Runde #174: Pacing - das mysteriöse Wesen (ft. Ralf Adam)
Verfasst: 5. Aug 2018, 16:52
Pacing in Spielen ist ein sehr interessantes (und relevantes!) Thema, wie ich finde. Es wurde ja bereits in gewohnt unterhaltsamer Diskussionsweise auf verschiedene Aspekte bzw. Kategorien von Pacing eingegangen und an dieser Stelle würde ich gerne ein paar weitere Anmerkungen zum (rein "gameplaybezogenen") Pacing in Sportspielen machen, das sich übrigens meiner Vermutung nach in guter Näherung durch die Schwankungen in den Gewinnwahrscheinlichkeiten der Kontrahenten abbilden lässt. (Und wenn ich im Folgenden von "Intensität" spreche, meine ich im Allgemeinen die "Spannung".)
Es ist eine gute Beobachtung, dass sich spielenswerte Sportspiele (und im Allgemeinen populäre Sportarten) in der Regel durch gutes Pacing auszeichnen. Ich würde aber dennoch sagen, dass es mindestens eine Ausnahme gibt. Gehen wir vielleicht ein paar Beispiele durch:
Fußball-Partien, wie bereits im Podcast bemerkt, haben oft ein interessantes Pacing. Grundsätzlich handelt es sich bei Sport-Matches im Hinblick auf das Pacing wohl um eine Überlagerung von Matchups (ein unausgeglichenes Matchup sorgt oft für eine langweilige Partie, wobei es hier nicht nur um einen Spielstärkenvergleich, sondern auch um den Spielstil geht), "Zufall" bzw. aktuelle Performance (man kann nicht genau voraussagen, wie sich Partien entwickeln aufgrund der quasi-zufälligen Elemente der Sportarten sowie Schwankungen in der Performance) sowie Regelwerk bzw. "game design" der jeweiligen Sportart (aufgrund dessen sich gewisse Strategien entwickeln, die von erfolgreichen Teams und Spielern angewendet werden). Letzterer Aspekt prägt natürlich den Spielverlauf und die Sportarten unterscheiden sich hier offensichtlich erheblich.
Im Fußball haben wir quasi drei Bereiche des Spielfeldes, die als eine Art "Attraktor" agieren. Offensichtlich die beiden Tore (hier soll der Ball schließlich rein), aber eben auch der Mittelfeldbereich, in denen die jeweils verteidigende Mannschaft den Ball möglichst schnell wieder bringen möchte, und sei es nur, um den Ball schnell aus der Gefahrenzone zu bewegen (in gewissen Situationen wird alternativ zwecks Risikominderung auch das Seitenaus bevorzugt). Dadurch haben wir automatisch ein interessantes Wechselspiel aus Phasen hoher Intensität (im Allgemeinen im Strafraum) und niedriger Intensität (Mittelfeldgeplänkel oder Ball im Aus). Hinzu kommt, dass Fußball ein "low scoring game" ist; es fallen einfach nicht viele Tore; es ist quasi ein defensiv dominiertes Spiel und es gibt ja die Tendenz, dass im Amateurbereich signifikant mehr Tore fallen als bei den Profis. Das alles führt dazu, dass im sehr populären Profi-Fußball selbst bei Partien mit einem klaren Favoriten nicht oft eine Mannschaft kurz vor Schluss mit mindestens 2 Toren führt, d.h. die Partien sind oft bis zum Schluss spannend. Hinzu kommt, dass die meisten Tore, bedingt durch die zunehmende Erschöpfung der Spieler und die dadurch abnehmende Verteidigungsleistung, gegen Ende der Partien fallen, was zusätzlich gut für das Pacing ist, denn man möchte wohl gerne gegen Ende der Partie eine hohe Intensität haben.
Tennis hat ein ausgesprochen interessantes Regelwerk und diese Sportart dürfte so etwas wie das Paradebeispiel für "gutes Pacing aufgrund des Regelwerks" gelten. Dadurch, dass Matches in Sätze und Spiele unterteilt sind, noch dazu mit wechselndem Aufschlag nach jedem abgeschlossenen Spiel (wobei man mindestens 4 Punkte machen muss; mit der Zusatzbedingung, dass man zwei Punkte mehr als der Gegner erzielen muss), was automatisch für eine interessante Pacing-Dynamik sorgt, mit all den kleinen "Resets" nach abgeschlossenen Spielen und Sätzen. Erst, wenn jemand nur noch einen Satz gewinnen braucht und in einem solchen mit einem Break führt, ist er [oder sie immerhin genießt der Damenbereich in dieser Sportart eine relativ hohe Popularität, wobei die Big Three Federer/Nadal/Djokovic bei den Herren historisch betrachtet unheimlich dominant sind] dem Sieg wirklich nahe und selbst in solchen Situationen haben sich viele Partien noch gewendet. Tennis hat also im Allgemeinen ein ausgezeichnetes Pacing und doch gibt es eine Schwachstelle, denn in allen Grand Slams außer der US Open gibt es im möglichen 5. Satz keinen Tiebreak. (Ausgerechnet bei den US Open gab es aber noch keinen 6:6-Spielstand im 5. Satz). Das führt dann dazu, dass in Partien zweier Kontrahenten, die sowohl gut aufschlagen als auch schlecht returnieren können (und diese Attribute verstärken sich vermutlich bei zunehmender Erschöpfund sogar), ein solcher 5. Satz geradezu absurd lang werden kann, bisher gipfelnd in der Partie Mahut - Isner, welche mit 6-4 3-6 6-7 7-6 70-68 endete...
