Zurzeit erscheint vom Podcast "
Down to the Detail" ein Gothic Playthrough. Der Podcast ist erstklassig produziert (er wurde sogar von Stay Forever mit einer Folge in deren Feed empfohlen) und bringt das Gothic Feeling wieder hoch, mit einer
netten Überraschung.
Inspiriert von ihren ersten Folgen, habe ich mich nach etwa 11 Jahren an einen erneuten Anlauf gemacht,
Gothic endlich durchzuspielen. Das letzte Mal hörte ich in der neuen/freien Mine im 4. Kapitel aus mir nicht mehr bekannten Gründen auf.
Heruntergeladen und installiert war es blitzschnell (Guide zur Grafikaufwertung:
https://forum.worldofplayers.de/forum/t ... Aufwertung): 15-20 Minuten und alles funktionierte.
Wie geschrieben: Ich hatte zuvor Gothic 1 "nur" einmal fast durchgespielt. Nie zuvor oder danach mehr angefasst.
Die Grafik war damals sehr hässlich. Deswegen ist meine Nostalgie auf Gothic 2 und 3 bezogen.
Mit den Grafikmods sieht es hingegen wunderbar auf WQHD aus, besser als Gothic 3, allerdings sind die Gelände- und Gebäudetexturen polygonarm. Es läuft bei mir mit konstanten 165 FPS (von mir darauf gedrosselt wegen GSYNC und damit mein PC nicht zu heiß wird), bei der Gothic 2 Mod Legend of Ahssun hatte ich dagegen nur unkonstante 30-100 Frames bei ähnlicher Grafikqualität und D3D11 Renderer Einstellungen.
Wenn man auf das Bild schaut, sieht man das
spartanische HUD - es gibt nur einen Lebensbalken. Mehr braucht man nicht.
Wenn man eine Karte braucht, klickt man "m", die Schnellauswahltasten 1-0 muss der Spieler auswendig kennen (dazu sollte man in der Lage sein, besonders weil man als Kämpfer nur wenige Tasten benötigt).
Keine Minimap, kein Questlog. Das Mana wird nur angezeigt, wenn man es benötigt. Herrlich!
Neuere Rollenspiele gehen den Weg zwar etwas zurück zu diesem immersiveren HUD, aber lassen dann dem Spieler die Option frei zu wählen, was er angezeigt haben möchte. Bei z.B. Elex, The Witcher 3 oder AC: Odyssey war das möglich - die Quests aber noch so designt und zahlreich, dass man sich damit das Spiel nur verlängerte, anstatt immersiver zu gestalten.
Auch anders im
Vergleich zu modernen Rollenspielen: Gothic besitzt nur wenige Quests. Fast alles sind Hauptquests, wovon einige nicht Pflicht sind, aber als "Wahlpflichtquest" klar zur Hauptquestreihe gehören. Echte Nebenquests gibt es nur sehr wenige, die Längste ist "Der Fremde" in Kapitel 4 oder 5, wo man einem mehrteiligem Rätsel quer über das Minental geschickt wird.
Auch besonders zu allen anderen "Action"-Rollenspielen ist, dass man sehr lange keine Menschen tötet. Man muss sogar erst im Schläfertempel andere Menschen töten. Vielleicht kann man es sogar ohne zu Töten es schaffen, aber das mit dem
wird etwas schwierig, weil er den Helden stunt. Mein erster Killmove galt Bloodwyn in Kapitel 4. Der hat es nicht besser verdient.
Um meine Antike Erzrüstung zu verbessern, habe ich aber später mit der Armbrust noch alle
Gardisten und Erzbarone getötet, bis auf Thorus - der ist nett in G2 & 3
- getötet.
Warum mit der Armbrust? Mit allen Waffen haut man Menschen nur um. Böse gestimmte Menschen greifen nach ihrem K.O. immer noch mit ihren Fäusten an, was etwas nervig ist. G2 & 3 erkennen diese Situationen und lassen den Helden derart aggresive NPCs mit Nahkampfwaffen ebenfalls töten.
Witzig ist übrigens, dass "schwache" Gegner, wie Banditen, Schatten und Buddler von einem fliehen.
Zu den Kapiteln:
- Kapitel: Extrem gut, auch noch heute Maßstab im Rollenspielsektor.
- Kapitel: Hatte schon vieles davon in Kap 1 erledigt (alte Mine Minecrawler)
- Kapitel: Wo fängt das an? Jedenfalls viel zu leicht, das Spiel wird zum reinen Laufmanagementspiel. Zum Glück gibt es Geschwindigkeitstränke, die man ab diesem Zeitpunkt immer aktiv haben sollte.
- Kapitel: Toller Plottwist
Einsturz der alten Mine, Tötung aller Feuermagier, Einnahme der freien Mine durch die Gardisten,
leider schlecht umgesetzt (die Charaktere wurden mit "kill" zu Beginn des Levels getötet) und der Schwierigkeitsgrad ist viel zu leicht - mein Held bewegte sich, ohne dass ich es darauf anlegte, auf Gottähnlichem Niveau. Bei der Erzählung des 4. Kapitels fehlte die Entwicklungzeit und ein gutes Addon. Vielleicht schafft das Gothic Remake, dieses Kapitel auf seinen für sich bestimmten Thron zu setzen? Das Ulu-Mulu verdient eine eigene Erwähnung.
- Kapitel: Orktempel. Schalterrätsel & Tempel? Hat wer Risen gesagt? Naja, die Stimmung ist gut, man erleidet zwar etwas Schaden, aber man ist hier schon unendlich reich.
