, wenn jemand wieder schreibt "Ist halt so, weil Kapitalismus". ;)

Andre
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Re: The Panel: Geld, Gier und Gamer

Beitrag von NDA »

Ich kann deine Argumentation sehr gut nachvollziehen, DexterKane. Danke dafür.
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Blaight
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Re: The Panel: Geld, Gier und Gamer

Beitrag von Blaight »

Ich habe eine Erfahrung gemacht, die vll die Diskussion bereichert: Ich arbeite neuerdings in der Branche, die sich über Jahrzehnte ihren Leumund sowas von versaut hat: Der Pharmaindustrie.
Jahrzehnte lang was es Usus Ärzte ziemlich offen zu bestechen um den eigenen Umsatz hochzuschrauben. Großzügige Geschenke, Reisen um die Welt oder sogar Gewinnbeteiligungen haben das Vertrauen in eine Branche, die noch dazu ihr Geld mit der Gesundheit der Bevölkerung verdient, nachhaltig gestört.

Nun hat das dazu geführt, dass, zusätzlich zu Regelungen des Gesetzgebers, sich die Industrie eigene Regelungen gegeben hat, um verspieltes Vertrauen zurückzuholen und sich als Industrie auch gesellschaftlich zu legitimieren.

https://www.fsa-pharma.de/der-fsa/" onclick="window.open(this.href);return false;

Wer Mitglied im FSA ist, darf Ärzten nichtmal mehr Kugelschreiber mitbringen. Werden Ärzte zu Tagungen eingeladen, darf das nicht an touristisch wertvollen Orten oder 5 Sterne Hotels stattfinden. Alle Leistungen, für Ärzte müssen sich daran messen lassen, ob am Ende die Patienten profitieren. Meine Firma richtet beispielsweise Hygienetrainings für Arztpraxen aus. Das kostet die Praxis nichts, machen wir für umme. Natürlich ist das aus BWL Sicht dafür da bessere Beziehungen aufzubauen und damit die Chance zu steigern, dass der Arzt die eigenen Produkte verordnet. Der Patient hat trotzdem einen konkreten Vorteil: Wenn seine Hausarztpraxis hygienischer ist, dann fängt er sich dort keinen fiesen Keim ein. Win-Win.

Natürlich versuchen Firmen diese selbstgesetztn Grenzen auszuloten. Wenn wir auf einer Tagung mit Ärzten einen Show-Koch holen, dann ist das keine angemessene Verköstigung im Rahmen einer medizinischen Fortbildung. Bekommt das der FSA spitz, zB durch Anzeige eines der Ärzte oder der Konkurrenz, dann wird das geprüft und im Zweifel müssen wir eine empfindliche Strafe zahlen und, wirtschaftlich oft schlimmer, werden wir öffentlichkeitswirksam gerügt.

Sollte die Spieleindustrie, um nicht einen Ruf zu bekommen, wie die Pharmaindustrie, daher nicht genau jetzt ebenfalls eine solche Institution ins Leben rufen?

Was sind denn Maßnahmen, mit denen sich so eine Institution auszeichnen könnte?

-Sicherstellung, dass nur erwachsene Spieler Ingame-Purchases tätigen können?
-Eine "Walfang-Quote", also vll eine Obergrenze, wieviel man von einem Individuum pro Spiel einnehmen darf?
-Transparenz in Beutekisten-Wahrscheinlichkeiten?

So ein Ausschuss könnte auch prüfen, ob ein DLC wirklich ein Addon ist, dass seinen Namen verdient hat, oder ob etwas aus dem Spiel rausgeschnitten wurde, um nachträglich den Kaufpreis hochzujubeln (sagen wir das "from the Ashes DLC zu ME3).

Wenn das Gremium der Meinung ist, hier wurde sich nicht an die Kodizes gehalten, muss das DLC umsonst veröffentlich werden oder alle kosmetischen Dinge aus lootboxen werden automatisch in das Inventar jeden Users gesteckt.

Und da sich der Markt reguliert, werden alle Firmen, die sich dran halten, denjenigen Firmen auf die Pelle rücken, die es nicht tun.

Ne Idee wert?
NDA
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Re: The Panel: Geld, Gier und Gamer

Beitrag von NDA »

Industrieeigene Kontrollgremien finde ich immer schwierig und für eine staatliche Kontrolle ist das Entertainmentprodukt "Spiel" mit zu wenigen (gesundheitlichen) Risiken verbunden.

So wie du es in der Pharmaindustrie beschreibst, wird es dann schon fast peinlich pingelig, klassische Überkompensation.
Bái Zuô!
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