Kommen wir nun aber zum Basketball: Hier bin ich nicht überzeugt, dass diese Sportart über ein gutes Pacing verfügt. Grundsätzlich ist es schließlich so, dass es pro Spielzug bzw. Ballbesitz relativ zum ungefähren Gesamtergebnis kaum Punkte zu erzielen gibt, selbst im Extremfall "3+1" (erfolgreicher Dreier mit Foul und anschließend verwandeltem Freiwurf). Offensichtlich ist diese Sportart extrem "high scoring" und dies führt dazu, dass Partien oft relativ früh schon quasi entschieden sind, wozu es nicht einmal unbedingt eines besonders unausgeglichnen Matchups bedarf. Entsprechend bezeichnend ist es, dass die Varianz der Siegquoten (über eine ganze Saison) aller Teams in der NBA trotz der hohen Spielanzahl (82) und trotz des Salary Caps (Sozialismus in den sonst so kapitalistischen USA ) teils deutlich höher ist als in anderen Sportarten. Immerhin: Das Pausen-System mit Halbzeit-Pause, Pausen nach 1. und 3. Viertel (kürzer) sowie Timeouts mit unterschiedlicher Länge ist ein vorbildhaftes Pacing an sich und die Endphasen in knappen Basketballpartien sind wohl so ziemlich das spannendste, was es im gesamten Sportbereich gibt. Dennoch: Unterm Strich hinkt Basketball in Sachen Pacing - rein bezogen auf die Spannung - vielen Sportarten hinterher. Wenn wir aber in Sachen "Pace" an reine Spielgeschwindigkeit denken, so haben wir wohl den Hauptgrund für die dennoch starke Popularität von Basketball (die NBA ist nicht nur in den USA sehr populär) gefunden: Das Spiel ist im Allgemeinen sehr viel schneller und actionreicher als beispielsweise Fußball. Auch wenn Fußball aufgrund der höheren Spieleranzahl ein gutes Stück komplexer zu modellieren sein dürfte als Basketball (und die 2k-Serie ist in Sachen Realismus sowohl PES als auch - und noch stärker - Fifa überlegen), so ist es aufgrund der hohen Spielgeschwindigkeit im Basketball wohl am schwierigsten, wirklich alle relevanten Spielerbewegungen mit dem Auge in Realzeit nachzuvollziehen, zumal die Spielzüge recht variabel sind. (Handball hingegen ist in dieser Hinsicht vielleicht sowas wie die "worst of both worlds": "High Scoring" und damit teils an Spannung mangelnde Partien, zudem vergleichsweise unvariable Spielzüge aufgrund limitierter sinnvoller Raumaufteilungs-Optionen. Immerhin ist jedoch das Tempo auch hier ziemlich hoch.)
Eine sehr richtige Beobachtung auch zur Formel 1, die bereits im Podcast gemacht wurde: Die Streckenführung an sich sorgt brereits für ein interessantes Pacing, mit allen möglichen Abfolgen an Geraden, schnellen und langsamen Kurven (in allen möglichen Abstufungen), was in der Regel für gut über die Strecke verteilte typische Überhol-Bereiche sorgt. Von den alten Strecken sind hier wohl besonders Belgien und Japan zu loben und bei vielen der neueren Strecken merkt man, dass die Streckendesigner sich viele Gedanken gemacht haben. Aber auch, wenn wir ein gesamtes Rennen betrachten, ergibt sich ein interessantes Pacing: Wir haben eine äußerst intensive Startphase, bei der es fast garantiert zu Positionswechseln kommt, dann nimmt die Überholmaneuver-Rate allmählich ab (da die Abstände zwischen den Autos allmählich steigen, quasi umgekehrter Gummiband-Effekt), ehe es mit Boxenstopps zu neuen spannenden Situationen kommen kann. Zudem kann es immer wieder zu kleinen Unterbrechungen sowie zu Wetter-Wechseln kommen, was eine Boxenstopp-Strategie auch mal über den Haufen werfen kann. Die Endphase ist vielleicht ein kleiner Schwachpunkt, denn typischerweise sind die Abstände zwischen den Autos hier am größten, aber "immerhin" düfte die Rate technischer Defekte hier ebenfalls das Maximum erreichen; niemand kann sich vor dem Überqueren der Ziellinie also eines Sieges sicher sein.
