Torgau hat geschrieben: ↑19. Aug 2021, 19:29
Ebenso besteht die bequeme Tendenz persönliche Ansprachen sehr viel rigoroser zu bestrafen, als fragwürdige Gesamtansichten.
Wenn (überspitzt) der blaue User sagt, dass grüne Menschen mit Rüben beworfen gehören und ein grüner User darauf antwortet, dass es wohl hakt, dann darf sich regelmäßig der grüne User für ein paar Tage aus dem Forum verabschieden.
Das hatten wir schon mehrfach hier diskutiert. Nach wie vor halte ich das für eine illiberale Ansicht. Wenn wir über eindeutig beschissene Aussagen reden, werden die gesperrt. Das passiert bereits. Aber ansonsten halte ich es schlicht für falsch eine unbequeme Ansicht, die im vernünftigen Ton vorgetragen wurde, direkt zu moderieren. Unbequemen Aussagen ist erstmal im Dialog zu begegnen, nicht mit Zensur. Wir sind hier alle erwachsen und wir halten auch Meinungen aus, die unseren widerstreben. Wir sind hoffentlich offen diese Meinungen zu diskutieren und mit Gegenrede zu erforschen, anstatt eine Meinung, die uns querläuft, einfach wegstreichen zu wollen.
Mir ist schon klar, dass hier dann häufig zusätzlich unterstellt wird, der Gesprächspartner würde nicht im guten Glauben argumentieren, man sieht da Dogwhistling und dort anderweitig kodierte Sprache und Implikationen. Aber bei diesen ganzen "Intangibles" ist es nunmal schwierig, eine vernünftige Moderationslinie zu finden. Ich würde aber denken, dass wir uns da doch besser zugunsten einer wohlwollenden Betrachtung und eines freien Austauschs von Meinungen irren sollten?
Und ja, das gilt nicht dort, wo persönliche Angriffe stattfinden. Weil das etwas kategorisch anderes ist, als wenn man über allgemeine politische, kulturelle oder weltanschauliche Dinge diskutiert. Das typische Argument ist dann oft, die Aussage impliziere einen Angriff auf bestimmte Gruppen etc und sei deswegen noch erheblich schädlicher. Bei Dingen, die viele derjenigen vor 10-20 Jahren selbst noch genau so gedacht oder gesagt, zumindest aber nicht hinterfragt hätten, ohne sich aber in der Rückschau als furchtbare Arschlöcher zu begreifen. Man selbst war halt noch dumm. Aber wenn heute jemand Dinge sagt, die ähnliche Dummheiten implizieren, ist er, wenn nicht ein Nazi im Schafspelz, doch mindestens ein Troll.
Dieses Mindset finde ich falsch und finde ich auch kontraproduktiv. Warum irrt er sich nicht einfach nur? Warum kann man nicht zu einem Sinneswandel beitragen, der dann aber natürlich nicht sofort geschieht? Ja, viele von euch haben sich schon anderswo an solchen Diskussionen wundgerieben, aber das bedeutet nicht, dass sie deswegen hier an dieser Stelle unterbunden werden müssen. Weil ihr gerade vom Marathon kommt, wird unser Dauerlauf nicht abgesagt. Legt euch ein paar Tage auf die Couch, bevor ihr wieder in den Startblock steigt.
Ich habe es schon 100x geschrieben: Wenn es mir gelingt auf euch alle ruhig und vernünftig zu antworten und meine Sicht dazulegen, dann darf ich das auch von jedem von euch erwarten. Wer der Meinung ist, eine Grenze wurde überschritten, der nutzt die Meldefunktion. Wenn die Moderation dann zu dem Ergebnis kommt, dass wir das zulassen oder zumindest erstmal noch abwarten oder mit dem gemeldeten User per PM diskutieren wollen, dann ist das so. Wer das nicht ertragen kann, muss eben gehen. Es gibt von mir für bestimmte Positionen sicherlich mehr Wohlwollen, als für andere. Aber die Grenzen dafür ziehen wir, nicht ihr. Wenn eure Toleranzgrenzen andere sind, als unsere, dann haltet euch von den entsprechenden Threads einfach fern, blendet User aus oder - auch wenn das nicht mein Wunsch ist - lasst es eben gut sein, mit dem Forum.
Was mir nämlich andere Frauen auch berichten ist: Gerade auf Threads wie diesen hier, haben sie ganz allgemein keinen Bock und zwar wegen Aussagen von beiden Seiten des Zauns. Die stören nicht die Ansichten, die stört der Tonfall und die Stört die Atmosphäre, die auch durch die Kritik aus dem "pro Frauen"-Lager geschaffen wird. Und noch weniger Lust haben sie, das öffentlich zu schreiben und sich dann dafür zu rechtfertigen. Genauso wie eine Tonne weiterer User oder Userinnen, die sich nicht zu irgendeinem Geschlecht bekennen, mir aber dennoch PMs schreiben und sich dafür bedanken, dass hier versucht wird eine ausgewogene Linie zu vertreten, die aber ebenfalls dankend abwinken, sich hier einzubringen. Weil diese Polarisierung abschreckt, ausgrenzt und die Debatte tötet, bevor sich je alle Stimmen einklinken konnten.
Ergo erneut die Bitte: Es muss doch möglich sein, dass wir auch bei den kontroversen Themen einfach mal auf der Sachebene bleiben. Ein bisschen mehr Dialektik, das sollte einfach drin sein. Mein Wunsch ist nämlich ein interessanter Austausch von Ideen, Gedanken und Erlebnissen im Forum. Das sollte ja in einem Thread, in dem andere Perspektiven gewünscht werden, eigentlich Zustimmung finden.
Andre