- Kapitel: Der Schläfer, Uriziel, Erzrüstung. Die Vorbereitung auf den finalen Kampf fand ich ziemlich cool. Hätte mir nur noch mehr in Bezug auf das alte Lager gewünscht. Der Endkampf ist schlecht umgesetzt, aber hübsch inszeniert (siehe Bild im nächsten Spoiler)
Pros & Cons
Veraltet/Schlecht/Bugs:
- Feindanimationen: Hakelig, bleiben oft Hängen, ziehen Waffen zu spät
- Feind-KI: Betrifft auch noch viele moderne Spiele, dass man einzelne Gegner zu leicht und immer wieder von der Gruppe Weglocken kann
- Balance: Anfangs ist das Spiel noch schön schwer, aber wenn man rollenspieltypisch sich etwas spezialisiert, wird man früh übermächtig. Das Schadensystem funktioniert so, dass man lange keinen Schaden macht, bis man einen Schadenswert überschreitet und dann werden die Gegner schnell viel zu einfach (gleiches Balanceproblem betrifft Elex)
- Laufmanager: Ab Ende Kapitel 1 läuft man mehr, als dass man etwas anderes macht. Es gibt zu wenig zu tun, wodurch man von Punkt A nach Punkt B läuft, ohne dass etwas auf dem Weg passiert. Vom Sumpflager zum neuen Lager sind das etwa 10 Minuten, mit Geschwindigkeitstrank immer noch ca. 5. Später gibt es Teleportrunen
- Kampfsystem: Veraltet. Blocken, Ausweichen etc. gibt es nicht. Der Kampf ist ein Rythmusspiel
- Abstürze: Bei mir wurde etwa alle 30 Minuten der Bildschrim schwarz (beim Speichern oder Laufen). Da half nur ein Beenden über den Taskmanager. Wenn man das gewöhnt ist und häufig speichert, ist man aber in 20 Sekunden wieder im Spiel drinnen.
- Das alte Lager in den letzten Kapiteln: Daraus hätte mehr gemacht werden müssen.
- Ab dem 2. Kapitel gibt es nur noch wenig in den Lagern zu tun, weil es (fast) nur noch um die Hauptgeschichte geht. Dadurch wirken sie leblos.
- Endkampf
Immer noch (sehr) gut:
- Levelsystem: Das Aufleveln und das Lernpunktesystem ist gerade im Vergleich zu heutigen Spielen noch sehr motivierend. Man wird spürbar mit jedem Level stärker und kann mehr.
- Xardas
- Lootsystem: Rüstungen gibt es nur zu bestimmten Anlässen und haben deshalb eine emotionale und anekdotenhafte Bedeutung ("für die Crawlerplattenrüstung musste ich die Mine befreien"). Nichts ist zufällig, alle Waffen sind handverteilt. Hübsche, "Fantasy"-Waffen. Nichts blinkt, keine 17 Werte (sondern 4: Schaden, Reichweite, Anforderung, scharf oder stumpf), nur die Reichweite und die Klingenart hätte Pyranha Bytes dazu schreiben dürfen.
- Charaktere: So wenig die Charakter auch sagen dürfen, man erhält innerhalb dieser paar Sätze eine genaue Vorstellung von ihnen und ihren Platz in der Welt.
- Weltdesign: Die Kolonie macht Sinn. Es ist eine durchdachte Welt. Dass die meisten Waren von außerhalb durch die Barriere gebracht werden hilft der Immersion. Reisschnaps machen die im freien Lager, Sumpfkraut die Sektenspinner. Die Wälder fühlen sich gefährlich an, sind dunkel. Nach einiger Zeit spawnen neue Tiere und Monster, man kann sie nicht alle töten - sonst hätten die anderen im Lager sie bereits ebenfalls getötet.
- Das HUD: immersiv, einfach, klar, wie oben ausgeführt
- Kampfanimationen in Abhängigkeit vom Skilllevel: Ist der Held oder ein NPC unausgebildet, hält er das Einhandschwert mit 2 Händen, hat er z.B. die Armbrust aber gemeistert, kniet er ein Bein hin zum Schießen. Jede Waffe hat 3 dieser Stufen (unausgebildet, ausgebildet, gemeistert), bei NPCs kann man sehen, wie stark sie so in etwa sind.
- Der Sternenhimmel: Bild im Spoiler, sieht in echt beeindruckender aus, als auf dem Bild
- Mainquestfokus: Es ist nur logisch, dass sich der Held nicht um die Belange der einzelnen Lager kümmert, wenn man alles Lösen kann, indem man den Schläfer tötet.
- Die Musik und Soundkulisse: Ich bin ein großer Fan von Kai Rosenkranz Arbeit in den Gothic Teilen. Alles klingt stimmig & extrem gut. Das Cameo von in extremo passt überraschend gut in die Welt.
- Immersion: Durch diese Faktoren erlangt Gothic einen sehr hohen Immersionsgrad, den man in modernen spielen oft vermisst. Das liebe ich an diesem Spiel
Fazit: Besonders mit den Grafikmods, sollte man davon nicht zurückschrecken, es heute noch zu spielen. Es macht viele Sachen besser als aktuelle Spiele, hat aber auch Schwächen, die jeder subjektiv für sich gewichten muss.
Spielzeit: Etwa 25-35 Stunden.
Weitere Screenshots:
https://imgur.com/a/o6uWwM8