Es ist eine gute Beobachtung, dass sich spielenswerte Sportspiele (und im Allgemeinen populäre Sportarten) in der Regel durch gutes Pacing auszeichnen. Ich würde aber dennoch sagen, dass es mindestens eine Ausnahme gibt. Gehen wir vielleicht ein paar Beispiele durch:
Fußball-Partien, wie bereits im Podcast bemerkt, haben oft ein interessantes Pacing. Grundsätzlich handelt es sich bei Sport-Matches im Hinblick auf das Pacing wohl um eine Überlagerung von Matchups (ein unausgeglichenes Matchup sorgt oft für eine langweilige Partie, wobei es hier nicht nur um einen Spielstärkenvergleich, sondern auch um den Spielstil geht), "Zufall" bzw. aktuelle Performance (man kann nicht genau voraussagen, wie sich Partien entwickeln aufgrund der quasi-zufälligen Elemente der Sportarten sowie Schwankungen in der Performance) sowie Regelwerk bzw. "game design" der jeweiligen Sportart (aufgrund dessen sich gewisse Strategien entwickeln, die von erfolgreichen Teams und Spielern angewendet werden). Letzterer Aspekt prägt natürlich den Spielverlauf und die Sportarten unterscheiden sich hier offensichtlich erheblich.
Im Fußball haben wir quasi drei Bereiche des Spielfeldes, die als eine Art "Attraktor" agieren. Offensichtlich die beiden Tore (hier soll der Ball schließlich rein), aber eben auch der Mittelfeldbereich, in denen die jeweils verteidigende Mannschaft den Ball möglichst schnell wieder bringen möchte, und sei es nur, um den Ball schnell aus der Gefahrenzone zu bewegen (in gewissen Situationen wird alternativ zwecks Risikominderung auch das Seitenaus bevorzugt). Dadurch haben wir automatisch ein interessantes Wechselspiel aus Phasen hoher Intensität (im Allgemeinen im Strafraum) und niedriger Intensität (Mittelfeldgeplänkel oder Ball im Aus). Hinzu kommt, dass Fußball ein "low scoring game" ist; es fallen einfach nicht viele Tore; es ist quasi ein defensiv dominiertes Spiel und es gibt ja die Tendenz, dass im Amateurbereich signifikant mehr Tore fallen als bei den Profis. Das alles führt dazu, dass im sehr populären Profi-Fußball selbst bei Partien mit einem klaren Favoriten nicht oft eine Mannschaft kurz vor Schluss mit mindestens 2 Toren führt, d.h. die Partien sind oft bis zum Schluss spannend. Hinzu kommt, dass die meisten Tore, bedingt durch die zunehmende Erschöpfung der Spieler und die dadurch abnehmende Verteidigungsleistung, gegen Ende der Partien fallen, was zusätzlich gut für das Pacing ist, denn man möchte wohl gerne gegen Ende der Partie eine hohe Intensität haben.
Tennis hat ein ausgesprochen interessantes Regelwerk und diese Sportart dürfte so etwas wie das Paradebeispiel für "gutes Pacing aufgrund des Regelwerks" gelten. Dadurch, dass Matches in Sätze und Spiele unterteilt sind, noch dazu mit wechselndem Aufschlag nach jedem abgeschlossenen Spiel (wobei man mindestens 4 Punkte machen muss; mit der Zusatzbedingung, dass man zwei Punkte mehr als der Gegner erzielen muss), was automatisch für eine interessante Pacing-Dynamik sorgt, mit all den kleinen "Resets" nach abgeschlossenen Spielen und Sätzen. Erst, wenn jemand nur noch einen Satz gewinnen braucht und in einem solchen mit einem Break führt, ist er [oder sie immerhin genießt der Damenbereich in dieser Sportart eine relativ hohe Popularität, wobei die Big Three Federer/Nadal/Djokovic bei den Herren historisch betrachtet unheimlich dominant sind] dem Sieg wirklich nahe und selbst in solchen Situationen haben sich viele Partien noch gewendet. Tennis hat also im Allgemeinen ein ausgezeichnetes Pacing und doch gibt es eine Schwachstelle, denn in allen Grand Slams außer der US Open gibt es im möglichen 5. Satz keinen Tiebreak. (Ausgerechnet bei den US Open gab es aber noch keinen 6:6-Spielstand im 5. Satz). Das führt dann dazu, dass in Partien zweier Kontrahenten, die sowohl gut aufschlagen als auch schlecht returnieren können (und diese Attribute verstärken sich vermutlich bei zunehmender Erschöpfund sogar), ein solcher 5. Satz geradezu absurd lang werden kann, bisher gipfelnd in der Partie Mahut - Isner, welche mit 6-4 3-6 6-7 7-6 70-68 endete...
