Dishonored und ähnliche Spiele gehe ich grundsätzlich mit "no kills, no detections" an, wo es möglich ist, da fühle ich mich nicht OP. Apropos ähnliche Spiele, ich finde, es wird mal wieder Zeit für eins. Packt mal den ganzen Mist beiseite und macht Euch an die Arbeit, liebe Entwicker! (Aber nicht crunchen, so lange kann ich jetzt auch noch warten.
) Oder vielleicht kann ja jemand was schon existierendes empfehlen? (Außer die bekannten Marken, die habe ich schon durch.)
Meine Spielzeit ging in letzter Zeit für
Road 96 drauf. Roadtrip per Anhalter durch einen totalitären Staat auf dem Weg zur Flucht über die Grenze?
Das klang zu interessant zum Verpassen. Auch die Erzählstruktur, dass man unterwegs die Geschichten anderer Charaktere ausschnittweise in mehr oder weniger zufällig ausgewählten Häppchen mit erlebt und mitgestaltet und nicht so sehr die eigene, ist interessant. Von daher hat es mich zunächst überrascht, dass man nicht als ein richtiger Charakter das Spiel durchfährt und -läuft, sondern als eine Abfolge von namenlosen Teenagern, die es nacheinander über die Grenze schaffen oder eben nicht, aber das erweist sich narrativ als guter Kniff. So können sich Ereignisse über einen gewissen Zeitraum entwickeln, ohne dass der eine Charakter auf künstlich wirkende Weise überall auftaucht, wo was los ist, obwohl er/sie eigentlich schnurstracks zum Grenzübergang will.
Das war es dann aber leider auch schon, denn leider ist das Spiel viel zu cartoonhaft und überzeichnet, sind Story und Worldbuilding teilweise ans Infantile grenzend und im Detail auch schlecht geschrieben. Gerade bei so einem Thema hätte ich mir eine reifere, ernsthaftere Herangehensweise gewünscht. Zugute halte ich dem Spiel, dass die Geschichten unterhaltsam sind und es trotz ein paar Längen hier und da nicht langweilig wurde, auch schon wegen der gebotenen Abwechslung. Desweiteren scheint mir das Versprechen, jeder Reise sei anders, eingelöst zu sein, denn es wird nicht nur ausgewürfelt, welche Abschnitte man in welcher Reihenfolge zu sehen bekommt, sondern man erwirbt auch charakterübergreifende Skills und ob man so einen jeweils schon hat oder nicht, ist abhängig vom schon erlebten. Auch die Entscheidungen die größere Geschichte(n) betreffend wirken, als ob sie Gewicht haben und insbesondere das (die) Enden beeinflussen. Leider denke ich aber auch, dass nicht viele überhaupt Lust haben werden, das Spiel mehr als einmal oder vielleicht maximal noch ein zweites Mal durchzuspielen. Trotzdem ist es aber toll, beim Spielen das Gefühl zu bekommen, dass man ein individuelles Abenteuer erlebt, selbst wenn man es dann dabei belässt.
Im Gameplay schwächelt Road 96 leider, denn man wird zwar mit einfachen Rätseln und Minispielchen bei Laune gehalten, spielt aber letztlich einen Walking Simulator mit extrem aufgesetzt wirkenden und quasi irrelevanten Mechaniken. Z.B. hat man eine Energieleiste, die sich je nach Fortbewegungsmethode leert und durch Essen, Trinken oder Schlafen wieder füllt - alleine das schon wirkt schwach, denn es ist kontraintuitiv, wenn ich z.B. Hunger habe, dass sich die Energie dann durch Schlafen wieder auffrischt, obwohl ich danach eigentlich noch hungriger sein müsste - aber dass man wirklich in Ausdauerbedrängnis käme oder etwa kluge Entscheidungen treffen müsste, wie man weiter macht, um mit der Energie hauszuhalten, kommt praktisch nicht vor: nicht einer meiner Teenager ist aufgrund mangelnder Energie nicht über die Grenze gekommen oder konnte sonstige Aktionen deswegen nicht ausführen. Auch die zweite Ressource, das Geld, ist von zu geringer Wichtigkeit. Man bekommt meist fast schon automatisch genug davon, braucht es aber ohnehin selten bis gar nicht und obwohl an bestimmten Stellen zu wenig Geld durchaus Optionen unzugänglich macht, sind diese selten ausschlaggebend und dort, wo sie es sind, wirkt es dann nicht nur willkürlich, ob man genug Geld hat oder nicht, sondern es ist es auch tatsächlich.
Drastisches Beispiel:
Ich entscheide mich mit meinem Teenager an der Grenze dafür, Schmuggler dafür zu bezahlen, mich rüber zu bringen. Erstes Problem ist schon mal, dass ich vorher gar nicht weiß, wie viel ich brauchen werde, d.h. ob ich überhaupt genug habe. Problem zwei: es besteht kein Grund, sich an die Schmuggler zu wenden, denn es stehen auch einfach zu nutzende, andere Lösungen zur Verfügung; man macht es also nur, um es mal gesehen zu haben, so dass es egal wirkt, ob man Geld gespart/gefunden hat oder nicht. Ich latsche also mit der Schmuggeltante mit, irgendwo im Wald will sie dann Geld, $100, und, huch, ich habe nicht genug.
Na dann soll ich halt selber zusehen, wie ich den Wachmann an der Schranke überrede, mich durchzulassen. Ende vom Lied, dieser Jugendliche schafft es nicht über die Grenze, aber ich habe nicht im geringsten das Gefühl, dass es meine Schuld war, denn ich hatte eh schon kaum Einfluss darauf, wieviel Geld ich an der Grenze habe, und hätte auch nicht abschätzen können, ob es reicht.
Und jetzt kommt der Hammer: mit einem anderen Teenager komme ich mit $130+ an die Grenze und denke mir, ich probiere das noch mal aus und sehe, was passiert, wenn man zahlen kann. Im Wald die erste Überraschung: plötzlich soll mich der Spaß nur $50 kosten. Doch dann kommt das Spiel plötzlich nach einander mit Zusatzforderungen um die Ecke, so dass ich am Ende selbst mit den $130 nicht auskomme und wieder bei der Schranke ohne Kohle stehe.
Und da war ich dann doch etwas vor den Kopf gestoßen, denn wenn das Spiel derartig unabhängig von meinem Finanzverhalten entscheidet, was ich darf und was nicht, und dazu undurchsichtig macht, wieviel Geld ich wann überhaupt brauche, dann macht das die ganze Spielmechanik "Geld" zunichte. Zumal man außer bei wenigen solcher Ausnahmen eh nicht viel vom Geld hat bzw. es braucht. Ressourcenmanagement fällt damit als Spielbestandteil weg und man entscheidet sich sehr bald je Reisebalg entweder für "Geld verbraten, wo geht, weil eh egal" oder für "gar nichts ausgeben, weil eh egal".
Fairerweise betone ich abschließen, dass das Spiel schon einigermaßen Spaß gemacht hat und wie gesagt auch in der Erzählung nicht langweilig wird, aber in dem, was ich mir anhand der Beschreibung erhofft hatte, bekam ich leider nicht, was ich wollte. Ich hätte gerne ein Remake mit ernsthafterer Aufmachung und dann entweder gar keine oder ernst genommene Spielmechaniken.