Wie läuft das bei der "Clearingstelle" eigentlich genau ab: Gibt's da Anhörungsmöglichkeiten für potentiell künftig gesperrte Anbieter, Widerspruchsverfahren; gibt's da einen Beirat, sind die Rechenschaft schuldig, gibt's Transparenzpflichten? Die sind ja eine Selbstregulierung, sogar irgendwie ko-staatlich durch die Bundesnetzagentur.
Ich weiß ja nicht, hat leicht privatisiert-dystopischen Anstrich imho, dem Trend des NetzDG folgend. Ist auch eh reichlich Don-Quixote-mäßig imho: die erste gesperrte Seite ist direkt unter neuer Domain wieder online und DNS-Sperren sind ja wirklich nicht schwer zu umgehen (da wird imho wirklich fast niemand faktisch technisch ausgeschlossen). Fragt sich, was das dann bringen soll, außer
irgendwas zu machen, irgendwie zu ächten oder eben den Weg für künftig potentiell härtere Maßnahmen zu ebnen.
Und wie groß ist der Schaden von tatsächlich "strukturell urheberrechtsverletzenden Webseiten" wirklich, nutzen solche Plattformen denn nicht auch: gerade finanziell weniger gut Gestellte erhalten dadurch kulturellen Zugang? Oder wie ist es um die Archivfunktion durch solche Seiten? Sind solche Studien eigentlich noch aktuell:
https://netzpolitik.org/2017/eu-kommiss ... tlichkeit/ ("In general, the results do not show robust statistical evidence of displacement of sales by online copyright infringements."). Gleichen die Vorteile, vielleicht 5% mehr Umsatz, diese Nachteile aus?
Ich hoffe dann aber zumindest, dass deren Sperrempfehlungen kompetenter sind als die Verlautbarung zum Jugendmedienschutzrecht in ihrem FAQ:
"Das Jugendmedienschutzrecht unterscheidet zwischen absolut unzulässigen Inhalten, deren Besitz und Verbreitung für jedermann in Deutschland verboten und strafbewehrt ist, und solchen Inhalten, die grundsätzlich erlaubt sind und aufgrund ihrer entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkung bloß Kindern und Jugendlichen gegenüber nicht zugänglich gemacht werden dürfen."
https://cuii.info/faq/
Da kann man froh sein, dass die auch tatsächlich nicht jugendschutzrechtlich tätig sein wollen. Warum das imho totaler Quatsch auf mehreren Ebenen ist, pack ich aber in einen Spoiler, da relativ off-topic und ich eh den Eindruck habe, dass ich tendenziell exzessiv zu dem Thema hier schreibe.
Also der Teil bezieht ja offenkundig auf den JMStV. Dieser unterscheidet aber nicht nur zwischen "absolut unzulässigen Inhalten" (§ 4 Abs. 1 ) und "entwicklungsbeeinträchtigenden" Angeboten (§ 5), sondern auch "relativ unzulässigen Inhalten" nach § 4 Abs. 2 (u.a. Standard-Pornografie), also nur zulässig mit Altersverifikation für geschlossene Benutzergruppen, was grundsätzlich auch unter § 4 JMStV läuft, der etwas irreführend "unzulässige Angebote" betitelt ist.
Die vermeintlich "absolut unzulässigen Inhalten" dürfen natürlich aber auch noch besessen werden, wo kommen wir denn da hin...Also zur Erinnerung, das betrifft einen Haufen (hochgradig kulturell relevanter) wegen Gewaltdarstellung nach § 131 StGB inkriminierter Medien, von denen ich mir sicher bin, dass ein nicht geringer Teil im Forum hier eines besitzt, sei es ein Spiel oder Film, ggf. auch nur früher inkriminiert gewesene Medien; das betrifft sogar nur auf Listenteil B/D-indizierte Medien, die nicht einmal je von einem Gericht beschlagnahmt worden, sondern halt nur von einem pluralistisch besetzten Behördengremium auf eine Liste gesetzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 11).
Dazu kommt, dass nach dem JMStV nur gewisse "offensichtlich schwer jugendgefährdende" Medien strafbewehrt sind, gemäß § 23. (Da auch das schöne Wort "offensichtlich" wieder.) Der Großteil ist nach dem JMStV eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 24, also droht keine Freiheits-/Geldstrafe, sondern nur Bußgeld.
"bloß Kindern und Jugendlichen gegenüber nicht zugänglich gemacht werden dürfen" im Kontext von entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten ist auch falsch wegen akzeptierten Möglichkeiten wie das Kennzeichnen für Jugendschutzprogramme (JusProg), Uhrzeitsperren, (relativ wenig anforderungssreiche) technische Mittel, Angebotstrennung oder sog. geschlossene Systeme (wie bei der Nintendo Switch).
Na ja, das deutsche Rechtssystem ist halt kompliziert. Q.E.D.
Will mir auch nicht anmaßen, der letzte Experte zu sein und nie falsch zu liegen bei dem Thema. Aber so'n Quatsch eh.