Der verdient eine lange Review:
12 Angry Men (Die 12 Geschworenen)
Eine Jury tritt zusammen um über das Schicksal eines mutmaßlichen Mörders zu befinden. Der Fall ist anscheinend ziemlich klar und es ist ja auch ziemlich stickig im Raum wegen des heißen Wetters, weswegen man fix die Schuld des Angeklagten feststellen möchte. Bei der Abstimmung weigert sich jedoch einer der Männer "schuldig" zu votieren. Ihm geht das alles zu schnell, wo es doch um das Leben eines Menschen geht, denn die Staatsanwaltschaft hat die Todesstrafe gefordert. Fortan versucht er den Fall noch einmal aufzurollen und die anderen auf seine Seite zu ziehen.
Endlich konnte ich eine der größten und schmerzhaftesten Lücken von Klassikern schließen.
"12 Angry Men" findet man eigentlich auf jeder Liste der besten Filme aller Zeiten mindestens in den Top10. In den IMDb-Top 250 steht er auf Platz 5 und auf Letterboxd ist er auf Platz 7 der am besten bewerteten Filme. Bemerkenswert ist, dass er außer einen Goldenen Bären und einen BAFTA für Henry Fonda keinen nennenswerten amerikanischen Preis - wie etwa einen Oscar oder Golden Globe - gewinnen konnte.
Wo fängt man bei der Kritik an? Nun... zum einen wären da die Darsteller. Auch wenn man Henry Fonda etwas herausheben muss, ist das ein ausgezeichnetes Ensemble. Da es sich hier um ein Kammerspiel handelt, wirkt es natürlich wie ein Theaterstück und trotzdem fühlt sich keine der Leistungen theateresk an, was in dieser Zeit des Filmemachens ganz generell oft noch ein Problem war. Alle Emotionen werden authentisch rübergebracht und man hat von jedem Einzelnen der Geschworenen trotz der geringen Zeit ein ausreichendes und pointiertes Charakterprofil, dass die jeweilige Haltung und die getroffenen Entscheidungen zu jedem Zeitpunkt nachvollziehbar macht. Jeder Einzelne befindet sich in einer anderen Lebenssituation, kommt aus einer anderen Schicht, hat einen anderen Beruf, stammt aus einem anderen sozialen Umfeld und ist in unterschiedlichen Verhältnissen aufgewachsen und hat somit unterschiedliche Erfahrungen gesammelt. So hat jeder eine andere Herangehensweise, wie er den Fall sieht bzw. zu welchen initialen Schlüssen er kommt und so unterscheidet sich auch die Herangehensweise wie der von Fonda gespielte Geschworene zu ihnen durchdringen kann. Und so unterscheiden sich auch die Beiträge der Männer, wie sie zur Aufklärung des Falles beitragen. Es ist ein Wahnsinn, was hier alles abgehandelt wird.
Neben der Schauspielleistung ist dafür natürlich auch die grandiose Inszenierung verantwortlich. Bis auf ganz wenige Szenen zu Beginn und zum Ende spielt sich die gesamte Handlung in einem einzigen Raum ab. Das heißt: Die gesamte Figurenzeichnung findet nur über stets geschliffene Dialoge und Mimiken bzw. Gestiken statt. Dass das nicht zu statisch wird, hat man einer stets dynamischen Kamera zu verdanken, die durch den Raum schwebt und auch immer wieder mal Winkel danach verändert, wie die jeweiligen Personen zueinander stehen. Ein Geniestreich. Auch die Lichtstimmung verändert sich immer weiter und unterstreicht die Dramaturgie.
Wie nachvollziehbar, schlüssig und intelligent hier Stück für Stück ein Puzzle zusammengesetzt wird, ist einfach nur faszinierend. Oberflächlich sitzen hier über fast die gesamte Lauflänge zwölf Menschen um einen Tisch und reden. Dennoch hat mich das mehr gefesselt als so mancher Thriller oder Actionfilm.
Das liegt natürlich auch an den ganzen moralisch-ethischen Implikationen die darin liegen: Der Angeklagte entstammt einer Einwandererfamilie und ist somit Vorurteilen ausgesetzt. Was unter anderem auch ein wenig die Frage beantwortet, warum die Ermittler allem Anschein nach schon so schlampig gearbeitet haben. Das Risiko, das Geschworene aufgrund dessen kein tiefgehendes Interesse haben die Wahrheit herauszufinden und neutral abzustimmen, besteht immer. Und natürlich wird damit auch unweigerlich die Frage aufgeworfen, ob so eine Jury überhaupt das richtige Instrument ist, um zwischen Unschuld und Schuld zu entscheiden – schon ab dem Moment, in dem man merkt, dass einer der Geschworen das schnellstens hinter sich bringen möchte, weil er abends noch zu einem Baseballspiel will. Aber auch einfach, weil jeder Mensch Prädispositionen hat und sich mit Neutralität von Natur aus schwer tut. Zumindest war einer beim Aufbau des Justizsystems in den USA so schlau, dass es eine einstimmige Entscheidung sein muss. Und so braucht es nur einen Idealisten, der mutig ist und das Richtige tut. Die bittere Erkenntnis, dass es im echten Leben wahrscheinlich solche Menschen, die nicht nur den Mut, sondern auch die Intelligenz und Social Skills besitzen, sich gegen elf andere Geschworene zu richten kaum oder gar nicht gibt, folgt dann am Ende und lässt einen ganz schön depressiv zurück.
Das, was einen natürlich am meisten mit hineinzieht ist, dass man sich als 13. Geschworener fühlt. Auch wir kriegen anfangs die "Beweise" gegen den Angeklagten vorgelegt, die sich zunächst absolut stichhaltig anhören und irgendwo vertraut man ja einem Gericht. Bis einem dann auch nach und nach immer mehr Widersprüche präsentiert werden und in einem Zweifel wachsen.
Ein absolutes Meisterwerk, das jeder gesehen haben sollte, der sich auch nur annähernd für Filmkunst interessiert.
5 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/12-angry-men/
Trailer:
https://www.youtube.com/watch?v=_13J_9B5jEk
Erhältlich:
https://www.werstreamt.es/film/details/ ... chworenen/