Halloween (2018)
Ich bin gefragt worden, ob ich nicht mit in die Vorpremiere möchte, von alleine wäre ich wohl kaum reingegangen. Ich habe dennoch einiges zu dem Film zu schreiben.
Zunächst ein paar Worte zu meiner Beziehung zu Halloween. Selbst gesehen habe ich, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, bloß das Original von 1978, dann den furchtbar öden Halloween H20 und nun eben das Sequel-Reboot zum vierzigjährigen Jubiläum. Über die übrigen Filme bin ich dennoch etwas informiert, da ich diverse Videos und Videoreihen über der Filmreihe gesehen habe.
Da ich den ursprünglichen Halloween etwas spät gesehen habe, hat er mich persönlich nie so sonderlich gut abgeholt, alles fühlte sich bekannt an. Ich respektiere ihn für seine filmhistorische Bedeutung und erkenne die Qualität an, wirklich geliebt wird von mir jedoch nur die, geniale, Filmmusik.
Nun zum Film selbst. Wie bereits erwähnt, wird hier quasi das Sequel rebootet, das heißt, es ist gewissermaßen der "dritte zweite" Teil der Franchise (nach dem originalen Sequel und Rob Zombies Halloween 2). Das heißt, dass im Universum dieses Filmes nur die Handlung des Originals stattgefunden hat. Der Film spielt nun vierzig Jahre nach den damaligen Ereignissen ind Haddonfield, Illinois. Laurie Straude (Jamie Lee Curtis) hat eine Tochter und auch eine fast erwachsene Enkeltochter und eine Tonne von psychologischen Problemen, die Ereignisse um die Halloweennacht von 1978 haben sie nie wieder losgelassen. Michael Myers ist in dieser Welt seit vierzig Jahren in der Psychiatrie, ohne jemals wirklich behandelt worden zu sein, da er mit niemandem spricht. Die Einführung in die Handlung erfolgt durch zwei Reporter, die für einen Podcast zum vierzigjährigen Jahrestag der Morde recherchieren und zunächst Michael in der Psychiatrie und später Laurie in ihrer heimischen "Festung" aufsuchen (sie bewohnt tatsächlich ein extrem stark gesichertes Haus irgendwo in der Wildnis und verhält sich entsprechend Paranoid).
Auch wenn der Film stark vorhersehbar ist, spare ich mir ausserhalb der Spoilertags eine weitere Aufzählung der Handlung und werde zunächst mal bewerten.
Der Film war leidlich okay. Die Macher versuchen offensichtlich einige Fehler und Fettnäpchen zu vermeiden, begehen dabei allerdings einige Andere, weshalb ich das Endprodukt als halbgar beschreiben muss. Es gibt einige interessante Ideen, die aber nirgendwo hin führen (einige Nebenfiguren verschwinden geradezu spurlos aus der Handlung...) und über weite Teile ist es "more of the same". Nach zwei Dritteln gab es eine überraschende Wendung, die das ganze kurzzeitig sehr interessant machte, leider wurde das quasi augenblicklich wieder fallengelassen, was ich sehr bedauert habe.
Wer einfach einen weiteren Halloween-Film sehen will, wird vermutlich ganz gut unterhalten. Wer irgendetwas Neues sehen mag, der ist hier verkehrt. Richtig problematisch wird es für den Film, wenn man ihn neben die starken Thriller und Horrorstreifen der letzten Jahre legt, gegen die verliert er nämlich sehr deutlich. (Da seien beispielsweise Sachen wie It Follows oder Don't Breathe genannt.)
Es mag etwas hart erscheinen, aber ich kann guten Gewissens nicht mehr als
2/5 Punkte geben.
Allerdings kann es auch sein, dass der Film bei mir durch die Synchronisation gelitten hat. Es gab einige Stellen, an denen ich dachte "das war jetzt aber komisch intoniert", oder "so redet doch kein Mensch!?". Letzteres mag natürlich auch ein Problem der Originalsprache sein, das mag ich so nicht beurteilen.
Hinzu kam, dass wir, mal wieder, eine Gruppe Spaten im Kino hatten, die die ganze Zeit durch gelabert haben (bis mir gegen Ende, als es endlich mal wirklich spannend wurde (und dementsprechend still), der Kragen geplatzt ist und ich durch's halbe Kino gebrüllt habe... (Es hat zwar noch viel mehr Leute gestört, aber sonst hatte wohl niemand den Mumm, was zu sagen, also mache ich es von der anderen Seite des Saals aus...))
So, im weiteren jetzt noch ein paar tiefergehende Gedanken zum Film. Kann gut sein, dass ich hier jetzt viel überinterpretiere, aber auf die Art habe ich dann doch noch etwas mehr Spaß mit einem mittelmäßigen bis schwachen Film.
Hierfür muss ich allerdings harte Spoiler über das Ende bringen.
