John Wick 4
Ich wusste, dass die ganzen Beteuerungen er hätte seine Laufzeit verdient Schwachsinn sein würden und so war es auch. Die drei Stunden ruinieren den Film nicht, er wird nicht langweilig. Aber er ist schiere Völlerei, ein Action-Director im Fressrausch, der lieber 10x die gleiche Flying-Armbar-Takedown-zu-Kopfschuss-Rolle zeigt, die wir aus drei vorigen Teilen schon kennen, als nur eine Sekunde seines Materials zu schneiden. Immer wieder ist die Choreographie großartig: Wenn John Wick auf dem Champs D‘Elysee Gangster in ein Auto wirft, er überfahren wird und ihn Wick noch in der Luft durchlöchert - toll! Aber das ganze ist versteckt zwischen zu viel Wiederholung sogar innerhalb des gleichen Films, geschweige denn der Gesamtserie. All das auch noch mit echt vielen und auffälligen CGI Blutwolken. Außerdem ist Wick weiterhin ein verkappter Superheldenfilm, mit den albernen schusssicheren Anzügen, die in Comdey wie Kingsmen besser passen würden. Wenn er den Anzug schützend vors Gesicht hält wie Graf Dracula das Cape beim Anblick der Morgensonne, finde ich das lächerlich. Naja. Aber so isses halt, so soll es sein.
Immerhin verzichtet der Film darauf, wieder so viel Loregesülze einzufügen und ist deswegen weniger träge, als der dritte Teil. Aber auch diesmal wird halt einfach Zeug aus dem Hut gezogen: John Wick ist erledigt? Tadaaa, hier ist eine neue Duell-Regel, an die sich der böse Geheimbündler halten muss. An anderer Stelle überschätzen sich dann die Autoren, wenn sie Tarantino-esque Standoffs inszenieren, deren Dialoge und Spannungsbögen aber lächerlich schlecht sind. Wenn Scott Adkins im Fatsuit als Karrikatur eines deutschen Gangsters auftritt und alle Assassinen ihr Schicksal beim Pokern ausknobeln, denkt die Regie scheinbar, das wird wie die Szene im Bierkeller aus Inglorious Basterds. Aber es ist einfach zäh wie Kaugummi. (das Scott Adkins auf dem Iron Throne sitzt, nur aus Lichtkegeln, ist aber wieder nett, wie die Hommage an Hongkong Massacre)
Das Action-Setpiece danach in einem Club wie aus Hitman entnommen, wo Wick Horden von Gangstern zwischen Neonlicht und Wasserfällen zerhackt, ist visuell mega gut. (Aber: die Szene ist erstaunlich unblutig, weil das ganze Digitalblut hier inmitten von Wasser ein sehr viel komplexerer Effekt wäre und man es lieber weglässt, statt mehr praktische Effekte einzusetzen). Die Beleuchtung der realen Sets und Locations im Film ist sowieso großartig. Absolut top. Umso bedauerlicher, wenn der Film gegen Ende dann immer mehr in digitale/digital erweiterte Szenerie mit 300-sepia-Bloom abkippt.
Unterm Strich: Immer noch zwischendrin absolute Action-Sternstunde, visuell über weite Teile hervorragend - aber unnötig gestreckt und aufgebläht und leider erzählerisch schwach. Man merkt auch inzwischen bei Keanu das Alter sehr, wenn man in den Choreographien darauf achtet, wie langsam er wirklich agiert, anstatt sich von Sound und Schnitt foppen zu lassen. Emotional war ich völlig entkoppelt. Das ist nur noch Spektakel, aber wer da lebt oder stirbt, ist egal (außer, natürlich, wie immer: der Hund! Der zum Glück diesmal ungeschoren davon kam). Die Stakes scheinen auch niedriger denn je: Wird es John Wick schaffen, diesen Middle-Manager der Illuminaten zu erschießen um sich (zum Xten Mal) und seinem für uns bedeutungslosen Sidekick die Freiheit zu sichern? Don’t know & don’t care!
Im Grunde die moderne Big Budget Version meiner geliebten Martial-Arts-Filme, bei denen man auch bei Handlung immer Vorspulen konnte.
Bin eher enttäuscht, dass das so unnötig schlechter ist, als es sein könnten/sollte. Aber schon immer noch ganz gut unterhaltsam.
Andre