Japan Film-Fest Hamburg 18
God, protect my railroad. ~ Legend of Miki's Red Dragon
Mikina wohnt in einer Kleinstadt und möchte Lokführerin werden. Ihr Vater ist jedoch Priester eines Schreins und wünscht sie sich als Nachfolgerin, was ihr natürlich gar nicht gefällt. Doch dann brennt der Bahnhof ab und der beliebte Zug kann nicht mehr fahren. Es steht in den Sternen, ob die Gemeinde genug Geld aufbringen kann, um die Linie weiter zu betreiben.
Sehr klassisch im japanischen Film geht es hier wieder um den Widerspruch und den Versuch einer Aussöhnung zwischen Tradition und Moderne. Die Eisenbahn fungiert hier als eine Art Lebensader für ein abgelegenes Dorf, die wichtig für Berufs – und Schulpendler, den Einzelhandel und andere Reisende ist und die kleine Siedlung de facto am leben hält.
Dazu kommt noch ein anstehendes Ritual im besagten Schrein, bei dem ein Wunsch erfüllt werden kann und aus dem ein wichtiger Drachengötze verschwindet. Das ist eine nette kleine Geschichte, die darum gesponnen wird, auch wenn der "Bösewicht" etwas aus dem Nichts kommt und in der eigentlich gutmütigen Geschichte arg deplatziert wirkt. Am Ende findet man aber einen sehr liebreizenden Abschluss. "Wholesome" sagt man heute wohl dazu.
3 von 5 Sternen
https://letterboxd.com/film/god-protect ... ed-dragon/
Trailer:
https://jffh.de/de/festivals/22-jffh-20 ... ragon.html
Top 5 Kurzfilme (bis ca. 45 Minuten)
Living Room Queen
Zwei Schwestern können sich auf den Tod nicht ausstehen und landen durch äußere Umstände im selben Schönheitswettbewerb.
Filmisch wahrscheinlich einer der besten Beiträge des Festivals, wobei hier besonders der pfiffige Schnitt auffällt. Dazu gibt es witzige Dialoge, die aber nie die Tragik in der Beziehung der Hauptcharaktere – den Schwestern – überstrahlt. Oben drauf ist das auch noch großartig gespielt von den beiden Damen und am Ende wird es einem ohne zu viel zu verraten sehr warm ums Herz.
Bloody Guys
Ein Mörder und eine Mörderin – beide beschmiert mit Blut - treffen sich zufällig. Auf einer Parkbank kommen sie ins Gespräch.
Ein mutiger Kurzfilm, denn dadurch, dass wir über die Gründe der Taten erfahren, die beiden gegenseitig Empathie zeigen, Reue erkenntlich wird und sie wie zwei ganz normale Menschen wirken, hat man durchaus Mitleid. Meiner Meinung nach entsteht durch diese sehr humanistische Sichtweise aber keine Rechtfertigung und sie ist deswegen legitim. Nicht jeder Mensch der Böses tut ist böse: Das in gerade einmal 27 mit einfachsten Mitteln gefilmten Minuten zu verpacken, ist bemerkenswert.
Und wenn man will – auch wenn ich nicht glaube, dass die Macher es so meinen – kann man das auch komplett anders interpretieren und so verstehen, dass die beiden einfach nur ihre Tat rationalisieren.
No girl is without enemies
Aufgrund der Scheidung ihrer Eltern wird ein Mädchen bald umziehen. Sie weiß nicht so recht, wie sie das ihren Freundinnen aus dem Filmclub sagen möchte, also entscheidet sie sich für einen kreativen Ausweg.
Klein, unaufgeregt und zuckersüß. Feiert Freundschaft genauso wie Film. Am Ende hatte ich sogar etwas feuchte Augen.
Things About My Father
Eine Mutter und ihre Tochter haben gerade den Mann bzw. Vater begraben. Kurzerhand beschließen sie in die alte Bar zu gehen, die er betrieben hat und in der sie zu seinen Lebzeiten nie waren. Dort treffen sie auf drei seiner Stammkunden.
Ich habe es ja schon an anderer Stelle mal geschrieben: Es braucht schon etwas, damit ich einen Klos im Hals bekomme. Das ist diesem Kleinod gelungen, denn es ist eine fabelhafte, bittersüße Abhandlung über Trauer, Trost und Erinnerung. Sehr ruhig und langsam inszeniert, top gespielt und mit einer erstklassigen Kameraarbeit, die oft Fluchtpunkte in die Tiefe lässt und dadurch die emotionale Verlorenheit der Charaktere darstellt oder auch an mehreren Stellen explizit dort etwas zeigt, das die Gefühlswelt der Trauernden verdeutlicht.
Ein ziemlicher Downer, der aber auch etwas Licht am Horizont erstrahlen lässt.
Run Through The Night
Zwei Außenseiterinnen – eine schüchtern, die andere extrovertiert - wird es erlaubt im Raum der Schulschwester zu lernen, weil sie Probleme mit den Mitschülern haben. Die beiden connecten und entwickeln große Pläne.
Erwachsene, setzt die Kinder nicht so unter druck und Bildung ist nicht alles! Das ist die Message. Vor allen Dingen geht es hier aber um Freundschaft und vielleicht sogar um Seelenverwandschaft. Ein großes Lob an den Casting-Director, weil die beiden Schauspielerinnen die nötige Chemie haben, sodass man ihnen in der kurzen Zeit abkauft unzertrennlich zu sein.
Natürlich kann man das auch zynischer sehen und fragen, ob hier nicht eine ziemliche Naivität glorifiziert wird, aber man kann es ja mal als Denkanstoß mitnehmen und nicht als Aufforderung sich genauso zu verhalten.
Zum Abschluss noch
Skurrilitäten
In
Extrenious Matter trifft der allseits beliebte Tentakel-Porno auf Arthaus in schwarz-weiß und 4:3. Man will vor allem schocken, auch wenn man mit viel wohlwollen die Botschaft herauslesen kann, dass man mehr auf Zwischenmenschliches achten sollte, bevor man zu distanziert ist um auf normalen Wege zu lieben... und Sex zu haben.
In
Stool Doll baut sich ein Mann aus seinem eigenen Kot eine Frau. Absolut ekelhaft und ich kann mir vorstellen, dass der ein oder andere sich beim Anschauen erbrechen muss. Für das Publikum von "Two Girls one Cup"... auch wenn man versucht da etwas mehr hineinzubringen, was sich aber eher nach einem Alibi anfühlt mal richtig rumzusauen. Man möchte als Atheist konvertieren um Gott danken zu können, dass es kein Geruchsfernsehen gibt.
In
Change muss eine Frau sterben, wenn sie nicht alle 24 Stunden Sex hat. Gut, dass im wahrsten Sinne des Wortes eine andere Frau über sie stolpert und ihr dabei hilft. Viele lustige Situationen und ein skurriles "Happy End".
Trouble on the Brain Front: Was geht in unseren Köpfen vor, wenn wir sehr dringend einen Stuhlgang abhalten müssen, aber gerade nicht können... z.B. weil wir auf dem Weg zur Arbeit sind und dort sofort in ein wichtiges Meeting müssen? Die Antwort wird hier geliefert – sehr lustig.
Das Festival ist vorbei, aber ich habe noch vier Langfilm-Beiträge, die ich in den nächsten Tagen poste. Dieser Beitrag ist schon lang genug.