Kommen wir nun aber zum Basketball: Hier bin ich nicht überzeugt, dass diese Sportart über ein gutes Pacing verfügt. Grundsätzlich ist es schließlich so, dass es pro Spielzug bzw. Ballbesitz relativ zum ungefähren Gesamtergebnis kaum Punkte zu erzielen gibt, selbst im Extremfall "3+1" (erfolgreicher Dreier mit Foul und anschließend verwandeltem Freiwurf). Offensichtlich ist diese Sportart extrem "high scoring" und dies führt dazu, dass Partien oft relativ früh schon quasi entschieden sind, wozu es nicht einmal unbedingt eines besonders unausgeglichnen Matchups bedarf. Entsprechend bezeichnend ist es, dass die Varianz der Siegquoten (über eine ganze Saison) aller Teams in der NBA trotz der hohen Spielanzahl (82) und trotz des Salary Caps (Sozialismus in den sonst so kapitalistischen USA ) teils deutlich höher ist als in anderen Sportarten. Immerhin: Das Pausen-System mit Halbzeit-Pause, Pausen nach 1. und 3. Viertel (kürzer) sowie Timeouts mit unterschiedlicher Länge ist ein vorbildhaftes Pacing an sich und die Endphasen in knappen Basketballpartien sind wohl so ziemlich das spannendste, was es im gesamten Sportbereich gibt. Dennoch: Unterm Strich hinkt Basketball in Sachen Pacing - rein bezogen auf die Spannung - vielen Sportarten hinterher. Wenn wir aber in Sachen "Pace" an reine Spielgeschwindigkeit denken, so haben wir wohl den Hauptgrund für die dennoch starke Popularität von Basketball (die NBA ist nicht nur in den USA sehr populär) gefunden: Das Spiel ist im Allgemeinen sehr viel schneller und actionreicher als beispielsweise Fußball. Auch wenn Fußball aufgrund der höheren Spieleranzahl ein gutes Stück komplexer zu modellieren sein dürfte als Basketball (und die 2k-Serie ist in Sachen Realismus sowohl PES als auch - und noch stärker - Fifa überlegen), so ist es aufgrund der hohen Spielgeschwindigkeit im Basketball wohl am schwierigsten, wirklich alle relevanten Spielerbewegungen mit dem Auge in Realzeit nachzuvollziehen, zumal die Spielzüge recht variabel sind. (Handball hingegen ist in dieser Hinsicht vielleicht sowas wie die "worst of both worlds": "High Scoring" und damit teils an Spannung mangelnde Partien, zudem vergleichsweise unvariable Spielzüge aufgrund limitierter sinnvoller Raumaufteilungs-Optionen. Immerhin ist jedoch das Tempo auch hier ziemlich hoch.)
Eine sehr richtige Beobachtung auch zur Formel 1, die bereits im Podcast gemacht wurde: Die Streckenführung an sich sorgt brereits für ein interessantes Pacing, mit allen möglichen Abfolgen an Geraden, schnellen und langsamen Kurven (in allen möglichen Abstufungen), was in der Regel für gut über die Strecke verteilte typische Überhol-Bereiche sorgt. Von den alten Strecken sind hier wohl besonders Belgien und Japan zu loben und bei vielen der neueren Strecken merkt man, dass die Streckendesigner sich viele Gedanken gemacht haben. Aber auch, wenn wir ein gesamtes Rennen betrachten, ergibt sich ein interessantes Pacing: Wir haben eine äußerst intensive Startphase, bei der es fast garantiert zu Positionswechseln kommt, dann nimmt die Überholmaneuver-Rate allmählich ab (da die Abstände zwischen den Autos allmählich steigen, quasi umgekehrter Gummiband-Effekt), ehe es mit Boxenstopps zu neuen spannenden Situationen kommen kann. Zudem kann es immer wieder zu kleinen Unterbrechungen sowie zu Wetter-Wechseln kommen, was eine Boxenstopp-Strategie auch mal über den Haufen werfen kann. Die Endphase ist vielleicht ein kleiner Schwachpunkt, denn typischerweise sind die Abstände zwischen den Autos hier am größten, aber "immerhin" düfte die Rate technischer Defekte hier ebenfalls das Maximum erreichen; niemand kann sich vor dem Überqueren der Ziellinie also eines Sieges sicher sein.