@Lunarius: In einem Punkt hast Du Recht, ich hab Dinge, die das System an sich kritisieren, vermischt mit Dingen, die aus dem heutigen System entstehen. Die JAEG verhindert bspw. Hartz4-Empfänger in der PKV. Wenn also aktuell jemand über zu wenig Netto klagt und eine PKV hat, dann hat er definitiv ein Ausgabenproblem. Denn die JAEG liegt, wie Jochen es indirekt schon gesagt hat, derzeit bei 70.000 € Jahresverdienst (genauer: 69.300 €; das deutsche Median-Einkommen liegt bei 43.750 €). Was ich definitiv nicht gesagt habe, dass man den Sozialstaat oder das Prinzip des Chancenausgleichs abschaffen sollte. Emotionalargumente wie "denkt denn niemand an die Kinder" bin ich mittlerweile auch satt. Es gibt genügend Gegenbeispiel, wo das Mist ist: Architekt, Gehalt oberhalb der JAEG, hat drei Kinder, Mutter ist Hausfrau, kauft sich als zweite Immobilie ein Mehrfamilienhaus als Kapitalanlage, plant bereits die dritte. Ein Beitragszahler, 5 Leistungsempfänger. Da müssten die Kinder nicht in die Kohleminen hinabsteigen, um einen Beitrag zur KV zu leisten, der Staat müsste einfach aufhören wohlhabende Einverdiener-mit-Hausfrauen-Modelle zu subventionieren. Denn niemand denkt dabei an die immer weniger werdenden Kinder, die das morgen alles bezahlen müssen. Die GKV hat nämlich ein ähnliches Problem wie die Rente: die Demographie.
Ein System, in dem Menschen immer älter werden und wenig Junge nachkommen, wird durch ein reines Umlagesystem immer schlechter werden. Auch die 8,7 Mio. PKV-Versicherten (was Rentner/Pensionäre sowie in der GKV nicht beitragspflichtige Hausfrauen und Kinder einschließt) werden die steigenden Kosten der GKV nicht auffangen (58 Mio. Beitragszahler, 16 Mio. gratis mitversicherte). Selbst wenn wir alle in die GKV zwängen und auch noch anfangen, Kinder am Fließband zu produzieren, würde das die gratis mitversicherten Personen erstmal weiter in die Höhe treiben. Beamte (aka PKV-Mitgliedsgruppe Nr. 1) werden statistisch außerdem älter als andere Berufsgruppen und belasten die GKV dadurch länger.
Hinzu kommt das System der Kostenteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Rentner haben aber keinen Arbeitgeber mehr, die haben die staatliche Deutsche Rentenversicherung. Gesetzt dem Fall sie haben das KV-Wirrwarr durchstiegen und sind glücklich in der Krankenversicherung der Rentner gelandet, dann wird deren Arbeitgeberanteil von der deutschen Rentenversicherung übernommen - also von jedem rentenversicherungspflichtigen Menschen und dem deutschen Bundeshaushalt, was auch wieder nichts anderes bedeutet als: jeder Steuerpflichtige. Das ganze System wurde nach dem Krieg konzipiert, als Adenauer noch behauptete "Kinder kriegen die Leute immer" und die Leute im Schnitt vielleicht 65 Jahre alt geworden sind, aber keine 78-83 Jahre wie heutzutage. Jedes heutzutage geborene Kind hat gute Chancen 90-100 Jahre alt zu werden. Das wäre dann ohne Anpassung des Renteneintrittsalters ein Drittel der Lebenszeit außerhalb des Erwerbslebens, also eine Phase, in der keine substantiellen Einkommenszuwächse mehr zu erwarten sind. Diese Leute trifft jede Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge, die bei den erwartbar steigenden Kosten ganz sicher kommen werden, um ein Vielfaches härter als Menschen im Arbeitsleben mit Chance auf Gehaltssteigerung. Bei einer wachsenden Zahl an wahlberechtigten Rentnern bin ich mir nicht sicher, ob die Politik das ganze generationengerecht lösen wird.
Lunarius hat geschrieben: ↑25. Sep 2024, 15:31
Avantenor hat geschrieben: ↑25. Sep 2024, 10:42
Ehrlich gesagt find ich das System der GKV das Problem, weniger die PKV. Die GKV denkt sich immer "er könnte ja morgen sterben, lieber nochmal abwarten, möglichst nicht zu viel Geld reingeben"...
Also das hab ich persönlich noch nie gehört und wäre auch eine Straftat. Man mag noch so wenig vertrauen haben aber das ist ja schon fast die gleiche unterstellungsebene wie das der Staat mit Chemtrails alle vergiften will. Tatsächlich glaube ich das es genau anders rum ist, das es ohne Private besser funktionieren könnte, aber kann ich leider nur mein bauchgefühl anbieten, am ende wäre es vermutlich einfach nur anders.
Nein, das wäre keine Straftat, denn niemand verweigert Dir Behandlungen, sofern Du sie bezahlen kannst. Die Aussage ist sicherlich überspitzt, aber bspw. lediglich Zahnfüllungen zu bezahlen, die rund 10-15 Jahre halten, finde ich bei 20 - 30-jährigen zynisch. Denn wenn die Füllung ausgetauscht werden muss, dann muss mehr vom gesunden Zahn abgeschliffen werden, um eine saubere Oberfläche für die neue Füllung zu bekommen. Und ein 30-jähriger wird sicher nicht nur 45, sondern vermutlich auch 60. Ganz generell hat das System eine starken Fokus auf Krankheit, statt Gesundheitsvorsorge.
Also eine Einfache Brille zur Korrektur einer Sehverschlechterung kostet mich aktuell 20 € mit Rahmen. Natürlich hab ich da Zeug wie Lotus Effekt, entspiegelung, gleitsicht, polarisierung und was es da noch so gibt alles nicht mit bei. Kann trotzdem gut durch gucken
Fragt man sich tatsächlich, warum das nicht von der Kasse bezahlt werden kann, gerade wenn jemand 2.000 € brutto verdient.
Avantenor hat geschrieben: ↑25. Sep 2024, 10:42
...Aber so ein Einheitssystem wie der NHS in Großbritannien hat nicht zu besseren Gesundheitsversorgung beigetragen. Freund von mir wurde schon gebeten, er solle seine Mullbinden bitte möglichst selbst mitbringen, weil sonst jemand anders keine bekäme.
Und in Amerika wird nur das Akut lebensbedrohliche behandelt solltest du kein geld oder entsprechende Zusatzversicherung haben. Ist der gleiche vergleich und führt nirgens hin ausser um festzustellen das es anderswo halt anders läuft
Worauf würde die Abschaffung der PKV und Heilfürsorge Deiner Meinung nach hinauslaufen? Auf ein amerikanisches System oder einen NHS? Wir hätten ein Umlagesystem, das im Zweifel aus der Staatskasse gestützt werden muss. Woran krankt der NHS? Nicht zuletzt an den Streichungen der staatlichen Zuschüsse. Und wenn Jens Spahn Krankenkassen dazu zwingen kann, ihre Rücklagen aufzulösen und Geld daraus für politische Vorhaben abzuzuziehen (für Beitragssenkungen für Betriebsrentner), dann wurde da vermutlich weniger an die Kinder, als das potentiell eigene Wählerklientel gedacht.