Meiner Meinung nach kann man den Film als eine Art Parabel auf sexuelle Gewalt/Missbrauch und den Umgang damit lesen. Laurie ist eine Überlebende eines Falls von vor 40 Jahren. Seitdem hat sie zahlreiche psychische Probleme, hat getrunken, hat ihre junge Tochter immer für den Ernstfall trainiert, dass Myers zurück kehrt, das Sorgerecht für ihre Tochter verloren, sich von der Familie entfremdet und wartet noch immer, und träumt von Rache. Ihre Tochter ist durch das Verhalten ihrer Mutter verstört, spricht sogar im Film offen davon, dass sie Probleme hatte und hat die von Laurie auf sie projezierte Paranoia und Angst zu verkraften, bis in ihr Erwachsenenleben. Deshalb versucht sie auch ihre eigene Tochter, Allison, von Laurie fern zu halten. Parallel dazu zeigt der Film in einigen Fällen, dass Allison sich als moderne junge Frau durchaus zu wehren weiß. Sie reagiert sehr souverän, als ihr Freund auf der Schulfeier von einem anderen Mädchen geküsst wird und danach versucht sie mit Bullshit wieder friedlich zu Stimmen, noch souveräner ist sie, als sie später von einem gemeinsamen Freund angemacht wird. (Alles typische Situationen, in denen Frauen in Filmen und der Realität oft als "Opfer" gesehen werden, Allison weiß jedoch damit umzugehen und schafft es jeweils "erhobenen Hauptes" und stark aus der Situation heraus zu gehen.) Auch aus ihrer ersten Begegnung mit Myers entkommt sie, da sie sofort reißaus nimmt und sich in Sicherheit begibt. In die Gefahr gebracht wird sie am Ende immer durch die Menschen, die sie ursprünglich beschützen wollten. Am Ende ist sie dann sogar der Schlüssel für den Sieg und die Rettung ihrer Mutter, als sie entgegen den ausdrücklichen Befehl von Mutter und Großmutter nicht flieht, also die Opferrolle aktiv ablehnt, und stattdessen aktiv wird und Michael mit einem Messerstich dazu bringt, ihre Mutter loszulassen und in den Keller (und damit die vorbereitete Falle in der er sterben wird) zurück zu fallen. Wo ihre Großmutter als Mensch die letzten vierzig Jahre quasi von Myers und seiner Tat definiert wurde und seitdem nur noch auf die Rückkehr des Täters wartet, wo auch die Mutter unter dieser Tat zu leiden hat und alles schlechte zu verdrängen und von ihrer eigenen Tochter fernzuhalten versucht, hat Allison die Stärke kein Opfer zu sein und sogar aktiv gegen die Bedrohung, wenn sie auftaucht, vorzugehen. Das hätte mir als Hauptaussage des Films sogar recht gut gefallen, wäre das nicht über die gesamte Länge viel zu unterentwickelt geblieben und durch andere Dinge verwässert worden.
Ich möchte noch zwei andere Dinge ansprechen, die der Film anschneidet, aber dann viel zu schnell wieder fallen lässt, die empfand ich in ihrer stärker dabei nämlich so irritierend, dass man sie meiner Meinung nach besser weggelassen hätte, da man sie nicht vernünftig ausbaut/zu Ende führt.
Zum einen wird über den Film hin und wieder die Frage aufgeworfen, ob Laurie nicht selber zu einer Art Monster geworden ist. Die Reporter sagen das zu Beginn in einer Diskussion ganz explizit, dass ein Monster möglicherweise ein anderes gebirt. Zudem wird dann später eine berühmte Szene aus Halloween kopiert, Allison sitzt im Unterricht und schaut aus dem Fenster, genau wie Laurie vierzig Jahre zuvor. Damals hat Laurie dort Michael Myers stehen sehen, Allison jedoch sieht Laurie dort stehen und sie beobachten. Eine ähnliche Szene gibt es während dem Kampf zwischen Michael und Laurie im Klimax. Michael wirf Laurie aus dem Fenster und sie landet auf dem Rücken im Vorgarten, Michael wird durch ein Geräusch kurz abgelenkt und als er wieder hinunter blickt ist Laurie plötzlich verschwunden. Da wurde eine typische Slasher-Situation invertiert, fast als wäre Michael plötzlich zum Gejagten geworden (was er sogar irgendwie ist, nur wird das, für meinen Geschmack, nicht ausführlich genug heraus gearbeitet, weshalb der ganze Klimax irgendwie nicht so ganz funktioniert wie er vermutlich gedacht war).
Die andere Stelle war die oben erwähnte Überraschung am Ende des zweiten Drittels. Da dreht nämlich plötzlich der "neue" Psychologe durch, der Michael die letzten vierzig Jahre behandelt hat und tötet den Sherrif um Michael das Leben zu retten. Da dachte ich wirklich kurz, dass der Film eine völlig unerwartete Wendung nimmt, jedoch wird der Psychologe dann innerhalb von drei Minuten doch einfach von Myers platt gemacht. Was da an Potential verschenkt wurde ist einfach unfassbar, mir kamen sofort so viele Möglichkeiten in den Kopf, als sicher geglaubte Abläufe des bisherigen Films stellten sich plötzlich ganz anders da und so weiter. Doch bevor die Gedanken so richtig Fuß fassen konnten, war das Intermezzo schon wieder vorbei.... Buh!
2/5